Sprachenpolitik in Europa

Eines der Ziele des Vereins Deutsche Sprache e. V. (VDS) ist die Stärkung der deutschen Sprache in den Institutionen der Europäischen Union. Der Verein sieht diese Aufgabe im Einklang mit den Forderungen der deutschen Politik (siehe z. B. Koalitionsvertrag 2013, S. 109/110) und darüber hinaus als Teil eines gesamteuropäischen Anliegens, das alle Sprachgemeinschaften Europas gleichermaßen betrifft: Es geht um die Erhaltung und strukturelle Sicherung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt, die für die Bewahrung der Identität unseres Kontinents unerlässlich ist.

Verantwortlich für den entsprechenden Arbeitsbereich des VDS ist die von Dr. Dietrich Voslamber geleitete Arbeitsgruppe „Sprachenpolitik in Europa“. Ihre Aktionen zielen vornehmlich (wenn auch nicht ausschließlich) auf die Außenkommunikation der EU-Institutionen mit den Unionsbürgern. Diese müsste idealerweise in allen Amtssprachen der EU erfolgen. Solange dies nicht in allen Fällen geschieht, sollten aber wenigstens die Sprachen benutzt werden, die in der EU am weitesten verbreitet sind. Als meist gesprochene Muttersprache und (nach Englisch) zweithäufigste Fremdsprache müsste Deutsch immer dann benutzt werden, wenn Englisch nicht die einzige verwendete Sprache ist.
Einige unserer bisherigen Initiativen

– 2002-2003: Vorschläge an den Konvent und an die spätere Regierungskonferenz zum Europäischen Verfassungsentwurf: zunächst für einen Sprachenartikel in der Europäischen Verfassung, dann für Änderungen an den vom Konvent erarbeiteten Verfassungsentwürfen. Teilerfolg: Auch mit der EZB, die zunächst hiervon ausgeschlossen war, kann in allen Amtssprachen der EU korrespondiert werden. Dies gilt, da die EZB nunmehr zu den EU-Organen zählt, auch für den Lissabon-Vertrag.

– 2004: Forderung, die 14-täglich erscheinende Internet-Zeitschrift „Europa Newsletter“ der Kommission neben Englisch und Französisch auch auf Deutsch herauszugeben. Der Forderung wurde stattgegeben. Die Zeitschrift wurde allerdings 2006 wieder eingestellt.

– 2004: Gemeinsam vom VDS und der DLF (Défense de la langue française) unterzeichnete Erklärung, die dem deutsch-französischen Gipfeltreffen im Oktober 2004 vorgelegt wurde. Sie enthielt sprachpolitische Forderungen, die namentlich die Förderung der Sprache des jeweiligen Nachbarlandes zum Ziele hatten.

– 2005: Teilnahme von Mitgliedern unserer Arbeitsgruppe am „Marsch auf Villers-Cotterêts“ nahe Paris, einem Demonstrationszug zur Unterstützung des UNESCO-Abkommens über kulturelle Vielfalt.

– 2006: Stellungnahme in einem Internetforum der Kommission zur Kommunikationspolitik der EU. Kritik am Sprachengebrauch der EU-Institutionen bei der Außenkommunikation. In der Folge ließen sich im Netzauftritt der Kommission deutliche Verbesserungen feststellen.

– Ab 2005: Zusammenarbeit des VDS mit dem  „Europäischen Forum für Mehrsprachigkeit (EFM)“ (Observatoire Européen du Plurilinguisme). Gemeinsame Erarbeitung einer „Europäischen Charta für Mehrsprachigkeit“, gemeinsame Durchführung einer „Europäischen Tagung über Mehrsprachigkeit“ in Berlin (Juni 2009)

– 2008: Beitrag zu „60 Ideen für Europa“ anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Europäischen Bewegung: „Europäischer Verhaltenskodex für die Kommunikation“.

– 2004 – 2008: Beschwerde des VDS beim Europäischen Bürgerbeauftragten Nikiforos Diamandouros gegen den Rat der Europäischen Union wegen der Diskriminierung der deutschen Sprache in den Internetauftritten der Ratspräsidentschaften. Der Bürgerbeauftragte entschied positiv über die Beschwerde und verfasste einen entsprechenden Sonderbericht an das Europäische Parlament.  Dieses unterstützte alle Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten und forderte in einer Entschließung die künftigen Ratspräsidentschaften auf, in ihren Netzauftritten die meistgesprochenen Sprachen der EU zu verwenden. – Die Parlamentsentschließung wurde von den nachfolgenden Ratspräsidentschaften zunächst ignoriert, seit 2010 aber – nicht zuletzt aufgrund der tatkräftigen Unterstützung durch das Auswärtige Amt – von den Ratspräsidentschaften der folgenden Jahre bis auf zwei Ausnahmen (Italien, 2. Halbjahr 2014, und Rumänien, 1. Halbjahr 2019) befolgt.

– 2009: Mitgründung eines internationalen Zusammenschlusses von Gewerkschaften und Sprachvereinen in Paris: „Komitee des 9. März für das Recht auf den Gebrauch der Landessprache und für den Schutz vor sprachlicher Diskriminierung“

– 2011 – 2012: Kontaktaufnahme zum Generalsekretariat des Europäischen Rates, der durch den Lissabon-Vertrag den Rang eines Organs der EU erhalten hatte. Bitte um eine gegenüber der europäischen Öffentlichkeit sprachlich neutrale Außendarstellung. Unserer Bitte wurde zum Teil entsprochen, so etwa bei der Bannerbeschriftung des „Familienfotos“ der Staats- und Regierungschefs während eines Gipfeltreffens. Wie hier ersichtlich, erfolgt diese Beschriftung nicht mehr – wie früher – nur auf Englisch und Französisch, sondern nunmehr in allen Amtssprachen der EU:


vorher


nachher

– 2012 – 2014: Kontaktaufnahme zur Generaldirektion „Kommunikation“ der Europäischen Kommission und zu der für diesen Politikbereich zuständigen Kommissarin Viviane Reding wegen der nur noch in englischer und französischer Sprache gestalteten Außendarstellung der Kommission. Bitte um Rückkehr zu einer sprachlich neutralen Beschriftung des Pressesaals der Kommission. Nachdem der Bitte nicht entsprochen wurde, legte der VDS Beschwerde bei der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly ein.

Die Einzelheiten der Beschwerde können hier eingesehen werden: Sie umfassen das ausgefüllte Beschwerdeformular, eine ausführliche Beschwerdebegründung, den vorangegangenen und den der Beschwerde folgenden weiteren Schriftwechsel sowie Belegfotos aus dem Pressesaal der Kommission.


vorher


nachher

– 2016: In ihrer Entscheidung vom 31. März 2016 wies die Bürgerbeauftragte die Beschwerde des VDS zurück. Zu der Vorgehensweise der Bürgerbeauftragten bei der Beurteilung der Beschwerde verfasste der VDS diese Stellungnahme.
Antrag des VDS vom 7. April 2016 an die Kommission (gemäß Verordnung 1049/2001 betreffend den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten) auf Zusendung aller Dokumente und Sitzungsprotokolle, die die Entscheidung betreffen, die visuelle Gestaltung des Pressesaals nur noch in den Sprachen Englisch und Französisch vorzunehmen. Mit der Behauptung, es seien keine weiteren Dokumente gefunden worden, gewährt die Kommission lediglich Einsicht in einige nichtssagende elektronisch versandte Einladungen zu Sitzungen, denen keinerlei Informationen zur Urheberschaft und zu den Beweggründen für die Umgestaltung des Pressesaals zu entnehmen sind.
Klage des VDS vom 23. August 2016 auf Herausgabe weiterer Dokumente, u. a. mit der Begründung, dass es für die Umgestaltung der „visuellen Identität“ eine formelle Ausschreibung und – nach dem Zuschlag an einen Bieter – schriftliche Anweisungen, Rechnungsprüfungsvermerke, Auszahlungsbelege usw. gegeben haben müsse, die vom Rechnungshof nachprüfbar sein und also archiviert werden müssen.

– 2018: Zurückweisung der Klage durch den EuGH in erster und zweiter Instanz unter Berufung auf die sogenannte „Rechtmäßigkeitsvermutung“, laut derer der Kommission zu glauben sei, dass neben den bereits herausgegebenen Dokumenten keine weiteren mehr auffindbar seien.

– 2019: Im Februar veröffentlicht die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O’Reilly die Ergebnisse ihrer Umfrage vom September 2018 zur Sprachenpolitik der EU-Institutionen. Unter den deutschsprachigen Antworten, die unter europa.eu im PDF-Format heruntergeladen werden können, befindet sich an erster Stelle die Stellungnahme des VDS.
In einer am 26. April an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gesandten Bittschrift ersucht der VDS – zusammen mit drei weiteren als Hauptunterzeichner und 22 als Mitunterzeichner auftretenden Organisationen – die Kommission um Wiederherstellung einer sprachneutralen Beschriftung ihres Pressesaals. Die Bittschrift wurde in vier Sprachen verfasst; sie kann hier in deutscher, französischer, italienischer und dänischer Sprache nachgelesen werden. Das Verzeichnis aller unterzeichnenden Organisationen kann hier eingesehen werden.

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