1. Presseschau
Hunde und Menschen verarbeiten Sprache ähnlich
Hunde sind nicht nur die besten Freunde des Menschen. Offenbar läuft die Kommunikation bei Hunden und bei Menschen im Gehirn ähnlich ab. Forscher der ungarischen Eötvös Loránd University haben bereits 2016 erkannt, dass Hunde unter anderem am Tonfall erkennen, was Herrchen oder Frauchen von ihnen wollen. So werden Befehle deutlich erkannt, auch wenn sie mit einem monotonen Tonfall gegeben werden. In einem aktuellen Abschlussexperiment konnten die Forscher feststellen, dass Hunde Befehle auf zwei Ebenen verarbeiten – dieselben Ebenen, die auch der Mensch für das Verständnis gesprochener Sprache nutzt. So wird zunächst der Tonfall in einem bestimmten Areal des Gehirns analysiert, anschließend wird der Inhalt entschlüsselt. (spektrum.de)
Stuttgart jetzt mit Gendersternchen
Stuttgart reiht sich in die Reihe der Städte ein, die sich einen Leitfaden zum Gendern gegeben haben. Mit dem Gendersternchen will die Stadt die Gleichberechtigung vorantreiben. Im Leitfaden werden verschiedene Beispiele genannt, mit denen Stereotype vermieden werden sollen. Statt „Sehr geehrte Damen und Herren“ könne es künftig „Liebe Menschen“ heißen. Der Leitfaden soll eine Empfehlung sein, meldet die Stuttgarter Zeitung. Kritik kommt von der baden-württembergischen Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU). Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der wie Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn Grüner ist, sprach sich erst kürzlich gegen strenge Genderregeln aus.
Der Deutschlandfunk berichtet, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung die Stuttgarter Entscheidung begrüßt hätte. Tatsächlich hat sich allerdings lediglich die Geschäftsführerin Sabine Krome dazu geäußert. Das Konzept höre sich „ganz vernünftig“ an, wird sie im Deutschlandfunk zitiert. Gleichzeitig wies sie darauf hin, dass die Sprache situationsgerecht gestaltet werden müsse. Sie betonte zudem, dass die Schreibweise nicht den gültigen orthografischen Normen entspreche. Wer Deutsch lerne, würde zusätzlich mit Sonderzeichen konfrontiert. (stuttgarter-zeitung.de, deutschlandfunk.de)
Nachspiel der Strafarbeit wegen Türkisch auf dem Schulhof
Vor kurzem musste eine Drittklässlerin eine Strafarbeit verfassen, weil sie auf dem Schulhof Türkisch gesprochen hatte. Nun haben sich die Eltern der Schülerin gewehrt und eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Lehrerin eingelegt. Damit wolle die Familie erreichen, dass die Strafarbeit nicht in die Leistungsbewertung der Schülerin einfließt. Außerdem solle darüber nachgedacht werden, ob ein „Deutschzwang“ auf dem Pausenhof nicht rechtswidrig sei. Die Lehrerin hatte ihr Handeln durch ihre „pädagogisch-erzieherischen Freiheiten“ begründet und außerdem auf die schulische Regeln hingewiesen, die eine Deutschpflicht auf dem Schulhof vorschrieben – solche Regelungen seien allerdings weder der Schülerin noch den Eltern bekannt gewesen.
Laut Regierungspräsidium Freiburg gehört die Vorgabe „Wir sprechen alle die deutsche Sprache“ zu den Klassenregeln der Grundschule im Schwarzwald-Baar-Kreis, an der 43 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben. Diese Regel werde auch an Elternabenden vorgestellt und erklärt. Die Lehrerin habe auf dieser Grundlage gehandelt, als sich Mitschüler beschwerten, weil das Mädchen sich mit einem anderen Mädchen auf Türkisch unterhielt. Sie habe bereits einen Tag nach dem Vorfall in einem Telefonat mit der Mutter auf die Strafarbeit verzichtet.
Auf die Frage, ob das Mädchen auch einen Aufsatz schreiben müsse, wenn es mit seiner Freundin Englisch gesprochen hätte, lautete die Antwort Ja, weil die Klassenregel besage, „Wir sprechen Deutsch in der Schule“, so die Schulbehörde. (migazin.de, schwarzwaelder-bote.de)
Margot Käßmann warnt vor Verrohung der Sprache
Die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland warnt vor einer Verrohung der Sprache: „Ich finde, es ist eine Frage des Anstands, ob wir diskriminierende Äußerungen benutzen, die andere verletzen“. In einem Gastbeitrag für die „Bild am Sonntag“ sagte sie, es gehe um den Respekt voreinander. Manche Menschen würden sich über Veränderungen von Begriffen empören, zum Beispiel den Wandel vom „Negerkuss“ zum „Schokokuss“, so Käßmann. Dabei sei das keine verordnete Korrektheit, sondern zeuge von Respekt: „Warum wollen sie andere bewusst beleidigen?“ Als hellhäutige Frau könne sie nicht beurteilen, wie sich rassistische Ausgrenzung anfühlt. „Aber ich kann es ahnen“, so Käßmann weiter. (domradio.de)
2. Unser Deutsch
Küss-die-Hand
Diese Worterklärung muss ich mit einer biographischen Anekdote beginnen. Wir waren, ein junges Ehepaar mit drei kleinen Buben, in vollbepacktem Wagen unterwegs in den Urlaub. Griechenland unser Ziel. Auf der Strecke, unweit Klagenfurt, geschah es: Ein Wagen rammte unser Auto von hinten. Meine Frau sprang aus dem Wagen. Aus dem anderen Wagen entstieg ein gesetzter Herr, ging auf sie zu und sagte: „Küss die Hand, gnäd‘ge Frau, es tut mir leid.“ So lernten wir ‚Preußen‘ aus dem hessischen Marburg diese freundlich-höfliche Grußformel des Nachbarlandes kennen. Der Handkuss war für uns damals nur ein angestaubtes nonverbales Begrüßungsritual unter vornehmeren Leuten, zu denen wir uns nicht zählten. Das passte gar nicht in den Kontext einer Autokarambolage, die unseren Sommerurlaub vorläufig beendete. (Nachgetragen sei aber: Die Versicherung spendete eine Übernachtung, einen Leihwagen und bezahlte ein Ersatzfahrzeug, mit dem wir eine Woche später die beabsichtige Reise doch noch durchgeführt haben.)
Die Erklärung dieser Grußformel liegt auf der Hand: Es ist, wie Röhrich im ‚Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten‘ (II, S. 656) vermerkt, eine „verbale Grußform ohne Gebärde“. Das Wort ersetzt die Gebärde. Ähnlich entstand auch Ihr ergebenster Diener als briefliche Abschiedsformel und parallel der Servus als Gruß. Und im derben Gruß des Götz von Berlichingen ersetzt die verbale Aufforderung eine undenkbare Tat. Im Übrigen versagen hier die lexikographischen Hilfsmittel. Sie nennen nur den Handkuss und die Kusshand. Selbst der Atlas der deutschen Umgangssprache kennt unser Küss-die-Hand (noch) nicht. Auf die Frage ‚Gruß bei Betreten eines Geschäftes am Nachmittag‘ taucht neben norddeutschem Guten Tag nur süddeutsch Grüß Gott und Servus sowie an der Küste das Hamburgische Moin auf. Offenbar ist unsere Wendung mehr der höflichen, persönlichen Begrüßung vorbehalten, eben wie damals bei der unverhofften Begegnung auf der Straße. Dazu gehört übrigens auch die Anrede Gnäd’ge Frau, welche keineswegs auf ein besonderes gesellschaftliches Ambiente beschränkt ist.
Nachzutragen bleibt nur, dass der Handkuss – kulturgeschichtlich gesehen – eine Form der Devotion gegenüber Herrschern, Päpsten, Heiligen ist. So lebt hier auch ein Stück alte Donaumonarchie fort. Umso bedauerlicher, dass Küss-die-Hand keine Aufnahme ins amtliche Österreichische Wörterbuch gefunden hat.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Szenarien zur Zukunft der Sprachen
Digitale Entwicklungen nehmen oft Einfluss auf die Art und Weise, wie wir mit Sprache umgehen: Beispielsweise ermöglichen Übersetzungsprogramme mittlerweile eine Übersetzung per Mausklick. Bedeutet das, dass aktives Sprachenlernen in Zukunft gar nicht mehr nötig sein wird? Das Bildungsunternehmen Education First (EF) entwirft passend hierzu Szenarien zur Zukunft von Sprachen – und erklärt, wieso Sprachenlernen notwendig bleiben wird. Vor allem Computerprogramme übersetzen nicht immer korrekt. Nuancen, Wortspiele oder Ironie gehen oft verloren. Wer hingegen eine Fremdsprache flüssig spreche, heißt es in einer Pressemitteilung von EF, könne komplexe Sachverhalte punktgenau ausdrücken und auch Betonungen oder Wortwitze in seine Übersetzung mit einfließen lassen. Ähnlich verhält es sich mit Emojis: Sie können zwar außersprachliche Stimmungen vermitteln, aber keine komplexen Zusammenhänge darstellen. „Zudem bedeutet ein und dieselbe bildliche Darstellung in manchen Ländern etwas völlig anderes“, so Simon Dominitz, Geschäftsführer von EF Deutschland. „Wer mit seinen Freunden im Ausland kommuniziert, sollte sich also mit den sprachlichen und kommunikativen Eigenheiten des anderen Landes auseinandersetzen, um Missverständnisse zu vermeiden.“ (presseportal.de)
Audi rudert bei Werbung zurück
Dass Bildsprache auch nach hinten losgehen kann, musste jetzt der Autohersteller Audi erfahren. Das Unternehmen verwendete in den sozialen Netzwerken ein Foto eines neuen Modells hoch, vor dem ein kleines Mädchen stand, das eine Banane aß. Die Empörungswelle ließ nicht lange auf sich warten. Kritiker warfen dem Konzern vor, das Mädchen zu sexualisieren. Außerdem sei nicht nachvollziehbar, dass das Auto den Anspruch habe, eine Familienkutsche zu sein, da das Bild den Eindruck erwecke, das Mädchen könne vom Fahrer leicht übersehen und überfahren werden. Audi entschuldigte sich und wies darauf hin, dass das Auto wegen seiner vielen Sicherheitsaspekte vor allem für Familien gedacht sei. (spiegel.de)
4. Denglisch
Technologieportal rät von Anglizismen ab
Wer ein Unternehmen gründet, muss oft bei einer Präsentation vor einem Investor die Idee und das Geschäftsmodell erläutern – ein sogenannter „Investoren-Pitch“, der den potentiellen Investor davon überzeugen soll, sich am Unternehmen zu beteiligen. Das Technologieportal BASIC thinking rät in einem Artikel dazu, sich in solchen Präsentationen einfacher und direkter Sprache zu bedienen. Denglisch zeige nicht, wie „hipp“ Gründer seien, sondern im Gegenteil: „dass sie es nicht verstehen, sich klar und verständlich auszudrücken“. (basicthinking.de)
5. Termine
10. August, Region 65 (Wiesbaden/ Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)
12. August, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock
26. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Dorota Wilke, Alina Letzel
© Verein Deutsche Sprache e. V.