1. Presseschau
Eigene Rechtschreibregeln für Berlin
Die Diskussion um Genderregeln in der deutschen Sprache betrifft natürlich auch die Schulen. In Berlin hat sich ein Vater zunächst bei der Schule, schließlich bei der Schulaufsicht darüber beschwert, dass einige Lehrer an dem Gymnasium in Friedrichshain-Kreuzberg gesprochene und geschriebene Genderzeichen unhinterfragt im Unterricht verwenden. Viele Schüler hätten diese Schreib- und Sprechweisen übernommen, so der Vater, einzelne Kinder, die dem nicht folgen, fühlten sich isoliert. Die Angelegenheit führte schließlich zu einer Anfrage der CDU an die Bildungsverwaltung des Berliner Senats. Deren Antwort lässt Fragen offen. Der Senat vertritt die Auffassung, für die Vermittlung der Rechtschreibung seien die vorhandenen Rahmenbedingungen und curricularen Vorgaben ausreichend. Für die mündliche Kommunikation von Lehrkräften mit der Schülerschaft, der Elternschaft und im Kollegium gebe es ohnehin keine Vorgaben, so die Antwort des Staatssekretärs für Bildung, Alexander Slotty. Zudem müssten Berliner Schulen sich nicht an die für alle anderen Bundesländer verbindlichen amtlichen Rechtschreibregeln halten, denn es existiere „für Berlin kein Umsetzungsakt, durch den das amtliche Regelwerk rechtliche Verbindlichkeit beanspruchen kann“, heißt es in dem Antwortschreiben. Mit Unterstützung des VDS wird der Vater diese Fragen nun vor Gericht klären lassen. (morgenpost.de (Bezahlschranke), stern.de)
Musterfall der Diskriminierung
Im September berichtete der Infobrief über eine Verordnung des polnischen Bildungsministers, welche die Anzahl der Unterrichtsstunden für Deutsch als Minderheitensprache von drei auf eine pro Woche reduzierte. Der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) hatte bereits kritisiert, die Schüler würden aus nationalen Gründen diskriminiert und stigmatisiert. In der vergangenen Woche berichteten Vertreter der deutschen Minderheit in Polen der interfraktionellen „Arbeitsgruppe für traditionelle Minderheiten, nationale Gemeinschaften und Sprachen“ des Europäischen Parlaments in Straßburg über die aktuelle Situation. Die Kürzung der Unterrichtsstunden in der deutschen Muttersprache sei der traurige Höhepunkt eines „offensichtlichen Rechtsbruchs der polnischen Regierung“, so der Vorsitzende des VdG, Rafal Bartek. François Alfonsi, einer der Vorsitzenden der interfraktionellen Arbeitsgruppe schlug daraufhin vor, ein Schreiben im Namen der Arbeitsgruppe an die EU-Kommission zu richten. Er bezeichnete das Ganze als „einen Musterfall der Diskriminierung“. Wenn die Kommission dagegen nicht einschreite, werde auch anderswo in Europa mit Minderheiten so umgegangen. (wochenblatt.pl)
Bedrohte Dialekte
Eine Studie des Tübinger Ludwig-Uhland-Instituts an knapp 13.500 Kindern und Jugendlichen hat ergeben, dass immer weniger Jugendliche in Baden-Württemberg Dialekte sprechen. Dabei ist das Bundesland eine Hochburg der Dialekte. Dort anzutreffen sind unter anderem Alemannisch, Schwäbisch, Fränkisch und Kurpfälzisch. Der Sprachforscher Hubert Klausmann sieht das Problem in einer vorherrschenden sprachlichen Diskriminierung. „Wer nicht Hochdeutsch spricht, wird bei uns stigmatisiert und benachteiligt“, erklärt Klausmann. Sowohl in der Notenvergabe in Schulen als auch im Berufsleben zeigen sich diese Ungleichheiten. Klausmann betont jedoch, dass man als Mundartsprecher keineswegs ungebildeter sei. „Man braucht nicht das Hochdeutsch, um intellektuell zu werden oder kulturell ein hohes Niveau zu erreichen“, argumentiert er in der Sendung SWR1-Leute.
Um die Dialekte in Bayern geht es in einem Artikel von Timo Frasch, Bayern-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Der Phonetik-Professor Jonathan Harrington von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) habe ermittelt, dass Grundschüler in Bayern nicht die „westmittelbairische Ausprache“ verwenden. Einige Vokale würden zunehmend vom Standarddeutschen beeinflusst. Laut Harrington sei es wichtig, dass es gute regionale Arbeitsplätze gibt, denn dann zögen die Dialektsprecher nicht fort. Beim Bayerischen Rundfunk gebe es sogar ein neues Bewusstsein für regionale Sprache: Dialekt sprechen sei im Sender „ausdrücklich erwünscht“ teilt der Sender mit. (swr.de, faz.net (Bezahlschranke))
Selbst die Guten nicht gut genug
Rassistische, sexistische, verletzende Formulierungen in Kinderbüchern sollen getilgt werden. Das verlangt die politische Korrektheit, und wie es so ist, wenn eine Bewegung ins Rollen gerät, findet sich bald unter jedem Stein ein Geziefer, das es auszurotten gilt – oder vor der Vernichtung bewahrt werden muss. So spielt sich das ab bei Kreuzzügen, manche Aufregung sollte umsonst gewesen sein, ist sie aber nicht. So war Astrid Lindgren mit einigen Formulierungen selber unzufrieden; sie hätte vermutlich den „Südseekönig“ anstelle „Negerkönig“ noch zu Lebzeiten abgesegnet, das ist belegt. Lesenswerte Erwägungen dazu enthält nun der Spiegel-Essay „Die große Verunsicherung“ von Sebastian Hammelehle. Das Thema bleibt böse umweht, und vor dem Aufplustern ist keiner gefeit. Opfer des Kreuzzuges ist neuerdings sogar Kirsten Boie. In „Lena hat nur Fußball im Kopf“ lässt Boie einen Jungen plappern: „Mein Vater sagt auch immer, auf Weiber ist kein Verlass.“ Dieser Satz fliegt nun der Autorin um die Ohren, der Verlag wird aufgefordert, das Buch aus dem Verkehr zu ziehen.
Verblüffend ist, wie die Kritiker einen Satzfetzen wörtlich nehmen, die doppelte Ebene gar nicht erst verstehen und schon beim Zitieren eines Zitats zusammenzucken. Denkt man das ein Stückchen weiter, entfallen bald sämtliche Stilmittel einer noch genießbaren Literatur: Bilder, Übertreibungen, Sarkasmus, Ironie – alles könnte als verletzend missverstanden werden, ist also vorsichtshalber verboten, schon bevor man anfängt zu schreiben. Hemmelehle steckt den Finger in die Wunde: Viele Autoren verkörpern „linke Werte“, werden aber von „links“ angegriffen. Das sei für sie „ein Riesenproblem, sie sagen: ‚Ich gehöre doch eigentlich zu den Guten. Warum macht ihr mich so runter‘?“
Davon abgesehen, man sollte das Buch vielleicht gelesen haben, worüber man sich öffentlich aufbläst, auch wenn man sich nur über die Aufgeregtheit der – genauso nicht lesenden – Besserwisser ärgert. Bernard Schmid, Herausgeber der Werke von Karl May, bedauert „dass sich in der Debatte um Winnetou viele geäußert haben, die das Buch gar nicht kennen.“ Im Übrigen habe May schon 1892 im Vorwort zu Winnetou den Völkermord an den Indigenen Nordamerikas beklagt. Aber Tatsachen haben keine Konjunktur mehr. Es genügt völlig, von etwas betroffen zu sein – und habe man sich dieses Etwas auch nur eingebildet –, schon ist jede Verleumdung gerechtfertigt. Irgendwie muss man den Ärger ja loswerden! (ob) (spiegel.de (Bezahlschranke; zu lesen auch in der Druckausgabe vom 15.10.2022))
2. Gendersprache
Jargon der Eigentlichkeit
„Sprachmagisches Wunschdenken“ sieht die Literaturwissenschaftlerin Dagmar Lorenz in den künstlichen Zeichen der Gendersprache. Besonders im Wissenschaftsbetrieb beschneide das Gendersprachdiktat die sprachlichen Möglichkeiten des Deutschen und blockiere den Fachdiskurs. Lorenz vergleicht die Genderregeln mit dem, was Theodor W. Adorno den „Jargon der Eigentlichkeit“ nannte, also eine „manipulative Mechanik des Wortgebrauchs“ durch sich ständig wiederholende Signalwörter. Die mittlerweile an jeder Hochschule zu findenden Sprachleitfäden seien „Paradebeispiele“ für den von Adorno beschriebenen Jargon. Die Leitfäden suggerierten, dass sich „Autoren, Verwaltungsangestellte, Dozenten oder Studenten automatisch ins Unrecht setzen, wenn sie es unterlassen, so zu schreiben oder zu sprechen“, berichtet Lorenz. Dabei habe die zwanghafte Meidung des generischen Maskulinums einen Verlust an sprachlicher Klarheit zur Folge, denn ein „Dozierender“ könne durchaus auch als überheblich-arroganter Redner (ohne Lehrauftrag) identifiziert werden. Überhaupt stellt Lorenz in Frage, was diese künstlichen Zeichen eigentlich ausdrücken sollen. Denn es werde unterstellt, dass für „wertschätzende Kommunikation“ eine spezielle Schriftsprache erforderlich sei, die als „gendersensibel“ ausgewiesen sein müsse. Ein Widerspruch, denn die „Wissenschaftsinstitution Universität beruht nicht auf Sprachmagie, sondern auf empirisch-rationaler Denkmethodik“, so Lorenz. Dem sei angemerkt, dass Sprache nicht sensibel sein kann, das kann nur der Mensch, der sie verwendet. (faz.net (Bezahlschranke))
DAX-Konzerne ignorieren Proteste
Seit Juni ruft eine Gruppe von Sprach- und Literaturwissenschaftlern zum Protest gegen die Nutzung der Gendersprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf. Auf der hierfür erstellten Internetseite linguistik-vs-gendern.de werden Beispiele aus dem ÖRR aufgezeigt. Die Sprach- und Literaturwissenschaftler argumentieren, das Gendern sei „ideologisch“, es missachte gültige Rechtschreibnormen und führe zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen. Trotz der medialen Resonanz ergibt nun eine Umfrage des prmagazins, dass sich die Initiative offenbar nicht auf die Sprachpolitik der Großunternehmen im Lande auswirke. Von 40 befragten Dax-Konzernen beteiligten sich 21 an der Umfrage. Alle gaben an, dass sie bei ihren derzeitigen mehr oder minder gendersensiblen Regelungen bleiben wollen. Die meisten Unternehmen umgehen das generische Maskulinum und gendern eher gemäßigt. Man verletze hierbei jedoch selten die geltenden Rechtschreibregeln. (prmagazin.de)
Hassrede auf Twitter
Der Kurznachrichtendienst Twitter ist ein Ort für hitzige Debatten im Netz. Dabei achten die Betreiber der Plattform streng auf Vermeidung von Hassrede und Beleidigungen. Auch das Thema der Gendersprache taucht häufig in Twitter-Beiträgen auf. Laut Berliner Kurier habe der Kurznachrichtendienst nun allerdings im Kampf gegen Hassrede den Bogen überspannt. Ein Nutzer sei für die Meinungsäußerung „Gendern ist totaler Müll“ auf der Plattform gesperrt worden. Das Profil des Nutzers wurde daraufhin nach einigen Stunden wieder freigegeben, allerdings war der Tweet weiterhin aufgrund von „Hassrede“ gesperrt. Mehrere Nutzer empfanden diese Sperre als Unterbindung der Meinungsfreiheit. Es bleibt offen, wie das Unternehmen fortan willkürliche Sperrungen unterbinden will. (berliner-kurier.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Mitarbeitende
Der Kanzler meiner Universität wendet sich in Rundschreiben an Professoren und Professorinnen, an Studierende und – hier stocke ich – an Mitarbeitende. Er möchte damit dem üblichen Fachwort für die wissenschaftlichen Angestellten, die Mitarbeiter, aus dem Wege gehen, entsprechend einer Empfehlung des hauseigenen Büros für Gender und Diversity.
Warum stocke ich beim Lesen? Was spricht dagegen, Mitarbeiter durch Mitarbeitende zu ersetzen und damit dem möglichen Missverständnis aus dem Wege zu gehen, es seien nur Männer gemeint? Die Grammatik spricht dagegen. Partizipien haben im Deutschen eine sogenannte ‚aktionale‘ Bedeutung, das heißt sie geben an, ob die Handlung oder der Vorgang des betreffenden Verbs abgeschlossen ist oder sich in einem aktuellen Verlauf befindet. Gestürzt oder stürzend, sei es von einem Fußgänger oder einem Diktator, sind zweierlei. Das gilt auch für die substantivierten Formen wie die Vertriebenen, die Geflohenen, die Betrunkenen oder (im Partizip Präsens) die Ankommenden, die Fliehenden, die Sterbenden. Solch substantivischer Gebrauch ist immer möglich, in ihnen lebt die aktionale Bedeutung des verbalen Partizips fort. Allerdings sind nur ganz wenige ‚lexikalisiert‘, das heißt in den Wortschatz aufgenommen. Dazu gehört zum Beispiel der/die Vorsitzende, wohl im 18. Jahrhundert als Ersatzwort für das Lehnwort Präsident eingeführt (parallel entsprechend Präsidium/Vorsitz und präsidieren/vorsitzen). Als Ersatzwort für Studenten ist in vielen Universitäten Studierende eingeführt worden. Dies bringt ungewollt – angesichts einer Abbrecherquote von 40 Prozent in einigen Fächern – gerade den temporären Charakter dieser akademischen Tätigkeit zum Ausdruck. Im Gegensatz zu den Studierten, die ihr Studium mit Examen abgeschlossen haben.
Das Neuwort Mitarbeitende passt darum gar nicht als Ersatz für die Mitarbeiter. Mitarbeitende bezeichnet einen aktuellen Verlauf, eine temporäre Tätigkeit. Die angestellten Mitglieder der Universitätsverwaltung arbeiten jedoch nicht nur gerade jetzt oder dann und wann. Sie sind ständige Mitarbeiter oder – wenn man ihr Geschlecht betonen möchte – Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Auffällig in der Anrede des Kanzlers war im Übrigen, dass die Professoren beidgeschlechtig angeredet wurden, während sich die Mitarbeiter mit einem grammatisch verfehlten Partizip begnügen mussten. Ganz fortschrittliche Hochschulen sprechen deshalb von den Lehrenden. Damit entwerten sie nicht nur die fachliche Hierarchie von Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Lehrbeauftragten. Sie entwerten auch die dauerhafte Qualifikation akademischer Lehre. In dem Sinne wäre auch ein Kanzler nur ein Verwaltender.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache an Max Goldt
Der Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache 2022 geht an den Schriftsteller und Musiker Max Goldt. Bei der Preisverleihung am 8. Oktober in Baden-Baden erhielt Goldt den mit 30.000 Euro dotierten Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache. Die Jury beschied Goldt, er sei „ein Meister der kleinen Formen, ein strenger Stilist, doch gleichzeitig offen für sehr freie poetische Formen“. Der mit 5.000 Euro dotierte Initiativpreis Deutsche Sprache geht an das Projekt „Platt in de Pleeg“ vom Lännerzentrum för Nedderdüütsch in Bremen. Im Rahmen des Projekts werden Menschen in Pflegeeinrichtungen in ihrer niederdeutschen Muttersprache angesprochen, um Vertrauen, Wertschätzung und Wohlbefinden zu fördern. Der Institutionenpreis Deutsche Sprache geht an die Redaktion der Zeitschrift „Germanoslavica“, welche durch die Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik herausgegeben wird. Die „Germanoslavica“ befasst sich mit Forschung zu slawisch-germanischen und vor allem zu den deutsch-tschechischen Beziehungen. (sueddeutsche.de)
Die Spuren alter Weltreiche im Bairischen
Die Entzifferung der Hieroglyphen, des ältesten bekannten ägyptischen Schriftsystems, jährt sich in diesem Jahr zum 200. Mal. Die Zeichen, die mehr als 3.500 Jahre lang im alten Ägypten und in Nubien genutzt wurden, hat erstmals der französische Gelehrte Jean-François Champollion im Jahr 1822 entschlüsselt. Auch im heutigen Sprachgebrauch findet sich der Begriff Hieroglyphen wieder, allerdings oft in einem scherzhaften Zusammenhang. Ist eine Handschrift schwer oder kaum lesbar könne man laut Hans Kratzer in der Süddeutschen Zeitung zu Recht über eine unordentliche Handschrift sagen: „Deine Hieroglyphen sind ja nicht zu entziffern.“ Dialektsprecher sprechen es aber nicht „Hieroglüfen“, sondern „Hierogliefen“ aus. Im Bairischen gibt es nicht nur Spuren des alten Ägypten sondern auch der römischen Besatzungszeit. Die Römer brachten die Walnuss aus Gallien als erste in das heutige Bayern. Im Bairischen wird sie „Welschnuss“ genannt, gesprochen „Woischnuss“. Der Name setzt sich aus dem Universalwort „welsch“ zusammen, welches laut Kratzer für alles Romanische verwendet wurde. „Welsch“ beschrieb allerdings auch jemanden der undeutlich, unverständlich oder eben romanische Sprachen sprach. (sueddeutsche.de)
5. Berichte
Über Unstatistik
Der VDS-Vorsitzende Walter Krämer stellt in der Zeitschrift des Bundesverbandes Mittelständischer Unternehmer „Der Selbständige“ sein neues Buch vor: „Grüne fahren SUV und joggen macht unsterblich“ (gemeinsam mit Gerd Gigerenzer, Thomas Bauer und Katharina Schüller beim Campus-Verlag). Das Buch handelt von sprachlich plausiblen Fehlschlüssen, die auf missverstandenen Statistiken beruhen. Der Bundesverband Mittelständischer Unternehmer ist korporatives Mitglied des VDS. (magazin.bds-nrw.de)
6. Kommentar
Das Genderwashing der 40 Größten
Das möchte man doch wissen: Wie halten es die deutschen Unternehmen mit dem Gendern? Eine schöne Frage von Bedeutung, und wem wird sie gestellt? Den 40 DAX-Konzernen im Lande. Diese entsprechen 0,0013 Prozent der über drei Millionen Unternehmen in Deutschland – ein bisschen wenig für eine Stichprobe, zumal diese schon qualitativ nicht zu gebrauchen ist, denn die 40 größten haben gegenüber den 3 Millionen übrigen Unternehmen aus vielen Gründen unterschiedliche Interessenlagen. Das bedeutet: Die Antwort auf die schöne Frage von Bedeutung gilt also bestenfalls für die DAX-Konzerne. Das aber könnte man bereits aus dem Studium ihrer Geschäftsberichte oder aus ihrer Werbung wissen, worin sie das – dem Greenwashing ähnliche – Genderwashing großflächig betreiben: Man schmückt sich fleißig mit dem, was gerade angesagt ist und schafft durch seine häufige Wiederholung eine Wirklichkeit, an die man schließlich selber glaubt – oder auch nicht, Hauptsache man fällt bei den Meinungsführern angenehm auf. So war das Marketing der Großen schon immer, und so läuft es seit Jahrzehnten auch in ihrem Umgang mit der englischen Sprache: Ob man sie beherrscht, spielt keine Rolle, Hauptsache sie macht etwas her. Da man einander sowieso kaum zuhört, ist alles halb so wichtig. Deshalb benötigen wir im Deutschen auch keine eigenen Wörter für die Vorspiegelung eines grünen oder eines sprachsensiblen Bewusstseins. Was fragwürdig ist, kommt stets zuerst auf Englisch daher: Es hört sich geil an, nicht so bieder wie auf Deutsch! Die Sprache könnte daher, wenn man wollte, als Frühindikator für nahenden Bullshit dienen, und sie würde die Mühen eventuell brauchbarer Umfragen ersparen. (Oliver Baer)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs