1. Presseschau
Schlechtes Abschneiden bei Pisa
Bei der aktuellen Pisa-Studie für das Jahr 2022 haben die deutschen Schüler so schlecht abgeschnitten wie noch nie. Gegenstand der Studie waren die Kenntnisse im Lesen, in der Mathematik und den Naturwissenschaften. In diesen Bereichen sank der erreichte Punktwert im Vergleich zur Studie im Jahr 2019. Die Experten finden den Leistungsabfall in Deutschland besorgniserregend, berichtet der Stern. Eine der Ursachen sei die Corona-Pandemie gewesen, die Schulschließungen hätten den „Kompetenzerwerb“ behindert. Hierzulande sei der Distanzunterricht eher mit herkömmlichen Materialien wie Arbeitsblättern geführt worden, andere Ländern hätten mehr digitale Medien genutzt. Als Ursache für die schlechten Ergebnisse wurden auch fehlende Sprachkenntnisse ausgemacht. Für Kinder mit Zuwanderungshintergrund sei frühe Sprachförderung nicht durchgängig sichergestellt. Man könne „nicht davon ausgehen, dass sie die deutsche Bildungssprache schon beherrschen, wenn sie nach Deutschland kommen“, so lautet die Feststellung der Studienleiterin Doris Lewalter: „Wir brauchen endlich verbindliche Sprachtests im Kindergartenalter – mit entsprechenden Konsequenzen“, verlangt sie im Interview mit dem Spiegel. Ein Sprecher der Bundesschülerkonferenz wies darauf hin, das schlechte Abschneiden sei nicht allein auf die Schüler zurückzuführen. Lehrermangel oder die Benachteiligung von Kindern aus einkommensschwachen Familien seien systemische Probleme. (stern.de, rnd.de)
Sprachdefizite bei Kindern
Laut der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) nehmen Sprachentwicklungsstörungen bei Kindern zu. Nach Auswertung der Versichertendaten wurde 2022 bei fast jedem 12. Kind eine Sprach- und Sprechstörung diagnostiziert. Das war 2012 noch bei jedem 18. Kind der Fall. Ursache seien zum einen die Kindergarten-Schließungen im Rahmen der Corona-Pandemie, da konnte keine stetige Sprachentwicklung stattfinden, sagt Vijitha Sanjivkumar vom Kompetenzteam Medizin der KKH. Zum anderen würde auch im Elternhaus „selbst bei den Mahlzeiten“ seltener miteinander gesprochen, auch vorgelesen werde weniger.
Stattdessen erlaubten Eltern die intensive Nutzung von Smartphone und Tablet – darunter leide der Spracherwerb. Viele Kinder könnten daher Wörter nicht richtig aussprechen, oder sie kennten sie gar nicht. Auch ein falscher Satzbau sei häufiger festgestellt worden. Der Anteil der Kinder, die über die KKH logopädisch behandelt werden, sei innerhalb von zehn Jahren um knapp 60 % gestiegen. (badische-zeitung.de)
Wort des Jahres 2023
„Krisenmodus“ lautet das Wort des Jahres 2023, hat die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) bekanntgegeben. „Der Ausnahmezustand ist zum Dauerzustand geworden“, sagte GfdS-Geschäftsführerin Andrea Ewals. Das löse bei den Menschen Angst, Unsicherheit und Ohnmacht aus. Die Jury für das Wort des Jahres durfte aus 1.800 Vorschlägen wählen. Entscheidend für die Auswahl sei dabei nicht deren Häufigkeit, sondern deren Popularität und Signifikanz, so die GfdS. Auf den Plätzen 2 und 3 landeten „Antisemitismus“ und „leseunfähig“. (tagesschau.de)
Eine Schande im Umgang
Nach über 60 Jahren wird das Goethe-Institut in Neapel (bis auf eine Mitarbeiterstelle) geschlossen. Der Autor und Musikkritiker Jens Balzer durfte dort eine der letzten Kulturveranstaltungen mitgestalten. Das Institut in Neapel sei „ein zentraler Bestandteil der Stadtgesellschaft gewesen“ schreibt er in der ZEIT. „Eine Schande“ sei insbesondere der Umgang des Auswärtigen Amts mit den Mitarbeitern, die sich „im deutschen Namen um kulturellen Dialog mühten.“ Sie hätten vor einigen Monaten eine Liste erhalten, daraus „können sie entnehmen“, schreibt Balzer, „ob man sie für Überschuss hält – aber nicht, was im letzteren Fall mit ihnen passiert. Seit Monaten lässt das Auswärtige Amt sie darüber im Unklaren, alle sollen ja so lange weitermachen, wie es nur geht. Am 31. Januar werden sie aus dem Palazzo Sessa geworfen, damit geht eine über 60-jährige Geschichte zu Ende.“ (zeit.de)
Ein Schloss für die französische Sprache
In Villers-Cotterêts, einem Städtchen auf halber Strecke zwischen Paris und Reims, hat der französische Präsident kürzlich ein Kulturzentrum zu Ehren der französischen Sprache eingeweiht, die „Cité internationale de la langue française“. Marc Zitzmann hat das Museum für die FAZ besucht und empfindet es als „verspielt, interaktiv, farbenfroh“, aber auch als „stets lehrreich ohne Pedanterie und zwanglos zum Nachdenken anregend“. Es geht in der Ausstellung um die große Geschichte des Französischen, um die Werke französischsprachiger Schriftsteller. Nicht vergessen werden die Minderheitensprachen in Frankreich und die Einflüsse aus anderen Sprachen. Das Museum befindet sich in einem umgebauten Schloss aus dem 16. Jahrhundert, es ist dem Kulturministerium zugeordnet und arbeitet mit einem Jahresbudget von acht Mio. Euro. (faz.net)
Ahnungsarmer Sprachgebrauch in der Politik
Als „Klempner der Macht“ beschimpft Friedrich Merz den Bundeskanzler. Helmut Bramann, Geschäftsführer des Zentralverbands Sanitär, Heizung, Klima hält diese Bezeichnung im Interview mit dem Spiegel für „nicht besonders gelungen“. Was Merz gemeint haben könnte, sei mit der Leistung von Klempnern nicht gleichzusetzen. Sicherlich nützten solche Bemerkungen wenig gegen die Knappheit von Lehrlingen im Handwerk. Die SPD sei da nicht besser: „Ob Gas, Wasser, Scheiße oder jede andere Krisensituation – wir sind uns nicht zu schade anzupacken, wenn’s mal klemmt.“ Man könne im Bundestag und in den Ministerien die Handwerker an einer Hand abzählen, sagt Bramann. Entsprechend ahnungslos werden weitreichende Beschlüsse gefasst. Das könnte mit dem oberflächlichen Sprachgebrauch zusammenhängen. (spiegel.de)
Künstliche Intelligenz generiert Worthülsen
Auf neue Ideen müssten wir schon noch selbst kommen, widerspricht Tina Kretschmer, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Groningen in der ZEIT dem „gut gelaunten Ausblick“ von Juan M. Lavista Ferres (wir berichteten). Er unterscheide leider nicht, ob die GKI wissenschaftliche Texte produziere oder nur verbessere, und seine Behauptung, Programme wie ChatGPT vermittelten bessere Englischkenntnisse, stimme nicht. „Großer Sprachmodell“ lieferten zwar flüssig lesbare Texte, aber es wimmele darin von Worthülsen wie „Konstrukt“, „Konzept“, „Diskurs“. Solche Texte reflektiert man nicht, man erträgt sie. Man erinnert sich vielleicht an den elektrischen Mönch bei Douglas Adams: Er nahm einem das Fernsehen ab, das musste man nicht selbst erledigen.
Kretschmer sieht Wissenschaftler im notwendigen und unersetzbaren Austausch der Gedanken mit Kollegen. Das könne man nicht Anwendungen der künstlichen Intelligenz überlassen. Wesentlicher Bestandteil der wissenschaftlichen Ausbildung sowie der Wissenschaft selbst sei „die intensive Beschäftigung mit Text, mit Argumenten und Interpretationen“, sagt Kretschmer. darüber hinaus sei die Gefahr groß, „dass innovative Texte bald nur noch von jenen kommen, die Englisch auf Muttersprachniveau sprechen, und dass andere der falschen Überzeugung erliegen, die künstliche Intelligenz mache die Kommunikation durch den Wissenschaftler selbst unnötig.“ Auch der besten GKI könnten wir das Schaffen, Schärfen und Präzisieren von Ideen nicht überlassen. Gute, innovative Wissenschaft bedeute „in neuen, ungedachten Bahnen zu denken.“ (zeit.de)
2. Gendersprache
Söder kündigt Gender-Verbot an
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will das Gendern an Schulen und in Behörden verbieten. Das hat er diese Woche in seiner Regierungserklärung angekündigt: „Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben. Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen“, so Söder im Bayerischen Landtag. Bildungsverbände kritisieren den Vorstoß: „Ein hartes Verbot neuer Schreibweisen halte ich (…) nicht für notwendig und zielführend. Es bestünde damit eher die Gefahr einer weiteren Spaltung und Polarisierung in der Schulgemeinschaft“, sagte der Vorsitzende des Philologenverbandes (bpv), Michael Schwägerl. Söder konterte tags darauf: „Ich glaube, dass das Gendern unsere Gesellschaft eher spaltet als alles andere“, und Rechtschreibung spalte immer in diejenigen, die es richtig und die es falsch machten, berichtet die Süddeutsche. (spiegel.de, sueddeutsche.de, sueddeutsche.de, spiegel.de (Bezahlschranke))
Volksabstimmungen gegen Gendersprache vom Amt
In Baden-Württemberg ist der Weg frei für das Volksbegehren gegen die Verwendung von Gendersprache an öffentlichen Einrichtungen, welches der Heidelberger Jurist und Unternehmer Klaus Hekking im Frühjahr gestartet hatte. Vergangene Woche übergaben die Initiatoren 14.000 Unterschriften. Im nächsten Schritt müssen 770.000 Unterschriften gesammelt werden, damit es zu einer Volksabstimmung kommen kann.
Den Bürgern in Baden-Württemberg, Hamburg und Hessen folgend ist nun auch in Mecklenburg-Vorpommern eine Volksinitiative gestartet. Kopf dieser Initiative ist der ehemalige Rektor der Universität Rostock, Hans-Jürgen Wendel. 15.0000 Unterschriften sind notwendig, damit sich der Landtag in Schwerin mit dem Thema Gendersprache befassen muss. Nach einem Monat seien bereits 2.000 Unterschriften zusammengekommen, vermeldet Wendel.
Aus Hessen berichtet eine der Vertrauenspersonen der Volksinitiative, Bernd Fischer, dass für die notwendigen 44.000 Unterschriften mittlerweile 30.000 unterschriebene Stimmzettel vorlägen. In Hessen ist es so: „Wer sich beteiligen will, muss einen vom Landeswahlleiter abgenommenen Stimmzettel, der den von den Initiatoren entworfenen Gesetzesentwurf enthält, unterzeichnen und bei der Bürgerinitiative im Original einreichen“, schreibt Fischer in der WELT. (faz.net, nordkurier.de, welt.de (Bezahlschranke))
Na endlich, das generische Femininum
Während kaum einer genau hinschaut, werden in Gesetzestexte Wörter gelegt wie Landminen. Sie dürften justitiabel sein. Das österreichische Bundesgesetz über die Flexible Kapitalgesellschaft (FlexKap) soll zum Jahresbeginn 2024 in Kraft treten. Im Text findet sich dreimal das Wort „Bundesministerin“, etwa im § 29: „Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Justiz betraut.“ Was in dem Text nicht vorkommt, ist ein „Bundesminister“.
Na endlich, könnte man als friedliebender Mensch sagen: Ist doch wurscht, ersetzen wir halt das generische Maskulinum durch das generische Femininum, und es ist endlich Ruhe. Aber im täglichen Sprachgebrauch bezeichnet das Femininum „Ministerin“ die Frauen, und nur die Frauen, während das generische Maskulinum sämtliche biologischen Geschlechter bezeichnet. Das ist nun mal so, das kann man zwar ändern wollen, aber man kann es nicht anordnen, das funktioniert einfach nicht, jedenfalls schafft es keinen Frieden. (bmj.gv.at (daselbst der Gesetzestext zum Herunterladen))
Sprachlicher Spagat
Groß beim Gendern, aber problematisch im Krieg. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖRR) bekleckere sich nicht gerade mit Ruhm, wenn es um seine Nachrichtensprache geht, schreibt Franziska Zimmerer in einem Kommentar in der Welt. Bei der Frage nach der vermeintlich geschlechtergerechten Sprache gendert der ÖRR penibel und ist sich auch für fragwürdige Konstruktionen (wie zuletzt z. B. „Schott*innen“ oder „Pol*innen“) nicht zu schade. Doch ausgerechnet bei der korrekten Darstellung kriegerischer Handlungen versage der ÖRR, so Zimmerer. Bei der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas haben mehrere Sender von „Geiselaustausch“ gesprochen, womit sie Israel verdächtigen palästinensische Geiseln festzuhalten. Dass es sich dabei unter anderem um verurteilte Straftäter handelt, wurde so unterschlagen. In den sozialen Medien darauf hingewiesen, reagierte man zunächst nicht, dann mit Verspätung, nur um dasselbe Wort anschließend erneut zu nutzen. „Es fehlt bei den Öffentlich-Rechtlichen beim Thema Israel die Sensibilisierung dafür, wie machtvoll Sprache ist. Sprache hat Konsequenzen, sie prägt unsere Sicht auf die Realität“, resümiert Zimmerer. „Die Tagesschau nennt Hamas-Terroristen auf Instagram üblicherweise ‚Terrorist:innen‘, wofür man schon deshalb einen intellektuellen Spagat machen muss, da sich die Islamisten ihre Tunnel eher ungern mit Frauen, Trans- oder Intersexuellen teilen.“ Der ÖRR habe ein Problem mit seiner Prioritätensetzung, so Zimmerer. „Gendern und geschlechtersensible Sprache ist offenbar viel höher gelistet als korrekte Berichterstattung über Israel.“ (welt.de)
Gegen-Initiative in Hamburg
Die erste Volksinitiative gegen das Gendern hat Anfang 2023 in Hamburg begonnen, mehrere Bundesländer sind mittlerweile nachgezogen. In Hamburg selbst hat sich jetzt eine Gegen-Initiative formiert, die für das Gendern eintritt. Dr. Christina Maria Huber, Vorstandsmitglied des Landesfrauenrates Hamburg, hat das Bündnis „Die Mitgemeinten“ gegründet, bestehend aus Verbänden, Gewerkschaften und Privatpersonen. „Bei uns sind diejenigen willkommen, die im generischen Maskulinum nur mitgemeint sind. Menschen, die sich dadurch nicht benannt fühlen und alle, die sich mit ihnen solidarisieren“, so Huber in einem taz-Interview. Das Bündnis sei nicht für Verbote, sondern für die Vielfalt der Sprache. (taz.de, gendern-in.hamburg)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
nachhaltig 2
Eine Leserin macht mich aufmerksam auf die Wörter nachhaltig und Nachhaltigkeit. Ob das nicht etwas wäre für eine Glosse. Warum sollte es das? Ich ahne es. Beide sind Wörter, die eine aktuelle Strömung, einen Trend in unserer Gesellschaft verkörpern. Wir sollten all unser Tun ausrichten auf nachhaltige künftige Wirkungen, weniger auf den kurzfristigen Erfolg. Kann Sprachwissenschaft dazu etwas Klärendes beitragen? Die Suche nach Herkunft und Entstehung bringt nur mageres Ergebnis. Im Grimm’schen Wörterbuch nur 9 Zeilen mit kurzen Textbeispielen von Goethe und Gotthelf. Die Rede ist vom „nachhaltigen ertrag des bodens“, der nur erzielt wird, „wenn er in gutem stand erhalten wird“. Auch die „nachhaltige wirkung des bades“ wird erwähnt. Offenbar spielte das Wort noch keine große Rolle, als Band VII des Grimm im Jahre 1889 erschien.
Erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts steigt der Gebrauch rasant an. nachhaltig wird zum Leitwort einer gesellschaftlichen Bewegung, die in Umwelt, Wirtschaft und Sozialem – den drei Säulen der Nachhaltigkeit –, nach einer grundsätzlichen Wende verlangt, gegen kurzfristigen Nutzen, für andauernde Wirkung. Es geht ökologisch um den Schutz der Umwelt, Erhalt von Artenvielfalt, sparsamen Umgang mit Energie, ökonomisch zum Beispiel um geringe Staatsschulden (Schutz künftiger Generationen) – die Schuldenbremse ist ein aktuelles Beispiel. Und schließlich sind Grundsicherung, Mindestlohn und ausreichende Renten wirksame Formen nachhaltiger Sozialpolitik.
Man sieht, die Wörter nachhaltig und Nachhaltigkeit sind zum Sammelbecken alles Wünschbaren geworden. Und das in so kurzer Frist, dass die Wörterbücher gar nicht nachkommen, es zu kodifizieren. Der inflationäre Gebrauch von Nachhaltigkeit droht seinen guten Zweck zu vernebeln. Entscheidend ist es, Nachhaltigkeit im Alltag zu praktizieren. Auch Vergleiche können nutzen: Warum stehen in unseren Städten noch hunderte Kirchen aus dem Mittelalter, werden genutzt und gepflegt? Auch viele Universitätsgebäude und unzählige Rathäuser aus dem 19. Jahrhundert dienen bis heute ihrem Zweck. Neuere Gebäude sind zumeist nach 50 Jahren abrissreif. Andererseits ist es gelungen, viele Flüsse und Seen wieder sauber zu machen, sodass man in ihnen schwimmen kann wie einst. Nachhaltig ist auch das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen die trickreiche Umbuchung sogenannter Sondervermögen. Schon dieser verschleiernde Ausdruck für eine zusätzliche Schuldenlast war ja eine Unverschämtheit. Man sieht, die Lüge tritt am liebsten im Gewand verbaler Beschönigung auf. Das muss man erkennen und benennen. Insofern kann auch Sprachkritik nachhaltig sein.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de.
4. Kultur
Warum die aus dem Süden so laut seien
Je wärmer, desto lauter – das ist verkürzt die Bilanz einer Studie zur Lautstärke in Sprachen. Wissenschaftler an mehreren Universitäten haben herausgefunden, dass die durchschnittliche Umgebungstemperatur die Lautstärke bestimmter Sprachlaute beeinflusst: „Vereinfacht gesagt, sind Sprachen in wärmeren Regionen lauter als die in kälteren Regionen“, sagt der Kieler Sprachforscher Dr. Søren Wichmann. Der Hintergrund: Beim Sprechen und Hören sind wir von Luft umgeben, in der die Schallwellen übertragen werden. Die physikalischen Eigenschaften der Luft beeinflussen, wie leicht Sprache zu erzeugen und zu hören ist. „So stellt die Trockenheit der kalten Luft einerseits eine Herausforderung für die Produktion stimmhafter Laute dar, die eine Vibration der Stimmbänder erfordern. Andererseits neigt warme Luft dazu, stimmlose Laute zu begrenzen, indem sie deren Hochfrequenzenergie absorbiert“, erklärt Dr. Wichmann. In wärmeren Klimazonen seien Sprachen daher häufig in einer höheren Lautstärke angesiedelt. (idw-online.de, academic.oup.com)
5. Berichte
Schlagzeile des Jahres 2023
Die VDS-Aktion „Schlagzeile des Jahres“ befindet sich für das Jahr 2023 auf der Zielgeraden. Noch bis zum 31. Dezember können Vorschläge zur Auszeichnung von Schlagzeilen eingereicht werden, die das Wesentliche eines Medienbeitrags in wenigen Worten sagen. Zur Jury gehören der Vorsitzende des VDS Walter Krämer, die Germanistin Stephanie Zabel aus der Geschäftsstelle des VDS, der Journalist und Schriftsteller Harald Martenstein sowie der Sprachwissenschaftler Prof. Horst Haider Munske. (vds-ev.de)
AG Gendersprache unterstützt Volksinitiativen
Sabine Mertens, die Leiterin der VDS-AG Gendersprache, fasst auf achgut.de noch einmal die Bemühungen gegen die von vielen Ämtern und Behörden mittlerweile verordnete Gendersprache zusammen. „Mit der Hamburger Volksinitiative ‚Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildungʻ haben wir überzeugend deutlich gemacht, dass direktdemokratische Volksentscheide der einzige wirksame Hebel sind, um den nachweislichen Mehrheitswillen in Sachen Sprache rechtswirksam durchzusetzen“, schreibt Mertens. Sie verweist auf die Plattform https://stoppt-gendern.de, die sie als Leiterin der VDS-AG gegründet hat, um weitere Volksinitiativen in den Bundesländern zu koordinieren und zu beraten. (achgut.com)
Prominent dagegen
Der Mediendienst Swyrl.tv stellt einige prominente Gegner und Befürworter der Gendersprache zusammen. Unter den Gegnern vor allem jene, die 2019 den vom VDS initiierten Aufruf „Schluss mit dem Gender-Unfug“ unterzeichnet haben, wie Wolf Schneider, Dieter Nuhr und Jürgen von der Lippe. (swyrl.tv)
6. Soziale Medien
Was im Hintergrund passiert
Vieles von dem, was der VDS macht, passiert öffentlich, wird deutlich kommuniziert. Oft sind es aber auch die kleinen Sachen, die im Hintergrund laufen und zu den Erfolgen führen, die wir uns für die Sprache wünschen. Claus Maas, Leiter der AG „Deutsch in der Schule“, überprüft regelmäßig Fälle von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern, die sich an uns wenden mit der Bitte um Hilfe. Sie sind entweder selbst betroffen oder melden sich, weil an der Schule ihrer Kinder gegendert wird. Eine Mutter fragte auf X (ehemals Twitter) nach, was sie gegen das Gendern tun könne. Claus Maas, selbst ehemaliger Lehrer, gab Hinweise und Tipps, rund einen Monat später folgte dann die Erfolgsmeldung bei X: „Ein voller Erfolg! Nach dem Gespräch in der Schule heute lässt sich sagen: Gendern ist ab jetzt dort verboten. Das hat das Kultusministerium der Schulleitung auch noch per Mail bestätigt. Es lohnt sich, sich einzusetzen. „Danke @RiekeOben & @VDS_weltweit für die Unterstützung!“, schrieb @HereIAm1405. Für und vom VDS ist das eine Bestätigung dafür, dass man konstant an einem Thema dranbleiben und denen, die Gendern in Schulen installieren wollen, konkret und deutlich, aber freundlich, widersprechen muss. (twitter.com/hereiam1405, twitter.com/hereiam1405)
Weiteres aus den sozialen Medien
Weihnachtsfeier in der VDS-Geschäftsstelle
Lecker war’s! Diese Woche sind die Mitarbeiter der Geschäftsstelle mal gemütlich zusammengekommen, um ein weihnachtliches Raclette zu genießen. Gesungen wurde natürlich auch – aber gute Gründe liegen vor, warum es davon keine Videos zu sehen gibt ;-). Beim Schrottwichteln wechselten dann u. a. ein maximal hässliches Schneidebrett, anzügliche Flaschenöffner und Karpfen-Hausschuhe die Besitzer. (tiktok.com/@vds)
Anglizismen-Index
Sprache ist unser core value, aber wir können natürlich auch outside the box denken. Wer diese und andere Anglizismen erkunden, vielleicht auch vermeiden möchte, ist mit unserem Anglizismen-Index auf der sicheren Seite. Zu bestellen ist er beim IFB-Verlag: ifb-verlag.de. (instagram.com/vds)
7. Kommentar
Verbieten, dürfen die das?
Ob Sprachverbote Sache der Regierung seien, fragt sich so mancher Kommentator, seit Markus Söder das Sprachgendern untersagen will. Dabei bleibt die ältere Frage unbeantwortet: Ob verbieten (verpönen, bestrafen, übel nachreden usw.) überhaupt jemand dürfe, beispielsweise die Medien? Oder vielleicht die Gemeinden? Im Merkur ist zu lesen, die Mehrheit der Bürger in bayrischen Gemeinden befürworte das Gendern sogar. Zur Erinnerung: Wenn Mehrheiten in dieser Sache eine Rolle spielten, wäre das Sprachgendern längst abgeschafft, und zwar flächendeckend. Diesen Umstand dürfen „selbst ernannte Sprachschützer“ gelegentlich erwähnen. Zumal auch hier eine Frage unbeantwortet bleibt: Wer ernennt Sprachschützer, wer tut es, wer darf das? Niemand? Demnach kann es nur selbsternannte geben; das kann so schwer nicht zu verstehen sein. Und es muss Sprachschützer geben, denn auch heuer liegt das miese Pisa-Ergebnis daran, dass die Landessprache nichts gilt. Man darf sie sogar – bislang noch ungestraft – durch Gendern noch schwieriger machen, als sie es schon ist. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs