1. Presseschau
Weniger Goethe in Frankreich und Italien
„Transformation der globalen Organisation“ – so sperrig lautet der Titel des kürzlich beschlossenen „Zukunftskonzeptes“ für das Goethe-Institut, Deutschlands staatliche Einrichtung für die auswärtige Kulturpolitik. Sparkurs und strategische Neuausrichtung sind die wesentlichen Inhalte des Konzeptes. Zum Jahreswechsel müssen neun der weltweit 159 Standorte schließen, jeweils drei davon in Frankreich und Italien, also in zwei der wichtigsten Partnerländer. Neue Präsenzen sollen in Polen, der Republik Moldau, im Südpazifik und in den USA, darunter Texas, entstehen. In Frankreich wird unter anderem das Institut in Straßburg geschlossen, in Italien trifft es Genua, Triest und Turin, außerdem wird das Institut in Neapel verkleinert. Das Präsidium des Goethe-Instituts erklärt: Die Transformation sei notwendig, damit das Institut seine Aufgaben nachhaltig erfüllen könne. Es verweist auf digitale Plattformen mit umfangreichen Sprachlern-Angeboten. Die wohl recht überraschend getroffenen Entscheidungen lassen Kulturvertreter der betroffenen Länder ratlos zurück: Der Präsident der französischen Region Grand Est, Franck Leroy, brachte „tiefes Bedauern“ zum Ausdruck. Die Turiner Zeitung „La Stampa“ erklärte vergangene Woche: „In einem Krisenmoment streicht Deutschland seine Investitionen in die Kultur, dem Sektor, bei dem das am leichtesten ist.“ (tagesspiegel.de, faz.net (Bezahlschranke), penberlin.de)
Mehr Spanisch in Sachsen-Anhalt
Spanisch wurde als vierthäufigste Fremdsprache an den landesweiten Schulen gewählt, nämlich von 8457 Schülern. Das gibt das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt über das abgelaufene Schuljahr bekannt. 81 Prozent dieser Schüler besuchten das Gymnasium, 45 Kinder lernten die Fremdsprache bereits in der Grundschule. Häufiger gewählt wurden Englisch, Französisch und Russisch. Laut dem Statistikamt gibt es einen deutlichen Zuwachs an Fremdsprachenlernern in Grundschulen, Sekundarschulen und integrierten Gesamtschulen. (welt.de)
Isolierte Sprachen bergen gefährdete Indizien
Als isolierte Sprachen gelten solche, die das letzte Mitglied einer sonst „ausgestorbenen“ Sprachfamilie sind oder keinen ähnlich engen Bezug zu einer anderen Sprachfamilie haben. Von den ungefähr 7000 Sprachen auf der Erde zählen etwa 200 zu dieser Gruppe. Vor allem diese seien vom Aussterben bedroht. Sie beinhalten nicht nur den Erfahrungs- und Wissensschatz eines Volkes, sie geben Forschern auch Indizien, wie menschliche Kognition und Kommunikation genauer zu verstehen sind. Jede Sprache liefert neue Impulse zu der Frage, wie die Entwicklung einer Kultur und ihre Sprache verquickt sind. Lyle Campbell von der Universität von Hawaii in Manoa (University of Hawaiʻi at Mānoa) und andere Linguisten forschen an Strategien und Lösungsansätzen, wie seltene Sprachen besser vor dem Aussterben zu schützen wären. Zuletzt starb im Februar 2022 die 93-jährige Cristina Calderón, sie war die letzte Sprecherin von Yaghan, das einst an der Spitze Südamerikas verbreitet war. (spektrum.de)
Sprache als Ressource
