Infobrief vom 26. Februar 2022: Erster Erfolg gegen Audi

1. Presseschau

Erster Erfolg gegen Audi

Im Fall des VW-Mitarbeiters, der gegen das Gendern bei Audi klagt, gibt es einen ersten Erfolg. Das Landgericht Ingolstadt hat die Klage vor einem ordentlichen Gericht zugelassen – damit kann der Fall demnĂ€chst vor dem Landgericht terminiert werden. Audi hatte beantragt, den Fall vor einem Arbeitsgericht klĂ€ren zu lassen, weil es ausschließlich arbeitsrechtliche Belange berĂŒhrt sah. Dieser Argumentation ist das Landgericht nicht gefolgt, es sah offenbar weitreichendere RechtsgĂŒter betroffen. „Es ist beschĂ€mend, wie sehr ein angeblich moderner Weltkonzern auf Formalien rumreitet, anstatt zur Sache Stellung zu be­ziehen“, sagte der KlĂ€ger-Anwalt Burkhard Benecken in der Bild. Der KlĂ€ger freut sich ĂŒber diese Entscheidung: „Ich hoffe auf eine baldige KlĂ€rung – dieses aufgezwungene Gendersprech macht mich krank.“ UnterstĂŒtzt bei seiner Klage wird er vom Verein Deutsche Sprache. Doro Wilke, Pressesprecherin des VDS stellte klar: „Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen darf nicht einer sprachlichen Ideologie zum Opfer fallen.“ Audi selbst wollte sich zum konkreten Fall nicht Ă€ußern, verwies jedoch auf den gegenseitigen Respekt, den man im Unternehmen pflegen möchte und darauf, dass gendersensible Sprache der Ausdruck einer sichtbaren, positiven Haltung zu Vielfalt und Chancengleichheit sei. Der VDS freut sich ĂŒber UnterstĂŒtzung in den Verfahren, die aktuell gegen die Gendersprache laufen. Spenden können Sie hier: vds-ev.de. (bild.de)


Der Traum vom UniversalĂŒbersetzer

Die Menschheit trĂ€umt von einem UniversalĂŒbersetzer. Eine Maschine oder eine App, die es möglich macht, sich weltweit zu verstĂ€ndigen, ohne eigenstĂ€ndig eine Sprache lernen zu mĂŒssen. In China gab es anlĂ€sslich Olympia Versuche. Angestellte in Handel, Gastronomie und Hotellerie wurden mit ÜbersetzungsgerĂ€ten ausgestattet, um die Kommunikation mit angereisten Journalisten und Sportlern zu erleichtern. Die digitale Übersetzung funktionierte nicht einwandfrei. Übersetzungsprogramme sind heutzutage frei zugĂ€nglich und beherrschen bis zu 108 Sprachen. Die gesprochene Sprache bringt die meisten Übersetzungsprogramme jedoch ins Stolpern. Den Systemen mangelt es meist an Kontext, denn niemand spreche perfektes Deutsch in sein Handy, erklĂ€rt der Computerlinguist Peter SchĂŒller. Auch mangelt es an Schnelligkeit bei einer EchtzeitĂŒbersetzung. Die Programme seien laut SchĂŒller eher fĂŒr die Übersetzung von Gesetzestexten geeignet, nicht von alltĂ€glicher Kommunikation. Selbst wenn die Textbeispiele des Algorithmus immer vielfĂ€ltiger und reicher werden, kann maschinelle Übersetzung nie perfekt sein, denn die Besonderheiten alltagssprachlicher Grammatik und Aussprache kann man nicht LehrbĂŒchern entnehmen. Vielleicht ist ein umfangreicher UniversalĂŒbersetzer, der uns zu Sprachexperten macht, jedoch nicht notwendig und die holprigen AlltagsĂŒbersetzungen der Programme reichen völlig aus – fĂŒr den Alltag. (derstandard.de)


