Infobrief 428 (34/2018): Deutschunterricht an englischen Schulen

1. Presseschau vom 17. bis 23. August 2018

  •  Deutschunterricht an englischen Schulen
  •  Sprache als erfolgskritischer Faktor
  •  Suchfunktion für Audiomaterial
  •  Zurück zu den Wurzeln

2. Unser Deutsch

  •  Narrativ

3. VDS-Termine

4. Literatur

  •  ta’puq mach – Der kleine Prinz
  •  Nebeneinander von digital und analog

5. Denglisch

  • Denglisch des Todes

 

 

1. Presseschau vom 17. bis 23. August 2018

Deutschunterricht an englischen Schulen


Foto: Pixabay libellule789 CCO-1.0-Lizenz

An britischen Bildungseinrichtungen nimmt das Interesse an Deutsch als Fremdsprache immer mehr ab. Seit 2004 gelten Fremdsprachen nur noch bis zum vierzehnten Lebensjahr als Pflichtfach in der Schule, was dazu geführt hat, dass Schüler in England kaum noch Deutsch lernen möchten. Dieses Jahr gab es nur etwa 3000 Schüler, die sich als Teil ihres Schulabschlusses in Deutsch prüfen ließen: ein Rückgang von mehr als sechzehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hochgerechnet auf das vergangene Jahrzehnt hat sich diese Zahl sogar halbiert. Für staatliche Schulen lohnt es sich teilweise gar nicht, Deutschunterricht anzubieten, da die geringe Größe die Kurse unrentabel macht. Dazu kommt, dass die Ansprüche oftmals einfach zu hoch sind – in Deutsch ist es schwieriger, die für eine Universitätsbewerbung nötige gute Note zu erreichen als in anderen Fächern. Das versuchsweise Herabsetzen der Leistungsstandards wurde von den Schülern nicht begrüßt und führte zu primitiven und langweiligeren Lehrplänen. Andere Sprachen trifft es aber auch nicht besser: Französisch verliert genauso wie Deutsch immer mehr Schüler, während Chinesisch oder Spanisch weiterhin Anhänger gewinnen. Die englische Regierung unterstützt das Lernen von Chinesisch und möchte bis zum Jahre 2020 erreichen, dass 5000 Schüler fließend Mandarin sprechen. (faz.net, faz.net)

 

Sprache als erfolgskritischer Faktor

Spiegel online stellt erneut fest, dass Sprache einer der erfolgskritischen Faktoren bei der Flüchtlingsintegration ist, besonders bei der Aufnahme in den Arbeitsmarkt.

Die Bundesagentur für Arbeit habe im Mai 2018 306.574 Personen aus den acht Haupt-Asylzugangsländern gezählt, die einer Beschäftigung nachgegangen seien. Im Mai 2017 seien es noch 203.736 Personen gewesen. Außerdem haben knapp 28.000 junge Flüchtlinge eine Lehre begonnen. Für den erfolgreichen Besuch der Berufsschule sei dabei zu beachten, so mahnt das Onlinemagazin, dass ein einjähriger Deutschkurs nicht in jedem Fall ausreichend sei. Deshalb sollen staatlich geförderte Sprachkurse verlängert werden. (spiegel.de)

 

Suchfunktion für Audiomaterial

Mit Google können wir das Wissen der Welt durchforsten. Ein Schlagwort und schon listet die Suchmaschine alles Wissenswerte auf, dank Worterkennungsprogrammen sind sogar eingescannte Bücher durchsuchbar. Was ist aber mit gesprochener Sprache in Videos, in Radiobeiträgen oder mit Liedtexten? Eine Firma aus Bremen arbeitet an einem Programm, das aus gesprochener Sprache Transkripte erstellt, die dann als schriftliche Texte durchsuchbar sind. So können zu einem Suchbegriff zum Beispiel nicht nur solche Videos gefunden werden, bei denen der Suchbegriff im Titel oder der Videobeschreibung auftaucht, sondern es wird auch die Aufnahme eines einstündigen Interviews in den Treffern aufgelistet, in dem das gesuchte Thema nebenbei in Minute 42 zur Sprache kommt. Bisher wäre diese Quelle in den großen Weiten des Netzes verborgen geblieben. (spiegel.de)

