1. Presseschau
Dialekte in der Schule
Die Kultusministerin Susanne Eisenmann befürwortet das Sprechen von Dialekten, sowohl im Alltag als auch in schulischen Kontexten. Dialekt sei mehr als nur Sprache, denn er habe mit der eigenen Geschichte zu tun. „Wer Dialekt spricht, spricht Herkunft“, so Eisenmann. Sie bedauere, dass die Mundart in der Schule kaum noch eine Rolle spiele – es gebe sogar Eltern, die gezielt nach hochdeutschem Unterricht für ihr Kind fragen, um zu vermeiden, dass man beim Kind später höre, wo es herkommt. Auch die Lehrer-Gewerkschaft plädiert für die Nutzung von Hochdeutsch im Unterricht. „Lehrer sollten gute Sprachvorbilder sein“, so Doro Moritz, die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Wolfgang Wulz vom Verein Schwäbische Mund.art sieht das differenzierter: Es solle natürlich auf Hochdeutsch unterrichtet werden, jedoch sei es auch wichtig, Kinder und Jugendliche nicht einzuschränken, wenn sie in einem Dialekt sprechen. Dialekte sollten vor allem als Lehrstoff im Unterricht behandelt werden, so Wulz, es müsse über ihre Rolle gesprochen werden und über ihre Bedeutung für den Heimatgedanken.
Regionale Unterschiede zeigen sich nicht nur in der Aussprache, sondern auch im Wortschatz. Ein schönes Projekt dazu ist der „Atlas zur deutschen Alltagssprache“, der die Verbreitung von verschiedenen Ausdrücken geographisch darstellt. Welche Begriffe wo in Deutschland verwendet werden, wird regelmäßig per Umfrage im Netz erhoben. Eine aktuelle Übersicht über die Vielfalt der deutschen Alltagssprache ist hier zu sehen: interaktiv.rp-online.de. (stuttgarter-zeitung.de, atlas-alltagssprache.de)
Thema Gendersprache im Radio
Nach dem Erscheinen des neuen Duden in der vergangenen Woche inklusive Ratschlägen zur Gendersprache, wurde wiederum viel über das Thema diskutiert. Ein Pro und Contra (allerdings in getrennten Interviews) brachte der MDR: VDS-Geschäftsführer Holger Klatte ist der Meinung „dass die Regeln, die dort entworfen werden, nicht zum System unserer Grammatik gehören, und dass die Sprache, die dadurch entsteht, gegenüber der normalen Standardsprache (…) sehr viele Nachteile hat.‟ Die Pädagogin Johanna Usinger, die ein Genderwörterbuch veröffentlicht hat, hält dagegen: Wolle man Frauen für männerdominierte Berufe begeistern, müsse man sie auch gezielt ansprechen – als Metzgerinnen oder Ingenieurinnen. Klatte hätte gar nichts dagegen, in bestimmten Situationen zu betonen, dass Männer und Frauen gleichermaßen gemeint sind, zum Beispiel in der Anrede, oder wenn innerhalb eines Themas große Geschlechterunterschiede bestehen. So sollten in einem Text über Erzieher beide Geschlechter genannt werden, weil der Anteil der Männer in diesem Beruf noch immer weit geringer ist.
Das Deutschlandradio verzichtet auf eine Gegenstimme und lässt ausschließlich den Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch zu Wort kommen. Er will den „althergebrachten‟ Zustand „aufbrechen‟, „dass wir eine Dominanz männlicher Sprachformen haben, die nicht nur grammatisch maskulin, sondern auch in unseren Gedanken männlich sind.‟ Er wundere sich über die „Kolleginnen und Kollegen‟ der Gesellschaft für deutsche Sprache, die vergangene Woche das Gendersternchen als Mittel zum Ausdruck geschlechtergerechter Sprache abgelehnt hatte. Stefanowitsch sieht „eine realistische Möglichkeit, dass sich das [Gendersternchen] mittelfristig auch ein bisschen als Alternative zum traditionellen Sprachgebrauch festsetzt‟.
Unterdessen hat das Jugendradio Fritz (ARD-Verbund) angekündigt, in seinen Nachrichten das Gendersternchen sprechen zu wollen; dazu solle eine kurze Pause eingefügt werden. Damit folge man dem Wunsch der Redaktion und wolle „ein Zeichen für die Vielfalt der Lebenskonzepte heute setzen“. (mdr.de, deutschlandfunkkultur.de, welt.de)
Aus für „Schreiben nach Gehör“
NRW will ab dem neuen Schuljahr (2021/2022) die Methode „Schreiben nach Gehör“ aus den Grundschulen verbannen. Dann soll eine bisherige Handreichung für einen systematischen Rechtschreibunterricht und einen verbindlichen Pflichtwortschatz mit allen Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung fest im Lehrplan verankert werden, heißt es aus dem Schulministerium. Das ist nur ein Teil des „Masterplans Grundschule“. Englisch wird außerdem nicht mehr ab der 1. Klasse gelehrt, sondern erst ab der 3. Klasse, damit Rechnen, Lesen und Schreiben wieder in den ersten beiden Klassen in den Vordergrund rücken. Insgesamt sollen bis 2025 mehr als 718 Millionen Euro investiert werden. (soester-anzeiger.de)
2. Unser Deutsch
Metonymie
Ich möchte diesen Fachbegriff der Rhetorik und der Linguistik einmal aus einer anderen Perspektive betrachten und erläutern. Es geht um die Frage, wie wir unsere Ausdrucksmöglichkeiten erweitern, ohne neue Wörter zu bilden oder zu entlehnen. Die bekannten üblichen Verfahren hierzu sind einmal die verschiedenen Verfahren der Wortbildung durch Präfixe (abfahren zu fahren) oder Suffixe (Fahrer zu fahren), durch Zusammensetzung (Fahrbahn) oder Konversion (das Substantiv Grün aus dem Adjektiv grün) sowie alternativ die Entlehnung eines Wortes aus einer anderen Sprache. Eine dritte Möglichkeit spielt sich gleichsam im Verborgenen ab, ohne dass Worte äußerlich verändert werden. Wir können ein Wort metaphorisch oder metonymisch verwenden. Im ersten Fall setzen wir es vergleichend ein, zum Beispiel wenn wir vom Arm des Gesetzes sprechen. Als Vergleich dient der Körperteil Arm, seine Funktion als wirkungsvolles Werkzeug. Der andere Fall, gleichsam der kleine Bruder der Metaphorik, ist vielfältiger. Hier dient eine enge sachliche Beziehung als Ausgangspunkt der Benennung, zum Beispiel zwischen dem Ort Karlsruhe und dem Bundesverfassungsgericht, das dort seinen Sitz hat. Politiker sind gespannt, was Karlsruhe entscheidet. Nürnberg – Hamburg 0:0 heißt es in der Fußballtabelle. Die Städtenamen stehen für die Clubs, die dort beheimatet sind. Gleiches gilt für Personennamen: Die Röntgenstrahlen und das Verb röntgen gehen zurück auf Wilhelm Conrad Röntgen, der dies Phänomen 1895 zuerst beschrieb. Auch der Porsche ist nach seinem Erfinder benannt. Weniger auffällig ist folgender Fall: Das Wort Versicherung war ursprünglich nur ein Verbalabstraktum zum Verb versichern, eine ‚Erklärung, dass etwas sicher ist‘. Jetzt steht es vor allem für einen Versicherungsvertrag, auch eine Versicherungsgesellschaft oder den Versicherungsbeitrag. In diesen Fällen hat die metonymische Verwendung zu festen Bedeutungen, zur Polysemie eines Wortes geführt.
Wir halten fest: Zunächst bietet das metonymische wie das metaphorische Verfahren der Benennung eine neue Möglichkeit, etwas auf andere, auf neue Weise mit dem vorhandenen lexikalischen Inventar auszudrücken. Ich nenne das – in Parallele zur Wortbildung – ‚Bedeutungsbildung‘. Wenn sich ein solcher Wortgebrauch verfestigt, erhält das betreffende Wort eine neue zusätzliche Bedeutung.
Wie kommt es nun, dass wir solche lexikalischen Innovationen nicht nur in unserem Sprachgebrauch einsetzen, sondern sie auch entschlüsseln, also verstehen, wenn sie ein anderer gebraucht? Ich kann es nur andeuten: Beides gehört zur kognitiven Anlage, zur Grundausstattung unserer Sprachfähigkeit. Diese gilt für alle Sprachen. Als erste haben die Griechen dies entdeckt und im Konzept ihrer Rhetorik, den Anweisungen für die Redekunst, anwendungsbezogen dargestellt.
Ihnen danken wir den Terminus Metonymie von griechisch μετ-ονομάζειν ‚umbenennen‘. Linguistisch gesehen ist zweierlei von Bedeutung: das Verfahren, mit den gespeicherten Wörtern jederzeit neue Bedeutungen zu kreieren und diese, wenn sie sich einbürgern, dauerhaft ins Lexikon aufzunehmen. Darum nimmt es Wunder, dass der neue Duden zwar ca. 3000 neue Wortbildungen und Entlehnungen aufnimmt, das Wort Duden jedoch überhaupt nicht verzeichnet. Bescheidenheit oder linguistisches Defizit?
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Julia Neigel: In deutsche Sprache verliebt
Die Sängerin Julia Neigel hat jüngst in einem Interview von ihrer Liebe zur deutschen Sprache berichtet. Für sie sei Deutsch das perfekte Ausdrucksmittel für ihre Musik. „Deutsch zu singen, war für mich immer normal. In diese wunderschöne Sprache bin ich richtig verliebt“, sagt die Musikerin. Daher sei es für sie wichtig, die deutsche Sprachkultur aufrecht zu erhalten und zu entwickeln. Ihren Durchbruch schaffte Julia Neigel 1988 mit „Schatten an der Wand“, in dem sie eher ungewöhnliche Wörter wie „Wohlgefühl“ nutzte: „Ich will solche zeitlosen Worte erhalten.“ (morgenweb.de)
4. Berichte
Ausschreibungen für den literarischen Nachwuchs
„Früh übt sich, was ein Meister werden will‟ – so lautet das berühmte Zitat aus Friedrich Schillers Drama über den schweizerischen Nationalhelden „Wilhelm Tell‟ (1804). Nichts anderes gilt im Literaturbetrieb: Wer ein großer Literat werden will, sollte früh darauf hinarbeiten und mit Auszeichnungen seine Qualität nachweisen. Umso erstaunlicher, dass im deutschsprachigen Raum lange Zeit keine zentrale Datenbank mit Schreibwettbewerben existierte, die sich an literarische Anfänger, an Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene, Schüler und Studenten richtet. Diese Lücke schließt seit Januar 2020 der VDS, mit der ersten Datenbank mit Wettbewerben, Ausschreibungen und Preisen für den schreibenden Nachwuchs.
Wir veröffentlichen hier eine Liste seriöser Ausschreibungen (d.h. ohne dubiose Vertragsbindung und ohne Teilnehmerbeitrag), sowohl überregional als auch regional begrenzt. Diese Liste wird einmal monatlich aktualisiert.
Alle Angaben ohne Gewähr, besuchen Sie unbedingt die jeweilige Ausschreibungsseite! (vds-ev.de)
Helfen Sie mit, das Projekt noch bekannter zu machen! Teilen Sie den Link mit Ihren Kindern, Mitschülern und Studenten bzw. Kommilitonen. Falls Sie Mitwisser oder gar Veranstalter eines Schreibwettbewerbs sind, schicken Sie den Link zur Internetseite gern an unsere Arbeitsgruppenleiterin Tatjana Schmalz (tatjana-schmalz@gmx.net) und sie nimmt das Projekt zum Monatsende in die aktualisierte Liste auf.
Nächste Fristen (bundesweit ausgeschrieben):
- 15. August: Weihnachtlicher Geschichtenwettbewerb des Papierfresserchens MTM-Verlag
- 28. August: Jugendschreibwettbewerb des Vereins Autorentreff Bad Camberg e. V.
- 31. August: Essaywettbewerb der Gesellschaft für Analytische Philosophie
- 01. September: Studentischer Essaywettbewerb der Deutschen Gesellschaft e. V.
- 10. September: Minidramen-Wettbewerb des Landes Baden-Württemberg
- 15. September: Herbstlicher Geschichtenwettbewerb des Papierfresserchens MTM-Verlag
Nächste Fristen (regional ausgeschrieben):
- 30. August: Ausweg Gesucht – Kreativwettbewerb (Bremen, Niedersachsen, Hamburg)
- 31. August: Schreibwettbewerb der Schreibwerkstatt Schöneiche bei Berlin
- 01. September: Eobanus-Hessus-Schreibwettbewerb (Thüringen)
Neuer Limericks-Band erschienen
Anfang April rief der Leiter der VDS-Region Rostock, Dieter Rasch, einen Gedicht-Wettbewerb ins Leben. In Hochdeutsch oder Dialekt sollten Limericks, also fünfzeilige, gereimte Gedichte, eingesendet werden. Aus dem regionalen Wettbewerb entwickelte sich eine überregionale Bewegung und nun ist daraus der neue Gedichtband „Limericks aus Coronazeiten“ entstanden. Zahlreiche Beiträge aus dem Limerick-Wettbewerb, die den Leser zum Lachen bringen und Lebensfreude vermitteln, finden sich in dem Buch. Es kann ab sofort per Nachricht an info@ifb-verlag.de bestellt werden.
5. Termine
26. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus
26. August, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Hotel Hohenzollern, Moltkestr. 41, 24837 Schleswig
1. September, Region 57 (Siegen)
Mitgliedertreffen, Regionalwahl und Führung durch die Stadtbibliothek Kreuztal
Zeit: 16:30 – 18:30 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Kreuztal, Marburger Str. 10, 57223 Kreuztal
3. September, Region 28 (Bremen)
Mitgliedertreffen (Treffen der Sprachfreunde Bremen)
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen
10. September, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)
12. September, Regionen Sachsen-Anhalt/Ostthüringen (06/07/39)
Festveranstaltung zum Tag der
deutschen Sprache
Zeit: 14:00 Uhr
Ort: Aula des Staatlichen Gymnasiums Dr. Konrad Duden, Hofer Str. 10, 07907 Schleiz
12. September, Region 18 (Rostock)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 16:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke
© Verein Deutsche Sprache e. V.