1. Presseschau
„Sprachpanscher 2022“ ist Ulrike Lembke
Da schüttelten selbst ihre Jura-Kollegen den Kopf: Prof. Ulrike Lembke (Humboldt Universität zu Berlin) stellte im Dezember 2021 ein Gutachten vor, in dem sie die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ als verfassungswidrig einstufte. In Auftrag gegeben hatte es die Stadt Hannover. „Das war ein lupenreines Gefälligkeitsgutachten, mit dem sich die Stadt Hannover selbst auf die Schulter klopfen konnte“, sagt Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des Vereins Deutsche Sprache (VDS). Lembke rechtfertigte das Gendersternchen mithilfe von Scheinargumenten, sie behauptete sogar, Gerichte würden regelmäßig gegen das Grundgesetz urteilen, wenn sie die sprachliche Gleichstellung der Geschlechter missachten. Das Grundgesetz gebiete die Gendersprache geradezu. „Aus dem Grundgesetz eine Verpflichtung zum Gendern herauszulesen, ist völlig absurd,“ so Krämer, „das Grundgesetz richtet sich explizit an alle Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht oder anderen Unterscheidungsmerkmalen.“ 38 Prozent der VDS-Mitglieder haben sie daher zum „Sprachpanscher 2022“ gewählt. Direkt dahinter auf Platz 2 landete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (22 Prozent). In Fortführung der Gebräuche seines Vorgängers wurde er nicht müde, mit englischen Begriffen um sich zu werfen, wo es sinnvoller wäre, in einer für alle verständlichen Sprache zu kommunizieren: So unterstützte er mehrere „Repurposing Studies“, entwickelte eine „Tracing App“, verfügte eine „Coronavirus-Surveillanceverordnung“ und sagte den „Freedom Day“ ab. Auf den weiteren Plätzen landeten Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann („Willkommen in the Länd“), die Firma Kienbaum Consultants International GmbH („People Convention“, „People Sustainability“) sowie der Oberbürgermeister der Stadt Freiburg (Stellenausschreibungen nur in weiblicher Form). (kulturinfo.ruhr, vds-ev.de)
Bedeutung des Buches in Leipzig unterschätzt
In Deutschland kann man an fünf Universitäten Buchwissenschaften studieren: in Mainz, Münster, Erlangen, München und in Leipzig. In Leipzig lag der wissenschaftliche Schwerpunkt bisher auf der historischen und aktuellen Buchhandels- und Verlagsforschung. Das gedruckte Buch steht seit 28 Jahren im Mittelpunkt. Dies soll sich nach Abschluss des Berufungsverfahrens für die Lehrstuhl-Nachfolge nun ändern. Denn „unter den Publikationen des siegreichen Bewerbers für die Neubesetzung des Lehrstuhls findet sich gerade einmal eine, die sich noch mit Büchern beschäftigt, und auch das eher am Rande“, schreibt die FAZ. Der Chefredakteur des Börsenblatts, Torsten Casimir, sagte in MDR KULTUR, ein anderer Bewerber, der ein ausgewiesener habilitierter Buchwissenschaftler ist, habe das Nachsehen gehabt. „Wenn die Berufung, so wie die Universität sie sich vornimmt, durchgeht, dann ist die Buchwissenschaft als institutionalisiertes Fach weg.“ Die Kulturbürgermeisterin der Stadt Leipzig, Skadi Jennicke, hat die Universität aufgefordert, die Entscheidung zu überdenken. Der Pressesprecher der Universität hält dem entgegen, die Professur werde ja nicht verschwinden, sondern „fortentwickelt“. Für Thomas Thiel in der FAZ ist die Neubesetzung des Lehrstuhl „angesichts von mehr als sechzigtausend jährlich in Deutschland gedruckten Büchern eine komplette Fehleinschätzung der aktuellen Bedeutung des Buchs.“ (mdr.de, zeitung.faz.net)
Maschinen steuern durch intuitive Spracherkennung
Das französische Unternehmen Vivoka hat ein System entwickelt, das die Verbindung zwischen der menschlichen Arbeit und der Maschine vereinfachen soll. Unternehmen könnten so jedes Gerät mit einer Software ausstatten, die mithilfe einer Spracherkennung programmierte Befehle ausführt. Das könne vor allem Fertigungs- und Logistikprozesse verbessern, auch medizinische Geräte können durch intuitive Sprachsteuerung und ohne den Einsatz der Hände bedient werden, das berichtet elektrotechnik AUTOMATISIERUNG. Dabei werde das Programm lokal arbeiten, d. h. es würden keine Daten auf einen Internetserver geladen, sondern direkt mit dem Gerät ausgetauscht. (elektrotechnik.vogel.de)
2. Gendersprache
Undemokratische Genderformen im Rundfunk
Auf Seite 1 der FAZ vom Mittwoch (10.8.2022) bezeichnet Heike Schmoll Genderformen in Hörfunk und Fernsehen als „öffentlich-rechtliche Umerziehung“ und verweist auch auf den Aufruf von mehr als 170 Wissenschaftlern, welche die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten kürzlich aufgefordert haben, das Gendern zu unterlassen. Genderformen im Rundfunk seien „zutiefst undemokratisch“ und sie widersprächen dem Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, so Schmoll. „Die Sprachgemeinschaft erziehen zu wollen, ist eine Anmaßung der öffentlich-rechtlichen Sender, die von niemandem toleriert werden muss.“ Zu beobachten sei zur Zeit, dass sprachliche Marotten einiger Redakteure bereits zur allgemeingültigen Norm erhoben werden. Schmoll hofft auf das Ökonomieprinzip der Sprache, demzufolge die Mehrheit der Sprecher stets die verständlichste Ausdrucksweise wählt, umständliche Sprachformen verschwinden ganz von allein. (faz.net (Bezahlschranke))
Gendern ein Verstoß gegen das Grundgesetz
Der Staat darf seine Bürger nicht zum Gendern verpflichten. Zu diesem Ergebnis kommt der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier. In einem Gutachten für die Theo-Münch-Stiftung für die Deutsche Sprache kommt er zu dem Schluss, dass staatliche Normierung der Sprache zur verbindlichen Verwendung durch alle Bürger im privaten und gesellschaftlichen Bereich ein unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und „damit verfassungsrechtlich unzulässig“ sei, schreibt die Welt. Das gelte auch für die Schulen: „Eine Verpflichtung zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache im schulischen Bereich ist (…) ebenfalls als nicht angemessen im Hinblick auf die verfolgten Ziele zu werten und somit (…) als verfassungsrechtlich unzulässig zu erachten“, heißt es im Gutachten. Dieses gelte zumindest solange, wie sich die vermeintlich geschlechtergerechte Sprache nicht im allgemeinen Sprachgebrauch widerspiegelt. Das könne aktuell jedoch nicht als gegeben betrachtet werden, obwohl sich die öffentlich-rechtlichen Medien und Universitäten dafür stark machen. Das generische Maskulinum bringe auch „keine Geringschätzung gegenüber Personen zum Ausdruck, deren natürliches Geschlecht nicht männlich ist“, es stelle vielmehr nach wie vor den allgemeinen Sprachgebrauch dar. Eine vermeintlich gendergerechte Sprache könnte dazu führen, dass die Kommunikation erschwert wird: Wo „zu stark ausdifferenzierende Konkretisierung auf alle erdenklichen Fälle sowie eine Insidersprache mit langen Wortkombinationen und oft nur bestimmten Kreisen verständlichen Wendungen wie zum Beispiel LGBTQIA*“ vorkommen, könnte die primäre Funktion der Sprache eingebüßt werden. Dennoch, so Papier, stelle sie nicht einen grundsätzlichen Verstoß gegen das Grundgesetz dar. Im Bereich der Amts- und Rechtssprache sei sie in bestimmten Grenzen möglich, wenn die Lesbarkeit und die Verständlichkeit nicht darunter leidet. (focus.de, welt.de (PDF-Datei))
Psycholinguistische Studien sollen Linguisten-Aufruf widerlegen
Damaris Nübling, Professorin für Sprachgeschichte an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, sieht in dem Aufruf der knapp 200 Sprachwissenschaftler von vergangener Woche keinen „Aufschrei der deutschen Linguistik“. Die Unterzeichner würden nicht repräsentieren, wer in Forschung und Lehre aktiv ist, sagt sie in einem Interview in der FAZ. Die große Mehrheit, so Nübling, hätte nie in der Linguistik gearbeitet, nie publiziert. Zudem seien viele Pensionäre unter den Unterzeichnern. Aus Sicht des VDS bestreitet sie damit die Kompetenz der Unterzeichner, sich ein Urteil über sprachliche Entwicklungen zu bilden. Die