1. Presseschau
Echte Stimmen statt Robotersprache
Mehrere Synchronsprecher haben sich in dieser Woche mit einem Video gegen den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in ihrer Branche positioniert. Das Video, das unter anderem Sven Plate (Synchronstimme von Bugs Bunny und Wil Wheaton) hochgeladen hat, wurde auf Instagram und TikTok innerhalb von 24 Stunden knapp sieben Millionen Mal angesehen.
Mehrere bekannte Stimmgeber, unter anderem die von Leonardo DiCaprio, Ryan Reynolds, Emma Roberts, Taylor Lautner und Jennifer Lawrence, kritisieren, dass eine KI nicht die emotionale Tiefe und Empathie einer menschlichen Stimme erreichen kann. Zum Schutz der deutschen Synchronkultur schlägt die Initiative u. a. eine KI-Kennzeichnungspflicht vor.
In der aktuellen Ausgabe der Sprachnachrichten berichtet die Synchronsprecherin Marie Biermann ebenfalls von ihren Problemen mit der KI bei ihrer Arbeit. (noz.de (Bezahlschranke), instagram.com/svenplateofficial)
Einfache Justizsprache
Die sächsische Justizministerin Constanze Geiert (CDU) setzt sich für eine verständliche Sprache in allen Bereichen der Justiz ein: „Das ist eine Daueraufgabe und gilt für Urteile, Schriftsätze von Anwälten oder Gesetze gleichermaßen“, sagte sie der dpa. Man müsse sprachlich genau arbeiten und stehe dabei vor der Herausforderung, Definitionen für Begriffe zu verwenden, die vielen Menschen im Alltag nicht geläufig seien, von Juristen aber klar zuzuordnen sind. Dass das für Außenstehende mitunter wie eine andere Sprache wirke, sei für sie verständlich. Dennoch müssten Menschen, die Gesetze befolgen sollen, sie auch lesen können, juristische Texte sollten daher für jeden lesbar sein. „Das ist ein Widerstreit, den ich vermutlich auch nie endgültig auflösen kann. In diesem Zwiespalt bewegen wir uns permanent.“ Als Juristin habe sie den Anspruch, den der Rechtsgelehrte Rudolf von Jhering (1818-1892) formuliert hat und dessen Spruch in ihrem Büro hängt: „Der Gesetzgeber soll denken wie ein Philosoph, aber reden wie ein Bauer.“ Gesetze seien oft überfrachtet mit zu vielen Details, seien aber dennoch als Fachsprache zu verstehen. Dass Künstliche Intelligenz hier helfen könnte, sehe Geiert nicht. KI könne Dinge arithmetisch zusammenfügen, aber bis sie Rechtsbegriffe verständlich und fachlich korrekt erarbeiten könne, werde es noch etwas dauern. (lvz.de)
Sprachenstreit in der Schweiz
In der Schweiz sorgt man sich um die Zukunft der Landessprachen, insbesondere des Französischen. Der Genfer Ständerat Carlo Sommaruga fordert, auf bei offiziellen internationalen Anlässen nicht Englisch zu verwenden, sondern eine der Landessprachen. Der Vorstoß wurde in der kleinen Kammer der Schweizer Bundesversammlung mit knapper Mehrheit angenommen. Laut Sommaruga eigne sich Französisch besonders gut, um die Schweiz international zu repräsentieren, weil es eine der fünf offiziellen Sprachen der UNO ist. „Es ist völlig ungerechtfertigt, aufs Französische und damit eine unserer drei Amtssprachen zu verzichten“, sagt der Politiker von der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, lehnt den Vorschlag ab und argumentiert, dass international bei formellen Sitzungen Simultanübersetzer zur Verfügung stünden. Außerdem sei Englisch nun mal die wichtigste Sprache im internationalen Kontext. Bei der Abstimmung im Ständerat hatten vor allem Vertreter aus der Deutschschweiz gegen den Vorschlag von Carlo Sommaruga gestimmt. (20min.ch)
Deutsche Sprache fehlt im Grundgesetz
Die WELT weist darauf hin, dass mit „Klimaneutralität“ seit der vergangenen Woche ein neues Wort im deutschen Grundgesetz steht. Und zwar als Zweckbestimmung für das beschlossene Sondervermögen „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“. Wie dieser Passus genau zu interpretieren ist, bleibt allerdings unklar: nämlich ob sich die deutsche Verfassung nun dazu verpflichte, bis 2045 klimaneutral zu werden, oder ob lediglich eine finanzielle Vorschrift erlassen wurde.
Solche Interpretationsspielräume wurden in der Vergangenheit stets als Gegenargumente vorgebracht, wenn neue politische Ziele ins Grundgesetz geschrieben werden sollten, zum Beispiel Kultur oder Kinderrechte. Mehrmals abgelehnt wurde aus solchen Gründen auch der Vorschlag, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern, weil das „unklare rechtliche Konsequenzen“ habe. (welt.de (Bezahlschranke))
2. Kultur
Berliner Literaturpreis vergeben
Der deutsch-irakische Schriftsteller Abbas Khider ist mit dem Berliner Literaturpreis ausgezeichnet worden. Der Preis der Stiftung Preußische Seehandlung ist mit 30.000 Euro dotiert, außerdem ist mit ihm eine Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin verbunden. In der Begründung der Jury hieß es: „Abbas Khider zeigt uns Deutschland aus der Perspektive eines Autors, der zur Weltläufigkeit gezwungen wurde.“ Khider wurde 1973 in Bagdad geboren und war wegen politischer Aktivitäten gegen Saddam Hussein mehrfach in Haft. 2000 bekam er in Deutschland Asyl.
In einem Gastbeitrag in der FAZ bedankt er sich für den Kulturpreis und blickt auf seine Schaffenswurzeln als Schriftsteller. Dabei zieht er Parallelen zwischen seinem Leben als Verfolgter und den Autoren, die während der NS-Diktatur fliehen mussten: „Ich kämpfte nicht nur gegen die irakische Diktatur, sondern auch gegen die Schatten einer ungewissen Existenz in den arabischen Ländern. Das Exil war ein Tunnel, der ins Nichts führte. (…) Das Exil formte mich als Autor. (…) Es war auch ein Bewusstsein. Ein Zustand zwischen Verlorensein und Widerstand, ein ständiges Pendeln zwischen Fremde und Selbstbehauptung.“ Der sprachliche Wechsel vom Arabischen ins Deutsche sei für ihn ein literarischer Schritt und gleichzeitig ein Sprung ins Ungewisse gewesen. In seinem satirischen Buch über seine Erfahrungen mit der deutschen Sprache nannte er diese „ein Ungeheuer, die Deklination eine Foltermethode.“ Er erfand neue Grammatikregeln, um sie erträglicher zu machen, und nannte sie augenzwinkernd „das wohltemperierte Deutsch“. Das sei nicht bei jedem gut angekommen: „Für manche war meine Satire ein Angriff auf ihr Kulturgut.“ Das Arabische und Deutsche, so scheine es ihm, säßen wie entfremdete Geschwister nebeneinander, „stumm, abgewandt, ohne Brücke zueinander.“
Seit fast 20 Jahren schreibe er auf Deutsch und wisse immer noch nicht, ob er noch im Exil lebe oder längst ein Zuhause gefunden habe. Zwei Mauern würden ihn vom Heimatgefühl trennen: Religion und Rassismus. Dabei sei er selbst Agnostiker, die Gottesfrage sei ihm gleichgültig: „Wichtiger wäre mir sogar, endlich zweifelsfrei die Unterschiede zwischen Gurken und Zucchini zu verstehen. Ob Gott existiert oder nicht, verändert nichts an meinem Eintopf. Und doch werden Kriege geführt, als hinge der Geschmack der Welt von genau dieser Frage ab.“ In dieser sich selbst widersprechenden Welt mit mehr Problemen und Fragen als Antworten bleibe die Literatur „der einzige Ort, an dem der Mensch die Welt immer wieder neu verhandeln kann. Die Literatur ist kein Archiv von Antworten, sondern ein Raum der unaufhörlichen Fragen. Ihre Schönheit liegt darin, dass sie sich nicht vereinnahmen lässt – nicht von Ideologien, nicht von Identitäten, nicht von den Wellen der Zeit. Sie ist weder Heimat noch Exil, sondern das Dazwischen – ein Schwebezustand, in dem das Denken frei wird.“ (faz.net (Bezahlschranke))
3. Berichte
Kongress der ISPRUD
Der 3. Kongress der Internationalen Sprachunion Deutsch findet vom 7. bis 10. April 2025 an der Firat-Universität in Elâzığ (Türkei) statt. Unter dem Motto „Deutsche Sprache – Brücke zwischen den Kulturen“ bringt die Konferenz Fachvertreter verschiedener Philologien (u. a. Germanisten und Slawisten), Historiker, Soziologen sowie Mitglieder des VDS und der Internationale Sprachunion Deutsch (ISPRUD) zusammen. Erwartet werden rund 50 Teilnehmer, und zwar aus der Türkei, Polen, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien, der Slowakei, Ungarn, Aserbaidschan und Tschechien. Die Eröffnungsreden halten: Prof. Dr. Mustafa Taner Şengün (Dekan der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Firat-Universität), Prof. Dr. Abdulhalim Aydin (Leiter der Abteilung für westliche Sprachen und Literaturen, Firat-Universität), Prof. Dr. Bolesław Andrzejewski (ISPRUD-Präsident), Prof. Dr. habil. Robert Małecki (Dekan der Fakultät für Neuphilologie an der Universität Warschau) und Prof. Dr. Roland Duhamel (Universität Antwerpen). Die Veranstaltung wird in Kooperation mit der Universität Warschau organisiert. Weitere Informationen unter: isprudkonferenz.firat.edu.tr. (isprud.de)
Vortrag zu Mittelalter-Metal
Im ersten Vortrag der neuen Reihe „Deutsch im Wandel – Beiträge aus Sprachwissenschaft und Sprachkritik“ ging es diese Woche um die Stilrichtung Mittelalter-Metal. Hier wird die Sprache des Mittelalters aufgenommen und neu interpretiert, musikalisch aufgearbeitet mit harten Metal-Klängen. Rigo Neumann, Kulturmanager beim VDS, spielt selbst in so einer Band und stellte den Zuhörern die verschiedenen Stilmittel vor und zeigte die Sprachvielfalt auf, die durch die Neubearbeitung alter Texte in ungewöhnlichem Glanz erscheint. Musikalisch begleitet wurde der Vortrag am E-Piano von Lisa Volkova (Staatliches Musiklyzeum Charkiw, Ukraine). (instagram.com/vds, facebook.com/vds, x.com/vds)
Autorenlesung mit Musik
Am Donnerstag lud die Region 58 (Hagen, Ennepe-Ruhr, Mark) zu einer Autorenlesung mit Musik. Der Wuppertaler Autor Ulrich Pistor las aus seinem Buch „Bekenntnisse aus Eberling“. Darin wird der Weg des hanseatischen Kaufmannssohns Ludwig Makarius Herterlin beleuchtet, der im Deutschland der 1930er Jahre in den fiktiven Ort Eberling kommt. Hier trifft er auf den Rabbiner „Rabbi Kurt“, verschiedene Kulturwelten prallen vor dem aufkommenden Nationalsozialismus aufeinander, am Ende ist dieser Kontakt prägend für den Rest von Herterlins Leben. Ulrich Pistors Buch lebt von längst vergessenen Wörtern und Redewendungen und verbindet sie mit einer entspannten Leichtigkeit. Musikalisch begleitet wurde die Lesung am Klavier von Lisa Volkova (Staatliches Musiklyzeum Charkiw, Ukraine) mit Stücken von Bach und Beethoven. (wp.de, x.com/vds, instagram.com/vds, facebook.com/vds)
4. Denglisch
Hilflose Touristen in Rostock
In Rostock wird darüber diskutiert, ob die Haltestellen der Straßenbahn künftig auch auf Englisch angesagt werden sollen. Viele Touristen seien „hilflos“, wenn sie durch die Stadt gingen, schreibt die Ostsee-Zeitung. Christian Albrecht, Abgeordneter der Rostocker Bürgerschaft, sagt, es sei überfällig, dass die Durchsagen in Rostocks Bussen und Bahnen zweisprachig werden.
Fraglich ist allerdings, wie das praktisch aussehen soll, denn die meisten Haltestellen in Rostock sind nach Straßennamen benannt. Deswegen bleibt die ‚Lange Straße‘ auch im Englischen die ‚Lange Straße‘. Ohnehin fragt man sich bei derartigen Vorschlägen, ob man den Touristen an der Ostsee nicht vielleicht auch ein kleines bisschen deutsche Sprache zumuten darf. (ostsee-zeitung.de (Bezahlschranke))
5. Soziale Medien
Woche der Frankophonie
Wir blicken auf die Nachbarn im Westen, wo die „Woche der französischen Sprache und der Frankophonie“ gefeiert wurde – und nicht nur dort, sondern auch in Kanada, Haiti und zahlreichen Ländern in West- und Zentralafrika. Die beteiligten Organisationen, insbesondere das Institut français mit seinen elf Standorten in Deutschland, organisierten Kulturveranstaltungen mit Kino, Literatur und Ausstellungen.
Die Französische Botschaft in Berlin hat Passanten nach ihren französischen Lieblingswörtern gefragt. Viel mehr als „Merde!“, „C’est la vie!“ und „C’est moi“ kommt da allerdings nicht zusammen. (x.com/FranzBotschaft, institutfrancais.de)
6. Buchwelt
Leipziger Buchmesse
Vom 27. bis 30. März war der VDS auf der Leipziger Buchmesse. Gemeinsam mit dem IFB Verlag Deutsche Sprache präsentierte er neue Bücher und informierte über seine Arbeit. „Wer Spaß am Lesen und an interessanten Gesprächen rund ums Thema Sprache hat, war hier perfekt aufgehoben“, sagt Beate Meckert, Organisatorin des VDS-Messestandes. Bereichert wurde die Standmannschaft auch in diesem Jahr wieder von vielen Mitgliedern des Jungen VDS, die über die Angebote speziell für jüngere Mitglieder berichteten, wie z. B. den Buchclub. Der letzte Messetag war der Aktion Leipzig liest vorbehalten: Im Schillerhaus gab es eine Lesung mit Musik und eine Buchpremiere. Wie auch in den vergangenen Jahren war der Stand des VDS sehr gut besucht, vor allem freuten sich die VDS-Mitarbeiter über die vielen jungen Besucher, die ihre Liebe zum Lesen und zur Sprache deutlich machten. (instagram.com/vds, tiktok.com/vds, facebook.com/vds, x.com/vds)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Stephanie Zabel