Infobrief vom 11. September 2020: Japanisch gegen Corona

1. Presseschau

Japanisch gegen Corona

Bld: Alexander Hauk / alexander-hauk.de / pixelio.de

Russische Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang zwischen Covid-19-Fällen und dem Anteil der Konsonanten gesprochenen Sprache. So könne eine Sprache mit vielen behauchten Lauten zu einer höheren Ansteckungsrate führen, weil „die Menge der erzeugten Tröpfchen von den Tönen abhängt, die ein infizierter Sprecher ausspricht“. Ein englischer Muttersprachler würde deswegen mehr Tröpfchen produzieren als ein Japaner, weil dessen Sprache weniger behauchte Konsonanten habe. (krone.at)


Zu Hause selten auf Deutsch

In Kindergärten lernt mittlerweile jedes fünfte Kind Deutsch als Zweitsprache. Dies geht aus der Antwort des Familienministeriums auf Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag hervor. Bei jedem fünften Kita-Kind wird dementsprechend zu Hause kaum Deutsch gesprochen. Die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding forderte deswegen mehr Haushaltsmittel für eine bessere Sprachförderung. Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas‟ sei zwar „ein wichtiger Baustein, doch die dafür zur Verfügung gestellten Gelder sind unzureichend‟, so Suding. (welt.de)


Sprache und Kreativität: Wie drücken Verben unser Handeln aus?

Wie sind Verben eigentlich als System organisiert? Bilden sie eine Hierarchie, mit allgemeinen Verben ganz oben und sehr spezialisierten Begriffen ganz unten? Und wie unterscheiden sich dabei deutsche Verben von Verben in anderen Sprachen?

Diesen Forschungsfragen geht ein Projekt nach, das PD Dr. Dr. Ulrich Frey von der Justus-Liebig-Universität Gießen leitet.

Diese Forschung ist nicht nur linguistisch wichtig, sondern mit einem gut durchdachten „Verbbaum“ können beispielsweise Suchanfragen im Internet besser sinnvoll interpretiert werden (Stichwort: semantisches Netz). Auch maschinelle Übersetzungen werden damit einfacher. Der wichtigste Aspekt ist schließlich die Anwendung einer solchen Anordnung unserer „Denkkonzepte“ für kreative Problemlösungen.

Dafür möchten wir Sie um Ihre Mithilfe bei einer kurzen, natürlich anonymen Umfrage (~ 10 Min.) bitten! Dadurch unterstützen Sie dieses langjährige Forschungsprojekt beim wichtigsten und abschließenden Teil – der externen Validierung, die absolut entscheidend ist und bei der wir auf Sie angewiesen sind.

Weil es dafür wichtig ist, Nuancen zwischen Verben unterscheiden zu können, sprechen wir Sie, vom Verein Deutsche Sprache, auch gezielt an. Wir erwarten uns herausragende Ergebnisse durch Ihre besondere Sensibilisierung gegenüber der deutschen Sprache.

Viele Teilnehmer sind sehr wichtig für aussagekräftige Ergebnisse – bitten helfen Sie durch Ihre Teilnahme!

Hier geht es zum Fragebogen: ulrichfrey.eu


Mongolisch gekürzt

Die Innere Mongolei ist eine autonome Region im Norden Chinas (nicht zu verwechseln mit der nördlich gelegenen Mongolei). Über diese Region, in der die Mongolen eine Minderheit (rund 17 Prozent der Bevölkerung) darstellen, hört man hierzulande nur selten. Seit Wochen spitzt sich dort ein Sprachenstreit zu, der auf die strengere Einheitspolitik der Volksrepublik China zurückgeht. Die mongolische Sprache soll künftig im Schulunterricht eine geringere Rolle spielen. Literatur, Werteunterricht und Geschichte sollen auf Chinesisch unterrichtet werden. Die neuen Schulbücher sind schon gedruckt. Bisher durften die Angehörigen der Minderheit wählen, ob ihre Kinder an der Schule auf Chinesisch oder auf Mongolisch, das auch ein eigenes Alphabet hat, unterrichtet werden sollen. Tausende mongolische Eltern und Schüler demonstrieren dagegen und haben den Beginn des Schuljahres boykottiert. Sicherheitskräfte gehen gegen die Proteste vor, die chinesische Regierung vermutet „ausländische Infiltration und Separatismus“, schreibt die FAZ. (sueddeutsche.de)


Sag alles ab

Eine interessante Diskussion brachte das Funkhausgespräch im WDR 5 zu dem neu aufkommenden Streitbegriff „cancel-culture“, mit dem die zunehmende Praxis benannt wird, dass Künstler oder Publizisten aufgrund ihrer missliebigen Ansichten aus Veranstaltungen ausgeladen oder ausgeschlossen werden. Teilnehmer waren der Netzaktivist Sascha Lobo, der Künstler und Publizist Jan Freyn, der in der ZEIT einen kritischen Kommentar mit dem Titel „Die digitalen linken Spießer“ veröffentlichte – sowie die Frankfurter Ethnologin Susanne Schroeter, die im Netz als islamfeindlich verunglimpft wurde, weil sie zu einer wissenschaftlichen Diskussion über die Frage eingeladen hatte, ob das Kopftuch ein Gegenstand religiöser Selbstbestimmung oder der Unterdrückung von Frauen sei. Ein Thema war auch die Frage, ob die Vertreter der politischen Korrektheit oder der Gendersprache nicht längst aus einer Minderheitenbewegung herausgetreten und zu einer dominanten, meinungsführenden Macht in Teilen der Öffentlichkeit geworden sind.

Nicht diskutiert wurde die Frage, ob man den Begriff „cancel culture“ nicht besser ins Deutsche übertragen sollte und von „Absagekultur“ oder wenigstens von einer „cancel“-Kultur statt „cancel-culture“ zu sprechen. Immerhin war der Titel der Sendung auch noch für nicht Spezialisten nachvollziehbar : „Sag alles ab – neue Mode ‚cancel-culture‘‟. (wdr.de)


2. Unser Deutsch

hybrid

Das kleine Fremdwort hat Konjunktur, seit die Automobilwelt sich bemüht, vom klassischen Verbrennungsmotor mit Benzin oder Diesel umzusteigen auf elektrischen Antrieb mit Batterie. Doch da deren Reichweite begrenzt ist, die Infrastruktur für Ladestationen noch beschränkt und auch das Aufladen in der heimischen Garage nicht so einfach ist, werden von allen Herstellern zunehmend Hybridfahrzeuge angeboten, die den Vorteil der sogenannten Stromer (für Stadtverkehr und Kurzstrecken) mit der großen Reichweite der Verbrenner (für Langstrecke) verbinden. Beide Motoren in einem Fahrzeug – das sind Hybride.

Das Wort stammt aus der Fachsprache der Biologen und bezeichnet Züchtungen von Pflanzen und Tieren aus verschiedenen Arten oder Rassen. Den Freunden der Rosenkultur sind die China-Hybriden, Züchtungen aus China-Rosen und europäischen Rosen, bekannt, oder die sogenannten Teehybriden, Züchtungen aus Teerosen und Remontant-Rosen. Die bekannteste Züchtung der Tierwelt ist der Maulesel, eine Verbindung von Pferdehengst und Eselstute.

Die jüngste Verwendung wurde in der Corona-Krise geboren: die Verbindung von digitalem und analogem Unterricht für Schule und Hochschule, das heißt von Fern- und Präsenzunterricht. Schon jetzt ist absehbar, dass der erzwungene Umstieg auf digitale Kommunikation Folgen haben wird für das gesamte Bildungswesen. Wie hybrid werden Schule und Universität von morgen?

Woher stammt das Wort? Nicht nur Gebildete erkennen sofort die griechische Herkunft, denn das y ist typisches graphisches Signal dieser Provenienz. Allerdings passt die Entlehnung Hybris (aus griechisch hýbris) mit der Bedeutung ‚frevelhafter Übermut, Vermessenheit‘ nur in Umwegen zur Bedeutung ‚zwitterhaft/ pflanzlicher oder tierischer Bastard‘ von hybrid und Hybride aus der Biologie. Beide Wörter sind seit Ende des 18. Jahrhunderts im Deutschen belegt. Das mehrbändige Deutsche Fremdwörterbuch informiert ausführlich (Band 7,2010, S. 522) über die vielfältige Verwendung.

Könnte nicht auch die deutsche Sprache (und noch mehr die englische) als hybrid bezeichnet werden? Latein und Volkssprache haben sich dank jahrhundertelanger Zweisprachigkeit lexikalisch verbunden. Wir nennen den entlehnten Teil noch immer Fremdwortschatz, obwohl er längst unverzichtbar ist. Allerdings fehlt dieser Hybridität ein wesentliches Element, das aus der Botanik herrührt: die absichtliche Verknüpfung mit dem Ziel, etwas Neues zu schaffen. Insofern sind die hybriden Automobile echte Züchtungen, die ähnlich wie bei den Rosen die Vorzüge zweier Sorten verknüpfen, unser Deutsch aber ist das ungezielte Ergebnis des Sprachkontakts.
Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Deutsch-dänisches Buch

Ulla Weinreich und Michael Bach Ipsen von VDS-Partnerorganisation Modersmål-Selskabet („Muttersprachengesellschaft“) präsentierten vergangenen Samstag im Multikulturhaus in Sonderburg die Anthologie „Grenzsprachen/Sprog på grænsen“, die im IFB-Verlag Deutsche Sprache erschienen ist. Das Buch ist ein Beitrag zum deutsch-dänischen Freundschaftsjahr 2020 und fasst die Vorträge einer Sprachenkonferenz der Gesellschaft im Oktober 2019 zusammen.

In der Region Schleswig werden neben Deutsch und Dänisch die Mundarten Niederdeutsch, Friesisch, „Südschleswigdänisch“ und Synnejysk gesprochen. (nordschleswiger.dk)


Fremdwörter-Wanderung

Die Tiroler Tageszeitung bespricht das neue Buch „Eingewanderte Wörter. Von Anorak bis Zombie“ des WELT-Kulturredakteur Matthias Heine, das sich dem Fremdwortschatz der deutschen Sprache widmet. Darin geht es allerdings nicht um die offensichtlichen Fremdwörter und auch nicht um Denglisch, sondern um solche, denen man ihre Fremdheit gar nicht ansieht. So stammt „Schmusen‟ ursprünglich aus dem Jiddischen und bedeutet dort: „leere Reden führen“ oder „Unsinn schwatzen“. Wer hätte gedacht, dass der „Sack‟ aus dem Assyrischen kommt oder „Mais‟ über das Spanische aus der Sprache eines amerikanischen Urvolkes, den Taíno, übernommen wurde. Das kleine Lexikon umfasst rund hundert solcher Wörter, die aus Sprachen kommen, von denen viele sicher noch nie gehört haben. (tt.com)


4. Berichte

Ausschreibungen für den literarischen Nachwuchs

„Früh übt sich, was ein Meister werden will‟ – so lautet das berühmte Zitat aus Friedrich Schillers Drama über den schweizerischen Nationalhelden „Wilhelm Tell‟ (1804). Nichts anderes gilt im Literaturbetrieb: Wer ein großer Literat werden will, sollte früh darauf hinarbeiten und mit Auszeichnungen seine Qualität nachweisen. Umso erstaunlicher, dass im deutschsprachigen Raum lange Zeit keine zentrale Datenbank mit Schreibwettbewerben existierte, die sich an absolute literarische Anfänger wie Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Schüler und Studenten richtet.

Diese Lücke schließt seit Januar 2020 der VDS, mit der ersten Datenbank mit Wettbewerben, Ausschreibungen und Preisen für den schreibenden Nachwuchs. Wir veröffentlichen hier eine Liste seriöser Ausschreibungen (d. h. ohne dubiose Vertragsbindung und ohne Teilnehmerbeitrag), sowohl überregional als auch regional begrenzt. Diese Liste wird einmal monatlich aktualisiert. Alle Angaben ohne Gewähr, besuchen Sie unbedingt die jeweilige Ausschreibungsseite!

Helfen Sie mit, das Projekt noch bekannter zu machen! Teilen Sie den Link mit Ihren Kindern, (Mit-)Schülern und Studenten bzw. Kommilitonen. Und falls Sie Mitwisser oder gar Veranstalter eines Schreibwettbewerbs sind, schicken Sie den Link zur Internetseite gern an unsere Arbeitsgruppenleiterin Tatjana Schmalz (tatjana-schmalz@gmx.net) und sie nimmt das Projekt zum Monatsende in die aktualisierte Liste auf.

Nächste Fristen (bundesweit ausgeschrieben):

  • 15. September: Herbstlicher Geschichtenwettbewerb von Papierfresserchen MTM-Verlag
  • 30. September: 26. Münchener Kurzgeschichtenwettbewerb zum Thema „grenzwertig‟
  • 1. Oktober: 4. Online-Schreibwettbewerb vom Märchenland e.V. zum Thema „oben und unten‟
  • 1. Oktober: Autorenwettbewerb der Nibelungenfestspiele zum Thema „Staatsräson‟
  • 7. Oktober: Texte – Preis für junge Literatur zum Thema „Mut / Unmut / Übermut‟
  • 8. Oktober: Schülerwettbewerb der PhilosophieArena Rhein Main Kultur zum Thema: „Was bedeutet die Corona-Krise für unser künftiges Zusammenleben?‟
  • 15. Oktober: Schülerwettbewerb „Regenwald-Lyrik2 der Tropenwaldstiftung OroVerde
  • 15. Oktober: Europäischer Literaturwettbewerb der Literaturwerkstatt Graz

Nächste Fristen (regional ausgeschrieben):

  • 30. September: „GRAND PRIX der Schreiberlinge“ der Arbeitsgemeinschaft der katholisch öffentlichen Büchereien (KAG) im Landkreis Amberg-Sulzbach
  • 30. September: Schreibwettbewerb „7 auf einen Streich!“ der Parkbuchhandlung Bonn.

5. Denglisch

Vokabular für Firmengründer

Das Internet-Portal finanzen.net stellt eine Vokabelliste für Firmengründer zusammen. „Ein Unternehmen zu gründen ist hart – besonders, wenn man die Sprache der Branche nicht versteht‟, heißt es in der Einleitung. Es beginnt bei A wie „Accelerator‟ und endet bei V wie „Value Proposition‟. Wenn jemand behauptet, die deutsche Sprache würde in der Wirtschaft durchaus noch eine Rolle spielen, darf sich hier eines besseren belehrt fühlen.

Den Abteilungen für Betriebswirtschaft an deutschen Universitäten und Fachhochschulen sei dringend ein Deutschkurs empfohlen! (finanzen.net)


6. Termine

12. September, Region 06/07/39 (Sachsen-Anhalt, Ostthüringen)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 14:00 Uhr
Ort: Aula des Staatlichen Gymnasiums Dr. Konrad Duden, Hofer Str. 10, 07907 Schleiz

12. September, Region 18 (Rostock)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 16:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

12. September, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Informationsstand zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 10:00 – 16:00 Uhr
Ort: Paradeplatz, Quadrat N1, Mannheim

12. September, Region 78 (Bodensee, Ostschwarzwald)
Informationsstand zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 8:00 – 13:00 Uhr
Ort: Fußgängerzone Obere Hauptstr. / Marktbrunnen, 78628 Rottweil

12. September, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Vorführung: Weeser Petuhtanten (Anmeldung erforderlich)
Zeit: 16:30 Uhr
Ort: Blauer Salon im Obergeschoss, Gaststätte Tante Jenny, Schiffbrücke 12, 25813 Husum

15. September, Region 01 (Dresden, Riesa)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache: Lesungen von Jens-Uwe Sommerschuh
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: 1. OG im Pianosalon im Coselpalais, An der Frauenkirche 12, 01067 Dresden

17. September, Region 06/39 (Halle, Magdeburg)
Besuch der halleschen Marienbibliothek (Nachholtermin)
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Marienbibliothek Halle, An der Marienkirche 1, 06108 Halle

22. September, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Führung durch die Stadtbibliothek Ludwigshafen (Bismarckstr. 44-48) und anschließendes Mitgliedertreffen im Restaurant Sigma
Zeit: 17:00 Uhr / 19:00 Uhr
Ort: Gastwirtschaft Sigma, Kaiser-Wilhelm-Str. 39, 67059 Ludwigshafen

26. September, Region 50/51 (Köln)
Regionalversammlung
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

30. September, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus


IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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