Infobrief 376 (34/2017): Evangelische Kirche Deutschlands ist Sprachpanscher des Jahres

25. August 2017

1. Presseschau vom 18. bis 24. August 2017

  • Evangelische Kirche Deutschlands ist Sprachpanscher des Jahres
  • Neuer Name für 26.000 Euro
  • Geschichte der Sprachpflege

2. Unser Deutsch

  • Das verflixte ‚noch‘

3. Berichte

  • VDS in der Lausitzer Rundschau
  • Sprachpanscher mit Sinn für den Dialekt

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Neue Themen in Kinderbüchern

6. Denglisch

  • Denglisch ohne (Be-)Denken
  • Neue Stelle beim Deutschen Tennisbund

 

 

1. Presseschau vom 18. bis 24. August 2017

Evangelische Kirche Deutschlands ist Sprachpanscher des Jahres


Fotolia / # 120104996

Mit deutlichem Abstand wurde die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) zum Sprachpanscher des Jahres 2017 gewählt. Den Negativpreis bekommt sie unter anderem für die Einrichtung sogenannter „godspots“ (gemeint ist kostenloses WLAN), die es neuerdings in vielen evangelischen Kirchen gibt, und die Sprachfreunde als Verhöhnung von Martin Luther ansehen, der für seine Bibelübersetzung oft wochenlang nach deutschen Wörtern suchte. Auch das Programm mit dem Motto „Segen erleben – Moments of Blessing“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau auf der Weltausstellung der Reformation in Wittenberg, mit der interaktiven Installation „BlessU-2“, hätte den großen Reformator sicherlich empört. Und dass gewisse EKD-Verantwortliche – zum Glück denken nicht alle so – im letzten Kirchentagsgesangbuch die bekannte Liedzeile „und unsern kranken Nachbarn auch“ zu einem scheinbar geschlechtsneutralen „und alle kranken Menschen auch“ umdichteten, hat sogar die ansonsten eher bedächtige Frankfurter Allgemeine Zeitung einen „Kulturfrevel“ genannt.

Den zweiten Platz belegte der/die/das Berliner Profx Lann Hornscheidt für die öffentliche Kampagne zur Geschlechtsneutralisierung der deutschen Sprache. Es folgt CDU-Generalsekretär Dr. Peter Tauber auf dem dritten Platz. Dieser war den Sprachfreunden mit seiner „#cnight“ im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin aufgefallen, inklusive „Innovation-Pitch“ und „Working-Spaces“ zu Themen wie „Bildung reloaded“ oder „eSports“.

Der Verein Deutsche Sprache kürt den Sprachpanscher des Jahres seit 1998. Zu den bisher Gewählten zählen die Bahnchefs Hartmut Mehdorn und Johannes Ludewig, die Politiker Günther Oettinger und Klaus Wowereit (Be Berlin), Ex-Postchef Klaus Zumwinkel, Telekom-Chef René Obermann und Obermanns Vorvorgänger Ron Sommer. Aber auch der Vorsitzende des Bundesverbandes Deutscher Bestatter e. V., wurde einmal gewählt; er war Sprachpanscher des Jahres 2001 für seine Mitverantwortung dafür, dass es in Deutschland seit Dezember 2000 den Ausbildungsberuf des „Funeral masters“ gibt.

 

Neuer Name für 26.000 Euro

Der neu gewählte Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), hat angekündigt, das Justizministerium umzubenennen – in „Ministerium der Justiz“. Die Änderung, die auch das Finanzministerium (Ministerium der Finanzen) betrifft, wird rund 26.000 Euro kosten. Auf Nachfrage des SPD-Abgeordneten Stefan Zimkeit für die Gründe dieses Vorhabens antwortete Laschet: „Die Benennung der Ministerien orientiert sich an Bezeichnungen auf der Bundesebene“. Um Effizienz, so Laschet weiter, gehe es bei der neuen Namensgebung allerdings nicht. (spiegel.de, wr.de)

 

Geschichte der Sprachpflege

Schon im 17. Jahrhundert war die Wahrung der deutschen Sprache ein wichtiges Anliegen. Aus Sorge um die „Einmischung fremder ausländischer Flick-Wörter“ gründete Fürst Ludwig von Anhalt-Köthen 1617 die „Fruchtbringende Gesellschaft“, vielleicht auch, weil zu jener Zeit Italienisch und Französisch ein höheres Ansehen hatten, die deutsche Sprache gar von Martin Opitz als verachtungswürdig beschrieben wurde. Der Einsatz der „Fruchtbringenden Gesellschaft“ machte sich bezahlt: Bereits zu Beginn des 18. Jahrhunderts begannen Philosophen auf Deutsch zu schreiben, darunter Immanuel Kant, der Deutsch schließlich auch zur Anerkennung als Weltsprache der Philosophie verhalf. Die in Folge der Napoleonischen Kriege aufkommende Ablehnung gegen Frankreich trug ihr Übriges bei und festigte Deutsch auch innerhalb der Bevölkerung. Forderungen zum Schutz der deutschen Sprache fanden zunehmend Befürworter, so dass sich 1885 der „Allgemeine Deutsche Sprachverein“ gründete, der seine Belange durch intensive Lobbyarbeit zu einem Politikum machte. Mit seinem Sprachpurismus übertrieb der Verein und gab sich in der Nazizeit sogar den Beinamen „SA der deutschen Muttersprache“: Nachdem der Verein eine Rede Hitlers kritisiert hatte, der Fremdwörter zur Verschleierung benutzte, war seine Einmischung nicht mehr länger erwünscht. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahmen die Sprachschützer als neu gegründete Gesellschaft für deutsche Sprache ihre Arbeit wieder auf. Um regelmäßig an die Relevanz der deutschen Sprache zu erinnern, rief der 1997 gegründete Verein Deutsche Sprache 2001 den „Tag der deutschen Sprache“ aus. An diesem Tag, der jährlich am zweiten Samstag im September ausgerichtet wird, veranstalten die Regionen ein breites Programm aus Lesungen, Vorträge und Diskussionsrunden. Die Liste aller Veranstaltungen finden Sie hier.  (deutschlandfunkkultur.de, wn.de)

 

2. Unser Deutsch

Das verflixte ‚noch‘

Kaum ist der Mensch in Rente, pensioniert oder emeritiert, kurz gesagt, beruflich abgemeldet und verabschiedet, da beginnt die Herrschaft des Wörtchens noch. Wie die Mäusebussarde über der Autobahn schweben sie in die Wünsche, Lobpreisungen und gut gemeinten Feststellungen ein. „Hat noch vieles vor“, „ist noch voll dabei“, „noch längst nicht abgemeldet“.

Wer älter wird und es nicht sein möchte, dem ist das verflixte noch seit langem vertraut. Man freut sich nur halb über solche Bekundungen, dies trügerische Lob.

Denn was steckt hinter diesem unscheinbaren Wörtchen? Das große Dudenwörterbuch vermerkt „drückt aus, daß ein Zustand, Vorgang weiterhin anhält [aber möglicherweise bald beendet sein wird]“. Die Klammer ist das Unangenehme. Unser kleines Zeitadverb kündigt indirekt das Ende dessen an, was eben noch da ist. Aber wie lange? Das Wörtchen hat die Eigenschaft, das Gesagte sanft in Zweifel zu ziehen.

Zum Trost sei an das Gegenstück erinnert: das Wörtchen schon. „Schon wieder gesund“, „schon Professor“, „schon drei Kinder“. Das drückt zunächst Bewunderung und Anerkennung aus, kann aber auch Verwunderung meinen für ein Zufrüh, gemessen am Gewohnten, am Erwarteten. Darin gleichen sich die beiden Zeitadverbien. Sie kennzeichnen, was vorn und hinten, was am Rande der Normen des Alltags liegt. Was sich in freundliche Worte kleidet, ist zugleich verborgene Kritik oder wenigstens ein Kopfschütteln. Ich erinnere mich meiner Studentenzeit: „Noch kein Examen, aber schon verheiratet! Was soll bloß aus ihm werden!“

Seien Sie also vorsichtig mit noch und schon. Sie haben einen doppelten Wert: das freundlich Gesagte und das kritisch Mitgemeinte.

Horst Haider Munske

Die Artikel der Rubrik „Unser Deutsch“ bieten häufig Anlass zur Diskussion. Wer mitdiskutieren möchte, ist im VDS-Rundbriefforum herzlich dazu eingeladen: http://rundbrief.vds-ev.de.

 

3. Berichte

VDS in der Lausitzer Rundschau

Die Lausitzer Rundschau greift die Spracharbeit der VDS-Regionalgruppen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg auf und stellt „Sprachfreunde Cottbus“ vor sowie den von der Hansestadt Rostock und dem VDS vergebenen „Preis für gutes Deutsch“, der von 2014 bis 2016 verliehen wurde.

In dem Beitrag kommt außerdem Erhard Galle aus Elsterwerda zu Wort, der nie Englischunterricht hatte und bei Dingen wie „Selfie“ und „Tablet“, „Social Bot“ und „Work-Life-Balance“ „nur Bahnhof versteht“. (lr-online.de)

 

Sprachpanscher mit Sinn für den Dialekt

Der Bund Bairische Sprache e. V. hat seinen Sprach­preis „Bai­ri­sche Sprach­wur­zel“ in diesem Jahr an Wolfgang A. Herrmann verliehen, dem Präsidenten der Technische Universität München, weil dieser den Dialekt auch in der Öffentlichkeit verwendet. Damit hat Herr Herrmann bereits zwei Sprachpreise: 2015 wählten in die VDS-Mitglieder zum Sprachpanscher des Jahres, weil er plant, fast alle Masterstudiengänge an der Münchener TU auf Englisch umzustellen. (magazin.spiegel.de)

 

4. VDS-Termine

29. August, Sprachrettungsklub Bautzen/Oberlausitz e. V.
Vortrag von Iris Adler, Vorstandsmitglied im „Deutschen Russischlehrerverband e. V.“ : „Slawisches im deutschen Wortschatz“
Zeit: 19 Uhr
Ort: Vereinsheim Leuchtturm-Majak e. V., Otto-Nagel-Straße 1, 02625 Bautzen
Eintritt frei

30. August, Region 10-14, 16 (Berlin, Potsdam)
Regionaltreffen
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Restaurant „Dame am Kamin“, Oderberger Straße 61, 10435 Berlin Prenzlauer Berg

31. August, Region 18 (Rostock)
Regionalversammlung, u.a. mit einer Lesung von Texten des Satire-Autors Ernst Röhl durch J. Lange
Zeit: 18 Uhr
Ort: Gaststätte „Zum Bauernhaus“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock-Biestow

 

5. Literatur

Neue Themen in Kinderbüchern

Zwar werden Klassiker wie die Geschichten Astrid Lindgrens oder die Märchen der Brüder Grimm vermutlich niemals aus den Kinderzimmern verschwinden, aber seit einiger Zeit verzeichnet sich ein Wandel bei den Kinderbüchern, die aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen verstärkt in den Fokus nehmen. Neben den großen Kinder- und Bilderbuchverlagen wie Klett oder Moritz sind es vor allem kleinere, neugegründete Verlage, die sich durch Kreativität auszeichnen. Nicht nur die Illustration, die heute in der Regel an Computern entwickelt wird, hat sich in den letzten Jahren verändert, sondern sie sind vor allem inhaltlich vielfältiger, vom Künstlerischen übers Soziale bis hin zum Politischen. So machte die Flüchtlingswelle zahlreiche Neuveröffentlichungen zu den Themen „Toleranz, Achtsamkeit und Miteinander sehr beliebt“, schreibt der Deutschlandfunk. (deutschlandfunk.de)

 

 

6. Denglisch

Denglisch ohne (Be-)Denken

Dass die FDP eine jüngere Zielgruppe ansprechen will, machen die Wahlplakate deutlich, die FDP-Chef Christian Lindner ‚authentisch‛ in seinem Politikeralltag zeigen. Auch der Wahlspruch „Digital first. Bedenken second“ soll eine junge, vernetzte Wählerschaft ansprechen. Das geht anscheinend nur mit Denglisch. Und dann klingt der Spruch auch noch so wie das „America first“ des US-amerikanischen Präsidenten und ist absolut inhaltsleer, kritisiert Jörg Schieb vom WDR. „Denn Christian Lindner ist ja gegen Denken. Zumindest will er nichts bedenken. Der Wahlspruch der FDP macht deutlich: Lindner und seine Mannschaft wollen Bedenken abwerten. Abwehren. Sich bestenfalls irgendwann darum kümmern. Second halt“.

Das Satiremagazin Der Postillon versteht die Plakate völlig anders und zwar als Parfümwerbung: „Ausgehend von den Plakaten, die ja ziemlich direkt mit Freiheit und Sex-Appeal locken wollen, tippe ich auf eine starke Moschusnote und vielleicht etwas Bergamotte, um alles frisch zu halten“. Die Zielgruppe, die Lindner so ansprechen will, folgert Der Postillon, bestehe „wahrscheinlich aus Bürohengsten, die stark rüberkommen wollen“. (wdr.de, der-postillon.com)

 

Neue Stelle beim Deutschen Tennisbund

Die Tenniswelt in Deutschland kann aufatmen. Tennislegende Boris Becker fängt wieder beim Deutschen Tennisbund (DTB) an und soll diese in Deutschland fast vergessene Sportart aus der nun mehr als zwanzig Jahre währenden Bedeutungslosigkeit führen. Was man bisher nicht wusste: „Head of Men’s Tennis“ ist beim DTB anscheinend die offizielle Bezeichnung für diese Aufgabe, die Becker ehrenamtlich leisten soll. Ob der Grund dafür Beckers Wahlwohnort London ist oder ob den Verantwortlichen der Ausdruck „Leiter Herrentennis“ zu langweilig war, bleibt unklar. Der VDS-Anglizismen-INDEX sowie die Liste der englischen Berufsbezeichnungen wird auf jeden Fall um einen Eintrag reicher. (dtb-tennis.de)

 


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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
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