 

Zurück zu den Wurzeln

Nicht nur hierzulande wird gerne auf Deutsch gesungen, sondern auch in den USA sind deutsche Lieder beliebt. John Schmid, amerikanischer Country-Sänger, ist im Holmes County in Ohio aufgewachsen, der Region mit der größten Amish-Population auf der Welt. Seine Wurzeln hat er in Deutschland, denn sein Vater stammt aus Königsbach bei Karlsruhe und seine Mutter aus Württemberg. Die Leidenschaft zum Musizieren und den Mut zum Singen fand er durch sein großes Vorbild Johnny Cash. Seine Lieder singt John teils auf Englisch und teils auf Pennsylvanisch-Deutsch, einem Dialekt, der seinen Ursprung im Pfälzischen hat und den er von den Amish lernte. Aus einem damals spontan auf der Bühne gesungenen alten Volkslied wurde eine ganze Sammlung an deutsch-pennsylvanischer Musik, die John nun auf seinen Konzerten spielt, denn gerade die deutschen Lieder kommen, so sagt er, besonders gut bei seinem Publikum an. (welt.de)

 

2. Unser Deutsch

Narrativ

Modewörter sind wie Wellenköpfe in der menschlichen Kommunikation. Sie sind die Signalgeber des bewegten Meeres unserer Gesellschaft. Keiner, der öffentlich redet oder schreibt will sich ihnen entziehen. So treibt auch das Narrativ seit zwanzig Jahren durch die Kulturdebatten.

Woher kommt es, was bedeutet es? Im Deutschen gibt es schon lange das Adjektiv narrativ ‚erzählend‘. Literaturwissenschaftler ziehen es dem schlichten gemeinsprachlichen ‚erzählend‘ vor, wenn sie die Erzählliteratur analysieren und erläutern. Das Adjektiv leitet sich aus lateinisch narrare ‚erzählen‘ ab. Das Narrativ scheint also einfach eine Substantivierung des Adjektivs. Das ist aber wohl nur der äußere Schein. Tatsächlich ist das Wort wahrscheinlich dem englischen narrative entlehnt. Damit kommen wir auch der besonderen Bedeutung auf die Spur. Als bestes Beispiel gilt der amerikanische Mythos ‚Vom Tellerwäscher zum Millionär‘. Dies ist mehr als die Erzählung von erfolgreichen Einwanderern, es ist Selbstverständnis, einigende Idee und attraktives Konzept. Gerne haben Narrative eine solche leitende und bindende Funktion. Das zeigt auch der Ausdruck ‚edle Einfalt und stille Größe‘, mit welcher der Archäologe Joachim Winckelmann die antiken Helden- und Götterstatuen beschrieb, ein Programm des Klassizismus. Aktuelle Narrative sind Trumps America first und der Slogan fördern und fordern in der deutschen Migrationsdebatte. Auch ein Schlagwort wie Leitkultur möchte gerne leitendes Narrativ sein. Hier sieht man auch am deutlichsten den ideologischen Charakter vieler Narrative.

Längst haben sich auch kritische Beobachter des Wortes angenommen. „Hinz und Kunz schwafeln heute über Narrative“, bemerkte jüngst ein Feuilletonredakteur. Man möchte nicht nur vom Zauberklang des Modewortes profitieren, sondern auch die Sinn und Konsens stiftende Funktion für sich reklamieren. Denn darin steckt die Attraktivität des neuen Wortes. Darum lockt es die Redner und Redenschreiber.

Soll man es darum verdammen? Lieber nachfragen, wenn Narrative die Sachverhalte überwuchern, wenn sie mehr Behauptung als Analyse, Überredung statt Überzeugung stiften. Es kann jedoch lohnend sein, unsere Alltagswelt nach verborgenen Narrativen auszuleuchten, an Slogans den bunten Anstrich abzukratzen, suchen, was uns verbindet, ohne dass wir es wissen. Kurz: Narrative können Instrumente kultureller Reflexion sein.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. VDS-Termine

29. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

1. September, Region 23 (Lübeck, Wismar)
Sommerausflug „Auf den Spuren Till Eulenspiegels in Mölln“
Anmeldefrist war der 17.08.2018 (johansson-heiligenhafen@t-online.de)
Zeit: 10:30 Uhr
Ort: Tourismus- und Stadtmarketing, Am Markt 12, 23879 Mölln

 

4. Literatur

ta’puq mach – Der kleine Prinz

Nach Übersetzungen in über 300 natürliche Sprachen und Dialekte ist „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry demnächst auch auf Klingonisch verfügbar. Die Kunstsprache wurde von dem Sprachwissenschaftler Marc Okrand für die Filmreihe „Star Trek“ entwickelt und verfügt im Gegensatz zu anderen filmisch dargestellten Sprachen von Außerirdischen über eine konsistente Grammatik und einen ansehnlichen Wortschatz von mittlerweile etwa 4000 Wörtern. Von den 120 Wörtern, um die der Wortschatz in diesem Jahr erweitert wurde, musste ein Großteil für die Übersetzung des Kinderbuchklassikers erdacht werden. Die weltweit etwa 20 bis 30 Menschen, die Klingonisch tatsächlich fließend sprechen, können sich jetzt auch über Schafe (HIBelmoH, DI’raq yIDIj! – Bitte, zeichne mir ein Schaf!) und Rosen unterhalten. (deutschlandfunkkultur.de, heise.de, sueddeutsche.de)

 

Nebeneinander von digital und analog

Das Konzept der Stadtbibliothek Erlangen scheint aufzugehen: Neben dem klassischen Angebot an Printmedien setzt die Bibliothek nun auch voll auf digitale Zugangsmöglichkeiten, nutzt soziale Medien und bietet eine eigene App an. Diese kann nach der Recherche auf dem mobilen Telefon den Weg zum Standpunkt des Buches im Bücherregal weisen oder auch digitale Zugriffsmöglichkeiten aufzeigen. Die Bibliothek setzt auch gezielt auf Lockangebote wie digitale Spiele- und Erlebnisangebote für Kinder und Jugendliche. „Also wir müssen sie ja erst einmal reinbekommen. Das Buch heute zieht nicht mehr“, erklärt Bibliothekschef Tobias Sack. Die Bibliothek ist kein Ort mehr, an dem man ein Buch ausleiht und wieder verschwindet. Sie entwickelt sich zu einem Aufenthaltsort und Treffpunkt mit Raum für vielfältige Aktivitäten. Wenn man schon mal da ist, kann eine solche Aktivität dann auch einfach wieder das Lesen eines Buches sein. Heute gebe es aber besonders bei Kindern und Jugendlichen eine „Hemmschwelle“, die erst überwunden werden müsse. (deutschlandfunk.de)

 

5. Denglisch

Denglisch des Todes

Public Viewing ist nicht der einzige denglische Begriff, der Befremden auslöst. Während in Deutschland damit gerne das gemeinsame Anschauen eines Fußballspiels, zumeist unter freiem Himmel auf einer Großbildleinwand bezeichnet wird, kann damit im Englischen auch eine Aufbahrung eines Verstorbenen angekündigt werden. Obwohl dies seit mehreren Fußballgroßereignissen bekannt ist, haben sich schöne Alternativen wie „Rudelgucken“ noch nicht etabliert.

Ähnlich makaber ist der Werbespruch, den sich einem Bericht der Süddeutschen Zeitung nach ein Fotograf im Bayrischen Wald einfallen ließ. Eltern, die sich Fotos ihrer Neugeborenen wünschen, versuchte er mit dem Angebot eines „New Born Shooting“ zu überzeugen. Der kleine Einschub Foto, hätte für Klarheit sorgen können. So aber könne shooting auch als Erschießung gelesen werden, beklagt der ehemalige Englischlehrer und VDS-Mitglied Franz Aschenbrenner, der seine Kinder wohl vorsorglich nicht in die Nähe dieses Fotogeschäfts gelassen hätte. (sueddeutsche.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

RECHTLICHE HINWEISE

Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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