Argumentation des Aufrufs hält Nübling für wenig wissenschaftlich. Vielmehr würden die Unterzeichner ignorieren, was psycholinguistische Studien zeigen: Vor allem Berufsbezeichnungen wie Arzt, Arbeiter, Richter erzeugten ein männliches Bild (und das sogar stärker als Rollenbezeichnungen wie Zuschauer, Einwohner oder Passant). Sprache könne sich der gesellschaftlichen Diversität nur annähern, „Gerechtigkeit ist eine Illusion“, so Nübling. Aber vor allem Jüngeren sei es ein Anliegen, die Geschlechter in der Sprache stärker abzubilden. Sie appellierte deswegen, entspannt und tolerant zu sein. Verbote oder Vorschriften seien von keiner der beiden Positionen aus gesehen hilfreich. Es würde auch keine neue Sprache vorgeschrieben, auch wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk verstärkt gendert; es gebe lediglich Empfehlungen. Diese schüfen jedoch bei traditionellen Sprechern „einen gewissen Druck, der sie verunsichert.“ (faz.net (Bezahlschranke))
Wolf Schneider sieht deutsche Sprache verhohnepipelt
Als „obersten Sprachlehrer Deutschlands“ stellt die BILD VDS-Ehrenmitglied Wolf Schneider vor, der Genderformen wie „Radfahrer*innen“ – statt Radfahrer, „Zu Fuß Gehende“ – statt Fußgänger oder „verstorbene Drogengebrauchende“ – statt Drogentote“ für eine „Verhohnepipelung der deutschen Sprache“ hält. Die ganze Gender-Debatte sei eine Wichtigtuerei von Leuten, die von Sprache keine Ahnung haben, so Schneider. (bild.de)
Kein „Ugh“ bei Gregor Gysi
In einem Interview in der Welt blickt Gregor Gysi (Die Linke) auf die Lage seiner Partei, vor allem der jüngeren Mitglieder. Diese verstünden häufig nicht , dass Toleranz ein wichtiger gesellschaftlicher Wert ist. Oft ignorierten sie die bedeutenden Inhalte der Linken, es gebe zu viele, „für die Doppelpunkt und Sternchen das zentrale Thema ihres Gefühlslebens sind.“ Er selbst glaubt, dass man die Zustände ändern müsse und nicht die Schreibweise: „Ich bin nicht bereit, in meinem hohen Alter noch in jedem Satz viermal „Ugh“ zu machen. (ahmt Sprechpause bei Binnen-I nach). Man kann sich damit beschäftigen – aber nicht als Partei in der Existenzkrise.“ (welt.de (Bezahlschranke))
Schrebergartendenken
Der Schulleiter und Erziehungswissenschaftler Axel Bernd Kunze kommentiert in seinem Blog ein Interview mit der Inhaberin des Bamberger Lehrstuhls für Bildungsforschung, Ilka Wolter, im Universitätsmagazin uni.kat. „Wie beeinflusst uns Sprache?“ lautet das Thema. Aus ihrer sozialpsychologischen Perspektive finde man kein einziges Argument, warum man das generische Maskulinum behalten sollte, sagt die Bildungsforscherin Wolter da. Für Kunze ist das „disziplinäres Scheuklappentum und Schrebergartendenken“. „Die Kollegin wird sicherlich von ‚Bildung‘ dann auch keine Ahnung haben, sie kann ja nur Sozialpsychologie“. (bildung-und-ethik.com)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Snooker
Dieser britische Billardsport hat seit kurzer Zeit das Fernsehen erobert. Zahlreiche Kameras verfolgen die beiden Spieler, ihre Stöße, das Einlaufen der Bälle in die Taschen und zeigen dazwischen immer wieder das Gesamtbild der roten und farbigen Kugeln auf dem Tisch. Die Kommentare, die der begnadete Snooker-Fachmann Rolf Kalb gibt, erläutern das aktuelle Spiel und geben am Rande (für die Neueinsteiger) Erläuterungen zur Sache. Dabei werden alle für das Spielgeschehen relevanten Snooker-Begriffe verwendet und erklärt. So lernt man Snooker im Fluge verstehen.
Nehmen wir dies als Beispiel für eine charakteristische Situation, in der Lehnwörter in eine Sprache übernommen werden. Die Welt hat von Fußball bis Tennis schon viele in England beheimatete Sportarten kennengelernt und mit ihnen auch deren Terminologie. Ursprünglich spielte man auch in Deutschland aufs Goal und hielt das Racket, erst die systematische Verdeutschungswelle im Kaiserreich, angetrieben vom Allgemeinen Deutschen Sprachverein, hat die meisten Anglizismen der Sportsprache ersetzt.
Beim Snooker können wir hautnah erleben, wie und warum Lehnwörter aufgenommen werden. Billard war ja bis zum 2. Weltkrieg auch in Deutschland populär, deshalb gibt es bereits viele Fachwörter für Tisch, Bande, Taschen, Queue, Pomeranze usw. Hinzukommt nun die Snooker- Spezialterminologie. Wir lernen, was ein Break ist (die ununterbrochene Spielphase eines der beiden Spieler), ein Century Break (mit 100 Punkten), eine Total Clearence (alle Kugeln gelocht), speziell die Safety, ein Stoß ohne Lochabsicht, ein Verstecken eines Balles, damit der Gegner nur riskant weiterspielen kann. Der Schiedsrichter legt die farbigen Bälle auf die Spots, die festgelegten Punkte auf dem Tisch. Ein Turnier ist in Sessions eingeteilt, Spielabschnitte mit Pausen dazwischen, jede Session hat mehrere Frames, einzelne Spiele.
Genug der Beispiele. Wir sehen, wie die schon bekannte Billard-Terminologie ergänzt wird um Fachwörter für die spezifischen Regeln und Besonderheiten des Snooker. Ein (weißer) Spielball, 15 rote und 7 farbige Bälle (schwarz, pink, blau, braun, grün, gelb für 7-2 Punkte) sind das Spielmaterial. Im Nu hat man sich als Zuschauer diese Wörter angeeignet – eben weil Wort und Sache in Kommentar und Bild vorgeführt werden. Auch die Aussprache wird mitgeliefert. Dass das doppelte oo wie /u:/ gesprochen wird, kennen wir ja bereits aus dem Pool und dem Boom. Dies ist ein exemplarisches Muster des modernen Sprachkontakts. So werden die Bezeichnungen technischer Neuerungen mit dem Produkt transportiert und eingeführt. Technologische Herrschaft hat die sprachliche Herrschaft zur Folge. Das macht Englisch zur unvermeidlichen Lingua franca.
Snooker gibt es übrigens schon über 100 Jahre. 1927 fand im United Kingdom die erste Weltmeisterschaft statt. Seitdem ringen vor allem Engländer, Schotten, Waliser und Iren miteinander, nur selten von Australiern und Chinesen (man denke an das Commonwealth und an Hongkong) herausgefordert. Britische Soldaten brachten Snooker in den 80er Jahren auch nach Deutschland. Aber erst die phänomenalen optischen Berichtsmöglichkeiten des Fernsehens haben die regionalen Beschränkungen überwunden. So wächst die Snooker-Gemeinde nach und nach über die britischen Inseln hinaus und mit ihr verbreitet sich auch der Fachwortschatz dieses Sports in andere Sprachen.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Ausgewanderte Wörter
Der Linguist Matthias Heine stellt der Berliner Zeitung sein neues Buch „Ausgewanderte Wörter – Von Deutschland bis in die ganze Welt“ vor. Beispiele, die jeder kennt, sind der amerikanische kindergarten oder die pretzel. Heine befasst sich in seinem Buch jedoch eher mit unbekannten Beispielen der „sprachlichen Auswanderung“ und erzählt unterhaltsame Geschichten von deutschen Wörtern, die es bis nach Island oder in die Südsee geschafft haben. Heine erklärt, wie die Wörter vor allem durch den Sprachgebrauch der Missionare und Kolonisatoren in andere Länder gebracht wurden. Besonders in der Südsee gebe es viele Ausdrücke für Handwerkszeug, die dem Deutschen entstammen. In Neuguinea gibt es die supka, die Schubkarre. Im pazifischen Inselstaat Nauru den amar, den Hammer. In den Missionsschulen des deutschen Kolonialreichs wurde Kindern häufig ein Handwerk beigebracht. Heine informiert, dass nicht nur der Kolonialismus zur Verbreitung der Wörter führte. Geistige Strömungen trugen ebenfalls dazu bei. Die führende deutsche Chemie des 19. Jahrhunderts beförderte das deutsche Wort Zink bis ins Chinesische. Ein Wort wird laut Heine zum Auswanderer, wenn es in der Zielsprache eine Benennungslücke gibt. Es darf also kein vorhandenes Wort für das eingewanderte geben. Die Ausbreitung von Germanismen im Englischen erklärt sich laut Heine durch die Aufnahmefreude der englischen Sprache. Und auch im Russischen gebe es viele Germanismen. (berliner-zeitung.de)
Frankfurter Buchmesse 2022
Die Frankfurter Buchmesse findet dieses Jahr vom 19. bis 23. Oktober unter dem Thema „Übersetzen“ statt. Gemeint sei nicht nur die Übertragung von Texten in eine andere Sprache, sondern um die Adaption von literarischen Stoffen in andere Medien, schreibt uepo.de. Auf dem Messegelände sei dieses Jahr auch eine Weltlesebühne geplant. Der diesjährige Ehrengast Spanien präsentiert unter dem Motto „Creatividad desbordante/ Sprühende Kreativität“ die literarische und kulturelle Vielfalt des Landes. Zwar läuft die Anmeldephase der Aussteller noch, jedoch hat sich ihre Zahl im Gegensatz zur Messe 2021 bereits verdoppelt; es wird mit 4000 Ausstellern aus 65 Ländern gerechnet. Ein besonderes Anliegen sei, laut Buchmessen-Direktor Juergen Boos, den ukrainischen Verlegern und Schriftstellern in diesem Jahr eine Bühne zu geben. (uepo.de)
Übersetzungen prägen den Alltag der Globalisierung
Vor allem in der Welt der Technik spielen Übersetzungen eine wichtige Rolle. Professionelle Übersetzer ermöglichen uns einen neuen Rechner oder ein neues Smartphone zu bedienen und Bedienungsanleitungen der technischen Systeme, beispielsweise Windows, zu lesen. In der Welt der Technik ist ein hohes Maß an Übersetzungskunst gefragt, denn meist muss jedes Wort eines Betriebssystems, wie Windows oder auch in Videospielen, angemessen übersetzt werden. Die Ansprüche der Nutzer steigen und vor allem in Videospielen werden hochwertige Übersetzungen aus der Originalsprache verlangt. Technische Übersetzungen erfordern ein vertieftes Sprachverständnis, denn nicht nur Grammatik und sprachliche Besonderheiten, auch Dialekte müssen berücksichtigt werden. Allein Chinesisch kennt mehr als 20 Dialekte, die in einer Bedienungsanleitung oder in der Programmsprache eines Smartphones zu berücksichtigen sind. Technische Übersetzungen prägen den Alltag der Globalisierung und die Menschen. (windowsunited.de)
Deutscholympiade
Drei Schülerinnen aus der Türkei, Armenien und Rumänien sind die Gewinner der 8. Internationalen Deutscholympiade (IDO) in Hamburg. 12 Tage lang gab es Wettbewerbe für über 100 Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren, die aus 56 Ländern angereist waren. Sie mussten in mehreren Disziplinen bestehen, zum Beispiel eine deutschsprachige Seite für ein Magazin verfassen, einen Vortrag halten oder kurze Theaterstücke vorführen. „Es hat sich überhaupt nicht wie ein Wettkampf angefühlt. Alle Workshops und Prüfungen waren sehr stressfrei“, betonte Teodora Smîntancă-Strugariu. Die 17-jährige Rumänin möchte unbedingt in Deutschland studieren. Sie ist Erstplatzierte in der Sprachstufe B2. Die Deutscholympiade wird alle zwei Jahre vom Goethe-Institut in einer anderen deutschen Stadt ausgerichtet. 2024 soll sie in Frankfurt am Main stattfinden. (zeit.de)
5. Denglisch
Im Sprachgraben
Der Kolumnist und Autor Peter Littger geht im SPIEGEL noch einmal auf den FDP-Vorschlag ein, in Deutschland Englisch als Verwaltungssprache einzuführen. Dieser sei „offenbar geleitet von der Annahme, dass Arbeitssuchende aus dem Ausland, die kein Deutsch sprechen, in jedem Fall Englisch beherrschen“, so Littger. Das dies durchaus nicht so ist, hat Roland Kaehlbrandt, Sprachwissenschaftler und Vorstandsvorsitzender der Polytechnischen Gesellschaft in Frankfurt, kürzlich auch in einem Beitrag in der FAZ anschaulich dargestellt. Er hält den Vorschlag für einen „Abstieg in die Zweitklassigkeit“, der die Integration von Zuwanderern eindeutig hemmen würde.
Aber zurück zu Peter Littger: Er will den FDP-Vorschlag zumindest ernst nehmen. Schließlich gebe es in der deutschen Sprache eine wachsende Zahl englischer Begriffe, „die mehr sind als Schmuck“, so Littger. Seine Beispiele: Comedy, Spam, Leak, Update, Streaming, Whistleblower. Englisches klinge im Deutschen ungenauer, unschärfer und „weniger aggressiv“, also harmloser (canceln gegenüber kündigen). Besonders substantivierte -ing-Verben aus dem Englischen (Grounding, Fracking, Aquaplaning) seien bei den Deutschen beliebt. Aber das Land sei sprachlich gespalten: Nach Hochrechnungen des Allensbach-Instituts geben 35 Millionen der Deutschen an, Englisch „gut bis sehr gut“ zu beherrschen, 36 Millionen verstehen es „wenig bis gar nicht“. Wir hätten uns „eine sprachkulturelle Wirklichkeit geschaffen, die es sehr leicht macht, die eigenen Englischkenntnisse zu überschätzen,“ sagt Littger. In Wirklichkeit tue sich ein „Sprachgraben“ auf. Littger warnt, die Voraussetzung einer zweisprachigen Verwaltung wäre jedenfalls ein langwieriges und politisch gewolltes Learning by doing (mindestens über eine Generation). Das mag sein, aber den Sprachgraben überwindet ein solches Vorhaben trotzdem nicht. Richtig ist wohl Littgers Feststellung, dass es sowohl mit als auch ohne die fortschreitende Anglisierung zu Missverständnissen durch den Einfluss des Englischen kommt. Worauf Littger nicht eingeht, ist die Illusion, man könne besseres Englisch durch Verzicht auf Deutsch erwerben. (spiegel.de, faz.net (Bezahlschranke))
6. Soziale Medien
Die Krankenschwesterin
„Ich brauch nicht Vater, Mutter, Bruder / Ich will ein schneeweißes Luder / Die ist schöner, blonder, fester / Denn sie ist ’ne Krankenschwester.“ Das Schlagerduo Klaus & Klaus besang sie zuerst, der Ballermann-Barde Mickey Krause legte sie neu auf: die Krankenschwester. Seit dieser Woche hat die „KrankenschwesterIN“ Einzug im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gehalten. In der Lokalzeit Südwestfalen des WDR-Fernsehens war einem VDS-Freund eine Merkwürdigkeit aufgefallen. Bei einem Bericht über eine Feuerwehrfrau sprach der Moderator vom Hauptberuf der Frau: Sie sei „Intensivkrankenschwesterin“. Der Beobachter vermutete zunächst einen harmlosen Versprecher, wie er auch dem besten Moderator passieren kann. Ein paar Augenblicke später wiederholte dieser die „Intensivkrankenschwesterin“ jedoch. 1 x ist ein Versehen, 2 x ist Absicht. Die bissigen Kommentare zu dem kurzen Video, das der VDS anschließend mit der Frage „Hey, @WDR, was ist denn eine ‚Intensivkrankenschwesterin‘?“ hochlud, ließen nicht lange auf sich warten: „Ist eine männliche Krankenschwester eine Krankenbrüderin?“ fragte @Juliuskujira1, @dchackethal spekulierte „Muesste es nicht ‚Krankenschwesternde‘ sein?“, und @foersterjoerg ist sich sicher: „#Intensivkrankenschwesterin Ideologie frisst Hirn.“ Der WDR antwortete auf den Tweet, dass es sich um einen Versprecher gehandelt habe. Amüsant ist jedoch, dass auch die Moderatorin einer anderen WDR-Sendung von einer „Krankenschwesterin“ sprach, und selbst Kanzler Olaf Scholz dieses Wort benutzte. (twitter.com/VDS_weltweit, derwesten.de, twitter.com/Michael77720627, twitter.com/PenelopeeDream, welt.de)
7. Kommentar
Il suono della lingua
Mit dem Büchnerpreis wird im November Emine Sevgi Özdamar geehrt. Der Preis wird an Autoren vergeben, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträgerin ist eine von erstaunlich vielen Autoren, denen das Werk in der Zweitsprache gelingt. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung lobt Özdamar, „der die deutsche Sprache und Literatur neue Horizonte, Themen und einen hochpoetischen Sound verdankt.“ Fürwahr, die Formulierung der Akademie verschlägt einem das Wort für „Sound“. Aus einer Tagebuchnotiz von Max Frisch wissen wir, er vermisste für sein Schaffen den Taxifahrer, der Deutsch spricht, deshalb kehrte Frisch von seinem römischen Wohnsitz zurück in die Schweiz. Wegen des „Klangs“? (Oliver Baer) (sueddeutsche.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs