Infobrief vom 21. August 2023: Betreutes Gucken

1. Presseschau

Betreutes Gucken

Es gab Zeiten, da galt „Großhirn an Kleinhirn – Großhirn an Kleinhirn“ als legitimer Beginn einer Diskussion. Seit Mitte der 1970er Jahre ist Otto Waalkes nicht mehr aus der deutschen Komiker-Szene wegzudenken. Der Erfinder von „Harry Hirsch“, dem rasenden Reporter, des „Holladihiti!“ und des Ottifanten, gilt vielen als Blödel-Barde. Tatsächlich ist Otto ein Wortakrobat und feiner Beobachter menschlicher Eigenschaften, die er potenziert und humoristisch verarbeitet. Seine Otto-Show und die Filme sind Kult, Sätze wie „Das zweite Schaf hieß Dörte, weil es so gerne röhrte“ haben sich in die Erinnerungen der Fernsehzuschauer der 70er und 80er Jahre eingebrannt. Dass Otto, wie jeder Komödiant, ein Kind seiner Zeit ist und eben diese ironisiert, hat der WDR offenbar nicht verstanden. Kurz vor dem 75. Geburtstag des großen Ostfriesen mit dem Hoppelhäschengang bringt der Sender Höhepunkte Waalkes Schaffens wieder zurück ins Fernsehen – vorab versehen mit einem Warnhinweis: „Das folgende Programm wird, als Bestandteil der Fernsehgeschichte, in seiner ursprünglichen Form gezeigt. Es enthält Passagen, die heute als diskriminierend betrachtet werden.“ Dieser Warnhinweis passt wenig zu der Werbesprache, womit der WDR sonst seine Sendungen bewirbt, „ungekürzt“ und „friesisch-derb“ wolle man sie zeigen, was nach einem Ritterschlag klingt. Auf welche Passagen der Sendung sich der Warnhinweis bezieht, wollte der WDR auf Anfrage der Bild, die als erste darüber berichtet hatte, nicht mitteilen. Im Internet hagelte es Häme, Otto selbst kommentierte das plötzliche Bohei um seine Person mit: „Das ist nun ein halbes Jahrhundert her. Die Moralvorstellungen haben sich seit 1970 gewandelt, jede Zeit hat ihre eigenen Tabus. Komik hat ja immer etwas Anstößiges, weil sie alltägliche Regeln verletzt. Ich war damals Student und habe Scherze gemacht, von denen sich vor allem Autoritäten verletzt fühlten.“ Und er setzt nach: „Andere Leute haben gelacht, ungefähr 30 oder 40 Millionen Zuschauer. Vor Komik kann also gar nicht genug gewarnt werden. Vor allem die ‚Otto-Show‘ kann bei Konsumenten zu unkontrollierbaren Heiterkeitsausbrüchen und Lachmuskelkater führen.“ (bild.de, bild.de)


Aufregungszeichen!!!!11!!!

Simon Schwarzkopf, Student der Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg, hat eine Masterarbeit zum „Aufregungszeichen“ geschrieben. Den Begriff hat sein Professor Jannis Androutsopoulos eingeführt, um eine Zeichenfolge zu kennzeichnen, die nach einem Begriff oder Satz gesetzt wird und Empörung bzw. Aufregung darstellen soll. Die Reihenfolge der Zeichen variiert, manchmal wird die 1 doppelt gesetzt (11) oder als „elf“ ausgeschrieben. Der Ursprung, so vermutet Schwarzkopf, liegt wohl darin, dass jemand beim Schreiben seine Aussage durch möglichst viele Ausrufezeichen unterstützen will, dabei aber versehentlich zwischendurch die Hochstelltaste vergisst, so dass aus dem ! wieder eine 1 wird, da beide Zeichen auf der gleichen Taste liegen. Genutzt werde das Aufregungszeichen als sarkastische Distanzierung, so Schwarzkopf: „Wenn also jemand unter einem Tweet von Beatrix von Storch schreibt ‚Scheiß auf Klimaschutz !1!11!‘, dann ist das rein textlich eine Zustimmung. Durch das Aufregungszeichen wird aber klar, dass das nicht so ist.“ Schwarzkopf Untersuchung der Postings auf X (ehemals Twitter) zeigt, dass das Aufregungszeichen eher von Nutzern eingesetzt wird, die sich links oder der politischen Mitte zugehörig fühlen, distanziert wird sich meist von rechts oder von konservativen Ansichten. Die Masterarbeit ist noch nicht veröffentlicht, der betreuende Professor hat zu dem Thema jedoch einen Artikel verfasst. (spiegel.de (Bezahlschranke), twitter.com/wahl_beobachter, sciencedirect.com)


Mehrsprachigkeit als Gedankenstütze

Wer mehrsprachig aufwächst, kann zuvor gesehene Objekte besser wiedererkennen. Zu diesem Ergebnis kommen jetzt Forscher der Northwestern University in Evanston in Illinois (USA). Die Mehrsprachigkeit ermögliche es dem Gehirn, zusätzliche Verknüpfungen zwischen Sprache und Gesehenem zu bilden, das fördere das spätere Erinnern. Wer mehrere Sprachen spreche und regelmäßig zwischen ihnen wechsele, trainiere sein Gehirn, damit dieses irrelevante Informationen besser ausblenden kann. „Wenn wir ein Wort hören, aktiviert unser Gehirn auch ähnlich klingende Wörter“, so das Forscherteam. An der Studie nahmen 42 Personen teil, die ausschließlich Englisch sprachen, sowie 84, die zusätzlich Spanisch auf hohem oder niedrigem Niveau beherrschten. (scinexx.de)


2. Gendersprache

Kein Gendern in Sachsen-Anhalts Schulen

Nach Sachsen und Schleswig-Holstein untersagt jetzt auch Sachsen-Anhalts Bildungsministerium an Schulen das Gendern mit Sonderzeichen. Die Entscheidung bezieht sich sowohl auf den Unterricht, als auch auf den offiziellen Schriftverkehr der Schulen. Das Ministerium von Eva Feußner (CDU) begründet die Entscheidung mit dem jüngsten Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung: Dieser hatte im Juli klargestellt, „dass die Verwendung von Sonderzeichen im Wortinneren zur Kennzeichnung verschiedener Geschlechtsidentitäten weiterhin nicht zum Kernbestand der deutschen Orthografie gehört und folglich den aktuellen Festlegungen des Amtlichen Regelwerks nicht entspricht.“ Bei der Bewertung von Schülertexten, in denen trotzdem Gender-Grammatik verwendet wird, lässt das Ministerium aber Augenmaß zu. Es komme auf die Gesamtschau der Schülerleistung an, so ein Ministeriumssprecher: Eine Kennzeichnung im Rahmen einer Korrektur sei empfohlen, eine Ahndung aber ein „Abwägungsergebnis“.
Mit Blick auf diese Entscheidung hat Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Die Linke) klargestellt, dass er in Thüringen keine Vorgaben machen will: „Jugendliche, mit denen ich rede, nutzen die Gendersprache. Warum soll ich denen das jetzt verbieten?“, sagte Holter der dpa, „es wird kein Gender-Verbot geben. Es darf aber auch niemand dafür bestraft werden, dass er gendert oder dass er nicht gendert.“ (mz.de (Bezahlschranke), presseportal.de, mz.de)


Justizminister: generisches Maskulinum in Gesetzestexten

Im Interview mit dem Donaukurier verpasst Bundesjustizinister Marco Buschmann dem Gendern in Gesetzestexten eine Absage: „Das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, eine Art Leitfaden für die Erstellung von Gesetzen, geht für Gesetzestexte vom generischen Maskulinum aus. Das soll auch so bleiben. Denn in der Gesetzessprache sind Klarheit und Verständlichkeit besonders wichtig. Ich finde es wichtig, dass man sich persönlich um eine Sprache bemüht, die nicht verletzend oder diskriminierend ist. Gendern führt oftmals zu einer komplizierten Sprache, die schwerer verständlich ist. Aber im gesellschaftlichen Raum soll das jeder so betreiben, wie er oder sie es für richtig hält. Auch wenn manch ein Politiker aus Bayern anderes behauptet: Es gibt keinen Gender-Zwang – und er wird nie kommen.“ (bmj.de)


Keine Bevormundung bei Kabel Eins

Marc Rasmus, Chef des Fernsehsenders Kabel Eins, berichtet im DWDL-Interview von der neuen Ausrichtung des Senders: „Wir wollen Traditionen und alt Bewährtes erhalten, natürlich ohne uns Neuem zu verschließen und uns weiterzuentwickeln“, so Rasmus, der ein Programm für die sogenannte breite Mitte der Gesellschaft machen will. Aus genau diesem Grund wird im Programm auch nicht gegendert: „Wir versuchen das Gendern mit Doppelpunkt oder Stern zu umgehen und so zu sprechen, wie es die Menschen auf der Straße tun“, sagt Rasmus, der wisse, dass es ein „schwieriges Thema“ sei, weil es stark polarisiere und zum Teil sehr populistisch diskutiert würde. Daher sei es „fast schon gefährlich für uns, diese Position einzunehmen“, so Rasmus. „Gegenseitiger Respekt und Anstand sind uns wichtig, das leben wir jeden Tag in unseren Programmen vor. Aber wir wollen niemanden bevormunden oder belehren.“ (dwdl.de)


Kein Gendern mehr in Haar

In Haar bei München wird nicht mehr gegendert. Bürgermeister Andreas Bukowski hat per Anordnung entschieden, dass im Rathaus zukünftig ohne Sternchen, Doppelpunkte oder Unterstriche kommuniziert werden soll. Grund sei der Beschluss des deutschen Rechtschreibrats, so Bukowski, außerdem habe sich in Ermangelung einer klaren Regelung zuletzt in der Gemeinde ein „ziemlicher Wirrwarr“ entwickelt, mit „Wortwildwüchsen wie ‚Mitglieder*innen‘ oder ‚Bürger*innenmeister*innen‘,“ heißt es in der Süddeutschen. Er wolle deshalb wieder eine Struktur vorgeben, so Bukowski, die Sprache in der Verwaltung müsse verständlich sein. (sueddeutsche.de)


Hamburger Volksinitiative offiziell zustande gekommen

Der Hamburger Senat hat offiziell bestätigt, dass die Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ zustande gekommen ist; die Zahl der mindestens 10.000 Unterschriften der Hamburger Wahlberechtigten sei erreicht worden. Jetzt muss sich die Bürgerschaft mit dem Anliegen beschäftigen. Wenn sie den von der Initiative vorzulegenden Gesetzentwurf nicht beschließt (was erwartet wird), wäre der Weg für ein Volksbegehren frei. Dann müssen in kürzerer Zeit rund 66.000 Unterschriften gesammelt werden. Die Sprecherin der Volksinitiative, Sabine Mertens, zeigt sich bereit: „Wir werden auch die nächsten beiden Schritte – Volksbegehren und schließlich Volksentscheid – gehen, sollte die Bürgerschaft weiter an der Zulässigkeit des Genderns in Schule und Verwaltung festhalten.“ (welt.de)


Nicht nur Flüchtlingskinder werden verdummt

Der frühere Vorsitzende des deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, schlägt Alarm. Das Sprachgendern verwirre die Kinder nicht nur, es verdumme sie auch, da es ihre Sprachentwicklung beeinträchtige. „Besonders Kinder, die ohnehin nicht fehlerfrei Deutsch können, sind die Verlierer – insbesondere diejenigen mit Migrationshintergrund“, zitiert ihn die Bild. Kraus beklagt die Wirkung insbesondere auf „Kinder, die noch nicht einmal richtig lesen und schreiben können.“ Die Erst- und Zweitklässler sollten laut Kraus zuerst verstehen, „wo das sogenannte Genus eines Substantivs ist – also sein Geschlecht – und wie man es grammatisch dekliniert.“ Stattdessen würden sie mit Verzerrung der Grammatik konfrontiert. Dieser Klage schließt sich bekanntlich auch jene bekannte Partei an, die selbst wenig sprachliche Begabung versprüht, aber das muss den Rest der Republik nicht verwirren. (nau.ch)

3. Kultur

Den Rechtsfrieden unerklärbar machen

Bislang gilt in deutschen Gerichtssälen: „Die Gerichtssprache ist deutsch.“ Ausnahmen gibt es für sorbische Landsleute. Nun möchte der Gesetzgeber diesen Grundsatz aufweichen. Bei bestimmten Zivilkammern und Kammern für Handelssachen der Landgerichte sowie bei den zuständigen Senaten der Oberlandesgerichte (Commercial Courts) soll das Verfahren ‚vollständig in englischer Sprache‘ geführt werden können. Damit hofft Justizminister Marco Buschmann (FDP), die Attraktivität der deutschen Justiz für Unternehmen zu steigern. Ein nicht veröffentlichter Referentenentwurf liegt vor: Buschmanns „Gesetz zur Stärkung des Justizstandortes“ soll diese Woche eine wichtige Hürde nehmen, berichtet Marcus Jung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Das Vorhaben stoße bei Verbänden und Ländern auf Zustimmung. Allerdings wird der Rest des Volkes nicht darüber aufgeklärt, was ihm nach diesem Dammbruch blüht. Den Rechtsfrieden herbeizuführen, ist schon in der Muttersprache schwierig genug. Dieses in der Sprache eines völlig fremden Rechtssystems zu unternehmen, worin der Laie keine Chance hat zu begreifen, was und wie gespielt wird – das wird vor allem Rechtsanwälte lukrativ beschäftigen. Das Bundeskabinett sei sich über das Gesetz einig, die Abstimmung gilt als Formsache, sagt Jung. Die Frage sei aber gestellt, inwiefern es zur Wahrung des Rechtsfriedens beiträgt, wenn einzelne Unternehmen im Lande die Justiz reizvoll finden. (faz.net (Bezahlschranke))


Keine Karriere ohne Englisch aus dem Effeff

Wer Englisch nicht beherrscht wie seine Muttersprache, erlebt erhebliche Nachteile, die berufs- und sogar existenzgefährdend sind. Zu diesem Urteil kommt eine aktuelle Studie, die im Juli nicht von Sprach- und Sozialwissenschaftlern, sondern von Biologen in Plos Biology veröffentlicht wurde. Das berichtet Peter Littger in der Wirtschaftswoche: „Fühlen Sie sich diskriminiert – because of your English?“

Littger fragt sogleich: „Wie viele der letztendlich Betroffenen können überhaupt verstehen, was die Forscherinnen und Forscher oder kurz: Researchers herausgefunden haben?“ Eine deutsche Übersetzung der Arbeit „The manifold costs of being a non-native English speaker in science“ konnte er nicht finden, obwohl ein ausdrückliches Lippenbekenntnis in der Hochschullandschaft lautet, „nicht alles nur auf Englisch zu veröffentlichen, sondern mehr zu übersetzen.“

Im Licht der Studienergebnisse hält es Littger für weltfremd, „wenn in unserem Sprachraum Diskursfähigkeit daran gemessen wird, ob man bloß ‚Sprach- und Sozialwissenschaftler und Biologen‘ schreibt oder ob sich man und frau um den denglischen Terminus der ‚Gendersprache‘ bemühen und ‚Sprach- und Sozialwissenschaftler:innen‘ schreiben – und irgendwie auch aussprechen müssen. Schließlich müssen die Betroffen:innen feststellen, dass jeder wirklich relevante Diskurs über ihre Köpfe hinweg in der englischen Sprache geführt wird. Im vorliegenden Fall von Social ScientistsLinguists und eben auch von Biologists aller Herren und Frauen Geschlechter – und ohne Gendersprache.“

Derweil zeigt die Studie, was für viele Fächer, Berufe, Unternehmen gilt: Es wird als selbstverständlich vorausgesetzt, dass man Englisch „aus dem Effeff“ beherrscht. Laut Stellenanzeigen bedeutet das: „perfekt“, also einen Zustand, den sowieso niemand erreicht (aber das nur am Rande). Jedenfalls ergibt die Studie unter Federführung des Forschers Tatsuya Amano von der australischen Universität Queensland: „Personen, die Englisch als zweite oder möglicherweise dritte Sprache gelernt haben, dürfen sich nicht nur benachteiligt fühlen. Sie sind es!“ Betrachtet haben die Forscher die Wunden von Non-native speakers: das Lesen, das Schreiben und das Sprechen – und dieses nicht selten in größerer Runde. In Littgers Worten die „Ergebnisse:

1.      Die Lesezeit, also das Verstehen von englischsprachigen Fachtexten, dauert erheblich länger.

2.     Die Schreibzeit, also die Aufzeichnung von Fachwissen in der englischen Sprache, dauert erheblich länger.

3.     Die Sprechzeit, also der Vortrag und die Vermittlung von Kenntnissen, ist erheblich kürzer – wenn Auftritte mit Hemmungen kurz gehalten oder gar abgesagt werden. Die Vorbereitungszeit ist entsprechend länger.“

Sprachliche Benachteiligung schwächt die Profilierung und die Karrieren von Non-native Speakers. Sie müssen nicht nur viel Zeit aufbringen, sondern auch in Kauf nehmen, dass ihre wissenschaftlichen Beiträge häufiger schlecht bewertet oder gar abgelehnt werden. Hinzu kommen reale Kosten zur Überwindung der sprachlichen Barrieren: für kostenpflichtige Dienste, um die Defizite auszugleichen: entweder indem Native Speakers beschäftigt oder Übersetzungsmaschinen abonniert werden. „Wie jeder von Geburt an bestehende Unterschied“, darauf verweist Littger ausdrücklich, „wächst sich die Benachteiligung in eine handfeste Diskriminierung aus, wenn sie einfach hingenommen wird und die dominante Gruppe, also hier der Native-Speakers, ohne irgendeinen eigenen Aufwand begünstigt.“

Littger hält die Vorschläge des Forscherteams für bedenkenswert „in unserer – von astreinem Englisch bis zu unerträglichem Denglisch geprägten – hybridsprachigen Arbeitswelt.“ Da ist zunächst der – aus Littgers Sicht utopische – Appell nach mehr Veröffentlichungen und Veranstaltungen in alternativen Sprachen. Hingegen sei die Forderung nach mehr Übersetzungsdiensten wichtig und realistisch: Wer an größeren Corporate Events und Regierungskonferenzen teilgenommen hat, auch im kleinen Rahmen, fragt sich immer wieder, warum nicht mehr Dolmetscher bereitgestellt und beansprucht werden.

Alle Menschen sollten ein Recht auf Sprachförderung haben – und entsprechende Kosten sollten ohne Bedingungen steuerlich abzugsfähig sein, meint Littger: „Eine breite englischsprachliche Initiative der aktuellen Bundesregierung ist ohnehin überfällig – nicht nur, weil ihr die FDP angehört, die als Freie Denglische Partei mit allerlei englischen und pseudoenglischen Forderungen wie ‚Topsharing‘ aufgefallen ist.“

Littgers Beitrag passt in diese Zeit, wo schon wieder das nicht nur Dumme, sondern Unmögliche gefordert wird: Deutsch durch Englisch zu ersetzen. Ja, wir sollten so vielsprachig wie möglich werden, es macht mehr Lebensfreude, und es verbessert die realen Lebenschancen. Übrigens fällt auf diesem Weg auf, dass die gepflegte Muttersprache erste Voraussetzung für eine minimal brauchbare Fremdsprache darstellt. Das ist so längst erwiesen und oft bestätigt. Bedeutet aber, dass man diese ach so verachtete deutsche Muttersprache schätzen muss, und nicht verhunzen. (wiwo.de, journals.plos.org)


Albanische Spurensuche

Durch die Erfindung des Buchdrucks konnten Texte jeder Art unbegrenzt vervielfältigt werden. So erwarben die damals Lesekundigen auch fremde Sprachen. „Ein Zentrum des frühneuzeitlichen europäischen Buchdrucks war unter anderem Venedig“, berichtet Joachim Matzinger im Standard. Dort verfügten Druckereien nicht nur über die üblichen lateinischen Drucklettern, sondern auch über solche für das kyrillische Alphabet. Venedig war im 15. und 16. Jahrhundert ein Zielpunkt für albanische Exilanten, seit ihr Land unter der Herrschaft der Osmanen stand, und erste Ansätze humanistischer Strömungen zum Stillstand kamen. Die wenigen Gelehrten des Landes flohen ins italienische Exil, darunter Venedig. Lange war das Albanische eine nur mündlich überlieferte Sprache, bis im Jahr 1555 der Druck eines Werkes mit einem auffälligen lateinisch-kyrillischen Mischalphabet in dieser Stadt erfolgte. Dieses Buch steht am Anfang der albanischen Schriftlichkeit. Die im Kolophon (Verfasseranmerkung) des Buches ausgedrückte Sorge des Autors, eines Geistlichen namens Buzuku, um die albanische Sprache war alles andere als unbegründet, sagt Matzinger: „Im Unterschied zu Süditalien und Sizilien, wo die Sprache der albanischen Exilanten in manchen Gemeinden bis heute bewahrt ist, das sogenannte Arbresh (Italo-Albanisch), haben sich die Albaner in Venedig sehr rasch sprachlich und kulturell an ihre Umgebung assimiliert, auch wenn ihre Spuren bis heute noch in Venedig, zum Beispiel in den Straßennamen und ganz besonders der Scuola degli Albanesi gleich neben der Kirche San Maurizio zu finden sind.“ (derstandard.at)


4. Berichte

Gedichtwettbewerb beim VDS Benin

Bereits zum 4. Mal hat der VDS Benin einen Gedichtwettbewerb veranstaltet – am 12. August war die Preisverleihung im „Royal Plaza Club“ in Bohicon. „Die Förderung begabter junger Menschen aus Benin, die sich für die deutsche Literatur einsetzen, ist unser Ziel“, sagt Mahuwèna Crespin Gohoungodji, Regionalleiter in Benin. Die fünf Gewinner kommen von den Universitäten von Abomey-Calavi, Parakou und der Pädagogischen Hochschule von Porto-Novo.

Eindrücke von der Veranstaltung gibt es auch hier: youtube.com/Cinélabel TV, facebook.com/vds.


5. Soziale Medien

Nazi, wer „N wie Nordpol“ sagt!

Millionen, ach was: Milliarden von früheren „Glücksrad“-Zuschauern sind Nazis! Zumindest, wenn es nach dem Instagram-Posting des ZDF-Infokanals geht. Das informierte in mehreren Kacheln darüber, dass 1938 jüdische Namen aus der deutschen Buchstabiertafel getilgt wurden. Aus „S wie Samuel“ wurde „S wie Siegfried“, das „D“ war nicht mehr „David“, sondern „Dora“. Auch nach dem Krieg blieb die Buchstabiertafel nahezu unverändert und brannte sich bei jedem Anruf auf dem Amt ein, wenn ein Name durchgegeben werden musste. Für das ZDF ist das nun offenbar Grund genug, jeden, der die 1938er Buchstabiertafel nutzt, als Nazi anzusehen. Dass der Sender mit diesem Posting die Opfer des Nationalsozialismus ins Lächerliche zieht, scheint ihn nicht zu stören, zu verlockend war offenbar der plumpe Versuch eines vermeintlich drastischen Nachrichtenpostings. Die Häme der Internetnutzer folgte auf den Fuß: „Fährst du Auto wie ein Nazi? Wir erklären dir, welche Autobahnen du in Zukunft meiden solltest“, schrieb herr.montag süffisant dazu, und rremydesilva forderte: „Bitte hört als ÖRR auf mit der Relativierung des Nationalsozialismus!“ Seit Mai 2022 gibt es übrigens die neue Buchstabiertafel, die das Deutsche Institut für Normung herausgegeben hat. Alle Begriffe wurden gegen deutsche Städtenamen ausgetauscht (bis auf Ypsilon). Jetzt heißt es: „N wie Nürnberg“. Also die Stadt, wo der speziell für diesen Zweck aus Berlin herbei zitierte Reichstag die sogenannten „Rassengesetze“, meist auch bekannt als „Nürnberger Gesetze“, verabschiedet hat. Kann man ja mal dem ZDF stecken, dass auch die aktuelle Version nicht Nazi-frei ist. (instagram.com/zdfinfo)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drücke Enter für die Suche. Drücke ESC, um abzubrechen.

Zurück nach oben