1. Presseschau
Tag der deutschen Sprache
Das Online-Portal deutschland.de, das von der zur FAZ-Gruppe gehörenden Agentur Fazit betreut und vom Auswärtigen Amt unterstützt wird, widmet sich dem Tag der deutschen Sprache, der jedes Jahr am 2. Samstag im September begangen wird. Dieser Gedenktag wurde vom Verein Deutsche Sprache geschaffen, er soll zu einem achtsamen Umgang mit der Sprache beitragen. Die Zahl der Menschen, die Deutsch lernen, hat in den vergangenen Jahren zugenommen, vor allem in Afrika und Asien gewinne Deutsch an Bedeutung, sagte Klaus Lüber auf deutschland.de. Zum Tag der deutschen Sprache veranstaltet der VDS vielerlei, vom Infostand bis zur Dichterlesung, und das nicht nur bundes-, sondern auch weltweit. Auch das Bewusstsein für die unverzichtbare Rolle der Sprache als Kommunikationsmittel sei zu schärfen, erklärt Dorota Wilke, Pressesprecherin des VDS. Das sei, besonders bei der jüngeren Generation, keine Selbstverständlichkeit. „Es genügt nicht, sich in seiner eigenen Gruppe gut ausdrücken zu können, man muss das auch gegenüber Fremden schaffen“, bekräftigt sie. „Wer sich in der Welt zurechtfinden will, sollte die Sprache beherrschen. Sprache verbindet und öffnet Türen.“ (deutschland.de)
Neue Rechtschreibung an Westschweizer Schulen
Seit Beginn des neuen Schuljahres wurde die neue französische Rechtschreibung in die Unterrichtsmaterialien der Westschweizer Kantone aufgenommen. Die Reform wurde zwar bereits in den 1990er Jahren vorgestellt, gilt jedoch erst jetzt in den Schulen. So heißt die Zwiebel statt „oignon“ nun „ognon“ und den Geldbeutel „Portefeuille“ schreibt man ohne Bindestrich. Die Reform schafft mehr Kohärenz und weniger Ausnahmen. Die alte Schreibweise darf noch verwendet werden. Tatsächlich hätten sich viele der „neuen“ Begriffe noch nicht im alltäglichen Sprachgebrauch durchgesetzt, berichtet die NZZ . Einige Westschweizer Kantonsparlamente wehrten sich gegen die Übertragung der Rechtschreibreform in die Schulbücher, der ursprüngliche Plan wurde aber durchgesetzt. Die befürchteten größeren Proteste zum Thema seitens der Eltern und Schüler blieben aus. Die Erziehungsdirektorenkonferenz erklärt die Sache zum Nicht-Thema. „Vielleicht“, so mutmaßt die NZZ, „haben sich sämtliche Akteure daran erinnert, wie viele Worte der französischen Sprache von der Reform betroffen sind – auf tausend sind es vier.“ (nzz.ch)
Gelähmte sprechen dank Hirnimplantaten
Gelähmte können mithilfe von Neuroprothesen und Hirnimplantaten wieder sprechen, dafür gibt es bereits Technik. Dabei werden neuronale Signale im Gehirn genutzt, um Gedanken in gesprochene Worte umzusetzen. Es handelt sich um keine neue Erfindung, aber zwei Forschergruppen ist es nun gelungen, die Sprechgeschwindigkeit und Genauigkeit zu verbessern. Der Forschergruppe um Edward Chang der University of California in San Francisco hat anhand von Aufzeichnungen der Hirnaktivität einer gelähmten Patientin das Sprechen von 78 Wörtern pro Minute bei einer Fehlerrate von 5 bis 28 Prozent ermöglicht. Spracherkennungsanwendungen mit einer Fehlerquote von unter 30 Prozent gelten in der Branche als alltagstauglich. Forscher der Stanford University haben ähnliche Erfolge erzielt. Sie benutzten zwar ein weniger flächendeckendes Implantat, jedoch konnte die betroffene Patientin mit 62 Wörtern pro Minute kommunizieren, bei einer Fehlerrate von 9 bis 24 Prozent. Krankheitsbedingt seien diese Geschwindigkeiten momentan das Maximum, so die Forscher. An einer Ausweitung der Technik werde weiterhin gearbeitet. (spektrum.de)
Kein Deutsch mehr in der Bischofssynode
Bisher gehörte Deutsch in den Bischofssynoden zu den offiziellen Sprachen der Versammlung – für die kommende Weltsynode entfällt diese Regelung. Das hat jetzt der Vatikan mitgeteilt. Die Synodenmitglieder werden sich nur noch auf Italienisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch austauschen, sagte der Leiter der vatikanischen Kommunikationsbehörde, Paolo Ruffini, am Freitag bei einer Pressekonferenz. Die deutschsprachigen Teilnehmer beherrschten auch andere Sprachen, so Ruffini. Während der Plenarsitzungen werde aber eine deutsche Simultanübersetzung zur Verfügung stehen. Die Weltsynode findet alle zwei Jahre statt, die kommende läuft vom 4. – 29. Oktober und soll unter anderem die Rolle von Frauen in der Kirche und den Umgang mit Homosexuellen und anderen sexuellen Minderheiten diskutieren. (katholisch.de)
2. Gendersprache
Freiwillig ist das nicht
Immer wieder wird über Fälle berichtet, bei denen Autoren, Studenten, Mitarbeiter von Behörden oder Journalisten zum Sprachgendern genötigt werden. Als Grundlage dient meistens eine Richtlinie für „geschlechtergerechte Sprache“. Fragt man genauer nach, gibt es nur sehr wenige Betroffene, die es wagen, solche Fälle öffentlich zu machen. Zu groß sind die Abhängigkeiten. Auf der anderen Seite heißt es seitens der Arbeitgeber, der Medienanstalten oder der Universitäten: „Ein Zwang zum Gendern findet nicht statt“. Der Wissenschaftsjournalist Tim Schröder gibt in der WELT einen Einblick in Gender-Vorgaben an Universitäten und Forschungseinrichtungen. So berichtet er, wie seine seit 15 Jahren bestehende „freundschaftliche“ Zusammenarbeit mit einem norddeutschen Meeresforschungsinstitut zu Ende ging, weil Schröder sich weigerte, seine Texte künftig mit Gender-Doppelpunkt zu schreiben. „Mit der Toleranz ist es ganz schnell vorbei, wenn ich darauf bestehe, das generische Maskulinum aus Gründen der Sprachlogik und des Sprachgefühls wie gewohnt weiterzuverwenden“, schreibt Schröder. So wurde er bei einem Forschungsbericht für einen Industrieverband aufgefordert, mehr als 100 Doppelformen bei Personenbezeichnungen einzufügen. „Eine solche Anweisung lässt einen ratlos zurück“, so Schröder, weil bei der Beidnennung „fast immer klappernde Silbenschleppzüge“ herauskommen. (welt.de (Bezahlschranke))
Vorsitzender des Rechtschreibrates kritisiert Niedersachsen
Auch die Hannoversche Allgemeine kommt nicht umhin, Josef Langes Rüffel zur Kenntnis zu nehmen. Der Vorsitzende des Rates der deutschen Rechtschreibung sieht mit Sorge, wie „einzelne Länder in der Bundesrepublik von der einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum abweichen.“ Wir zitierten dazu in der Vorwoche die Zeit. (haz.de (Bezahlschranke), zeit.de)
Männerturnverein soll gendern
Wo Männerturnverein drauf steht, müssen ausschließlich Männer drin sein. Ist das nicht der Fall, muss der Männerturnverein gendern. So zumindest stellt es sich Wolfenbüttels Landrätin Christiana Steinbrügge vor. Bei der Feier zum 175-jährigen Bestehen des Männerturnvereins Wolfenbüttel (MTV) bestätigten der Vereinsvorsitzende Klaus Dünwald und Wolfenbüttels Bürgermeister Ivica Lukanic (parteilos), dass sich an dem Namen nichts ändern werde. Anlass für diese Aussage war ein Artikel in der Braunschweiger Zeitung, in dem Dünwald auf dieses Thema angesprochen wurde. „Der Männerturnverein Wolfenbüttel wird auch weiterhin Männerturnverein Wolfenbüttel heißen“, so Dünwald. Landrätin Christiana Steinbrügge (SPD) wollte sich damit am Ende ihrer eigenen Rede nicht zufriedengeben: Schließlich seien seit 1895 auch Frauen Mitglied im MTV, da könne man ja durchaus über eine Umbenennung nachdenken: „Vielleicht hat ja doch noch jemand eine gute Idee, wie sich MTV übersetzten ließe“, so Steinbrügge. Eine neutrale Form des Vereinsnamens werde es nicht geben, konterte Dünwald, der Name sei unter den damals gegebenen Umständen entstanden und sei inzwischen mehr als nur ein Vereinsname, er habe sich inzwischen zu einer Marke etabliert – und das, obwohl oder gerade weil mehr als die Hälfte der Mitglieder Frauen seien. (regionalheute.de)
„Das Arzt“ soll es bringen
