Infobrief vom 18. Oktober 2024: Musikalisches Italienisch

1. Presseschau

Musikalisches Italienisch

Italien ist Gastland bei der Frankfurter Buchmesse, die noch bis Sonntagstattfindet. Im NDR berichtet die Übersetzerin Annette Kopetzki, dass für sie vor allem die Lebendigkeit und der Klang den Reiz der Sprache ausmachen. Der Klang würde Kultur und Sprache miteinander verbinden, so Kopetzki: „Es hat wahrscheinlich etwas mit der Oper, der Operette, mit der Rolle der Musik zu tun. Diese Sprache ist musikalisch, und für die Übersetzungen ist das schon schwierig.“ Bei ihren Übersetzungen versuche sie, diesen Klang aus dem Italienischen ins Deutsche zu übertragen. Anspruchsvolle Literatur hätte es in Italien zurzeit jedoch schwer, nur 3.000 bis 4.000 Leser hätten Interesse daran. Mit Sorge sieht sie auch die generelle Entwicklung auf dem italienischen Autorenmarkt. Viele Autoren seien mittlerweile nach Berlin emigriert, da sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr sähen. (ndr.de)


Die Sprache der DDR

Anfang September hat der Historiker Dr. Hubertus Knabe auf Einladung der VDS-Region Berlin einen Vortrag zur „Sprache als Herrschaftsinstrument – Das Beispiel DDR“ gehalten. Knabe, ehemals Direktor der Stasi-Opfergedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, berichtete, dass Sprache ein Hilfsmittel sein kann, um Herrschaft zu erlangen und zu behaupten. In der DDR wurden Werbung, Marketing und Propaganda zentral geleitet, regelmäßig wurden die Bürger mobilisiert, um unter einem Motto den Leitungsanspruch der SED zu manifestieren. Das „Sich-Einfügen“ ins Kollektiv war wichtig, wer das nicht tat, wurde in Bewertungen oder Zeugnissen sprachlich als „kleinbürgerlich, zurückgeblieben oder dekadent“ beschrieben. Den vollständigen Vortrag Knabes gibt es nachzuhören auf kontrafunk.radio. (kontrafunk.radio)


Alter blonder Mann?!

Dass Thomas Gottschalk kein Blatt vor den Mund nimmt, ist wohlbekannt. Bei der WDR-Sendung Kölner Treff hat er vergangene Woche für Aufregung gesorgt, weil er sich über die Debattenkultur in Deutschland ausgelassen hat. „Wenn einer mit 74 Jahren nicht das sagen kann, was er denkt, dann ist irgendwas schiefgelaufen“, so Gottschalk. Früher habe er relativ spontan reagiert, „heute ist es so, dass ich erst einmal nachdenke, bevor ich etwas sage. Für mich ist das schlimm.“ Ähnlich hatte er sich bei seinem Abschied von der Sendung „Wetten, dass …“ vor knapp einem Jahr geäußert. Im Kölner Treff wiederholte er, dass er das Gefühl habe, zu Hause anders sprechen zu können als „draußen“, dort würde ihm vieles falsch ausgelegt. Der Kölner-Treff-Moderator Micky Beisenherz war mit dem Gespräch ebenfalls unzufrieden und reflektierte sich in seinem eigenen Podcast „Apokalypse und Filterkaffee“: Er hätte beim Gespräch mehr die positiven Aspekte von Gottschalks Arbeit herausarbeiten sollen. Auch Beisenherz‘ Lebensgefährtin Nikki Hassan-Nia kritisierte ihn: „Ich muss gestehen, ich fand das Gespräch misslungen, weil ich dachte, warum wird da jemand so hart angegangen.“ Beisenherz habe Gottschalk immer verehrt, er sei ein prägender Mensch für ihn gewesen. Umso unpassender habe sie die Schärfe der Diskussion empfunden. (ksta.de, tvspielfilm.de, rp-online.de)


Mehr Sprachdefizite in Niedersachsen

Bereits im September berichtete der Infobrief über die Studie der Krankenkasse Barmer, welche aufdeckte, dass immer mehr Kinder und Jugendliche an Sprachentwicklungsstörungen leiden. In Bezug auf diese Studie berichtet die Osnabrücker Zeitung über die Sprachentwicklungsstörungen der Jugendlichen in Niedersachsen. In Niedersachsen seien bei 14,7 Prozent der Jugendlichen bis 15 Jahre Sprachdefizite ärztlich dokumentiert. Laut Barmer betreffe es rund 170.000 Kinder und Jugendliche im Bundesland. Im Vergleich dazu litten im Jahr 2012 noch rund 11 Prozent der Kinder an Sprachstörungen. Insbesondere die Wort- und Satzbildung sowie das Verständnis von Gelesenem und Gesprochenem seien für die Betroffenen ein Problem. Dabei leiden Jungen mit 17,5 Prozent häufiger an Sprachstörungen als Mädchen. Der Anteil der Mädchen mit Sprachstörungen liegt bei 11,7 Prozent. (stern.de)


2. Gendersprache

Genderzwang an pädagogischer Hochschule

Das österreichische Verwaltungsorgan Volksanwaltschaft berichtet über eine Studentin der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland (PH), die nach drei Jahren des Studiums ihre Arbeiten nicht mehr gendern wollte und stattdessen das generische Maskulinum verwendete. Daraufhin wurden ihr zunächst 25 % ihrer Bewertungspunkte abgezogen, nach einem fruchtlosen Gespräch mit der Professorin sogar 50 % der Punkte. Die Professorin habe angekündigt, ihr auch künftig immer mehr Punkte abzuziehen bzw. nicht gegenderte Arbeiten gar nicht erst anzusehen. Eine Arbeit benotete sie noch, allerdings mit Hinweis auf das fehlende Gendern, mit einem Notengrad schlechter. Die Studentin sah das als Bevormundung und Sprachpolitik an und wandte sich daher an die Volksanwaltschaft. Diese zählt zu den „Obersten Organen“ der Republik Österreich und kontrolliert seit 1977 auf Grundlage der Bundesverfassung die öffentliche Verwaltung.
Die Direktorin der PH sagte dem ORF, ihre Vorgangsweise sei rechtens, zumal sie zu Beginn ihrer Lehrveranstaltung darauf hingewiesen habe, dass Gendern einen Bestandteil ihrer Beurteilung darstelle. Das Bildungsministerium schrieb in einer schriftlichen Stellungnahme, der Vorfall sei alleinige Angelegenheit der PH, deswegen entsandte es auch keinen Diskussionsteilnehmer in die ORF-Sendung „Bürgeranwalt“, die juristische Themen diskutiert. Volksanwalt Dr. Walter Rosenkranz sagte in der Sendung, dass es sich die PH Burgenland zu einfach gemacht habe. Laut Landesverfassung sei die Staatssprache Deutsch, der Rat für deutsche Rechtschreibung lehne Schreibweisen mit Sternchen oder Doppelpunkt ab. Es sei nicht akzeptabel, dass inhaltlich ausgezeichnete Arbeiten aufgrund fehlenden Genderns schlechter oder gar negativ beurteilt würden, so Rosenkranz, auch die PH Burgenland stehe mit ihrer Auslegung nicht über der Verfassung. (volksanwaltschaft.gv.at)


Widersprüchliche Jugend

Seit 1953 untersucht der Konzern Shell die aktuelle Meinungslage bei Jugendlichen zu verschiedenen Themen. Diese Woche wurde die mittlerweile 19. Shell Jugendstudie vorgestellt, und sie ist in vielerlei Hinsicht spannend. Zum Beispiel hat das Interesse der Jugend an Politik grundsätzlich weiter zugenommen. Die Mehrheit verortet sich leicht links der Mitte. Interessanterweise lehnen trotz dieser politischen Selbstverortung 42 Prozent der Befragten das Gendern ab, nur 22 Prozent sind dafür, dazu kommt eine große Gruppe von 35 Prozent jener, denen das Thema egal ist. (faz.net, t-online.de)

Gendern – ein Gesundheitsthema?

Die Apotheken Umschau ist als Kundenzeitschrift bekannt, welche die Leser über Neuigkeiten und Informationen zu Medikamenten, Krankheiten und Medizin aufklärt. Und obwohl sie als eine der auflagenstärksten Zeitschriften gilt, hat die Apotheken Umschau einen verstaubten Ruf. Dennis Ballwieser, Chefredakteur der Apotheken Umschau, verkündete bereits im Frühjahr, dass sich die Zeitschrift künftig moderneren Themen widmen werde. Daraufhin folgte im April ein Beitrag über die Gendersprache und warum diese sinnvoll sei. Ballwieser und seine Kollegin Julia Rotherbl begründen den Genderartikel im Apothekenmagazin damit, dass „Diskriminierung die Gesundheit beeinflusse“ und das Gendern somit auch als Gesundheitsinformation für die Leser gelte. Die Apotheken Umschau erscheint zweimal im Monat. Die monatlichen Leser werden auf etwa 15,9 Millionen geschätzt. (taz.de)


3. Kultur

Literaturnobelpreis geht nach Südkorea

Die südkoreanische Autorin Han Kang erhält den diesjährigen Literaturnobelpreis. Die 53-Jährige bekommt den Preis für ihre „intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt“, so der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Bekanntgabe in der Stockholmer Altstadt. Die Entscheidung für Kang gilt als Überraschung, sie zählte im Vorfeld nicht zum Favoritenkreis.
Der Literaturnobelpreis ist mit elf Millionen Schwedischen Kronen (ca. 970.000 Euro) dotiert und wird seit 1901 vergeben. Han Kang ist erst die 18. Frau, die ihn erhält, und die erste Südkoreanerin. Die Verleihungs-Gala findet traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, in Stockholm statt. (tagesschau.de)


Deutscher Kinderbuchpreis vergeben

„Annis wilde Tierabenteuer – Auf in den Dschungel!“ von Annika Preil ist als bestes Kinderbuch 2024 ausgezeichnet worden. Der Preis wird von Jasmin Schröter gestiftet (Zeitfracht Unternehmensgruppe) und wurde zum 4. Mal vergeben, unter anderem durfte eine 32-köpfige Kinderjury über das beste Kinderbuch abstimmen. Der Kinderbuchpreis ist mit einer Gesamtsumme von 100.000 Euro dotiert, wobei die Hälfte auf den Gewinner entfällt und der Rest abgestuft ausgeschüttet wird, sodass alle zehn Nominierten auf der Liste ein Preisgeld bekommen. Die Kinder aus der Kinderjury bekommen außerdem jeweils einen Büchergutschein über 250 Euro. (boersenblatt.net)


Roman des Jahres

Der Deutsche Buchpreis für den Roman des Jahres geht an Martina Hefter für „Hey guten Morgen, wie geht es dir?“. Ihre Hauptperson Juno chattet mit Männern, die Frauen online ihre Liebe gestehen und so versuchen, sie um ihr Geld zu bringen. Juno jedoch spielt das Spiel mit, da diese Gespräche für sie eine Flucht aus ihrer Realität mit ihrem kranken Mann sind, den sie umsorgen muss. In ihrer Lügenwelt trifft sie auf Benu, der ihre Behauptungen genauso durchschaut wie sie seine. Laut Jury verbinde der Roman den „zermürbenden Alltag mit mythologischen Figuren und kosmischen Dimensionen, er navigiert zwischen Melancholie und Euphorie, reflektiert über Vertrauen und Täuschung.“ (deutscher-buchpreis.de)


Regional ist auch cool

Karl Gaulhofer von Die Presse berichtet in seinem Artikel über die österreichische Jugend, welche sich für ihre Jugendsprache immer mehr dem „norddeutschen Einheitsdeutsch“ bediene, anstatt auf lokale Dialekte zurückzugreifen. Als Grund, weshalb die österreichischen Jugendlichen das Bundesdeutsch den regionalen Varietäten vorziehen, nennt Gaulhofer insbesondere die sozialen Medien bzw. die Medienschaffenden auf TikTok, Instagram & Co. Dabei könne sich die Jugend, die sich laut Gaulhofer stets von den älteren Generationen unterscheiden will, doch mit „exklusiven Ausdrücken statt ödem Einheitsdeutsch“ den Dialekten zuwenden. Gaulhofer schlägt vor, statt „Wie geht’s?“ das Salzburger „Wos sogga?“ oder „Sogga?“ („Was sagt er?“) zu verwenden. (diepresse.com)


4. Berichte

Sprachvorbild Behrend Böckmann

Der Nordkurier berichtet nachträglich über den Tag der deutschen Sprache in Rostock; genauer: über die Verleihung des Titels „Sprachvorbild“ an den Plattdeutsch-Autor Behrend Böckmann. VDS-Mitglied und Leiter der VDS-Arbeitsgruppe „Dialekte und Regionalsprachen“, Dieter Rasch, lobte Behrend Böckmann für seinen unermüdlichen Einsatz für die niederdeutsche Sprache. Der 82-Jährige setze sich seit Jahren dafür ein, die plattdeutsche Sprache stärker in den öffentlichen Raum zu bringen. Neben Böckmann erhielt auch die Musikgruppe „Schwarze Grütze“ die Ehrung „Sprachvorbild“, VDS-Mitglied Erich Schmidt bescheinigte dem Kabarett-Duo eine „einzigartige Sprachgewandtheit“. Die Verlegerin Angelika Kleinfeldt bekam die Auszeichnung „Gutes Deutsch in Mecklenburg-Vorpommern“ verliehen. (nordkurier.de)


Besuch in St. Petersburg

Am 2. Oktober hielt der VDS-Außenbeauftragte Wolfgang Hiller einen Vortrag zum Thema „Deutsche Sprache: aktuelle Trends“ vor Studenten und Dozenten der Staatlichen Wirtschaftsuniversität St. Petersburg. Gabriele Hiller folgte tags drauf mit dem Thema: „Echte und falsche Freunde in deutscher und russischer Sprache“, das sich aktuellen Fragen der Lexikologie, Terminologie, Übersetzung und interkulturellen Kommunikation widmete. Eingeladen hatte die VDS-Regionalleiterin Russlands, Elena Elistratova. Die Wirtschaftsuniversität St. Petersburg berichtet über die Veranstaltungen auf ihrer Internetseite mit vielen Fotos (allerdings bzw. wie nicht anders zu erwarten auf Russisch). (unecon.ru)


5. Denglisch

Einfach Isländisch

Eleonore Gudmundsson ist Lektorin für Isländisch an der Universität Wien und erklärt im Gespräch mit der österreichischen Tageszeitung Kurier, dass Isländisch unter Lernern der Sprache den Ruf habe, besonders schwer zu sein. Trotz der langen Wortkonstruktionen und der Buchstaben, die sich aus Runen entwickelt haben, ist Gudmundsson bemüht mit diesem Vorurteil aufzuräumen. Zurzeit arbeite sie am ersten Isländisch-Deutsch-Onlinewörterbuch, welches für alle Menschen zugänglich und kostenlos nutzbar sein soll. Das Anliegen liege ihr am Herzen, da weniger als 400.000 Menschen die „Sprache der Wikinger“ sprechen. Isländisch sei somit der „Außenseiter“ unter den nordischen Sprachen, berichtet Kurier. Erstaunlich sei auch, dass die Sprache weitestgehend frei von Anglizismen sei, da diese das Isländische sonst „überrollen würden“. Als Beispiel nennt Gudmundsson den „USB-Stick“, welcher auf Isländisch der „minnislykill“, also ein Erinnerungsschlüssel, ist. Die Übersetzung für den Computer, „tölva“, setze sich aus den Wörtern für „zählen“ und „Seherin“ zusammen. (kurier.at)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel

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