1. Presseschau
Das rote Apothekenlogo soll weg
Jan Böhmermann, bekannt als sprachgewaltiger Satiriker, fordert in der neuesten Folge seines Podcasts mit Olli Schulz Fest und Flauschig, die deutschen Apotheken sollten ihr traditionelles Logo abschaffen. Das rote Apotheken-A in Frakturschrift sei ein „Nazizeichen“, eingeführt im Jahr 1936. Apotheken in Europa hätten in der Regel ein grünes Kreuz als Logo, nur nicht die deutschen. Der Satiriker behauptet, das Logo sehe „auch echt scheiße“ aus. (br.de)
Prospekt per WhatsApp
Das Magazin WuV („Aktuelle Nachrichten für Marketing und Werbung und Media“) berichtet über die Ankündigung des Lebensmitteleinzelhändlers Rewe, dass ab Sommer 2023 keine gedruckten Prospekte mehr ausgeteilt werden. Kunden können dann den Handzettel auch digital über den Nachrichtendienst WhatsApp erhalten. Die Unternehmensstrategie lege Wert auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung, gibt Bastian Tassew, leitender Kundenbetreuer sowie Leiter der hauseigenen Medienkanäle, bekannt. (wuv.de)
Olaf Henning verteidigt „Cowboy und Indianer“
Im Zuge der Rassismusdebatte rund um Karl Mays Winnetou steht nun auch ein deutscher Schlagersänger in der Kritik. Olaf Hennings bekanntestes Schlagerlied „Cowboy und Indianer“ sei „rassistisch“, berichtet die Bunte. Henning selbst weist Diskriminierungs- und Rassismusvorwürfe ab. „Der Song symbolisiert Spaß am Leben (…) Ich lasse mir den Song nicht verbieten“. Der Ravensburger Verlag nahm zuvor bereits mehrere Winnetou-Bücher aus dem Handel und auch ARD zeigt fortan keine Karl-May-Filme mehr. Die Darstellung der amerikanischen Ureinwohner, sowie die Bezeichnung „Indianer“ gelten als rassistisch und „verletzen die Gefühle anderer“, erklärt der Verlag. Die Native American Association of Germany (NAAG) unterstützt diese Entscheidung. Sein Partylied möchte Olaf Henning jedoch weiterhin spielen. „Ich finde die Kulturdebatte lächerlich. (…) Außerdem spielt jedes Kind mal Cowboy und Indianer“. (bunte.de)
2. Gendersprache
Nicht gegendert – Kündigung!
Die Welt stellt Klaus Roggenthin vor, promovierter Soziologe und seit 2011 Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Straffälligenhilfe, ein von sechs Sozialverbänden getragener und zum Großteil aus Steuermitteln finanzierter Verein. Allerdings ist er nicht mehr lange Geschäftsführer, denn zum Oktober 2022 wurde ihm gekündigt. Er hatte sich geweigert, seine beruflichen Veröffentlichungen in Gendersprache zu verfassen. Es sei doch absurd, die Lesbarkeit von Texten, „durch die Einführung einer Kunstsprache zunichtezumachen, die den Regeln der deutschen Rechtschreibung widerspricht und an der Lebenswelt der Adressaten völlig vorbeigeht“, sagt er. Der Vorstand seines Vereins erklärte die Gendersprache aber im Frühjahr 2022 für alle Mitarbeiter für verpflichtend. Roggenthin fragte seinerzeit nach, ob das auch für Interviewtexte gelte, in denen die Befragten keine Genderformen verwenden. Als Antwort erhielt er die Kündigung. Nun hat Roggenthin gegen dieses Vorgehen Klage eingereicht und wird dabei durch den VDS unterstützt. Das Arbeitsgericht Bonn wird über den Fall am 7. September verhandeln. (welt.de (Bezahlschranke))
Streitgespräch im Stern
Im Stern unterhalten sich Sabine Mertens, Leiter der VDS-AG Gendersprache und Jungredakteur Maximilian Sepp über das Gendern. Für den Redakteur ist Gendersprache nichts als Sprachwandel, der eine gewisse Zeit braucht, um sich durchzusetzen. Für Mertens hat das nichts mit Sprachwandel zu tun, sondern mit Vorgaben einer „radikalen, lauten Minderheit, die dieses Thema immer wieder vorbringt.“ Es seit grotesk zu glauben, Männer hätten sich zusammengerottet „und die Frauen durch Sprache unsichtbar gemacht‟, so Mertens. Als Verantwortliche für die Arbeitsgruppe hat Mertens eine Petition gestartet, welche die Abkehr von der Gendersprache in Politik, Verwaltungen, Bildung und Gesetzgebung fordert. Bis jetzt zählt die Petition mehr als 31.000 Unterschriften. (Anmerkung der Red.: Frau Mertens wünscht als Leiter bezeichnet zu werden) (stern.de (Bezahlschranke), openpetition.de)
Gremium für Gendersprache
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann hat einen neuen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit vorgestellt. Die Ampelkoalition setze sich anhand eines Maßnahmenkatalogs für den Schutz und die Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt ein, berichtet der Spiegel. Auch Gendersprache ist ein Thema des Aktionsplans. Ein Gremium für gendersprachliche Empfehlungen für den öffentlichen Dienst ist vorgesehen. (spiegel.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Zwei russische Wörter
In dieser Woche finden wir in den Online-Medien wenig, was mit unserem Thema, der Sprache direkt zu tun hätte. Aber wir besinnen uns des gestorbenen Michail Gorbatschow auch ohne Netzverweise. Er hat unserer Sprache etwas hinterlassen. In der Zeit berichtet Tilman Steffen, wie er als junger Bürger der DDR den Generalsekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion als „Gorbatschow, mein Freund“ erlebte. Ähnlich ging es vielen Deutschen. Nachhaltig geht uns Sprachfreunden ein Beitrag zur deutschen Sprache aus dem Russischen nahe. Er besteht aus den Wörtern Perestrojka und Glasnost, die wir als Lehnwörter vereinnahmt haben. Sie wurden zu Begriffen des Wandels in der Sowjetunion. Glasnost bedeutet so etwas wie Stimmhaftigkeit, es wurde im Sinne von „die Dinge benennen“ verwendet. Hierzulande bürgerten sich Offenheit, Transparenz und „Herstellen von Öffentlichkeit“ als treffende Übersetzungen ein. Sie waren von dem Wunschdenken geprägt, es möge Gorbatschow gelingen, was er begonnen hat. Perestrojka wird bei uns zutreffend als Umstrukturierung verstanden, auch Umbau oder Umgestaltung, in der Sowjetunion ging es um die Lockerung der Direktiven in der zentral verwalteten Wirtschaft. Übrig geblieben ist die Erinnerung an unseren Ausblick auf eine friedliche Zukunft, vielleicht auch auf Anstöße für die Politik im eigenen Lande. Im Sprachgebrauch sind es die russischen Vokabeln, die wir bewahren. (zeit.de (Bezahlschranke))
4. Kultur
Landkreis startet Umfrage
Der bayerische Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge startet eine Online-Umfrage, die klären soll, welche Aussprachevariation des Landkreisnamens die richtige sei. Zur Auswahl stehen „Wousiegl“ und „Wousiedl“. Die regionale Kampagne „Freiraum Fichtelgebirge“ will nämlich erfassen, wie die einzelnen Ortsnamen der Region in unterschiedlichen Dialekten ausgesprochen werden. Interessierte haben in der Netzumfrage die Wahl unter Aussprachevarianten von 24 Ortsnamen in den Landkreisen Wunsiedel und Bayreuth. Die Antworten sollen daraufhin als Grundlage für ein neues Projekt zum Thema regionale Identität dienen. Das Ziel sei es, durch die Umfragen und das anstehende Projekt, das „Selbstbewusstsein der Region“ zu stärken. (br.de)
5. Berichte
Kartoffeln in Brasilien
Der brasilianische Schriftsteller Zé do Rock, der auch Mitglied im VDS ist, hat jetzt eine eigene Kolumne im Magazin Telepolis, worin er über seine „Begegnungen mit Deutschland und den Deutschen“ schreibt. Im ersten Beitrag geht es um seine familiären Wurzeln im damals von europäischer Einwanderung geprägten Brasilien, „wo die affen toben und die Tapire tanzen“. In der ihm eigenen, freischwebenden Rechtschreibung erklärt Zé do Rock das gespaltene Bild von Deutschen in Brasilien, die dort „batata, also Kartoffeldeutshe“ genannt werden oder „Polacos“. Sein kurzweiliger Beitrag schließt so: „Ja, das sind sie: meine Telefonleitung ging nich mer, ich wollte die Telekom anrufen aber da war schon ein Schreiben im briefkasten: ‚Wir müssen Ihren Anschluss sperren, weil wir keine Adresse von Ihnen haben‘. Das shikt de Deetshe Telekom. An mein adress.“ (heise.de)
Schulaufsicht untersagt Gendersprache
Die VDS-Arbeitsgruppe Gendersprache meldet einen weiteren Erfolg gegen das Gendern. Der Vater eines Schülers aus Tübingen setzte sich dagegen zur Wehr, dass seitens der Schule offiziell in der Kommunikation mit Eltern und auf der Netzseite der Schule gendersprachlich formuliert wird – etwa mit dem Genderstern bzw. dem Genderdoppelpunkt. Er machte gegenüber der Schulaufsicht in mehreren Eingaben deutlich, dass solche Sonderzeichen nach den Vorgaben der amtlichen Rechtschreibung nicht zulässig seien.
Auf eine förmliche Dienstaufsichtsbeschwerde hin teilte ihm das zuständige Regierungspräsidium nunmehr mit, dass die Schule aufgefordert wird, „sich in ihrer amtlichen und öffentlichen Kommunikation zukünftig an das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu halten, d.h. auf die Verwendung von Genderstern, Binnen-I, Gendergap und Schrägstrich ohne Ergänzungsstrich in ihrer schriftlichen Kommunikation sowie in ihrer Außendarstellung auf der Homepage oder im Rahmen von Veröffentlichungen zu verzichten.“
Claus Maas, Leiter der VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule“ sieht darin eine Bestätigung der Auffassung, dass Gendersprache zumindest in dieser Form an Schulen nichts verloren hat. Der VDS fordert zu Beginn des neuen Schuljahres die Elterngremien an Schulen auf, den im Schulumfeld unzulässigen Gendersprach-Gebrauch in den anstehenden Zusammenkünften anzusprechen und auf die Einhaltung einer korrekten Standardsprache sowohl im Unterricht als auch in der schulischen Kommunikation zu drängen. Der VDS bietet Eltern Argumentationshilfe und Hinweise auf die schulrechtlichen Bestimmungen an. (vds-ev.de)
„Süttember“ 2022
Auch in diesem Jahr steht der September im Zeichen der Handschrift. Der digitale Aktionsmonat „Süttember“ kämpft gegen den Verlust einer über Jahrhunderte gewachsenen Kulturtechnik. Details, Materialien und Informationen zum Süttember-Programm 2022 lassen sich auf folgender Seite finden: vds-ev.de.
6. Denglisch
Sammler-Unmut
Zum 100-jährigen Jubiläum der Schweizer Flugsicherung hat die Schweizerische Post eine Sondermarke herausgegeben. Die Briefmarke zeigt eine Passagiermaschine mit einer Momentaufnahme von Flugzeugpositionen, wie sie auf den Monitoren der Flugverkehrsleitenden zu sehen sind. Der Schriftzug auf der Marke lautet: „100 Years of Swiss Air Traffic Control‟. Mit der Briefmarke „wollen wir nicht nur Sammlerinnen und Sammler, sondern auch Luftfahrt-Enthusiasten begeistern“, sagt Thomas Baur, Leiter PostNetz und Mitglied der Konzernleitung Post. Die genannten Sammler sind allerdings bisher wenig begeistert. „Warum muss eine Briefmarke der Schweizer Post ausschließlich in englischer Sprache sein“, fragen sie zu Recht. (luzernerzeitung.ch (Bezahlschranke))
7. Kommentar
Beim Fischen nach Medienbeiträgen zu unserem Thema Sprache, auf die wir dann im Infobrief hinweisen, finden wir immer öfter bestätigt: Geht es um sexuelle Belästigung, um kulturelle Aneignung, um die Beleidigung von Minderheiten, ist die Sprache nur Spielball, eine Nebensache. So ist neuerdings ganz verpönt, was alte weiße Männer zu sagen hätten, am besten sollten sie die Klappe halten. Im Bekanntenkreis hört man schon mal Klagen alter weißer Frauen, sie möchten auch einmal diskriminiert werden. Der Streit in allen Gassen gilt der Frage, wie die Welt endlich verbessert werde, wenn wir die anstößigen durch keimfreie Wörter aus der Welt ersetzen. Wer sich noch ein Sprachempfinden bewahrt hat, wundert sich. Unser erwünschtes, ja erzwungenes Taktgefühl wird so allmählich außer Betrieb gesetzt: Ich unterlasse eine Bemerkung nicht mehr aus eigener Einsicht, sondern weil ich die Teilnahme meiner Enkel am Kindergeburtstag nicht gefährden möchte. Ob derlei zum Ziel führt? Vermutlich nicht, denn Zorn und Witz suchen und finden ihre Bahn – dann eben im Untergrund. Xenophobie (Furcht vor Fremden) durch Anordnung oder Ächtung zu beseitigen, ist noch nie wirklich gelungen. Dass bei dem ganzen Trubel die Sprache verarmt, tut weh, das soll es offenbar. Womit wir wieder bei der Absicht sind. Auch für lobenswerte Ziele wird Sprache nur benutzt als Stachel: zur Schaffung eines wachen Bewusstseins. Ob der Zwang zur Tugend die Welt verbessert? Mal sehen. Dereinst werden wir zurückblicken, was die heilige Verfolgungsjagd auf jene, die sich im Ton vergreifen, eigentlich gebracht hat. Zwei Folgen sind vorhersehbar: Die Diskriminierung von Minderheiten gibt es weiterhin – sie funktioniert auch wortlos –, und die Sprache als Werkzeug für Gerechtigkeit ist stumpf geworden. Noch etwas: Das Ganze wird den Spaß verderben, die Freude an Wortspielen leben wir unter vorgehaltener Hand aus, Witze erzählen wir im Keller, alle Satire opfern wir einander widersprechenden, puritanischen Lehren. Vielleicht auch nicht. Unserer Phantasie kennt keine Grenzen, wie wir den Nächsten entweder lieben – oder verachten können. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs