Infobrief vom 28. August 2020: Namensgebung bei Kindern

1. Presseschau

Namensgebung bei Kindern

Bild: pixplosion / pixelio.de

Den besten Namen für den Nachwuchs zu finden, ist ein schwieriges Unterfangen. Wo früher Wolfgang und Erika in einer Klasse waren, sitzen heute Lucas, Noah, Mia und Lina nebeneinander. Sprachforscher haben die Namensgebung der vergangenen Jahrzehnte untersucht und dabei festgestellt, dass vor allem eine Kombination aus Konsonanten wie l, m, n und Vokalen zunehmend als besonders wohlklingend gilt. Dazu werden gerne Kurzformen gewählt, die sich aus einem längeren Namen gebildet haben (Maria → Mia, Magdalena → Lena). Früher belebte Namen mit Kombinationen aus zwei aufeinanderfolgenden Konsonanten (Margrit, Kurt) hingegen werden immer seltener gewählt – bei den häufigsten Mädchennamen 2019 folgte auf einen Konsonanten immer ein Vokal – oder, wie bei Emma, ein stimmhaft gesprochener Konsonant wie das m. (republik.ch)


Muttersprachlicher Grammatikunterricht ist wichtig

Wolfgang Krischke geht in der FAZ der Frage nach, ob schon in der kindlichen Sprachkompetenz eine Art Universalsprache als System angelegt ist, das im alltäglichen Lernzuwachs den Erwerb auch muttersprachlicher Strukturen und Muster unbewusst entstehen lässt. Diese Grundannahme des US-amerikanischen Sprachwissenschaftlers Noam Chomsky führte seit den 70er Jahren auch dazu, dass gezielter muttersprachlicher Grammatikunterricht sowie der Wortschatzerwerb für den Deutschunterricht als nachrangig eingestuft und die entsprechenden Unterrichtsanteile immer weiter gekürzt wurden.
Die Linguistin Ewa Dabrowska (Universität Erlangen-Nürnberg) stellt bei ihren sprachpraktischen Untersuchungen fest, dass diese Annahme in der Realität nicht zutrifft und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen fehlgehen. Insbesondere die sprachanalytischen Fähigkeiten, die für das Verständnis der eigenen Sprache erforderlich sind und einen deutlichen Unterschied im sprachlichen Ausdruck ausmachen können, müssen demnach von Kindheit an bewusst gefördert werden, gerade wenn ein Ausgleich von bildungssprachlicher Chancenungleichheit angestrebt wird.
Diese Auffassung entspricht weitestgehend den Forderungen, die durch die VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule‟ seit langem artikuliert und gefordert werden. Mehr dazu unter: vds-ev.de. (faz.net)


Jugendlicher sabotiert Sprach-Artikel bei Wikipedia

In Schottland sprechen rund eine Million Menschen Scots, eine Variante des Englischen. Im Internet-Lexikon Wikipedia gibt es mehrere Tausend Artikel, die auf Scots geschrieben sind – rund 20.000 sind davon allerdings falsch. Ein Jugendlicher hatte sie verfasst, ohne die Sprache überhaupt zu kennen. Viele der Artikel seien einfach durch „Suchen/Ersetzen“-Aktionen entstanden, mit dem echten gesprochenen Scots hätten die Wörter nichts gemein, so Sprachwissenschaftler. Ein Historiker und Teilnehmer der Internet-Gemeinschaft Reddit namens Ultach befürchtet, dass der junge Mann der Sprache dadurch einen erheblichen Schaden zugefügt hat, da Wikipedia häufig als Quelle für weitere Artikel genutzt wird: „Es ist kultureller Vandalismus eines beispiellosen Ausmaßes“. (br.de)


Podcast gegen Stottern

Sebastian Koch, ein Redakteur beim „Mannheimer Morgen“, hat einen Podcast für Menschen, die stottern, ins Leben gerufen. Etwa 800.000 Menschen in Deutschland haben Probleme, ihre Sätze oder Wörter zu Ende zu führen – sie stottern. Koch selbst stottert, er kennt die Hürden im Sprachgebrauch. Er plädiert dafür, dass Gesprächspartner von Stotternden die Sätze zum Beispiel nicht zu Ende führen, sondern ihrem Gegenüber Zeit lassen sollen, das selbst zu tun. (sueddeutsche.de)


Gendern – „Gesinnungs-Posing ohne jeden Effekt“

Der PR-Berater und Autor Thomas Nötting spricht sich in einem Meedia-Gastbeitrag deutlich gegen das Gendern aus. Gendern führe nicht zu gesellschaftlichen Veränderungen wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Vielmehr verursache Gendern einen „sprachlichen Flurschaden“. Bandwurmsätze und skurrile Kunstpausen seien die Folge. Lediglich die eigene Filterblase der Gender-Befürworter würde das verteidigen: „Menschen bestätigen sich in ihrem Schreiben darin, auf der richtigen Seite zu stehen. Sie erreichen damit ausschließlich diejenigen, die ohnehin so denken wie sie.“ (meedia.de)


2. Unser Deutsch

Mohr

Ist Mohr ein fremdenfeindliches Wort? Das behaupten eifrige Sprachreiniger und verlangen die Tilgung in den Namen von Apotheken, Straßen, Institutionen und Produkten. Zwei Fragen sind zu beantworten, eine allgemeine und eine spezielle: Hilft die Meidung diskriminierender Wörter, eine tatsächliche Diskriminierung im Alltag zu mindern oder zu beseitigen? Die Debatte um Neger und Rasse (das N-Wort und R-Wort) zeigt: Wo ein Wort an Verbrechen, an Diskriminierung, an Missachtung aus jüngster Vergangenheit erinnert, bedeutet seine Benutzung ein Ja zu diesen Taten. Eine Meidung dieser Wörter ist ein Signal der Ächtung solcher Taten, solcher Haltung. Sie kann soziales und politisches Handeln nicht ersetzen, aber anmahnen.

Die spezielle Antwort ist sprach- und kulturgeschichtlich. Fast 100 Apotheken in Deutschland führen den Mohr im Namen, in Nürnberg seit dem Jahre 1578, in Bayreuth seit 1610, in Erlangen seit 1696. Oft dient ein schwarzer Kopf, zuweilen mit Äskulapstab und Spezereien, als Logo dieser traditionsreichen Apotheken. Warum? Das Wort ist seit dem frühen Mittelalter bezeugt, wohl entlehnt aus griechisch Мαύρος ‚Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien‘, seit dem 16. Jahrhundert in der Bedeutung ‚Mensch mit dunkler Hautfarbe‘ geläufig. Ende des 17. Jahrhunderts wird Mohr zunehmend durch Neger, entlehnt aus französisch nègre, ersetzt. Heute ist es aus dem aktiven Wortschatz verschwunden, lebt nur im historischen Kinderbuch, in der Heraldik, vor allem im Namen von Apotheken, Straßen, Hotels und Gaststätten fort. Einige Mohrenstraßen gehen vermutlich auf den Namen einer Mohrenapotheke zurück, so wie viele Straßen nach Wirtshäusern benannt sind.

Warum aber schmückten sich Apotheken mit einem Mohren im Namen? Es ist die Zeit der Entdeckungen, des aufkommenden Fernhandels, der Wiederentdeckung der Antike, auch orientalischer Medizin und Pharmazie. Mauretanien war damals berühmt als Herkunft neuartiger Arzneimittel wie Gummi arabicum und Ambra, von exotischen Früchten und Gewürzen. Mit dem Abbild des Mohren rühmte sich die Apotheke als Heimstätte morgenländischer Heilkunst. Es ist also völlig abwegig, diese mit kolonialer Ausbeutung späterer Jahrhunderte in Verbindung zu bringen.

Auch Othello, der edle venezianische Feldherr, dem Shakespeare um 1600 ein melodramatisches Denkmal setzte, lässt sich kaum mit der neueren Kolonialgeschichte verknüpfen. Eher schon der Mohr in Friedrich Schillers republikanischen Trauerspiel Fiesco. Viele Fürsten leisteten sich damals einen Mohren in ihrer Dienerschaft, Ausdruck ihrer Weltläufigkeit und ihres Vermögens. Bei Schiller hat die bekannte Sentenz, mit welcher der Mohr im 3. Akt die Bühne verlässt, einen gesellschaftskritischen Anspruch: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan – so zitieren wir heute –, der Mohr kann gehen“. Wollen wir uns diesen leisen Protest nehmen lassen?
Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Kultur

Rassistische Sprache

Wann ist ein Wort rassistisch? Die Kultur- und Literaturwissenschaftlerin Susan Arndt beschäftigt sich mit dieser Frage und hat dazu das Buch „Wie Rassismus aus Wörtern spricht“ mit herausgegeben. „Zunächst einmal sind alle Wörter rassistisch, die die Idee vor sich her tragen, dass Menschen nach Rassen unterteilt werden können“, so Arndt. Problematisch sei es immer, wenn eine Gruppe sich selbst als Norm verstehe und dann Begriffe nutze zur Bezeichnung von denjenigen, die von dieser Norm abweichen. Arndt betont jedoch, dass der Verzicht auf rassistische Wörter nicht mit Vokabellücken oder Sprachlosigkeit, und erst recht nicht mit einem Redeverbot gleichzusetzen sei. Es gebe jahrzehntelange antirassistische Vorarbeit und dementsprechend genug diskriminierungsfreie Begriffe. Arndt spricht sich zudem dafür aus, den Begriff Rasse generell aus dem Grundgesetz zu streichen. „Ich kann nicht sagen, es gibt Rassen, und gleichzeitig sagen, es soll keinen Rassismus geben.“ (deutschlandfunk.de)


4. Berichte

Kooperation zwischen VDS und Vogtländischer Literaturgesellschaft

Die Vogtländische Literaturgesellschaft Julius Mosen kooperiert künftig mit dem Verein Deutsche Sprache auf dem Gebiet der Sprachpflege. Das Thema Sprache soll in der öffentlichen Wahrnehmung mehr in den Fokus rücken. Dazu soll es jährlich zwei Treffen zum Gedanken- und Erfahrungsaustausch mit Vertretern beider Vereine geben. Die Vogtländische Literaturgesellschaft betreibt auf ihrer Internetseite bereits eine Rubrik Sprachpflege. Dort werden auffällige Spracherscheinungen gesammelt, die amüsieren oder verärgern. Wer selber ein solches Beispiel entdeckt, ob Werbetext oder mündliche Äußerung, kann dies, möglichst mit Quellenangabe, per Mail über info.literatur@gmx.de einreichen. (blick.de, literaturgesellschaft-vogtland.de)


5. Denglisch

Unverständliche Kampagne

Es ist noch gar nicht lange her, dass im Parteiprogramm der CDU das Ziel stand, die deutsche Sprache im Grundgesetz zu verankern. Deswegen durfte man bei der Union von einem Bekenntnis zum Gebrauch der deutschen Sprache ausgehen. Vergangene Woche stellte der Innenminister Baden-Württembergs, Thomas Strobl (CDU), eine Kampagne mit dem Titel „#rideitright‟ vor. Es geht dabei um das richtige Bedienen eines Elektrorollers. „Mit der Einführung der E-Scooter war klar, dass das Miteinander der verschiedenen Verkehrsarten neu geordnet werden muss“, so Minister Strobl. Im ersten Jahr seit Einführung der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung habe die Polizei in Baden-Württemberg 122 Verkehrsunfälle mit Elektrokleinstfahrzeugen aufgenommen. Strobl war stolz darauf, dass es deutschlandweit die erste Kampagne zu diesem Thema ist. Bleibt zu hoffen, dass andere Bundesländer einen verständlicheren Titel wählen. (wochenblatt-reporter.de)


6. Termine

1. September, Region 57 (Siegen)
Mitgliedertreffen, Regionalwahl und Führung durch die Stadtbibliothek Kreuztal
Zeit: 16:30 – 18:30 Uhr
Ort: Stadtbibliothek Kreuztal, Marburger Str. 10, 57223 Kreuztal

3. September, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen

10. September, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

12. September, Region 06/07/39 (Sachsen-Anhalt, Ostthüringen)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 14:00 Uhr
Ort: Aula des Staatlichen Gymnasiums Dr. Konrad Duden, Hofer Str. 10, 07907 Schleiz

12. September, Region 18 (Rostock)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 16:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

12. September, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Informationsstand zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 10:00 – 16:00 Uhr
Ort: Paradeplatz, Quadrat N1, Mannheim

12. September, Region 78 (Bodensee/Ostschwarzwald)
Informationsstand zum Tag der deutschen Sprache
Zeit: 7:00 – 13:00 Uhr
Ort: Fußgänderzone Obere Hauptstraße / Marktbrunnen

15. September, Region 01 (Dresden, Riesa)
Festveranstaltung zum Tag der deutschen Sprache: Lesungen von Jens-Uwe Sommerschuh
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: 1. OG im Pianosalon im Coselpalais, An der Frauenkirche 12, 01067 Dresden

17. September, Region 06/39 (Halle, Magdeburg)
Besuch der halleschen Marienbibliothek (Nachholtermin)
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Marienbibliothek Halle, An der Marienkirche 1, 06108 Halle

22. September, Region 67/68/69 (Rhein-Neckar)
Führung durch die Stadtbibliothek Ludwigshafen (Bismarckstr. 44-48) und anschließendes Mitgliedertreffen im Restaurant Sigma
Zeit: 17:00 Uhr / 19:00 Uhr
Ort: Gastwirtschaft Sigma, Kaiser-Wilhelm-Str. 39, 67059 Ludwigshafen

26. September, Region 50/51 (Köln)
Regionalversammlung
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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