Das DUP Unternehmer-Magazin beschreibt Sprache als weit unterschätzten Treiber für das Wachstum im Unternehmen. Justyna Walkowska, die zu den Entwicklern des KI-basierten Schreib- und Übersetzungsprogramms „DeepL“ gehört, beschreibt Sprach- und Schreibfertigkeiten als wichtige Wirtschaftsgüter. Viele Berufe sind intensiv mit schriftlicher Kommunikation befasst, etwa dem Verfassen von E-Mails, dem Erstellen von Präsentationen, von Lektüre und anderer Schreibarbeit. In einigen Bereichen, laut DUP-Magazin etwa im Ingenieurswesen, sei Sprache jedoch nur ein Beiwerk zum Arbeitsinhalt, sie werde nicht als fachliche Qualifikation verstanden, sei jedoch in vielen Bereichen eine unverzichtbare Fähigkeit. Sprache kann einen guten ersten Eindruck schaffen beispielsweise durch Beredsamkeit, aber auch Sorgfalt bei der Rechtschreibung in Firmenpräsentationen oder auf Visitenkarten. Das Formulieren von E-Mails, von der Betreffzeile bis zum eigentlichen Inhalt, sei entscheidend, um das Interesse von potenziellen Kunden zu wecken. Auch die Produktivität des Personals werde durch eine unmissverständliche und deutliche Sprache gefördert, meint das DUP-Magazin. Im Sinne der Digitalisierung sowie der dadurch möglichen Kostensenkung befürwortet das Magazin die Verwendung von KI-basierten Sprachsystemen anstelle der Ausbildung und Förderung der Angestellten. Unbeantwortet bleibt in dem Blatt die Frage nach der zukünftigen sprachlichen Kompetenz von Menschen, die sich an die Anwendung KI-basierter Systeme gewöhnt haben. (dup-magazin.de)
2. Gendersprache
Die totgeschwiegene Angst
Der Wirtschaftsjournalist Tim Schröder berichtet in der Netzausgabe der WELT über seine Erfahrungen mit dem Genderzwang in seiner Branche. Zwar werde seitens der Genderbefürworter argumentiert, das Gendern sei für Mitarbeiter von Universitäten, Unternehmen und Organisationen nur eine Empfehlung zur freiwilligen Ausübung, jedoch herrsche laut Schröder ein oft unausgesprochener Zwang, den die Betroffenen aus Angst vor Konsequenzen totschweigen. Schröder berichtet, er musste bereits jahrelange Kooperationen mit diversen Instituten beenden, da diese ihn anhielten, eine „gendergerechte“ Sprache anstelle des generischen Maskulinums zu verwenden. Das seien keine Einzelfälle. Gendern sei für Mitarbeiter vielerorts zur Pflicht geworden, fast überall gebe es mittlerweile verbindliche Leitfäden. Schröder beschreibt, wie die Kompromissbereitschaft der Genderbefürworter und seiner Auftraggeber meist einem „zähen Ringen“ um einzelne Formulierungen ähnele. Zwar habe er sich mit einigen Auftraggebern einigen können, in seinen Texten Doppelnennungen zu verwenden, jedoch seien diese nicht nur mühsam auszuhandeln, sondern auch anstrengend zu lesen. Und obwohl Schröder berichtet, dass er mit seinen Ansichten nicht allein sei, so betont er, dass sich seine Kollegen in den Pressestellen oftmals weigern, öffentliche Aufrufe zu starten, oder sich klar gegen das Gendern zu positionieren. Man habe Angst als „demokratiefeindlich, frauenfeindlich oder rechtsextrem“ verschrien zu werden. „Man bewegt sich auf dünnem Eis“, erklärt einer seiner Kollegen anonym. Journalisten stünden unter Druck, und aus Angst vor Konflikten schwiegen sogar die Sprachexperten. Die Toleranz der Genderbefürworter sei „eben nur einseitig“. (welt.de (Bezahlschranke))
Hessisches Volksbegehren bereits gut unterwegs
Die Initiative gegen Gendersprache in Behörden im Bundesland Hessen nimmt ordentlich Fahrt auf. Nach nur drei Wochen sei gut ein Drittel der benötigten 44.000 Unterschriften für einen Antrag auf ein Volksbegehren zusammengekommen, teilte der Sprecher der Initiative, Bernd Fischer, mit: „Die Bürger Hessens haben förmlich auf diese Initiative gewartet.“ Kommt das Volksbegehren zustande, haben die Initiatoren sechs Monate Zeit, um Stimmzettel von fünf Prozent der Wahlberechtigten zu sammeln, das sind etwa 219.000 Unterschriften. (faz.net (Bezahlschranke))
Dem Streit fehlt Seriosität
Gerade, wenn die Mehrheit der Deutschen das Gendern ablehnt, benötige man besonders starke Evidenz, die für das Gendern spricht. Das vermisst Philipp Hübl im Gespräch mit wissenschaftskommunikation.de. Er forscht in der Rationalitätstheorie, Sprachphilosophie, Moralpsychologie und Wissenschaftstheorie. Er meint, ein Dilemma des Sprachgenderns liege in der Verübelung des Sprachstils, sobald man anfange, darüber nachzudenken, wie man Nomen vermeiden könne. „Dann wird der Sprachstil passiv und technisch. Häufig entstehen dann Notlösungen wie (…) ‚die Coachenden‘, ‚die Arztleute‘ oder ‚die Linguistikkräfte‘, die sprachästhetisch nicht schön oder teilweise semantisch falsch sind.“
Zur Frage, warum die Debatte um das Gendern teilweise sehr aggressiv geführt werde, verweist Hübl darauf, dass die eigentlichen Fragen komplexe, wissenschaftstheoretische, sprachphilosophische, linguistische und moralische Fragen seien. „Die Außenpositionen sind klar – total dafür oder total dagegen. Doch die differenzierte Mittelposition einzunehmen ist unglaublich schwer geworden.“ Darüber müsse mehr diskutiert werden. Es gebe inzwischen viele Leitfäden, die erklären, wie man „richtig“ gendert. Aber nirgends könne man erfahren, „dass die Datenlage vollkommen unklar ist, und dass Gendern nicht die Effekte hat, die die Aktivisten sich wünschen.“ Eben das löse bei vielen Wohlmeinenden eine Abwehrreaktion aus. (wissenschaftskommunikation.de)
Informationsplattform geht an den Start
Bundesweit laufen mehrere Initiativen, die sich zum Ziel setzen, die deutsche Standardsprache einzuhalten und sich gegen das Gendern in Verwaltungen, Schulen, Universitäten etc. zu stellen. Nachdem im Februar 2023 die Hamburger Volksinitiative den Anfang machte, stehen ähnliche Projekte in Baden-Württemberg und Hessen an. Darüber hinaus gibt es noch nicht gestartete Volksinitiativen in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Bayern. Zur Information über die einzelnen Projekte und geplante weitere Initiativen gibt es nun eine unabhängige Informationsplattform unter stoppt-gendern.de. Dort können sich Unterstützer auch registrieren, Spendenverbindungen finden und inhaltliche Argumente gegen das Gendern nachlesen. Die Internetseite richtet sich an Interessierte in der gesamten Bundesrepublik. Anhand einer Landkarte lässt sich der Status der Initiativen in den Bundesländern abrufen. (stoppt-gendern.de)
Jahrelanger Kampf geht zu Ende
Der Politologe und VDS-Mitglied Jürgen Plöhn berichtet im Gespräch mit corrigenda, wie er sich als Professor gegen die Gender-Vorgaben der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) zu wehren hatte. Ihm gehe es um den Umgang mit der ideologischen Komponente des Genderns, obwohl gerade diese meist nicht zum Gegenstand der Auseinandersetzung mit Genderbefürwortern gemacht wird. Für ihn gebe dieser Aspekt den Ausschlag, denn die Analyse von Ideologien zählt zu den Arbeitsgebieten der Politologie. Dass die Verwendung der Gendersprache gesellschaftsverändernde Absichten verfolge, sei unbestritten, aber „Texte, die inhaltlich oder sprachlich ideologisch geprägt sind, sind eo ipso unwissenschaftlich und entsprechen daher nicht den Leistungsanforderungen. Dies gilt für den Stil ebenso wie für den Inhalt. Dies gilt insbesondere auch für die ideologisch geprägte ‚Gendersprache‘“. Diesen Wortlaut teilte Plöhn den Studenten mit, daraus entstand ein jahrelanger Streit mit der Universität.
Nach diversen Beschwerden und Abmahnungen von der Präventionsstelle Diskriminierung und sexuelle Belästigung des Dekanats der philosophischen Fakultät I und auch der Studentenvertretung wurde Plöhn immer wieder angehalten, seine Meinung zu anzupassen. Er sollte „eine Ideologie als Teil der Wissenschaft akzeptieren und ‚Gerechtigkeit‘ als objektive Größe ansehen.“ Beides sei aus politologischer Sicht jedoch indiskutabel. So weigerte er sich mit der Begründung, „dass jegliches inhaltliche Wollen einen Ausschließungsgrund für die Wahrheitsfähigkeit eines Satzes darstellt“. Sich einer Ideologie „zu unterwerfen“ komme nicht infrage. Plöhn musste immer wieder an seinen Anspruch auf Lehrfreiheit erinnern. Der Streit eskalierte so weit, dass die MLU ihm Anfang 2022 mitteilte, sie könne ihm keinen Lehrauftrag mehr anbieten. Das Dekanat behauptete, die Verwendung gendergerechter Sprache habe für die zu erbringende Leistung keine Bedeutung. Dazu Plöhn: „Der sprachliche Ausdruck in der Politologie bedeutungslos? Eine absurde Ansicht!“ Das Werkzeug Sprache müsse unideologisch, also rein sachbezogen bleiben.
Die MLU blieb bei der Auffassung, die Wissenschaftsfreiheit sei durch den Zwang zum Gendern „nicht berührt, geschweige denn verletzt“. Plöhn selbst stünde es frei, seine Auffassung zur Gendersprache zu vertreten, er müsse aber „als Bestandteil des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskurses dulden“, dass Repräsentanten seiner Fakultät hierzu „eine andere Haltung einnehmen“. (Siehe zu dieser Wahrnehmungsstörung den Kommentar in dieser Ausgabe). Plöhn wandte sich daraufhin an den Petitionsausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt. Die Universität lenkte dann zwar ein, wandelte aber das Lehrverbot zur Vergrämungstaktik. So hatten seine Kurse etwa keine Modulanbindung und die erbrachten Leistungen konnten den Studenten keinem Plichtmodul angerechnet werden. Auch die Öffentlichkeit wurde auf den Fall aufmerksam, bei jedoch einseitiger Berichterstattung der Medien. Nach einem langen und beschwerlichen Weg kam man schließlich zu einer Einigung – Professor Plöhn kann aktuell wieder lehren, und seine Seminare haben auch eine Modulanbindung. (corrigenda.online)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Hilft Gendern?
Das Gendern breitet sich immer mehr unter gutverdienenden Frauen aus: Moderatorinnen, Nachrichtensprecherinnen, Redakteurinnen und die vielen Frauenbeauftragten haben sich fürs Gendern entschieden. Nicht nur Gendersternchen und generisches Femininum sind Pflicht. Mit koketter Miene produzieren einige sogar einen zierlichen Knacklaut, den Sternchen-Ersatz in der gesprochenen Rede. Sie alle nutzen ihre Stellung und ihre Bekanntheit, um ein feministisches Bekenntnis abzugeben. Sprache, so behaupten sie, benachteilige die Frauen. Insbesondere das Generische Maskulinum mache sie unsichtbar. Gendern, so behaupten sie, diene der Gerechtigkeit in allen Lebensbereichen.
Denn fatalerweise herrscht, statistisch gesehen, noch immer krasse Ungerechtigkeit im Arbeitsleben: Frauen verdienen glatte 18 % weniger im gleichen Beruf, Frauen stellen fast 80 % aller Teilzeitbeschäftigten. Und zwei Drittel aller Mütter, die zur Arbeit gehen, wählen Teilzeit. Diese Befunde des Statistischen Bundesamtes illustrieren den sog. Gender Pay Gap, die Lohnlücke bei Frauen. Und noch immer gibt es die strukturellen Benachteiligungen: Ehefrauen von Beamten dürfen selbständig nicht mehr als 20.000 € im Jahr verdienen. Sonst rutschen sie in die Pflicht der Sozialversicherung. Damit büßen sie den Vorteil ein, eine Privatversicherung abzuschließen und an der Krankenbeihilfe ihres Ehegatten zu partizipieren. Das verhindert Vollzeitkarrieren und macht die Beamtenfrauen zu begehrten kostengünstigen Arbeitskräften. Ganz zu schweigen vom Ehegattensplitting, der steuerlichen Bevorzugung von Verheirateten.
Die Frage ist nur: Hilft hier Gendern? Denn offenbar hat die jahrzehntelange Kampagne für vermeintliche Sprachgerechtigkeit noch immer nichts bewirkt. Im Gegenteil: Gendern ist zum symbolischen Ersatz für tatsächliche Gleichberechtigung geworden. Die Besserverdienenden können sich damit als die Gerechten, die Fortschrittlichen, die unermüdlichen Mahnerinnen präsentieren. Sie haben die Gleichbehandlung auf ihrem Konto längst erreicht, haben auch manchen männlichen Kollegen weit überflügelt. Es bleibt die Frage: Was bringt Gendern der Kassiererin im Supermarkt, den knapp bezahlten Putzhilfen, den Kita-Helferinnen und rastlosen Pflegerinnen? Eine große Mehrheit hat längst erkannt, dass Sprachvorschriften den Geldbeutel nicht füllen. Gendern wird nicht nur abgelehnt, weil es die Sprache beschädigt und umständlich macht. Es wird abgelehnt, weil es nur leeres Versprechen ist, bloße Demonstration statt wirklicher Hilfe.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Studiengang Plattdeutsch in Oldenburg
Ab dem Wintersemester können Studenten der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg den Studiengang „Niederdeutsch“ belegen. Der Plattdeutsch-Bachelor soll Lehrer für weiterführende Schulen ausbilden. Die Universität kündigt auch Masterstudiengänge für Niederdeutsch an. Das Studium qualifiziere auch für eine Arbeit in der Wissenschaft, bei Medien, Verlagen oder im Kulturbereich Norddeutschlands. Niederdeutsch sei zwar an mehreren norddeutschen Universitäten innerhalb des Germanistikstudiums verankert – etwa in Kiel, Flensburg, Hamburg, Rostock etc. – jedoch sei Niederdeutsch als alleinstehendes Fach bisher einzigartig, teilte Doreen Brandt, Juniorprofessorin für Niederdeutsche Literatur in historischer und kulturwissenschaftlicher Perspektive an der Universität Oldenburg mit. Bisher seien sieben Studenten für das Fach eingetragen. Eine Einschreibung ohne Vorkenntnisse sei ebenfalls möglich. Schätzungen zufolge sprechen rund 2,5 Millionen Menschen Plattdeutsch und durch das Studium soll nicht nur Sprachpraxis vermittelt werden, sondern auch die Fachdidaktik des Niederdeutschen, damit genug ausgebildete Fachlehrer zur Verfügung stehen, um Niederdeutsch als zweite Fremdsprache in Schulen regulär anerkennen zu können. Auch in Mecklenburg-Vorpommern laufen Besprechungen mit Hochschulen zur Ausbildung von Lehrern für Niederdeutsch. (om-online.de)
5. Berichte
Walter Krämer sorgt für volles Haus
Der VDS-Vorsitzende Prof. Walter Krämer referierte auf Einladung der AG Sprachkultur Ende September in der Berliner Landesbibliothek zum Thema: „Der Krieg der Wörter – Ein Bericht von der Genderfront“. Bei 80 Teilnehmern war die Veranstaltung „proppevoll“, so dass sich einige mit Stehplätzen begnügen mussten, berichtet der Leiter der AG Sprachkultur Prof. Jürgen Doeblin. Ein Mitschnitt des Vortrags ist auf dem Youtube-Kanal des VDS zu sehen: youtube.com/VDS.
Schriftkunst im Sprachhof
Ein Wochenende voller Kalligrafie ist vorbei. Der Künstler Johann Georg Maierhofer berichtete am vergangenen Freitag bei einem Vortrag im Sprachhof in Kamen über seine Anfänge als Kalligraf. Dabei ließ er die Gäste teilhaben an seinen Wurzeln in der Oberpfalz, aber auch an seinen ersten Begegnungen mit den Menschen im Osten nach dem Mauerfall. Am Samstag ging es dann ans Eingemachte: Bei einem Seminar konnten sich Neugierige selbst in der Schriftkunst versuchen.
6. Denglisch
Fragwürdige Werbesprache
Christoph Weymann widmet sich in einem Essay für Der Standard den Anglizismen in der deutschen Sprache. Er betont, dass in deutschsprachigen Ländern eine fast grenzenlose Bereitschaft herrsche, englische Floskeln unübersetzt in die eigene Sprache zu übernehmen. Helga Kotthoff, Professorin für Germanistische Linguistik an der Universität Freiburg, erklärt, dass das Englische „für viele mehr wert zu sein scheint“. Selbst gängige Fremdwörter werden anglisiert, und so hört man Sätze wie: „Ich habe heute einfach keine energy“. Laut Weymann stammt diese Vermischung von Englisch und Deutsch aus der Werbebranche, sie solle Professionalität und Weltläufigkeit vermitteln. Das unreflektierte und umstandslose Übernehmen von englischen Fachausdrücken in die Allgemeinsprache erschwert dem Normalbürger das Verständnis, was gespielt wird. Als Beispiel nennt Weymann den Corona-Wortschatz. Auch Kotthoff betont, dass es in der Vergangenheit zwar schon Einflüsse in die deutsche aus anderen Sprachen gegeben habe, jedoch kämen Teile der Bevölkerung mittlerweile mit der Anglisierung der deutschen Sprache nicht mehr zurecht. Pseudoenglische Produktbezeichnungen wie „Nuggets“, „Waschmittelpods oder -discs“ haben es zwar in die Allgemeinsprache geschafft, jedoch würden US-Amerikaner, wie die Sprachwissenschaftlerin Kate Stollmann, darüber nur schmunzeln. Weymann spricht sich dafür aus, neue Phänomene kreativ auf Deutsch zu benennen, anstatt Anglizismen zu nutzen. (derstandard.at)
7. Kommentar
Man nehme eine Zange
Verschiedener Meinung darf man ja sein, aber nicht abweichender. Damit nichts schiefgeht, schreibt man dem Abweichler ein Werkzeug vor, mit dem er auf dem „wahren“ Kurs bleibt. Möchte er am Regal etwas mit einer Holzschraube befestigen, greift er zum Schraubenzieher. Aber halt: Verboten, zu verwenden ist eine Zange! So ungefähr lautet die Forderung an Professor Plöhn in Halle. Würde er sich auf „gendersensible“ Sprache einlassen, wäre – gemäß den wissenschaftlichen Gepflogenheiten der Politologie – eine Kritik der Ideologie des Genderns so machbar wie Fußballspielen mit Taucherflossen.
Universitäre Tugendwächter übersehen gerne die unterschiedlichen Logiken von Wissenschaft und Aktivismus. Diese schließen einander aus. Wissenschaft muss kritisch sein, damit aus Zweifel bessere Erkenntnis entstehe; im Aktivismus müssen alle mitziehen, Kritik ist illoyal. Dazwischen gibt es keinen Kompromiss. Aber einen feinen Unterschied: Wissenschaftler können sich – bei allen Bedenken – eine engagierte Haltung leisten, Aktivisten sind zum eigenen Denken vielleicht fähig, aber nicht willig. Das sieht man schon an diesem aktivistischen Konstrukt: Die Gesellschaft wird nur durch Sprachgendern zum Besseren verändert, deshalb muss gendersensible Sprache durchgesetzt werden – auch gegen den Willen der Mehrheit.
An solchem Eifer sind schon ganze Nationen gescheitert. Einstweilen verblüfft weiterhin die unkritische Haltung gegenüber den eigenen Auslassungen, mit denen selbst universitäre Wortführer „gendersensible“ Sprache einfordern. Sie müssten beim Anfertigen ihrer Gedanken ins Stolpern geraten, denn Sprache als Werkzeug wissenschaftlichen Arbeitens kann nicht sensibel sein, auch nicht unsensibel! Also bitte: Nicht nur, aber ganz besonders in den Wissenschaften ist Genauigkeit unverzichtbar. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs