Infobrief 385 (43/2017): Die Vorleser

27. Oktober 2017

1. Presseschau vom 20. bis 26. Oktober 2017

  • Die Vorleser
  • Dialekt verrĂ€t Herkunft
  • Schleswig-Holstein bekommt neues Wahlgesetz

2. Unser Deutsch

  • Jamaika

3. Berichte

  • Regionalleitung in der Ortenau bestĂ€tigt

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Bibliothek des Jahres
  • Lesen – ohne lesen

6. Denglisch

  • Halloween

 

1. Presseschau vom 20. bis 26. Oktober 2017

Die Vorleser

Bild: pixabay.com / CC0

In einer Studie fand die Stiftung Lesen heraus, dass Eltern ihren Kindern bereits im Alter von drei bis sechs Monaten vorlesen sollten. Die meisten Eltern beginnen damit erst, wenn ihre Kinder neun Monate alt oder Ă€lter sind. Beim Vorlesen gehe es aber nicht nur darum, die spĂ€tere Motivation der Kinder zum selbststĂ€ndigen Lesen zu erhöhen, sondern auch darum, Emotionen und das GefĂŒhl von Geborgenheit zu vermitteln. Das ritualisierte Vorlesen kann so helfen, die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stĂ€rken. Zudem nehmen die Kinder BĂŒcher spĂ€ter als selbstverstĂ€ndlichen Teil ihrer Lebenswelt war, es entsteht keine Hemmschwelle, ein Buch zur Hand zu nehmen und aufzuschlagen. Die Stiftung Lesen erkannte auch, dass viele Eltern sich unsicher sind bei der Auswahl von BĂŒchern, kann sie aber beruhigen: Die Auswahl dessen, was vorgelesen wird, ist zweitrangig, wichtig ist das Vorlesen selbst. (swp.de)

 

Dialekt verrÀt Herkunft

Bereits seit September setzt das Bundesamt fĂŒr Migration und FlĂŒchtlinge (BAMF) ein Rechnerprogramm ein, das arabische Dialekte erkennen und so dabei helfen soll, Angaben ĂŒber die Herkunftsregion von FlĂŒchtlingen zu prĂŒfen, die keine Ausweisdokumente besitzen. Vorausgegangene monatelange Tests seien erfolgreich verlaufen, so ein Sprecher der IT-Abteilung des BAMF. Bereits eine zweiminĂŒtige Sprachprobe soll ausreichend sein, um die Sprachregion zu erkennen. Problematisch ist hierbei, dass die Verbreitungsgebiete bestimmter Dialekte nicht unbedingt mit den Landesgrenzen ĂŒbereinstimmen mĂŒssen. Viele Landesgrenzen in Herkunftsregionen von FlĂŒchtlingen wurden auf dem Reißbrett gezogen. Deshalb nutzt das BAMF weitere Programme, die beispielsweise sogenannte Metadaten der Fotos auf mobilen Telefonen auslesen und so den Ort der Aufnahme ermitteln können. Diese Daten werden dann mit den Ergebnissen der Spracherkennung abgeglichen. (faz.net)

 

Schleswig-Holstein bekommt neues Wahlgesetz

Nach der Kritik an den in „Leichter Sprache“ verfassten Wahlbenachrichtigungen zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein im Mai will die Regierungskoalition aus CDU, FDP, GrĂŒnen und SSW nun das Wahlgesetz Ă€ndern. Demnach sollen die allgemeinen Wahlunterlagen kĂŒnftig wieder in angemessenem und orthographisch richtigem Deutsch verfasst sein. Barrierefreie Wahlinformationen sollen im Internet bereitgestellt werden. Die SPD lehnt den Gesetzentwurf als „Hauruckverfahren“ ab.

Das Wahlbenachrichtigungsschreiben, das die Behörde von Landeswahlleiter Tilo von Riegen fĂŒr die Landtagswahl verschickt hatte, war in kurzen SĂ€tzen abgefasst und mit Bildern versehen. Mehrteilige Substantive waren mit Bindestrich geschrieben, wie „Post-Leit-Zahl“ oder „Land-Tag“. Der VDS hatte dies als „Frontalangriff auf unsere Sprache“ kritisiert. Ein „Land-Tag“ sei kein regionales Parlament, sondern ein Tag auf dem Land, so die VDS-Pressemitteilung vom 19. April. (landtag.ltsh.de, vds-ev.de)

 

2. Unser Deutsch

Jamaika

Ist das eigentlich ein deutsches Wort? Ja und Nein. Wenn wir das Reiseziel meinen, dann gilt Nein. Sonst wĂ€ren ja alle Namen von StĂ€dten, Inseln, LĂ€ndern, die wir gebrauchen, deutsche Wörter. Sie sind internationale Namen, an denen viele Sprachen teilhaben. Aber wenn wir an den tĂ€glichen Gebrauch in den Nachrichten denken, an die potentielle Koalition aus CDU/CSU, GRÜNEN und Liberalen – dann gilt Ja. Zumal dieser Gebrauch nur im Deutschen vorkommt. Wir können sagen: In dieser Bedeutung ist Jamaika ein deutsches Wort.

Wie kam es zu dieser Verwendung? Wir kennen alle den Zusammenhang: Unsere Parteien nutzen – aus Tradition oder eigener Wahl – Farben als Symbol: Rot fĂŒr Sozialisten und Kommunisten, nach dem Vorbild der französischen Jakobiner, Gelb haben die Freidemokraten gewĂ€hlt – ihr langjĂ€hriger Vorsitzender Genscher trug deshalb immer einen gelben Pullover. Die GrĂŒnen haben gleich die Farbe als Name ĂŒbernommen – nichts lag nĂ€her bei einer Ökopartei. Den Christlich- Sozialen fiel schwarz zu, wohl ungewollt, nach den Kutten der Priester.

ÜbertrĂ€gt man diese Farbsymbole auf Koalitionsmuster, entsteht zum Beispiel schwarz-gelb-grĂŒn. Dies sind die Farben auf der Nationalfahne von Jamaika. Mit unserem Jamaika machen wir einen semantischen, einen metonymischen Doppelsprung: Wir lassen den Namen des Landes fĂŒr seine Fahne sprechen und deren Farben fĂŒr die Koalition. Ganz Ă€hnlich bei der sogenannten Ampel (verkĂŒrzt fĂŒr Verkehrsampel): rot-gelb-grĂŒn, die Koalition aus SPD, FDP und GRÜNEN. Und in Österreich war gar von einer möglichen ‚Dirndl-Koalition‘ die Rede, aus ÖVP, GRÜNEN und NEOS, also rot-grĂŒn-pink wie viele Dirndl. JĂŒngst hat die FDP einen weiteren Ausdruck erfunden: Kleeblatt-Koalition – wegen der vier beteiligten Parteien. Mit dem Hintersinn von Seltenheit und gleichem Anspruch.
Fazit: FĂŒr gĂ€ngige PhĂ€nomene brauchen wir einfache, sprechende Wörter. Oft genĂŒgt es, den vorhandenen neue Bedeutungen zu geben. Jamaika und Ampel, vielleicht sogar das symmetrische Kleeblatt sind der Mutterboden neuer Bedeutungen. So beleben, so bereichern wir unser Deutsch.

Horst Haider Munske

Die Artikel der Rubrik „Unser Deutsch“ bieten hĂ€ufig Anlass zur Diskussion. Wer mitdiskutieren möchte, ist im VDS-Rundbriefforum herzlich dazu eingeladen: http://rundbrief.vds-ev.de.

 

3. Berichte

Regionalleitung in der Ortenau bestÀtigt

Die beiden bisherigen VDS-Regionalleiter in der Ortenau (Postleitzahlengebiet 77), Erich Lienhart und Klaus Huber, werden auch in den kommenden drei Jahren fĂŒr den VDS prĂ€sent sein. Lienhart und Huber haben in ihrer bisherigen Amtszeit mit zahlreichen Vortrags- und Kulturveranstaltungen sowie InfostĂ€nden auf die Arbeit des VDS in der Ortenau aufmerksam gemacht, besonders mit Themen zur deutschen Sprache im Elsass und der Stellung der Dialekte. Über den VDS ist durch Leserbriefe und eigene BeitrĂ€ge der Regionalleitung in mehreren Zeitungen in der Region hĂ€ufig zu lesen.

Der Region 77 kommt in den nÀchsten Monaten die verantwortungsvolle Aufgabe zu, die Deutschen Sprachtage 2017 in Offenburg zu organisieren. (vds-ev.de, klausvomdachsbuckel.de)

 

4. VDS-Termine

27. Oktober, Region 88 (Bodensee/Oberschwaben)
Regionaltreffen mit KurzfĂŒhrung in der ehemaligen Klosterkirche Weißenau und anschließendem Vortrag von VDS-Mitglied GĂŒnther Nörthemann ĂŒber Luthers Einfluss auf die deutsche Sprache
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Klosterkirche Ravensburg-Weißenau, Abteistraße, 88214 Ravensburg

28. Oktober, Region 42 (Wuppertal, Remscheid)
Teilnahme der Regionalgruppe an der „Remscheider Nacht der Kultur und Kirchen“
Zeit: 18:00 Uhr

2. November, Region 18 (Rostock)
Öffentliche Verleihung des Sprachpreises des Landes Mecklenburg-Vorpommern
an Herrn Wolfgang Mahnke
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: GaststĂ€tte „Zum Bauernhaus“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock-Biestow

2. November, Region 10-14, 16 (Berlin und Potsdam)
Regionaltreffen. Gast: Philipp Beyer, Dichter aus dem Elsass
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Restaurant FilmbĂŒhne, Hardenbergstraße 12, 10623 Berlin

 

5. Literatur

Bibliothek des Jahres

Diesen Titel erhielt die UniversitĂ€tsbibliothek in Leipzig. Das Haus bringe laufend Innovationen auf allen wichtigen Bibliotheksfeldern hervor und nutze digitale Methoden, um die ZugĂ€nglichkeit zu verbessern, schreibt Deutschlandfunk Kultur zur BegrĂŒndung. Die Auszeichnung ist mit 20.000 Euro dotiert und wird vom Deutschen Bibliotheksverband vergeben.

Auch die Deutsche Welle hat aus diesem Anlass das Thema Bibliotheken behandelt. Neben der Histographie der Bibliothek (die sich aus dem griechischen Wort fĂŒr „Buch-BehĂ€lter“ ableitet), finden sich in dem Artikel auch die zehn schönsten Bibliotheken der Welt, darunter mit der Bibliothek der philosphischen FakultĂ€t der Freien UniversitĂ€t Berlin auch eine deutsche. Die als „Das Gehirn“ bezeichnete SehenswĂŒrdigkeit wurde 2005 nach PlĂ€nen des renommierten Architekten Norman Foster eröffnet. (deutschlandfunkkultur.de, dw.com)

 

Lesen – ohne lesen

Im Zeitalter der Technik scheint alles möglich. Selbst fĂŒr diejenigen, die zwar gerne ĂŒber die Inhalte eines Buchs informiert wĂ€ren, allerdings unter Faulheit oder Zeitmangel leiden, gibt es inzwischen technische Hilfsmittel. Deutschlandfunk Kultur hat unterschiedliche Apps getestet, die mit dem Smartphone genutzt werden können. Jede bietet Zusammenfassungen von SachbĂŒchern und Romanen und verspricht eine schnellere LektĂŒre. Die Inhalte der BĂŒcher werden, je nach App, von freien Autoren, aber auch von Nutzern zusammengefasst und unterscheiden sich somit nicht nur formal, sondern auch qualitativ und preislich. Das Fazit: „Das Prinzip der Zusammenfassungen von SachbĂŒchern funktioniert – keine Frage. Zusammenfassungen von Belletristik machen hingegen weniger Sinn“. (deutschlandfunkkultur.de)

 

6. Denglisch

Halloween

Nicht nur Denglisch, auch kulturelle EinflĂŒsse schwappen aus den USA nach Deutschland herĂŒber. Ein aktuelles Beispiel ist Halloween, das am 31. Oktober gefeiert wird. Das ursprĂŒnglich von irischen Einwanderern nach Nordamerika gebrachte Fest geht auf keltische und heidnische Traditionen zurĂŒck. Heute spielen die geschichtlichen HintergrĂŒnde des Volksbrauchs angesichts seiner kommerziellen Ausbeutung jedoch kaum noch eine Rolle. Das finden auch die Deutschen. In einer Umfrage des Forschungsinstituts YouGov gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie das Fest ablehnen. Und immerhin die HĂ€lfte kritisiert, dass der US-amerikanische Import die deutsche Kultur verdrĂ€nge. Die Theologin Margot KĂ€ĂŸmann der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kritisiert noch einen weiteren Aspekt: den Geisterkult. „Luther hat immer wieder betont, dass wir keine Angst zu haben brauchen, um damit den Menschen den Auszug aus der Angst zu ermöglichen. Insofern ist der heutige Geisterkult am Reformationstag auch inhaltlich total kontraproduktiv – falls bei diesem Kult ĂŒberhaupt Inhalt vorhanden ist.“ (faz.net, evangelisch.de)

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