Infobrief vom 31. Juli 2023: 16.000 gegen Gendersprache vom Amt

1. Presseschau

16.000 gegen Gendersprache vom Amt

In Hamburg übergab die vom VDS unterstützte Volksinitiative „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ in der vergangenen Woche 16.000 Unterschriften dem Hamburger Senat. Damit ist die erste Hürde des dreistufigen Verfahrens bis zu einem Volksentscheid überwunden. Sollte die Bürgerschaft dem Anliegen nicht entsprechen (womit zu rechnen ist), wird es im Sommer 2024 zu einem Volksbegehren kommen, welches von rund 66.000 Hamburgern unterstützt werden muss, um schließlich zur letzten Stufe zu führen: ein Volksentscheid im Jahr 2025. „Die am häufigsten gehörten Sätze beim Sammeln der Unterschriften bestanden aus je einem Wort: „Endlich!“ und „Danke!“, das gab die Sprecherin der Volksinitiative und Leiterin der VDS-Arbeitsgruppe Gendersprache Sabine Mertens bekannt. Man dürfe von den Hamburger Behörden erwarten, dass sie die Sprache verwenden, „die gängig ist, die die Bürger im Leben sprechen.“ (ndr.de)


Nun auch klimagerechte Sprache

Klimaschutzaktivisten, wie der österreichische Klimaschutzbeauftragte und Lobbyist Ernst Walter Schrempf, fordern die Einführung einer „problemgerechten Klima-Sprache“ in den Medien und im politischen Diskurs. Schrempf hält zu dem Thema regelmäßig Vorträge. Wörter wie „Klimawandel“ oder „Erderwärmung“ sind für ihn eine Verharmlosung der Probleme. Er ist der Meinung, dass „über Generationen eingeprägte Denkmuster“ sprachwissenschaftlich aufgehoben werden müssen. Anstelle der „Klimaerwärmung“ müsse von der „Klimaerhitzung“ gesprochen werden, damit der Handlungsbedarf hervorgehoben werde. Auch verniedliche das Wort „Klima-Krise“, man solle von einer „Klima-Katastrophe“ sprechen. Eingeprägte Wahrnehmungen würden sich durch Anpassung der Sprache im öffentlichen Diskurs beeinflussen lassen, das könne die Menschen dazu veranlassen, die Klimafrage ernster zu nehmen. (presseportal.de)


Weichgespülte Schlagertexte

Von der Unterhaltungssendung „ZDF-Fernsehgarten“ gibt es jeden Sommer eine Mallorca-Ausgabe. Dazu gehört natürlich eine ordentliche Portion Schlagermusik vom „Ballermann“. Aber nun kommt Kritik seitens einiger Schlagersänger, weil das ZDF Liedtexte vor der Aufführung „entschärfen“ lässt. So musste Mallorca-Star Peter Wackel 2021 seinen Refrain von „Scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr“ in „Pfeif drauf“ umändern und auch das Lied „Layla“ von DJ Robin & Schürze gab es im vergangenen Jahr nur in einer „weichgespülten“ Version. Matthias Distel alias Ikke Hüftgold sagte deswegen seine Teilnahme beim Fernsehgarten in diesem Jahr ab. Eine Sprecherin des ZDF erklärte, dass das ZDF grundsätzlich keine Textänderungen verlange, die Redaktion aber verschiedene Textvarianten der Titel vorschlage, die sie als passender zum Format einschätze. Andere Schlagersänger äußerten durchaus Verständnis für die Haltung des ZDF: „„Man darf nicht vergessen: Der Fernsehgarten ist eine Familiensendung und läuft ja sonntags mittags im ZDF“, meint Lorenz Büffel. (merkur.de)


2. Gendersprache

Gendersprachliche Abstimmungsvorlage abgesetzt

Im Völklinger Stadtrat ist ein Tagesordnungspunkt abgesetzt worden, weil die Abstimmungsvorlage Genderzeichen enthielt. Abgestimmt werden sollte über eine Satzungsänderung für die Beiratskonferenz der Stadt – eigentlich eine unstrittige Formsache. Aber in dem Satzungstext war aus „Bürgerbeteiligung“ die „Bürger*innenbeteiligung“ geworden oder auch „Zu den Sitzungen der Beiratskonferenz lädt der/die Vorsitzende, im Verhinderungsfall sein/seine/ihr/ihre Vertreter*in ein.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende Stefan Rabel entgegnete, der Satzungstext entspreche in der nun vorgesehenen Form „nicht der deutschen Rechtschreibung“. (saarbruecker-zeitung.de (Bezahlschranke))


Korbach gendert seine Kommunikation nicht

In der vergangenen Woche debattierten die Stadtverordneten der hessischen Stadt Korbach über die Gendersprache. Laut einem Antrag der CDU-Fraktion solle in allen städtischen Eigenbetrieben Korbachs in der internen und externen Kommunikation auf das Verwenden der Gendersprache verzichtet werden. Dasselbe solle in Unternehmen gelten, an denen die Stadt mehrheitlich beteiligt ist. Nach einer intensiven Debatte nahm das Korbacher Parlament letztendlich den CDU-Antrag mehrheitlich an. Bei ihrer Entscheidung stützten sich die Abgeordneten der CDU-Fraktion vor allem auf die Entscheidung des deutschen Rechtschreibrats, das Gendern nicht in das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache aufzunehmen. (hna.de)


Keine Genderzeichen in Niederösterreich

In der niederösterreichischen Landesverwaltung gilt ab August der Erlass, dass bei der Erstellung von Schriftstücken und Erledigungen den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung Folge zu leisten sei. Somit werde in Zukunft auf den Genderstern und -doppelpunkt sowie das Binnen-I verzichtet. Durch diese Entscheidung werde eine „Grundlage für einen einheitlichen und verständlichen Auftritt“ geschaffen. Zuvor gab es zwar eine verbindliche Empfehlung zum Gendern, diese sei nun jedoch aufgehoben. Die neuen Regeln gelten verpflichtend für alle Landesbediensteten. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner betont jedoch, dass weiterhin Doppelnennungen („Damen und Herren“, „Bürgerinnen und Bürger“) verwendet werden, damit Frauen und Männer gleichgestellt seien. Ihr Stellvertreter Udo Landbauer sagt, dass mit der Entscheidung dem „Gender-Wahn ein Riegel vorgeschoben“ werde. Der freiheitliche Landesparteichef betont, dass die Debatte um die Gendersprache von den wahren Problemen und Sorgen der Familien ablenke. (diepresse.com)


„Komplett out“

Auch in der dritten Woche nach der Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung, Sonderzeichen nicht in das amtliche Regelwerk aufzunehmen, sondern nur zu benennen und weiter zu beobachten, gibt diese Entscheidung Rätsel auf. Im MDR meldet sich die Geschäftsführerin des Rats, die Sprachwissenschaftlerin Dr. Sabine Krome, zu Wort. „Das generische Maskulinum ist komplett out“, erklärt sie. Das würden entsprechende Anfragen in der Geschäftsstelle des Rechtschreibrats zeigen. Satzzeichen wie Stern, Doppelpunkt oder Unterstrich im Wortinneren sorgten allerdings für „Probleme, weil sie die Wortbildung stören, zu großen Teilen aber auch die Grammatik und die Satzbildung“. Diese Schreibweisen würden eher auf gesellschaftliche Ablehnung stoßen als andere Formen geschlechtergerechter Sprache. Wichtig ist für Krome, dass es für Schulen und Behörden verbindliche Regeln im gesamten deutschen Sprachraum gibt. (mdr.de)


Volksabstimmung 2023

Volksentscheide sollen auch bundesweit möglich werden, dafür streitet der gemeinnützige Verein ABSTIMMUNG 21 e.V.. Der Verein organisiert bundesweite Volksabstimmungen zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen so lange, bis Abstimmungen auf Bundesebene gesetzlich verankert sind. Bei seinem Projekt „Volksabstimmung 2023“ geht es beispielhaft um drei Themen, darunter die Gendersprache. Der Verein sagt: „Deutschland braucht mehr Mitbestimmung auf Bundesebene durch die Bevölkerung. Um der Politik zu zeigen, dass es nicht ohne uns geht, unterstützen wir das Projekt „ABSTIMMUNG21“. Die nächste bundesweite Volksabstimmung findet im September statt. In diesem Jahr kann über drei brennende Themen unserer Zeit abgestimmt werden:

– Abkehr von der Gendersprache in Politik, Verwaltungen, Bildung, Medien und Gesetzgebung jetzt!
– Naturmedizin und Schulmedizin rechtlich gleichstellen!
– Gerechtigkeit beim Wählen: Keine verlorenen Stimmen mehr!
Wer mitmachen will, meldet sich an und erhält die Abstimmungsunterlagen. (openpetition.de/abstimmung21)

(Anmerkung der Redaktion: Die bundesweite „Abstimmung 21“ ist vorderhand kein Ersatz für die Initiativen in Hamburg und Baden-Württemberg, denn Sprachfragen fallen unter die Kulturhoheit der jeweiligen Bundesländer.)

NDR bleibt beim Gendern

Der NDR hat bekannt gegeben, trotz der Empfehlung des Rats für Deutsche Rechtschreibung, weiterhin an der Praxis des Sprachgenderns festzuhalten. Im Vorfeld hatte die FDP in Mecklenburg-Vorpommern den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu aufgefordert auf die Verwendung von Gendersternchen und Doppelpunkten zu verzichten. Die Sendersprecherin erklärt, dass es im NDR keine direkte Anweisung zum Gendern gebe, sondern die Beschäftigten lediglich dazu angeregt werden, sensibel mit dem Thema Gendersprache umzugehen. Auf eine bestimmte Form werde sich jedoch nicht festgelegt. Verständliche und geläufige Formen sollen verwendet werden, dazu zählen die Doppelnennungen („Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten“), neutrale Bezeichnungen („Team“, „Gäste“) oder Partizipien („Teilnehmende“). Reportern stehe es frei, im Hörfunk und Fernsehen den Glottisschlag, also die Sprechpause, zu verwenden. Im Hinblick auf verschiedene Formate sei der Gebrauch unterschiedlicher Genderformen eine „freie redaktionelle Entscheidung“. In der Schriftsprache des Norddeutschen Rundfunks werde neben den neutralen Formulierungen auch der Genderstern verwendet, wenn eine große Zahl von Menschen angesprochen werden soll. Trotz der weit überwiegenden Mehrheit, die das Gendern als störend oder unwichtig empfindet, hält der NRD also an dieser Praxis fest. (nordkurier.de)


3. Kultur

Martin Walser gestorben

„Martin Walser war zeitlebens ein Beirrbarer. Daraus zog er seine enorme literarische Kraft“ , schreibt der Spiegel. Er war einer, der sich „störrisch einfachen Antworten verweigerte.“ In seinem Menschenbild kämpft der Mensch mit sich, „er macht es sich nicht leicht, und es ist nie leicht mit ihm.“ Das geschah in einer Sprache, die alles möglich macht, auch ihn falsch zu verstehen. Aber man muss sich mit Literatur eben ein bisschen bemühen. „Solange etwas ist, ist es nicht das, was es gewesen sein wird“, reagierte er auf Vorwürfe über die mangelnde Weitsicht seiner Romanfiguren im Nationalsozialismus. In besonderer Erinnerung geblieben ist der Eklat bei seiner Dankesrede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 11.Oktober 1998. Ihm wurde „geistige Brandstiftung“ attestiert und, dass er einer „Schlussstrichmentalität“ das Wort geredet habe. So gründlich missverstehen darf man jemanden nur absichtlich. Seine Dankesrede kann man nachlesen, und die Parallele zwischen dem Unverstand vor 25 Jahren und heute entdecken, da auf stichhaltige Argumente gar nicht erst eingegangen wird. Der kommunikative Widerwille verschmilzt zu einem Syndrom aus erstens nicht hinhören können (mit eigenen Gedankenfetzen beschäftigt), zweitens nicht hinhören wollen (den Kerl womöglich noch verstehen), drittens Deutsch nicht hinlänglich beherrschen (da muss man ja mitdenken), viertens es nur nicht mit den Meinungsführern verderben. Für Walser war „recht zu haben ein minderer Bewusstseinszustand.“


Kreativer Sprachunterricht

Flüchtlingskindern wird die deutsche Sprache auf kreative Weise vermittelt, so geschieht es an der Pestalozzischule im hessischen Klein-Karben. Durch Basteln, Singen und Musizieren können die 16 Kinder, überwiegend Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, zusammen mit ihrer Deutschlehrerin Oksana Ebert die deutsche Sprache erkunden. Pädagogische Fachkräfte des Mütter- und Familienzentrums Karben unterstützen das Projekt, das seit dem Schuljahr 2022/23 läuft. Ebert, die selbst aus der Ukraine stammt, sei hierbei ein wichtiges Bindeglied zwischen Eltern, Kindern und der Schule in Klein-Karben, berichtet die Frankfurter Neue Presse. Mit der Muttersprache der Flüchtlinge vertraut, sei sie laut Urteil der Rektorin Petra Matthes-Ahäuser unverzichtbar. Ihr Projekt erfreue sich großer Beliebtheit und rege die Kinder dazu an, sich gegenseitig beim Deutschsprechen zu unterstützen. Ebert erklärt, dass die Kinder oftmals stark in der Mathematik seien, jedoch sei vor allem das Lernen anderer Sprachen eine Herausforderung. (fnp.de)


Lutz Seiler erhält Georg-Büchner-Preis

Lutz Seiler wird in diesem Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis, dem renommiertesten Literaturpreis im deutschen Sprachraum, ausgezeichnet. Seiler wuchs in der DDR auf, er untersucht mit seiner Literatur die „Ost- und West-Identitäten“. SWR2-Literaturchef Frank Hertweck lobt seine Sprache. „Sie trägt eine Genauigkeit in sich, die nicht vom Reden kommt, sondern vom Hinschauen und Hinhören, sie ist im besten Sinne passiv, sie nährt sich vom Schweigen.“ (swr.de)


Schweizer Band nutzt Mundart

Die Schweizer Musikgruppe Rival Empire veröffentlicht ihre Lieder normalerweise auf Englisch. Die letzten beiden Nummern „glücklich“ und „Alti Muure“ singen sie nun aber auf Schweizerdeutsch. Frontsänger Reto Wohlgensinger erklärt, dass sie sich durch die Muttersprache „breiter“ ausdrücken und diese auch geschickter nutzen können als das Englische. Der Schlagzeuger Paolo Pappalardo sagt, dass dies seine erste musikalische Erfahrung mit der Mundart sei, er diese aber trotzdem „sensationell geil“ finde. Die Lieder in der Mundart sind laut der Band „poppiger“ und für eine breitere Masse in ihrer Heimat geeignet als ihre englischen Rocksongs. (zuerich24.ch)


4. Berichte

Neue Wettbewerbe

Die Ausschreibungen für den literarischen Nachwuchs wurden aktualisiert. Die VDS-Arbeitsgruppe von Tatjana Kohler bietet nun neue Hinweise für junge Leute, die literarisch groß rauskommen wollen. Viel Erfolg beim Bewerben! (vds-ev.de)


5. Kommentar

Nochmal zum Rechtschreibrat

Was für ein Durcheinander! Drei Wochen nach der Sitzung des Rats für deutsche Rechtschreibung kommunizieren seine Mitglieder vorrangig über die Medien miteinander. Prof. Lutz Götze sagt in einem langen Leserbrief an die FAZ, dass er sich eine klärende und eindeutige Stellungnahme des Rats gewünscht hätte. Prof. Henning Lobin (Direktor des Instituts für deutsche Sprache) antwortet auf Twitter (auf Twitter!) und in einem SPIEGEL-Interview. Er macht deutlich, dass er die Entscheidung des Rats einfach ignoriert und stattdessen den Gebrauch von Genderzeichen als unausweichliche Sprachentwicklung hinstellt. Den Vogel erlegt nun in einem Interview die Geschäftsführerin des Rechtschreibrats, Dr. Sabine Krome: Das generische Maskulinum sei „out“, ergänzt um diese aufschlussreiche Erkenntnis: „All diejenigen lehnen geschlechtergerechte Sprache ab, die das Anliegen, alle Menschen gleichwertig zu betrachten, nicht akzeptieren können.“ Wie bitte? Wer morgens seine Brötchen beim Bäcker kauft und nachmittags zum Arzt geht, hat etwas gegen Geschlechtergerechtigkeit? Wenn das tatsächlich die Einstellung der Verantwortlichen des Rats für deutsche Rechtschreibung ist, muss man sich wirklich fragen, welchen Sprachgebrauch der Rat da eigentlich beobachtet. Der Rat gibt in der Öffentlichkeit derzeit ein Bild ab, bei dem daran gezweifelt werden darf, ob er seiner Aufgabe, die Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum zu bewahren, überhaupt noch gewachsen ist. (Holger Klatte)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Jeanette Zangs

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