In seiner Kolumne in der Netzausgabe der WirtschaftsWoche bezieht Marcus Werner Stellung zur Gendersprache und bemüht sich um einen Kompromiss zwischen den Befürwortern und Gegnern der sprachlichen Genderpraxis. Zwar halte er die Sonderzeichen wie Genderstern und Doppelpunkt für keine gute Lösung, er spricht sich trotzdem dafür aus, der Minderheit, die diese Reformen fordert, entgegenzukommen. Ein bedeutendes Problem der Gendersprache sei, dass ein „bewusstes Weghören und Überlesen“ nicht möglich sei. Werner schlägt anstelle der gängigen Formen den Umstieg auf das genderneutrale Neutrum vor. Dann käme es zu Formulierungen wie „das Bundeskanzler“, „das Arzt“ oder „das Verkäufer“. Werner selbst benutzt im Alltag Partizipialformen wie „Lernende“ und die Doppelnennung („Schülerinnen und Schüler“), spricht sich aber dafür aus, dass die Gendersprache und vor allem die Genderzeichen wie Doppelpunkt oder Stern nicht mehr als politische Stellungnahme, sondern als persönlich gewählte Ausdrucksweise gehandhabt werden. Dementsprechend solle es auch keine Vorgaben oder Kritik für bestimmte Berufsgruppen geben. (wiwo.de)
3. Kultur
Tamil ist die Älteste
Wenn wir nach unseren Wurzeln schauen, gerät die Sprache in den Blick. Doch welche ist die älteste? Die Deutsche Welle beschreibt das Problem knapp so: „Wer schreibt, der bleibt.“ Forscher können nur über Sprachen berichten, die in schriftlicher Form erhalten sind. Als früheste dokumentierte Schriftsprache zählen die in Keilschrift notierten. Hierbei wurden keilförmige Zeichen in weiche Tontafeln hineingedrückt. Die älteste bekannte Keilschrift stammt von den Sumerern, die ab dem 4. Jahrtausend v. Chr. in Mesopotamien (in etwa dem heutigen Irak) lebten. Keilschriftsprachen waren auch für die spätere Entwicklung der europäischen Schriften maßgeblich. Ähnlich alt sind die ägytischen Hieroglyphen.
Als älteste immer noch gesprochene Sprache gilt Tamil, eine der 22 offiziellen Landessprachen Indiens, das auch in Sri Lanka gesprochen wird. Die frühesten tamilischen Schriften stammen aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., Untersuchungen des Grammatiktextes Tolkāppiyam deuten jedoch darauf hin, dass Tamil mindestens 5.000 Jahre alt sein muss. Weltweit gibt es heute 7.100 Sprachen, davon gelten 40 Prozent als vom Aussterben bedroht. Manche werden von nur noch 1.000 oder weniger Menschen gesprochen. Sie werden in wenigen Generationen verschwunden sein, und mit ihnen geht nicht nur kulturelle Identität verloren, auch Wissen und Bildung in für uns fremden Denkumgebungen. (dw.com/de)
4. Berichte
Süttember
Zum dritten Mal rufen der VDS und seine Partner den 9. Monat des Jahres zum Süttember aus – ein Projekt, das der Schönheit der Handschrift und der Beschäftigung mit der Deutschen Schrift, insbesondere Sütterlin, gewidmet ist. In diesem Jahr gibt es wöchentliche Leserätsel (unter den Einsendern mit den meisten richtigen Lösungen verlosen wir einen tollen Kalligrafie-Stift der Firma Schneider Schreibgeräte), einen Kalligrafie-Workshop sowie eine Ausstellung im Kamener „Sprachhof“. Sütterlin und Fraktur wurden auf Hitlers Wunsch im Jahr 1941 aus Schulbüchern und -heften verbannt. Der VDS legt Wert darauf, dass derartiger kultureller Verlust gebremst werde. Dass Handschrift überflüssig wäre, sehen auch Neurologen anders. (vds-ev.de)
5. Denglisch
Mix aus Englisch und Deutsch
Bei der aktuell ausgetragenen Basketball-Weltmeisterschaft in mehreren asiatischen Staaten traf Deutschland im Halbfinale auf die Auswahl der USA (und hat überraschenderweise gewonnen!). Aber trafen hier auch zwei Sprachen aufeinander? Eher nicht. „Die englische Sprache ist ohnehin tief im Basketball verwurzelt“, schreibt das Portal t-online.de. Auch der Bundestrainer Gordon Herbert, ein gebürtiger Kanadier, spricht mit der Mannschaft meistens englisch, obwohl er Deutsch fließend beherrscht, weil er bereits jahrelang Trainer deutscher Mannschaften war. Tatsächlich ist in vielen Basketball-Vereinen die deutsche Sprache auf den Trainingsplätzen eher selten anzutreffen. Dabei wären deutsche Entsprechungen für die englischen Fachbegriffe durchaus vorhanden: Angriff (offense), Passvorlage (assist), Freiwurflinie (free-throw line), Korbleger (lay up), Abpraller (rebound). Weniger aussichtsreich sieht es allerdings beim slam dunk aus. (t-online.de)
6. Soziale Medien
Zehnsprachige Influenzerin
Die TikTok-Nutzerin Teona, auf der Plattform bekannt als „thelanguageblondie“, begeistert mit ihrem Sprachentalent. Die Nordmazedonierin beherrscht über zehn Sprachen und präsentiert ihr Talent in lehrreichen und lustigen Videoclips. Bereits eine halbe Million Abonnenten hat sie gesammelt. Neben Arabisch, Hindi oder Portugiesisch lädt Teona auch kurze Videos von sich hoch, wie sie Englisch in verschiedenen Akzenten spricht. Mittlerweile bietet sie auch Sprachkurse an, denn es sei ihr ein wichtiges Anliegen, mit ihrem Talent anderen Menschen Sprachen beizubringen. (rtl.de, tiktok.com/@thelanguageblondie)
7. Kommentar
Erzwungene Zutatenliste
Bei Lebensmitteln ist eine Zutatenliste Pflicht. Wenn sie nicht stimmt, kommen auf den Hersteller Strafen zu. Das ist durchaus sinnvoll, denn so können Verbraucher sicher sein, dass das, was sie essen wollen, zum Beispiel im Fall von Allergien, unbedenklich für sie ist. Der Verbraucherschutz trägt zur Sicherheit bei. Jetzt sind Vereine und ähnliche Interessensgruppen allerdings keine Soße, bei der alles klipp und klar benannt sein muss. Ein Jürgen will vielleicht gar nicht sagen, dass er eigentlich mal eine Jenny war. Und eine Martina möchte vielleicht einfach nur Sport machen und sich nicht darüber Gedanken machen, welches Geschlecht ihre Mitturner in der gemischen Gruppe haben. Nicht zum Geschlechtern, zum Sporteln kommen sie schließlich zusammen.
Und so wie Sprache durch unsere Nutzung verändert wird, ist sie auch immer ein Zeichen ihrer Geschichte. In der Anfangszeit des Turnens waren Vereine nun mal meist männlich dominiert. Schließlich musste der Mann fit gehalten werden für die Arbeit am Fließband, im Flöz oder auf dem Feld. Die Frau hatte genug zu tun mit der Erziehung der Kinder (die – und dass muss betont werden – auch durchaus eine sportliche Herausforderung sein kann!). So sind Bezeichnungen wie „Männerturnverein“ Überbleibsel aus einer Zeit, in der Geschlechterparität überhaupt kein Thema war. Dennoch treiben heute auch Frauen Sport, und in Berufen, die früher ebenfalls Männer dominiert haben, stellen sie die Mehrheit: Die meisten Medizinstudenten sind Frauen. Und das, obwohl die Sprachgemeinschaft von „Ärzteverband“ und „Ärzteschaft“ spricht. Das Betonen des Geschlechtes ist schlichtweg nicht nötig, weil es keine Aussagekraft hat. Das Piesaken eines Traditionsvereins, er möge sich umbenennen, weil sein Name nicht mehr zeitgemäß sei, ist gleichermaßen peinlich wie überflüssig. In den 2000er Jahren habe ich an der Uni Dortmund studiert. Dort gab es (und gibt es immer noch) das Studentenorchester. Irgendwann sagte das Studierendenparlament, dass sich das Studentenorchester umbenennen müsse, ein neutraler Name sollte her. Nur so könnten weiterhin Fördermittel ans Orchester fließen. Das Orchester – damals waren 3/4 der Mitglieder Frauen – stimmte ab. Die Entscheidung: 3/4 waren gegen eine Umbenennung. So verlor es den Status einer studentischen AG und damit Geld. Glück im Unglück: Ein externer Sponsor sprang ein, das Fortbestehen war gesichert, und auch heute noch heißt es „Studentenorchester“. Die Zutaten haben selbst entschieden – und sie entschieden sich gegen eine von außen gewollte Beschreibung, die nicht auf sie zutraf. Die Landrätin, die in „Ich mein es doch nur gut“-Manier erwachsenen Menschen ihre Meinung aufdrängen will, weil deren nicht sein darf, täte gut daran, einen Schritt rückwärts zu machen und zu überlegen, ob es wirklich sinnvoll ist, anderen vorzuschreiben, wie sie sich selbst zu sehen haben. (Doro Wilke)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider. Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs