Infobrief vom 13. Januar 2024: VDS und der „Geheimplan gegen Deutschland“

1. Presseschau

VDS und der „Geheimplan gegen Deutschland“

Der VDS ist in einen medialen Sturm der Entrüstung um ein Treffen von Politikern, Unternehmern und Rechtsradikalen in Potsdam geraten. Eines seiner Vorstandsmitglieder war anwesend. Der VDS hat sich am Tag der Veröffentlichung „Geheimplan gegen Deutschland“ von den privaten Tätigkeiten seines Vorstandsmitglieds distanziert. „Der VDS unterstützt keine Aktionen, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind und lehnt Diskriminierungen jeder Form ab“, heißt es da. Oliver Baer, ebenfalls Mitglied des VDS-Vorstands, schreibt in seinem Blog baerentatze: „Auf Veranstaltungen im Dunstkreis von Verfassungsfeinden wie der Identitären Bewegung haben VDS-Vorstandsmitglieder, hat Frau Silke Schröder nichts zu suchen.“ Auf die Frage, warum Frau Schröder noch nicht aus dem Verein ausgeschlossen wurde, antwortet Baer, der Antrag dafür sei gestellt, so eine Prozedur dauere im Rechtsstaat. Schröders Bemerkung über Journalisten nennt er „Hetzgeschwurbel“. (hellwegeranzeiger.de, oliver-baer.de, spiegel.de, deutschlandfunk.de, waz.de (Bezahlschranke), zeit.de)

Anmerkung vom 15.01.: inzwischen gehört Frau Silke Schröder dem VDS nicht mehr an.


Über Schmierfinken und komische Käuze

Tierschutzaktivisten fordern, Redewendungen wie „ein Hühnchen rupfen“ oder „einen Bären aufbinden“ zu streichen. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erklärt der deutsch-US-amerikanische Sprachwissenschaftler Christian F. Hempelmann, weshalb eine solche Forderung naiv sei und wie man das Ganze mit Humor sehen könne. Die Sprachbedeutung und Sprachentwicklung seien den Aktivisten nicht bewusst. So entstand der „Maulwurf“ nicht etwa aus „Maul“, sondern das Wort kommt von „Moltewurf“, eine altertümliche Bezeichnung für Erde. Auch der „Pleitegeier“ habe nichts mit dem Tier zu tun, sondern stamme aus dem jiddischen „pleyte geyer“, also „bankrottgehen“. Sprachwandel zu forcieren sei schwer, und die Beziehung zwischen Wörtern und deren Bedeutung gleiche einem sozialen Kontrakt. Man könne Menschen keine Tierfeindlichkeit vorwerfen, nur weil sie Begriffe wie „Schmierfink“, „komischer Kauz“ oder „dumme Gans“ verwenden. Hempelmann sieht die Forderungen der Tierschutzaktivisten gelassen: „ Denk- und Sprechverbote tragen schon immer zur Entstehung ganz neuer Humorformen bei. Allerdings sollte man sich durchaus der Konsequenzen bewusst sein, die solche Verbote und ihre Missachtung mit sich bringen. Wenn man es aber in Kauf nimmt, dass man gecancelt wird, so kann man sehr interessant damit spielen.“ (sueddeutsche.de)


Gehirn passt sich an

Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig haben erforscht, wie sich das Gehirn von Erwachsenen beim Erlernen einer Fremdsprache verändert. Hierfür wurden über einen Zeitraum von sechs Monaten 59 arabische Muttersprachler, die Deutsch lernten, mithilfe von Gehirnscans untersucht, jeweils zu Beginn, in der Mitte und am Ende ihrer Lernphase. Die Forschergruppe unter der Leitung von Alfred Anwander und Angela Friederici fand heraus, dass der Zweitspracherwerb die Nervenverbindungen in den beiden Gehirnhälften verstärkt. Zwar verringere sich die Konnektivität zwischen beiden Gehirnhälften je größer der Lernerfolg, dieses deute aber darauf hin, dass die sprachdominante linke Hemisphäre weniger Kontrolle über die rechte Hemisphäre ausübe, damit diese die neue Sprache besser integrieren könne. Anwander erklärt, dass die Studie veranschaulicht, wie sich das Gehirn neuen kognitiven Anforderungen anpasse und auch die Verbindung der beiden Gehirnhälften modulieren könne. Die Studie könne zu einem besseren Verständnis von Erst- und Zweitsprachenerwerb beitragen. Die Teilnehmer der Studie stammten aus Syrien und Anwander betont, dass die intensive Betreuung ihnen die Möglichkeit gegeben habe, besser in Deutschland anzukommen. (mpg.de)


Die Sprache der Krokodile

Forscher der australischen University of the Sunshine Coast haben untersucht, wie Krokodile miteinander kommunizieren und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass vor allem während der Balz eine bestimmte Sprache gesprochen wird. Die Forscherin Sonnie Flores leitete das zwölfmonatige Projekt. Hierfür wurden Kameras und akustische Aufzeichnungsgeräte im Krokodilgehege des australischen Zoos, nördlich von Brisbane im Bundestaat Queensland, aufgestellt. Die Forscher fanden heraus, dass die Männchen Zischlaute von sich geben, Wasserblasen erzeugen oder Wasser aus der Nase pusten, um die Weibchen zu beeindrucken. „Als würden sie der Partnerin ein Lied vorsingen“ erklärt der Ökologe Ross Dwyer. Einige Tiere benutzen den Kopf als eine Art Schlagzeug auf der Wasseroberfläche, jedoch werde auch unter der Wasseroberfläche miteinander kommuniziert. Die Weibchen knurren beim Bewachen des Nestes. Den Forschern rund um Leiterin Flores sei es wichtig, dass die Menschen Krokodile nicht nur als „bösartige Monster“ sehen. Die Auswertung der Sprache von Krokodilen trage dazu bei, die Tiere besser zu verstehen. (spiegel.de)


2. Gendersprache

Volksbegehren in Hessen und Baden-Württemberg

In mehreren Bundesländern sind Volksinitiativen im Gang, um anstelle von Genderformen die amtlichen Rechtschreibregeln an Schulen und Behörden durchzusetzen. Schon bevor die im ersten Schritt erforderlichen 44.000 Unterschriften in Hessen zusammengekommen sind, hat die künftige Regierungskoalition bereits vereinbart, dass sie den Forderungen der Initiatoren der Volksbegehren entsprechen wird. In Baden-Württemberg bekam die einschlägige Volksinitiative jüngst einen Dämpfer. Zwar wurden bei der Landesregierung Anfang Dezember 14.000 Unterschriften sowie der Entwurf eines „Gesetzes über die Anwendung des amtlichen Regelwerks für deutsche Rechtschreibung in Baden-Württemberg“ eingereicht. Der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens wurde allerdings abgelehnt. Begründung: Der Gesetzentwurf, der mit dem Zulassungsantrag eingereicht wurde, entspreche nicht dem Gesetzentwurf, den die Mehrheit der Unterstützer unterschrieben hat, so die Landesregierung in ihrer Antwort. Zudem werde im Entwurf nicht deutlich, welche Formen der „geschlechtsneutralen Sprache“ verboten werden sollen, denn nach dem amtlichen Regelwerk blieben Formen der Gendersprache zulässig. Den Initiatoren bleibt nun die Anrufung des Verfassungsgerichtshofs Baden-Württemberg. Derweil wächst die Zahl der Unterstützer des Volksbegehrens: Als der Antrag im Dezember im Ministerium eingereicht wurde, zählte er 14.013 Unterschriften. Mittlerweile sind es mehr als 25.500, berichtet die Welt. (welt.de (Bezahlschranke), baden-wuerttemberg.de)


Gendern macht dick

Der Rechtswissenschaftler Professor Dr. Roland Schimmel hat untersucht, wie die Gendersprache juristische Texte verlängert. Schimmel lehrt an der Frankfurt University of Applied Sciences (ehemals Fachhochschule) Wirtschaftsprivatrecht und Bürgerliches Recht. Für seinen Versuch hat er zwei Texte ausgesucht: das Tierarzneimittelgesetz (TAMG) und die juristische Ausbildungs- und Prüfungsordnung von Rheinland-Pfalz. Beide Texte wurden vom Gesetzgeber gegendert. Das Tierarzneimittelgesetz verlängere sich vor allem durch Doppelnennungen wie „der Tierarzt, die Tierärztin oder der Tierarzt, die oder der“, berichtet Schimmel. Das verlängere den Text um rund zwei Prozent. In der Ausbildungs- und Prüfungsordnung falle das Ergebnis deutlich höher aus, da es mehr zu verdoppelnde Personenbezeichnungen gibt, wie etwa „Richter, Rechtsanwälte, Ausbilder, Präsidenten, Vorsitzende“ etc. Durch die Ergänzung der weiblichen Formen, sowie der Artikel und Pronomina werde der Text um rund 7,5 Prozent verlängert.

Laut Schimmel wachsen gegenderte Lehrbücher, wie die Loseblattsammlung Sartorius, von derzeit 4.916 auf 5.162 Seiten an. Dabei seien die inhaltlichen Aussagen gleich, es werde nur die Gendersprache ergänzt. Einzelne Paragrafen und Absätze werden um rund ein Drittel länger. Schimmel kritisiert hierbei, dass die Gesetze nicht nur dicker, sondern durch die umfangreichen Ergänzungen auch schwerer verständlich werden. (beck.de, swr.de)


3. Kultur

Die Rhetorik des „Kaisers“

In der vergangenen Woche starb der Fußballspieler und -trainer Franz Beckenbauer, auch „der Kaiser“ genannt. Er war nicht nur als Fußballer, sondern auch für seine besondere Rhetorik bekannt, findet focus.de. Beckenbauer wurde im Münchner Arbeiterbezirk Giesing geboren, den heimischen Zungenschlag habe er nie abgelegt. Bairischen Dialekt habe er allerdings nicht gesprochen. Das sanft rollende „R“ und seine charakteristische Sprachmelodie hatte genug Wiedererkennungswert, um ihn zwar als Münchner zu identifizieren, jedoch war es hochdeutsch genug, um von allen Menschen verstanden zu werden. Michael Ehlers erinnert daran, wie Beckenbauer das „Herz stets auf der Zunge trug“. Er sei vor allem für seine bildhafte Sprache und für große Metaphern bekannt gewesen. Durch Beschreibungen wie „Erfolg ist ein scheues Reh, der Wind muss stimmen, die Witterung, die Sterne und der Mond“ brachte er einen Hauch Poetik in das Fußballgespräch. Auch seine Kritik sei bildhaft und einprägsam gewesen. Beckenbauer hinterlasse somit auch aus rhetorischer Sicht ein beachtliches Erbe. (focus.de)


Minderheitensprache bewahren

Die Grundschullehrerin Ingeborg Remmers berichtet in ZEIT Online über ihre Erfahrung als saterfriesische Muttersprachlerin und wie es ist, eine fast ausgestorbene Sprache zu sprechen. Das Saterland ist eine Gemeinde in Niedersachsen zwischen Cloppenburg und Emden. Saterfriesisch ist eine der sechs anerkannten Minderheitensprachen in Deutschland mit nur rund 2.000 Sprechern. Remmers erzählt, dass in ihrer Familie nur Saterfriesisch gesprochen wurde und sie Deutsch damals nur aus Büchern kannte. Heutzutage bedauere sie, wie selten sie die Möglichkeit habe ihre Muttersprache zu sprechen. Das Saterfriesische müssen erhalten bleiben. In ihrer Gemeinde gebe es bereits einen Beauftragten für Saterfriesisch sowie zweisprachige Ortsschilder. Einige bekannte Romane wurden auch übersetzt, etwa „der litje Prins“ oder „die fliejoogende Klassenruum“. Der Erhalt der Minderheitensprache sei wichtig, denn sie Teil ihrer Identität, die sie nicht verlieren möchte. Remmers lehrt die Sprache und hat in der Vergangenheit sogar Mathematik auf Saterfriesisch unterrichtet. (zeit.de)


4. Berichte

Schlagzeile des Jahres 2023

„Birkenstock latscht an die Börse“. So titelte die Bild am 11. Juli 2023 und überzeugte damit die Jury für die Schlagzeile des Jahres. Der Beitrag beschrieb den Weg der Firma Birkenstock „von der Öko-Sandale zur Milliardenmarke“. Das Unternehmen gelte „traditionell als bieder und langweilig, gepaart mit Socken werden die Schuhe oft als das ultimative Erkennungszeichen für Deutsche im Urlaub wahrgenommen“, sagte Prof. Walter Krämer, Vorsitzender des VDS. „Hier den Begriff ‚latschen‘ aufzugreifen, um den Gang an die Börse zu symbolisieren, zeigt das Spiel mit den Vorurteilen.“ Der zweite Platz ging an den Spiegel für „Deutschland gegen den Strom“. Damit kommentierte das Magazin am 13. April 2023 das Abschalten der letzten drei deutschen Kernkraftwerke. Die vom VDS gewählte Schlagzeile des Jahres gibt es seit dem Jahr 2010; der erste Sieger war die Hamburger ZEIT mit „Krieger, denk mal!“ Die aktuelle Jury besteht aus dem Journalisten Harald Martenstein, dem Sprachwissenschaftler Horst Haider Munske, der Germanistin Stephanie Zabel und dem VDS-Vorsitzenden Walter Krämer. (wdr.de)


5. Denglisch

Mangelnde Wertschätzung

Leser beantworten die von Roland Kaehlbrandt im Dezember in der Süddeutschen Zeitung gestellte Frage „Ist Deutsch hässlich?“ Einige zitieren Lieblingsverse aus Gedichten: „Die Schönheit einer Sprache offenbart sich am ehesten in der Dichtung, hier natürlich der Lyrik.“ Andere sehen einen schädlichen Einfluss aus dem Englischen und nehmen mit Sorge wahr, wie „viele Deutsche selbst ihre Sprache gering schätzen und Ausdrücke nur allzu gerne gedankenlos und oft dazu noch fehlerhaft durch englische ersetzen.“ Es gibt aber auch die Meinung, dass es ganz unerheblich sei, „ob man die deutsche Sprache hässlich oder schön findet.“ (sueddeutsche.de)


6. Soziale Medien

Sprachwissenschaftler erobert Instagram

Der Linguist Adam Aleksic betreibt ein Instagram-Profil namens „etymologynerd“.  Dort stellt er seinen Zuschauern sprachliche Phänomene vor. Aleksic hat an der Harvard-Universität studiert, er nutzt seine Reichweite, um Wirksamkeit und Geschichte der Sprache zu erklären. Auf seinem Profil findet man unter anderem Videos, in denen er tierische Laute in das phonetische Alphabet transkribiert. So kann man sich also Hamlet auf „delfinisch“ auf seinem Instagram-Profil anschauen. Jedoch geht es bei „etymologynerd“ nicht nur um tierische Sprache, sondern er erklärt beispielsweise auch die Herkunft verschiedener Wörter aus der englischen Jugendsprache. Aleksic hat durch seine Mischung aus Humor und Sprachwissenschaft bereits fast 500.000 Abonnenten erreicht. (instagram.com/etymologynerd, taz.de)


7. Kommentar

Zuständigkeit des Vereins

Manche Mitglieder des VDS (wie auch manche Medien) übersehen im Eifer schon mal, dass wir uns in einem Sprachverein befinden. Wir sind vereint in unserer Sorge über Entwicklungen der deutschen Sprache, auch unserer Nachbarsprachen, und diese hängen zusammen mit Entwicklungen der Gesellschaft. Weltanschauliche Auseinandersetzungen überschneiden sich mit sprachlichen Angelegenheiten, und mitunter mag einen die Unterscheidung schmerzen, aber für Entwürfe zur Veränderung der Gesellschaft sind andere Orte und andere Gremien besser geeignet. Das geht auch aus der Satzung des Vereins Deutsche Sprache hervor. (Oliver Baer)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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