Die Suche nach der eigenen Muttersprache

AnlĂ€sslich des Internationalen Tags der Muttersprache am 21. Februar macht die Linguistin Jacqueline Haddadian auf die TĂŒcken der Mehrsprachigkeit aufmerksam und geht der Frage nach, was eine Muttersprache ausmacht. Denn vor allem Menschen, die mehrsprachig aufwachsen, sind mit der Frage konfrontiert, welche der Sprachen denn nun ihre Muttersprache sei. Die Linguistin selbst besitzt ein umfangreiches Sprachrepertoire. Aufgewachsen ist sie mit Deutsch und Farsi, der Amtssprache im Iran. In der Schule hat sie Französisch und Englisch und an der UniversitĂ€t Spanisch gelernt. Im Duden ist die Muttersprache definiert als „Sprache, die ein Mensch als Kind (von den Eltern) erlernt (und primĂ€r im Sprachgebrauch) hat.“ Forscher haben nachgewiesen, dass Kinder bereits im Mutterleib die Mutter sprechen hören und darauf reagieren. Die Sprache der Mutter sei trotzdem nicht zwangslĂ€ufig die Muttersprache des Kindes. In der Wissenschaft wird deswegen zwischen Erst- und Zweitsprache unterschieden, die sich im qualitativen Niveau unterscheiden. Ebenfalls gilt unter Linguisten, dass die menschliche SprachfĂ€higkeit nicht mit der Intelligenz zusammenhĂ€nge und grundsĂ€tzlich bei allen Menschen gegeben sei. Haddadian zieht bei der Frage um ihre Muttersprache jedoch einen wichtigen Schluss: Neben den faktischen Sprachkenntnissen, die sie in mehreren Sprachen besitzt, gebe es auch eine emotionale Komponente. Deutsch sei die Sprache, in der sie ihre Gedanken und GefĂŒhle am besten ausdrĂŒcken kann und somit ihre bevorzugte Erst- und Muttersprache. (stern.de, duden.de)


Das Bairische kein Deppenidiom

Das bairische Idiom und der Bayerische Rundfunk bilden „ein kompliziertes Miteinander“, berichtet die SĂŒddeutsche Zeitung. Parodiert wird der Dialekt meist in primitiven Comedy-BeitrĂ€gen, die das Bairische als Deppenidiom der zurĂŒckgebliebenen HinterwĂ€ldler darstellen. Regionale Sprachvereine wie der Bund Bairische Sprache und der Förderverein Bairische Sprache kritisieren anlĂ€sslich des Internationalen Tags der Muttersprache diese Verachtung der eigenen Sprache und Kultur. Der Bund Bairische Sprache rĂ€t nach Vorbild der norwegischen Rechtslage zu verfahren. Die offizielle Hochsprache wird dort nĂ€mlich in sechs regionalen StandardvarietĂ€ten gesprochen und geschrieben. Seit fast 150 Jahren verbietet ein Sprachschutzgesetz den Lehrern, Schulkinder zu korrigieren, wenn diese ihren Dialekt verwenden. Der Förderverein Bairische Sprache arbeitet zusammen mit der UniversitĂ€t Salzburg an einem Projekt, um Vorurteile gegenĂŒber Dialektsprechern abzubauen. Beide Vereine setzen sich fĂŒr den muttersprachlichen Pluralismus ein, um ein Aussterben der Mundarten Bayerns zu verhindern. (sueddeutsche.de)


Fehler gehören dazu

Der Spracherwerb bei Kindern ist ein komplexer Vorgang. Aus undefinierten Lauten werden zielgerichtete, aus ihnen formen sich erst Wörter, dann ganze SĂ€tze. Es ist normal, dass dabei nicht sofort alles grammatikalisch korrekt ist. Fehler gehören zum Spracherwerb, denn sie zeigen, dass Kinder zunĂ€chst bestimmte Strukturen lernen, denen sie in einem weiteren Schritt die Besonderheiten hinzufĂŒgen – das zeige Lernfortschritt und KreativitĂ€t, so AndrĂ© Perler und Markus Gasser im Schweizer Radio SRF: „Das Partizip Perfekt wird oft nach dem Muster ‚ge + Verbstamm + t‘ gebildet (‚spile‘ zu ‚gspilt‘, ‚lose‘ zu ‚glost‘ etc.). Dieses Muster können Kinder bald auf alle Verben ĂŒbertragen und Partizipien bilden, die sie nie gehört haben. Zum Beispiel wird aus ‚singe‘ im Kindermund ‚gsingt‘ – nur, dass ‚singe‘ nach einem anderen Muster funktioniert (‚gsunge‘).“ Dieser Vorgang der „Übergeneralisierung“ zeigt: Ein Muster wird zwar korrekt angewendet, stimmt aber in diesem einen Fall eben nicht. Dieser „schlaue Fehler“ zeige, dass ein Kind Sprache korrekt lernt und durch eine Korrektur seitens der Erwachsenen anschließend die Grenzen der vermuteten Muster kennenlernt. Auch vermeintlich falsche Laute gehörten zum Spracherwerb. Die Sprechinstrumente sind noch nicht genĂŒgend ausgeprĂ€gt, um alle Laute korrekt bilden zu können. Dann wird bei Kindern schon mal aus einem „Helikopter“ ein „Helidoppeler“: „Bei schwierig zu produzierenden Lauten und Silbenkombinationen weichen sie auf einfachere aus, die sie bereits beherrschen.“ Fehler machen ist im Verlauf des frĂŒhkindlichen Spracherwerbs also ausdrĂŒcklich erwĂŒnscht. (srf.ch)


2. Gendersprache

Gendern kein natĂŒrlicher Sprachwandel

Gendern ein natĂŒrlicher Vorgang des Sprachwandels? Das sei ein MĂ€rchen, es werde hĂ€ufig bemĂŒht, um den von GenderbefĂŒrwortern forcierten Sprachwandel zu rechtfertigen. Die Linguistin Prof. Heide Wegener sagt in der Welt: TatsĂ€chlich laufe Sprachwandel grundsĂ€tzlich anders ab, auf verschiedene Weisen. Eine sei zum Beispiel die VerkĂŒrzung, weil sie einer ökonomischen Sprachnutzung entspricht. Aus „KindertagesstĂ€tte“ wird „Kita“, aus „UniversitĂ€t“ wird „Uni“. Weniger Silben bedeuten weniger Arbeitsaufwand. Auch ein Sprachwandel durch Modeerscheinungen sei nicht ungewöhnlich, dabei können Wörter auch lĂ€nger werden, zum Beispiel „Appartement“ statt „Wohnung“. Nicht zuletzt gibt es reine Eindeutschungen wie „Fahrkarte“ statt „Billet“ oder „Gehweg“ statt „Trottoir“. Ein grammatikalischer Wandel entsteht dabei von unten nach oben, etwas bĂŒrgert sich ein und wird ĂŒbernommen; eine Entlehnung von Fremdwörtern kommt hingegen meist aus der Oberschicht und „sickert“ dann nach unten durch.

Beide Versionen haben etwas gemeinsam: „NatĂŒrlicher Sprachwandel verlĂ€uft vom Unbewussten zum Bewussten, fĂŒr den Laien hĂ€ufig unbemerkt, auch wenn der sich im Laufe seines Lebens neue Formen aneignet, die er natĂŒrlich zunĂ€chst ablehnt, denn zu Anfang sind sie ja falsch.“ Damit stehe er im direkten Gegensatz zum Gendern, so Wegener: „Genderformen sind weder einfacher, artikulatorisch oder kognitiv, noch verstĂ€ndlicher als die generischen Maskulina, die sie verdrĂ€ngen sollen (
) Sie entstehen weder unbewusst noch entziehen sie sich einer bewussten Lenkung, insofern haben sie mit natĂŒrlichem Sprachwandel nichts zu tun.“ Ihre lexikalen Änderungen ergeben keinen objektiven Mehrwert, aber sie verleihen den Verwendern Prestige. „Die deutlichste Parallele besteht bezĂŒglich Durchsetzung der Formen zu den Verdeutschungen der Fremdwörter im 19. Jahrhundert. Wie zu jener Zeit wird auch der Gebrauch von Genderformen massiv gefordert und gefördert, durch Verordnungen, Handreichungen, LeitfĂ€den. Als deren Herausgeber greifen Behörden und UniversitĂ€ten steuernd ein. Sie ‚empfehlen‘ Genderformen zwar nur, de facto ordnen sie diese aber aufgrund ihrer Vormachtstellung an, wie sogar die taz schreibt.“ Es sei nicht ohne Ironie festzustellen, dass die Verfechter von Genderdeutsch exakt dieselben Methoden anwenden wie die konservativen Nationalisten des 19. Jahrhunderts, um bestimmte Sprachformen durchzusetzen. „Die AfD-Keule sollte vielleicht nicht gar so schnell geschwungen werden, wenn sich heute jemand nicht manipulieren lassen will.“ (welt.de (Bezahlschranke))


Gendern: Historisch einmaliger Vorgang

Auch Wolfgang Krischke spricht dem Gendern ab ein natĂŒrlicher Sprachwandel zu sein. Der Linguist und Journalist beschreibt in der FAZ Gendern als technokratischen Eingriff. Echter Sprachwandel sei ein Trampelpfad: „Den wenigen, die als Erste das Gras niedertreten, folgen immer mehr, bis ein Weg gebahnt ist. Im Gegensatz dazu geht es beim Gendern mit seinem Versuch, das generische Maskulinum zu delegitimieren, um einen gezielten Umbau der Grammatik, vorangetrieben von Aktivisten und ihrem geneigten Umfeld an den Hochschulen, in Behörden, Unternehmen und Medien. Hier wandelt sich die Sprache nicht, sondern sie wird gewandelt durch politischen und institutionellen Druck von oben.“ Verwaltungen schreiben Gendern ihren Angestellten vor, UniversitĂ€ten geben Empfehlungen, die aber jeder befolgen sollte, der keine schlechte Note haben möchte. Gendern habe nichts mit herkömmlichen Normierungen zu tun, in denen sich Sprache bewege, vielmehr wĂŒrde am Reißbrett versucht, eine neue Sprache einzufĂŒhren – das sei ein historisch einmaliger Vorgang. (faz.net (Bezahlschranke))


Die Dominanz des weiblichen Artikels

Meinhard Creydt schlĂ€gt in seinem Artikel auf dem Portal heise.de/telepolis einen Paradigmenwechsel in der Debatte um gendergerechte Sprache vor. Er erklĂ€rt, dass in der deutschen Sprache der weibliche Artikel in den zentralen Bereichen des menschlichen Lebens dominiert und enorm ausgebreitet sei. Wo es um Arbeit geht (die Wirtschaft, die Arbeit) oder um Sozialisation und Bildung (die Schule, die UniversitĂ€t, die Kultur) und in vielen weiteren Bereichen wĂŒrden mĂ€nnliche Artikel ausgegrenzt. Sprachliche Gleichberechtigung und Sichtbarmachung aller Geschlechter sind Argumente der GenderbefĂŒrworter. Creydt fĂŒhrt jedoch aus, dass die Diskriminierung des MĂ€nnlichen in der Bezeichnung der Zentralobjekte unseres Seins omnipotent ist. Die Genderdebatte reduziert die Welt auf Personen. Creydts Beispiele beweisen, dass Deutsch eben keine „reine MĂ€nnersprache“ ist und die Debatte um das Gendern grundsĂ€tzlich verengt und fehlgeleitet ist. (heise.de/tp)

Gendern im Abi

Niedersachsen spielt Pippi Langstrumpf und macht die Welt, widde-widde-wie-sie-ihr gefĂ€llt. Abiturienten dĂŒrfen in ihren AbiprĂŒfungen gendern. Damit schert das Land (so wie schon Baden-WĂŒrrtemberg) aus den Regeln aus, die von der Kultusministerkonferenz (KMK) etabliert wurden, um fĂŒr eine einheitliche Orthographie zu sorgen, schreibt Heike Schmoll in der FAZ. Man wisse, dass die Regeln nicht „dudenkonform“ seien, heißt es in einer Mitteilung des niedersĂ€chsischen Kultusministeriums, wolle sie dennoch nicht als Fehler werten. Damit stĂ¶ĂŸt das Land auch den Rat fĂŒr deutsche Rechtschreibung vor den Kopf, denn was dieser sagt – und nicht der Duden – ist fĂŒr die Rechtschreibung verbindlich. Der Vorsitzende des Rats, Josef Lange, wies darauf hin, dass das Regelwerk von den relevanten staatlichen Stellen beschlossen wurde und damit fĂŒr die Schulen und die Verwaltung bindend sei: „Wenn ein Land sich vom amtlichen Regelwerk verabschiedet, verabschiedet es sich auch von der Einheitlichkeit der Rechtschreibung im deutschen Sprachraum“, so Lange, das sei ein RĂŒckfall in die Zeit vor 1903. Kriterien im Hinblick auf VerstĂ€ndlichkeit, Lesbarkeit und Übertragbarkeit könnten dann nicht mehr vollumfĂ€nglich erfĂŒllt werden: „Wenn staatliche Stellen sich nicht an selbst beschlossene Regeln halten“, wie solle dann SchĂŒlern und BĂŒrgern vermittelt werden, „dass staatliche Regeln im Gemeinwesen verbindlich sind“, fragt Lange. (zeitung.faz.net)


Fachzeitschrift der Architekten umbenannt

Die Gremien des Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) haben beschlossen, ihre Fachzeitschrift gendergerecht umzubenennen. Aus der architekt, erstmals 1952 veröffentlicht und absichtlich in der damals modernen Kleinschreibung gehalten, wird die architekt. Der neue befremdlich klingende Titel versucht also ganz ohne Genderstern und Binnen-I auszukommen. Die Gremien rechtfertigen die Entscheidung damit, dass keine Person gemeint sei, sondern die (Zeitschrift) Architekt. Man berufe sich auf die rhetorische Figur der Ellipse, um WidersprĂŒche des Berufsfelds sichtbar zu machen und gleichzeitig das geistige Bild des einsamen (und mĂ€nnlichen) Architekten zu ĂŒberwinden. Die mĂŒhsam zusammengesuchten Argumente fĂŒr diese Umbenennung hĂ€lt FAZ-Feuilletonautor Matthias Alexander jedoch nicht fĂŒr ein solides GedankengebĂ€ude, eher eine windschiefe HĂŒtte. (faz.net)


Von „Freierinnen“ in Wien

Frauen sind in einem Bordell nicht gern gesehen – zumindest nicht, wenn sie dort keiner Arbeit nachgehen. Nicht so in Wien: „Wien gendert Puff-Gesetz“ titelt das Portal heute.at und berichtet von einer Novellierung des Wiener Prostituiertengesetzes. Offenbar hat sich die Stadt die seit 2004 vorgeschriebene sprachliche Gleichbehandlung so sehr auf die Fahnen geschrieben, dass es jetzt in der neuen Fassung des Gesetzes heißt „Wer als Freierin oder Freier (
)“. Peter Laskaris, der Manager des Bordells „Laufhaus“ kann sich ein Zwinkern nicht verkneifen: „Bis dato war es ‚normalen‘ Frauen per Gesetz samt saftiger Strafe verboten und oft auch aus betrieblichen GrĂŒnden untersagt, ein Freudenhaus zu betreten.“ Nur die sogenannten „Kontrollprostituierten“ mit der GrĂŒnen Karte (Ă€rztliches Gesundheitszeugnis) der Stadt Wien hatten Zutritt. Nun jedoch dĂŒrften Frauen „legal den weltweit wohl letzten existenten gesetzlich verbotenen geheimen Ort der Lust und des Lasters betreten“, so Laskaris. Die meisten Etablissements hĂ€tten Frauen den Zutritt eh nicht gestattet: „Sie haben einfach keine Lust auf hinterherspionierende, rachsĂŒchtige Ehegattinnen. Auch das ist nachvollziehbar“, sagt Laskaris. An eine Welle neuer Kundinnen glaubt er aber nicht: „Nur fĂŒr Sex muss keine Frau weltweit bezahlen. FĂŒr den solventen Gentleman gibt’s hingegen kaum was GĂŒnstigeres als bezahlten Geschlechtsverkehr.“ Auf eine VDS-Anfrage ĂŒber Twitter, ob es fĂŒr Wien valide Zahlen der Freierinnen gebe, hat die Stadt nicht geantwortet. (heute.at)


3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Beauftragte

Warum gibt es so viele Beauftragte in unserer Zeit? Missbrauchsbeauftragte, Antisemitismusbeauftragte, Drogenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte, Frauenbeauftragte und viele andere? Es ist eine neue Form, Aufgaben zu delegieren, auszugliedern, teils um einem Thema Gewicht zu verleihen, teils aber auch, um es zu verstecken, auf Eis zu legen. Hast Du einen Beauftragten, ist die Sache erst einmal in Gang gesetzt. Der oder die Beauftragte wird sich kĂŒmmern. Dazu trĂ€gt auch die sprachliche Seite bei: Das Wort ist so schön durchsichtig. Das erkennt man schon an der Bedeutungsangabe im Duden: ‚jemand, der einen bestimmten Auftrag erhalten hat‘. Zugrunde liegt das Substantiv Auftrag. Daraus ist das Verb beauftragen ‚einen Auftrag erteilen‘ abgeleitet. Zum Verb kann das Partizip ‚beauftragt‘ gebildet werden und dieses Adjektiv lĂ€sst sich als Substantiv gebrauchen. Fertig ist der Beauftragte. Wir können nun anfĂŒgen, wer den Auftrag erteilt hat. Darum gibt es Beauftragte der Kirche, einer Partei, des Papstes und so weiter. Meist wird aber nicht der Auftraggeber genannt sondern der Zweck der Beauftragung, vom Datenschutzbeauftragten bis zum Missbrauchsbeauftragten. Sie sollen sich um Problembereiche kĂŒmmern. Ist der Datenschutz durch eine Verordnung gefĂ€hrdet? Wo in Vergangenheit und Gegenwart findet sich Antisemitismus? Dies ist angesichts unserer Geschichte ein besonders ergiebiges Feld. So hat ein diesbezĂŒglich Beauftragter in der Buchstabiertafel (A wie Anton, B wie Berta 
) Antisemitisches entdeckt. Die Nazis hatten drei unerwĂŒnschte, angeblich jĂŒdische Namen aus der Liste entfernt und ersetzt. Darauf hat der zustĂ€ndige DIN-Ausschuss gleich das ganze Diktier-System mit Vornamen verworfen. Denn sie entdeckten, nun gleichsam in der Funktion eines Gleichstellungsbeauftragten, dass es nicht genug weibliche Vornamen in der Buchstabiertafel gab. Darum sollen nun StĂ€dtenamen als Buchstabierhilfe dienen. Auf der Strecke blieb die eigentliche Funktion: Buchstaben durch gĂ€ngige, gute hörbare Wörter zu symbolisieren. Ferner wurde vergessen, dass die bisherige Diktiertafel auch in Österreich und der Schweiz gilt. Ohne jeden Kooperationsversuch soll nun ein lĂ€nderĂŒbergreifendes Element des Deutschen beseitigt werden. Der Fall ist typisch fĂŒr die Arbeitsweise von Beauftragten: der Tunnelblick auf ihr Revier. So entdeckte ein Berliner Antisemitismus-Beauftragter, dass in 290 Berliner Straßennamen Personen genannt sind, die auch Rassistisches geĂ€ußert haben wie die BrĂŒder Grimm, Konrad Adenauer und natĂŒrlich Richard Wagner. Hier werden Umbenennungen angemahnt. Aus dem Blick geriet die eigentliche Funktion von Straßennamen: die Identifizierung der Verkehrswege in einer Gemeinde. Ehrung oder Erinnerung ist nur ein Nebenaspekt. Dies schert den Beauftragten ebenso wenig wie die Kosten einer Umbenennung fĂŒr alle Betroffenen. Ein Paradebeispiel des Beauftragten-Unwesens sind die unzĂ€hligen Frauenbeauftragten an UniversitĂ€ten, in Firmen und in Kommunen, die nur eines im Blick haben: die Frauenquote auf besseren Posten zu erhöhen. Sie fĂŒhlen sich auch als Vorhut des allgemeinen Genderns. In einer Sprachreform zum sprachgerechten Deutsch haben sie eine Daueraufgabe gefunden.

Was könnte helfen gegen diese Beauftragerei? Vielleicht ein Beauftragter fĂŒr die PrĂŒfung und Beaufsichtigung der Beauftragten. Seine Aufgabe ist RĂŒckbau und RĂŒckverweisung an jene, die sich durch die EinfĂŒhrung von Beauftragten aus der Verantwortung gestohlen haben. Eine vielversprechende Aufgabe.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor fĂŒr Germanistische Sprachwissenschaft an der UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. ErgĂ€nzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de.


4. Kultur

Kreative AusdrĂŒcke fĂŒllen sprachliche LĂŒcken

Die deutsche Sprache umfasst ungefĂ€hr 500.000 Wörter, sie inspirierte etliche Dichter und Denker. AnlĂ€sslich des Internationalen Tags der Muttersprache stellt die Frankfurter Rundschau jedoch einige PhĂ€nomene vor, die bisher noch keinen passenden Ausdruck im Deutschen haben. Das norwegische „Utepils“ wĂŒrde wörtlich etwa mit „Draußenbier“ ĂŒbersetzt werden können. UrsprĂŒnglich war damit das erste Bier des Jahres gemeint, welches man ohne zu frieren unter freiem Himmel trinken konnte. Heutzutage ist damit jedes Bier gemeint, welches draußen getrunken wird. Thematisch passend gibt es in DĂ€nemark den „Morgenfrisk“, also das Gegenteil des BrummschĂ€dels. „Morgenfrisk“ drĂŒckt die Frische des jungen Morgens in Person aus.
Die Japaner sprechen von „Tsundoku“, wenn ein neues Buch ungelesen im Regal verstaubt, denn in Japan arbeiten viele Menschen rund um die Uhr und Freizeit ist knapp bemessen. Dies geht sogar so weit, dass es im Japanischen einen Ausdruck fĂŒr den Tod durch Überarbeitung gibt: „Kuroshi“. Weltweit lassen sich kulturell geprĂ€gte und kreative AusdrĂŒcke fĂŒr alltĂ€gliche PhĂ€nomene finden. Die sprachliche Vielfalt und kulturelle Bereicherung der Sprachen werden am Internationalen Tag der Muttersprache gefeiert und gleichzeitig warnen sie uns vor dem Verfall, der vielen Sprachen droht. (fr.de)


Kisuaheli fĂŒr das Selbstbewusstsein Afrikas

Im kenianischen Parlament wird seit geraumer Zeit auf Kisuaheli debattiert. Insgesamt sprechen in Afrika rund 200 Millionen Menschen die Sprache. Laut Sprachwissenschaftler Ally Khalfan wird die Sprache vor allem an der KĂŒste gesprochen und wird maßgeblich durch den dortigen Handel beeinflusst. Die Sprache vereint einige Worte indischen und arabischen Ursprungs, jedoch lassen sich auch deutsche Überbleibsel, wie beispielsweise die „Shule“ finden. Das dĂŒrfte an dem Beitrag des schwĂ€bischen Missionars Johann Ludwig Krapf liegen, da er die erste Bibel auf Kisuaheli und ein Wörterbuch veröffentlichte. Vor allem die jungen Menschen haben ihren Frieden mit EinflĂŒssen aus der Kolonialzeit gemacht und nutzen sie nun, um sich von den kolonialen Wurzeln zu befreien. Daraus könne ein sprachlicher Neuanfang entstehen, wie einst in Tansania, als der erste PrĂ€sident nach der UnabhĂ€ngigkeit des Landes Kisuaheli zur Amtssprache machte. Khalfan meint, dass Kisuaheli fĂŒr die afrikanische IdentitĂ€t stehe, daraus könne sich ein grenzĂŒberschreitendes ZusammenhörigkeitsgefĂŒhl entwickeln. (tagesschau.de)


5. Berichte

JĂŒrgen-Moll-Preis fĂŒr Michael Andrick

Der Berliner Philosoph und Historiker Michael Andrick ist mit dem JĂŒrgen-Moll-Preis fĂŒr verstĂ€ndliche Wissenschaft ausgezeichnet worden. Andrick schreibt ĂŒber Erfolg, Ehrgeiz und FĂŒhrung, in einer Weise, die auch fĂŒr ein Publikum fernab der Akademikersprache verstĂ€ndlich sei, hieß es in der Laudatio. So leiste er einen wertvollen Dienst fĂŒr die Gesellschaft. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird jĂ€hrlich von der Theo-MĂŒnch-Stiftung fĂŒr die Deutsche Sprache und der Zeitschrift Deutsche Sprachwelt verliehen. (presseportal.de)


6. Denglisch

Weltgewandte Manager

In der Satire-Sendung Extra3 gab es vergangene Woche eine Fortbildung, wie BĂŒroangestellte mit Denglisch Eindruck schinden können. Denn wer sich wichtig machen möchte, spricht BĂŒro-Denglisch. In dem Beitrag gibt die Chefin ihrem Buchhalter Anweisungen – und der passt sich an: „Danke fĂŒrs Briefen. Ich mache dann einen All-Nighter im Home-Office“, verspricht er. „Hauptsache Sie delivern!“, verlangt sie. Man kann allerdings nicht sicher sein, ob deutschsprachige Mitarbeiter immer die Satire erkennen oder ob es nicht lĂ€ngst der sprachliche Alltag ist. (ndr.de)


Der VDS-Infobrief enthĂ€lt Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. MĂ€nner sind mitgemeint, das Gleiche gilt fĂŒr andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete BeitrĂ€ge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke

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