1. Presseschau
Zunehmend Englisch
Viele kennen sie noch, die Prophezeiung des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg Günther Oettinger: „Deutsch bleibt die Sprache der Familie, der Freizeit, die Sprache, in der man Privates liest, aber Englisch wird die Arbeitssprache.“ In einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung lebt diese Auffassung wieder auf. „English, please!“, lautet die Überschrift. Es geht um die Englischkenntnisse von Angestellten im internationalen Geschäft. Eine Marketing-Mitarbeiterin des bayerischen Baustoff-Herstellers Knauf Ceiling Solutions sagt: „Mittlerweile spreche ich auf der Arbeit mehr Englisch als Deutsch“. Ihre Personalchefin weiß: „An vielen internationalen Standorten spricht man schon Englisch. Die Leute, die es lernen müssen, sitzen viel eher in Deutschland oder im osteuropäischen Raum.“ Der Münchener Psychologie-Professor Dieter Frey pflichtet ihr bei: „Die Wirtschafts- und Wissenschaftssprache sollte eigentlich zunehmend Englisch sein, gerade für ein Exportland mit Fachkräftemangel ist das wichtig.“ Ein Vorteil der Umstellung auf Englisch sei auch ein lockerer Umgang im Arbeitsalltag, weil sprachliche Förmlichkeiten wegfielen. Eine Vertreterin der Gewerkschaft Verdi darf widersprechen: Es müsse abgewogen werden, in welchen Bereichen der sprachliche Wandel wirklich notwendig sei und die Unternehmen stünden in der Pflicht, ihre Mitarbeiter in der Sprache zu schulen. Auch der Geschäftsführer des Sprachkursanbieters Berlitz kommt zu Wort: Die Nachfrage nach Englisch-Kursen in Unternehmen sei zwar gestiegen. Aber deutsche Firmen brächten Mitarbeitern aus dem Ausland zunächst einmal Deutsch bei. Deswegen habe sich die Zahl der Deutschkurse in den vergangenen zehn Jahren verdreifacht. (sueddeutsche.de (Bezahlschranke))
Neue Maß- und Gewichtseinheiten
Auf der Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Versailles haben Experten aus 64 Ländern in der vergangenen Woche neue Einheiten für kaum vorstellbar große und kleine Maße beschlossen. Denn laut Wissenschaftlern reichen die vorhandenen Vorsilben wie „Milli-“ in Milligramm und Milliarden nicht mehr aus, um das stetig wachsende Datenvolumen aus der Computertechnik zu messen. Die neuen Vorsilben für Zahlen mit 27 und 30 Nullen lauten ab sofort „Ronna“ und „Quetta“. Die Gegenstücke im Dezimalbereich lauten fortan „Ronto“ und „Quecto“. Für die Namensgebung wurden die Vorschläge des Leiters der Metrologie-Abteilung am britischen Nationalen Physikalischen Labor, Richard Brown, übernommen. In den vergangenen 30 Jahren ist die Datensphäre exponentiell gewachsen und Datenwissenschaftler können die Größe von Datenspeichern kaum mehr beschreiben. Durch die Einführung der neuen Einheiten könne man Masse und Gewicht präziser darstellen. Der Planet Jupiter habe demnach eine Masse von zwei Quettagramm, und der Durchmesser des gesamten beobachtbaren Universums belaufe sich auf einen Ronnameter. (rp-online.de)
Kreatives Dazwischengrätschen
Die Fußballweltmeisterschaft in Katar hat begonnen und in der Berichterstattung liest man die für den Fußball einzigartigen Begriffe wie „Schwalbe“, „Blutgrätsche“ und „Bananenflanke“. „Fußballlinguist“ Simon Meier-Vieracker befasst sich mit dieser Sondersprache. Er sagt, dass rund 10 Prozent der Textmenge in deutschen Tageszeitungen das Thema Fußball behandeln und wir somit auch im Alltag mit den Begriffen und Konzepten der Fußballsprache konfrontiert werden. Sie komme mit überraschend wenig echten Fachausdrücken aus. Es gebe zwar Ausdrücke wie „Gegenpressing“. Doch ansonsten sei die Fussballsprache vor allem bildlich. Die Bilder stammen aus unterschiedlichen Bereichen, so gebe es Kriegsmetaphern wie „Angriff“ oder „Verteidigung“. Diese Kriegsmetaphern kämen auch in anderen Sprachen vor. Ebenfalls zum Kulturgut des Fußballs gehöre die Phrasendrescherei. Schon 1954 sprach man im Fußball davon, dass „jemand den Turbo einschaltet“. Eine gegensätzliche Phrase aus dem Fußball laute, dass eine Mannschaft „alle Register zieht“, eine Metapher aus dem Orgelspiel. Im Spanischen übersetze man die gleiche Metapher mit den Worten, dass die Mannschaft „alles Fleisch auf den Grill lege“. Meier-Vieracker verweist darauf, dass sich die Fußballsprache in unsere Alltagssprache geschlichen hat. Wer sich beruhigen soll oder wer übertreibt, solle „mal den Ball flach halten“ und wer jemand anderes unfair behandelt, begehe ein „grobes Foul“. (srf.ch)
Juristen-Deutsch
Viele Berufe haben eine Fachsprache, die für das gewöhnliche Mitglied einer Sprachgemeinschaft unverständlich ist. Wenn Ärzte von einem „C2-Abusus“ sprechen, weiß der Patient zunächst nicht, dass er eine Alkoholvergiftung hat. Radio-Journalisten nutzen das „Betten“ (eine leichte musikalische Untermalung) für ihre Moderationen. Wie Juristen sprechen, mutet besonders fremdartig an. Problematisch wird es, wo ihre Fachsprache auch von Nicht-Juristen verstanden werden muss, schreiben Verena Mayer und Ronen Steinke in ihrer Kolumne „Vor Gericht“ in der Süddeutschen Zeitung. Sie diskutieren, was sinnvollerweise zu tun wäre, wenn man, aus welchen Gründen auch immer, in Untersuchungshaft landet. Kann ja mal passieren. (sueddeutsche.de)
Noch weniger Geld für Deutsch in Polen
Bereits im September gab es Kürzungen für den Unterricht der deutschsprachigen Minderheit in Polen – jetzt gibt es durch die Hintertür noch weniger Geld, schreibt der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG). Die Berechnungsmethode des Ministeriums für Bildung und Wissenschaft sei angepasst worden, das habe eine weitere Kürzung der Mittel zur Folge. Konkret steht im entsprechenden Ministeriumsentwurf dazu: „Für Angehörige der deutschen Minderheit, für die der Unterricht der nationalen Minderheitensprache in Form eines zusätzlichen Erlernens dieser Sprache erfolgt, werden geringere Mittel berechnet als unter Berücksichtigung des Wertes der im Jahr 2022 geltenden Gewichte, und zwar um ca. 85,2 Mio. PLN (Anm.: entspricht ca. 18 Mio. Euro).“ In einer Stellungnahme schreibt der VdG: „Dies ist ein weiteres Gesetz, das die Kinder der deutschen Minderheit diskriminiert.“ Er fordert, die Gleichbehandlung der Angehörigen der deutschen Minderheit müsse wiederhergestellt werden. (vdg.pl)
2. Gendersprache
„Tschüß Genderstern!“
So ist der Name einer neuen politischen Initiative, die der Stadtverwaltung in Zürich den Gebrauch von Genderformen untersagen soll. Konkret müsse in der Gemeindeordnung – der städtischen Verfassung – festgehalten werden, dass die Stadt eine „klare, verständliche und lesbare Sprache“ verwendet und in ihren Dokumenten auf Sonderzeichen innerhalb einzelner Wörter verzichtet. Hinter der Initiative steht eine überparteiliche Gruppe von Politikern: die Stadtparlamentarierin Isabel Garcia (Grün-Liberale Partei), Hartmuth Attenhofer (Sozialdemokratische Partei) und der ehemalige Gemeinderat Markus Hungerbühler (Christlich-Demokratische Volkspartei). Organisiert hat die Initiative die Züricher Gemeinderätin Susanne Brunner (Schweizerische Volkspartei). Brunner hatte sich bereits 2019 gegen gendersprachliche Verordnung im Gemeinderat eingesetzt. Sie klagte (auch mit Unterstützung des VDS) erfolgreich dagegen, dass Beschlussanträge im Stadtparlament die umstrittenen Genderformen enthalten müssen. „Die Initiative befreit die Stadt Zürich vom Genderstern. Sie ist eine Reaktion auf die Revision des Reglements über die sprachliche Gleichstellung, die der Stadtrat im Sommer erlassen hat. Hier hat sich unsere Regierung verrannt“, sagt Brunner im Interview mit der NZZ. (nzz.ch (Bezahlschranke))
Münchens kostspielige Symbolaktion
Die Stadt München stellt ihre elektronischen Systeme um, damit fortan in allen städtischen Texten, Briefen, Bekanntmachungen, Formularen und Internetmasken „alle Geschlechter angesprochen werden“. Neben den Optionen männlich, weiblich, divers und ohne Angabe sollen auch Gendersternchen möglich sein. In öffentlichen Briefen und Schreiben solle zudem nicht nur die Anrede „Sehr geehrte Frau“ oder „Sehr geehrter Herr“ möglich sein, sondern auch das geschlechterneutrale „Grüß Gott“ oder „Guten Tag“. Der IT-Ausschuss der Stadt bewilligte die Gelder für die Umstellung. Die Kosten belaufen sich auf 3,9 Millionen Euro. Der Antrag zur geschlechterneutralen Revision der Systeme gehe auf die neue IT-Referentin Laura Dornheim zurück, berichtet Bild. Das Gender-Projekt solle vier Jahre dauern. CSU-Stadtrat Hans Hammer meint dazu: „Das sind völlig falsche Prioritäten. Das ist zu viel Geld zur falschen Zeit am falschen Ort“. (bild.de)
Echo auf Erfurter CDU-Antrag
Mit Blick auf den Erfurter Antrag meint CDU-Parteivize Linnemann, die Partei müsse sagen, was sie will, sie müsse klare Positionen einnehmen und nicht etwa – mit Blick auf die AfD – politisch taktieren, berichtet der Spiegel. Dazu der Hamburger CDU-Chef Christoph Floß: Die CDU solle sich – „unabhängig davon, was andere Parteien machen“ – in den Parlamenten für ihre Themen einsetzen. Würde man seine Inhalte an der AfD ausrichten, dann gäbe man dieser Partei „eine unheimliche Macht über die politische Agenda“ und würde sie damit sogar stärken, zitiert ihn der Spiegel. Dieser Standpunkt erinnert an den – offenbar vergessenen – Stuttgarter Parteitagsbeschluss der CDU aus dem Jahre 2008. Seinerzeit forderte die Mehrheit, der Satz „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ sei in Artikel 22 des Grundgesetzes aufzunehmen, wo übrigens auch die Farbe der Bundesflagge – Schwarz-Rot-Gold – festgehalten wird. (spiegel.de (Bezahlschranke))
Magisches Denken
Was uns gut macht, ist das inbrünstige Streben nach dem Guten. Ob Gendersternchen etwas für die Gleichberechtigung zustande bringen, sei zwar Nebensache, aber sie gäben ein gutes Gefühl, sagt Eric Gujer in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ). Man setze ein Zeichen, und sei es nur eines unter Dutzenden ebenso wichtiger Symbole. Die Lebenserfahrung im Umgang mit konfrontativen Handlungen lehre indes: „Einstellungen ändern sich, wenn Politiker integrieren, statt die Gesellschaft zu polarisieren“, widerlegt Gujer den Zeitgeist. Ohnehin seien die Sternchen lediglich eine Ersatzhandlung, sie enden in einer Euphemismus-Tretmühle, oder in Gujers Worten: „Galt früher das Binnen-I als das Mittel der Wahl, um eine Identität auszudrücken, war es anschliessend das Sternchen. Das wird gerade vom Doppelpunkt verdrängt. Im magischen Denken verliert jeder Zauber seine Wirkung, sobald die falschen Zeichen verwendet werden.“ Gendersprache sei nur Heuchelei, sie verschaffe allenfalls ein reines Gewissen. So aber verrate sich Symbolpolitik als „bequemer Ausweg, wenn sich die Verbesserung der Welt mühsamer anlässt als erhofft.“ (nzz.ch (Bezahlschranke))
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Denke
Gemeint ist nicht eine Form des Verbs denken wie ich denke oder als Ausruf denk(e) dran, sondern das Verbalsubstantiv die Denke. Mir kommt das Wort neu vor, ich verstehe es, aber benutze es nicht. Das Grimmsche Wörterbuch kennt es nicht, aber im Digitalen Wörterbuch der Deutschen Sprache (DWDS) finden sich Belege seit dem Ende des 20. Jahrhunderts. Dass es relativ neu ist, zeigt der gelegentliche Gebrauch in Anführungszeichen. In den Texten ist die Rede von der damaligen Denke, einer neoliberalen oder progressiven Denke. Man kann es übersetzen als ‚Denkungsart‘ oder ersetzen durch den substantivierten Infinitiv das Denken. In diesem Umfeld hat Denke den Flair einer Neubildung, eines Neologismus.
Im DWDS wird eine Parallele zu den Wörtern die Rede oder der saloppen Schreibe hergestellt. Dieser Bildungstyp ist nicht neu. Vergleichbare Ableitungen aus Verben sind vertraute Wörter wie die Pflege, die Hetze, die Suche, neuerdings die Schalte und die Anmache. Aus Handlungsverben wurde ein Abstraktum gebildet, dessen Bedeutung durch das zugrundeliegende Verb bestimmt ist. Wir sagen: ein produktives Muster.
Was ist das Besondere an der Denke? Es verleiht einer Aussage Nachdruck, teils durch die Kürze, teils durch seine Neuheit, seine Seltenheit. Der Leser oder Hörer schaltet zum Verständnis sein Wortbildungsregister an und erklärt sich die Bildung aus dem Verb denken. Mir kommt es so vor, als verbinde sich damit eine gewisse Abwertung, ein Zweifel, ähnlich wie die Schreibe eben kein besonderer Stil ist, sondern bloß ein gut trainiertes Vermögen. So wird der Denke im Grunde die Ernsthaftigkeit abgesprochen. Vielleicht ist das der Grund, warum ich das Wort meide.
Andere Frage: Warum wird dieser Neologismus immer häufiger gebraucht? Warum gibt er dem Benutzer das Gefühl besonders uptodate zu sein? Vielleicht weil es so wichtig ist, in Deutschland, immer auf der richtigen Seite zu stehen, die richtige Denke zu haben. Und sei es nur demonstrativ. Allerdings wird man damit keine Fußballweltmeisterschaft gewinnen.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Ein sprachliches Händchen
Im Juni 2021 stießen Forscher im Norden Spaniens, in der Nähe von Pamplona, auf ein dünnes Bronzeblech in Form einer Hand. Nachdem das Artefakt gesäubert war, erkannten sie die Sensation: Auf der Hand waren auf vier Zeilen verteilt fünf Wörter eingekratzt worden, schreibt die Süddeutsche Zeitung. Die Schrift, soviel war klar, gehörte zum iberischen System, nur die Sprache war unbekannt. Ein Team aus Epigrafen und Linguisten untersuchte den Fund und ist sich sicher: Die Schrift ist der erste Beleg der Proto-Baskischen Sprache. „Wir waren fast schon überzeugt davon, dass sie (Anm.: die Basken) analphabetisch waren und Schriftzeichen nur bei der Münzprägung genutzt haben“, sagt Joaquín Gorrochategui, Professor für indoeuropäische Linguistik an der Universität des Baskenlandes. Die Vaskonen – die Vorfahren der heutigen Basken – lebten vermutlich im Bereich der heutigen Provinz Navarra. Die Sprache der Basken gilt bis heute als älteste isolierte Sprache, sie ist nicht mit den anderen Sprachen des Kontinents verwandt. Selbst bei den Römern findet man nur wenige literarische Nennungen, daher ging man bisher davon aus, dass sie für ihre Sprache keine schriftliche Ausdrucksform besaßen. Die „Hand von Irulegi“, wie das Artefakt genannt wird, hat bereits ihr erstes Geheimnis preisgegeben. Das erste Wort konnte entschlüsselt werden: „sorioneku“ ist laut Forschern ein Vorläufer des modernen baskischen Wortes „zorioneko“. „Zorioneko“ bedeutet soviel wie „viel Glück“ oder auch „gutes Omen“. Die Forscher gehen daher davon aus, dass die Bronzehand als Glücksbringer über dem Eingang der Häuser angebracht war. (sueddeutsche.de)
Redeangst überwinden
Redeangst und die Anspannung vor Präsentationen kennt man im Berufsleben. Schauspielerin Yvonne de Bark stellt im Interview mit Xing einige Tricks vor, wie man Unsicherheiten überwindet und mit der Körpersprache Sicherheit und Souveränität ausdrückt. De Bark erklärt, man müsse Adrenalin abbauen und man könne daran denken, dass nach der Präsentation und dem Vortrag der normale Alltag weitergehe. In Stresssituationen fokussiere sich das Gehirn auf eine unmittelbare, wahrgenommene Gefahr. Keinesfalls solle man kurz vor der Präsentation noch einmal die Unterlagen durchgehen, sondern dem Gehirn eine Pause gönnen. Auch die Körpersprache sei laut de Bark entscheidend für den Erfolg einer Besprechung oder Präsentation. Zugewandtheit, Blickkontakt und eine aufrechte Haltung seien nonverbale Signale, die Selbstbewusstsein vermitteln. Je öfter man diese Tipps befolge, desto schneller präge sich das Gehirn diese ein und man könne somit seine Rede- und Präsentationsangst überwinden. (xing.com)
Weckmann oder Stutenkerl
Ein gebackener Mann mit Pfeife liegt in vielen Bäckereien zur Martins- und Adventszeit wieder in der Auslage. Ob Stutenkerl oder Weckmann, allein im Rheinland gibt es rund 50 Bezeichnungen für das süße Brot. Sprachwissenschaftler fanden heraus, dass eine fließende Grenze der Namensgebung für das Gebäck durch den Kreis Wesel verlaufe. Im Rheinland dominiere der „Weckmann“, in Westfalen spreche man eher vom „Stutenkerl“. Die zahlreichen regionalen Bezeichnungen erklärt der Wissenschaftler Georg Cornelissen damit, dass die Wörter aus Dialekten stammen, „die nur sehr regional begrenzt gesprochen worden sind“. Er hat die verschiedenen Namensvariationen anhand von Umfragen erfasst und in seinem Online-Wörterbuch „Dat Portal“ vorgestellt. Durch die Umfrage fand Cornelissen heraus, dass der Kreis Wesel die Grenze der unterschiedlichen Begriffe darstelle. In Rheinberg, Kamp-Lintfort und Moers dominiere der Weckmann. In Dinslaken, Voerde, Hünxe und Hamminkeln gebe es den Stutenkerl. Weitere Bezeichnungen wie „Kloskerl“ oder „Puhmann“ stammen ebenfalls aus der Region rund um den Niederrhein. In der Stadt Wesel sei die Alltagssprache geteilt, jedoch komme der Weckmann in den Ergebnissen der Umfrage häufiger vor. Allerdings verändere sich nicht nur die Sprache, mittlerweile wünschen sich die Kunden, laut Johannes Gerhards, Obermeister der Bäckerinnung im Kreis Wesel, einen Weckmann ohne Pfeife. (nrz.de)
Vom Hebräischen ins Deutsche
Die deutsch-jüdische Übersetzerin Ruth Achlama berichtet in der Jüdischen Allgemeinen über ihren Alltag zwischen Deutsch und Hebräisch. Dass sie Übersetzerin werden wollte, sei ihr schon sehr früh klar gewesen, ihre Liebe zum Hebräischen entstand 1969: als Touristin in Israel, dann als Freiwillige im Kibbuz. Sie blieb, arbeitete als Referendarin bei einem Anwalt und belegte einen Abend-Ulpan, einen speziellen Hebräisch-Intensivkurs. Durch einen glücklichen Zufall – die Emeritierung eines Kollegen – konnte sie erstmals größere Übersetzungsaufträge an Land ziehen. Vor allem die Belletristik hatte es ihr angetan, und diese stand in den 1970ern vor einem Problem: Häufig gab es Übersetzungen von Übersetzungen – und das Ergebnis klang nicht besonders lesenswert, so Achlama: „Man sagt nicht umsonst, dass die Übersetzung ein Kuss durch einen Schleier ist. Eine Übersetzung einer Übersetzung ist demzufolge ein Kuss durch eine Decke.“ Sie hat nach eigenen Angaben das Glück, dass ihr fast immer Bücher angeboten werden, die sie auch mag. Das Übersetzen ins Deutsche sei allerdings oft knifflig: „Hebräisch ist sehr gefährlich, denn wenn man nur einen Buchstaben falsch liest, kann das in eine ganz andere Richtung gehen.“ (juedische-allgemeine.de)
5. Berichte
VDS als Zielscheibe
Der Warschauer Germanist Tomasz G. Pszczółkowski hat in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Studia Niemcoznawcze – Studien zur Deutschkunde einen Aufsatz über den VDS geschrieben. „Der Verein Deutsche Sprache als Beschützer des Deutschen und Zielscheibe seiner Gegner“. Aus der Sicht eines unvoreingenommen, nicht muttersprachlich deutschen Wissenschaftlers betrachtet Pszczółkowski die Ziele des VDS, der sich dafür einsetze „dass Deutsch nicht zu einem Feierabenddialekt verkommt, sondern als Sprache von Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft erhalten bleibt“. Er zitiert aus dem Netzauftritt, wo sich der VDS von Deutschtümelei und nationalistischen Zielen distanziert und bespricht die Aktionen des VDS gegen die gesellschaftlich umstrittene Gendersprache. Demgegenüber stellt Pszczółkowski die Fremddarstellung des Vereins, insbesondere in der „scheinbar wertneutralen“ Wikipedia; er kennt aber auch die Bamberger Dissertation über die Geschichte des VDS von Karoline Wirth (2010). Dem VDS werde zu Last gelegt, dass mit ihm „selbsternannte Sprachpfleger“ zu Wort kämen. In einem Beitrag des medienkritischen Portals „Übermedien“ mit dem Titel „Die Pegidahaftigkeit des Vereins Deutsche Sprache“ (veröffentlicht 2016) sieht Pszczółkowski einen „brutalen Angriff“ auf den VDS und dessen Vorsitzenden. Besonders fragwürdig erscheint Pszczółkowski der Beitrag des Düsseldorfer Germanisten Stefan Hartmann in dem Blog „Der Volksverpetzer“, der im Netzauftritt des VDS „einen Sumpf aus Rassismus, Homo- und Transphobie sowie typischer rechtspopulistischer Argumentationsmuster“ vorzufinden vorgibt. Dass es im VDS, der immerhin 37.000 Mitglieder zählt, unterschiedliche politische Sympathien gibt, scheine dem Linguisten Hartmann kein Argument für die politische Neutralität des VDS zu sein, so Pszczółkowski. (portal.uw.edu.pl)
6. Kommentar
Feministische Pointe nur genderfrei
Die Verfallszeit eines Kopfsalates („the shelf-life of a lettuce“) wurde Liz Truss vom Economist vorhergesagt, da war sie noch als Regierungschef im Amt. Inzwischen Schnee von gestern, sollte man meinen, bis auf den Hinweis, dass in diesem Zusammenhang eine starke, feministische Pointe im gegenderten Deutsch gar nicht möglich wäre. Das Original „She is set to be remembered as the prime minister whose grip on power was the shortest in British political history“ könnte im korrekten Deutsch so lauten: „Man wird sich ihrer erinnern als der Premierminister mit dem kürzesten Zugriff auf die Hebel der Macht in der britischen Geschichte.“ Gegendert wäre die Pointe aber einen feuchten Staub wert: „… die Premierministerin mit dem kürzesten Zugriff … in der britischen Geschichte …“, also im Vergleich nur mit Margret Thatcher und Theresa May, nicht mit den 77 früheren Premierministern sämtlicher Geschlechter seit Horace Walpole. Ähnlich könnte es bei uns heißen: Einer der am längsten tätigen Bundeskanzler war Angela Merkel. Eine nicht nur hübsche Pointe: Wie selbstverständlich eine männliche Bastion von einer Frau erobert wurde. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs