1. Presseschau
Algorithmen erkennen Hassrede
An der Ruhr-Universität Bochum erforscht Prof. Dr. Tatjana Scheffler im Bereich Digitale Forensische Linguistik, auf welche Weise sich Hassrede im Internet auszeichnet und wie ihre systematische Erkennung automatisierbar sein kann. Algorithmen können mit Hilfe künstlicher Intelligenz (KI) lernen, Aussagen verschiedenen Kategorien zuzuordnen. Sprachassistenten und Übersetzungsprogramme können mittlerweile ganz gut entziffern, ob eine Textpassage eine direkte Beleidigung enthält oder nicht. Dies sei wichtig, denn durch Hassrede und Gewaltandrohungen in sozialen Medien kann Stimmung in Handlung umschlagen, wie bei dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Mit eben diesem Beispiel begann Schefflers Team. Es hat anhand tausender Nachrichten im Messenger-Dienst Telegram fünf Kategorien schädlicher Sprache definiert. Sie enthalten eindeutig aufwiegelnde Sprache („Gewalt ist gerechtfertigt“), abwertende Begriffe („Abschaum“) sowie solche, die im Kontext abwertend sein können, zum Beispiel, wenn Menschen als „Krankheit“ bezeichnet werden. Die weiteren Kategorien beinhalten die sprachliche Ausgrenzung von Menschen sowie „Insiderformulierungen“, mit denen man die eigene von anderen Gruppen abgrenzt, indem man einem Wort bei häufiger Wiederholung einen anderen als den gewohnten Sinn zuordnet. Die Kategorisierung ermöglicht selbstlernenden KI-Algorithmen, Hassrede automatisiert zu ermitteln und gegebenenfalls zu entfernen oder zumindest zu markieren. „Ohne die Expertise des Menschen wird es aber auch nicht gehen“, sagt Scheffler. Es werde immer Fälle geben, in denen Maschinen irren. Sprache und sprachliche Strukturen seien komplex, ausschlaggebend sei stets der Zusammenhang des Gesagten. (news.rub.de)
Schwimmen und Sprache
Im Rahmen des Bundesprogrammes „Integration durch Sport“ haben sich Oberhausener Sportvereine sowie mit Integration befasste Vereine zusammengeschlossen und das Gemeinschaftsprojekt „Schwimmen und Sprache“ ins Leben gerufen. Mit dem Projekt werden Kindern aus eingewanderten Familien mit traumatischen Erfahrungen Schwimmkurse angeboten, die auch eine intensive Sprachförderung beinhalten. „Unser Projekt Schwimmen und Sprache richtet sich an Kinder, die sowohl das Schwimmen als auch die deutsche Sprache noch nicht sicher beherrschen“, erklärt Wolfgang Funke, Abteilungsleiter Schwimmen des Behindertensports Oberhausen e. V. (BSO) Neben qualifizierten Schwimmlehrern und Sporthelfern beteiligt sich eine ausgebildete Sprachlehrerin an dem achttägigen Schwimm- und Sprachkurs. (lokalklick.eu)
Sprachschüler meiden Russisch
Das Institut für russische Sprache und Kultur der Universität Moskau meldet eine massenhafte Abwanderung von ausländischen Sprachschülern. Weltweit haben sich Sprachschüler, die russische Grundkenntnisse erwerben wollen, von den angebotenen Kursen verabschiedet. Zu den gewohnten Sprachschülern gehörten österreichische Skilehrer, arabische Boutiquenbesitzer, ägyptische Hotelbetreiber oder italienische Event-Manager. Offenbar sind viele, die sich für die russische Kultur und Sprache interessieren, nun von Moskaus Politik abgeschreckt. Weiterhin beliebt seien die Russischkurse bei wirklich Literaturbegeisterten, bei Studenten mit russischen Vorfahren sowie bei Verliebten mit russischem Partner, berichtet Benjamin Rifkin, Professor für russische Sprache an der Hofstra Universität in New York. Zwar seien Chinesen weiterhin treue Sprachschüler, aber wenn russische Diplome nicht mehr anerkannt werden, fehlt vielen das Motiv zum Lernen. Andererseits gibt es Enthusiasten, die sich davon nicht abschrecken lassen. Der seit sieben Jahren in Russland lebende Syrer Belal Gazi sagt: „Es ist sehr interessant, weil andere europäische Sprachen dem Lateinischen sehr ähnlich sind und nur Russisch eine so einzigartige Sprache ist. Es ist nicht wie andere Sprachen, man muss es fühlen. Und nur dann kann man verstehen, wie Russen denken. Deshalb mag ich es wirklich.“ (br.de)
Zuhören kommt gut an
Plagiatsvorwürfe, geschönte Lebensläufe und nachgemeldete Einkünfte – im Wahlkampf lief es nicht rund für Annalena Baerbock. Nach ihrer Ernennung zur Bundesaußenministerin liegt die Grünen-Politikerin auf der Politiker-Beliebtheitsskala weit oben – nur ihr Kollege Robert Habeck genießt bessere Werte. Viele Außenstehende verwundert diese Wandlung. Björn Dake führt das in seinem Beitrag auf der Onlineplattform des Bayerischen Rundfunks auf die bürgernahe Sprache und das Auftreten Baerbocks zurück. Während sie auf Pressekonferenzen auch abliest, tritt sie im unmittelbaren Kontakt mit Menschen locker auf. Sie scheue sich nicht, klare Worte zu nutzen: „Dem russischen Präsidenten Putin wirft sie ‚Kriegsverbrechen‘ vor. Die deutsche Energiepolitik und das Festhalten an Nordstream 2 nennt sie ‚fatal‘.“ Wo Bundeskanzler Scholz distanziert wirke, hole sie die Menschen ab: „Klarer als er spricht sie sich dafür aus, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern. Es wirkt in diesen Tagen so, als sei Baerbock eine Art Übersetzerin des Kanzlers, als müsse sie im Ausland erklären, was die Bundesregierung eigentlich will.“ Dafür gab es sogar von der Opposition Zuspruch. Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte nach einer ihrer Reden: „Frau Außenministerin: Sie haben gerade die Rede gehalten, die wir von unserem Bundeskanzler erwarten.“ Inhaltlich unterscheide sie sich von ihrem Vorgänger Heiko Maas nicht, aber ihr Umgang mit den Bürgern sei ein anderer – sie höre zu, so Dake. (br.de, fnp.de)
2. Gendersprache
Wie alt ist das generische Maskulinum?
Verfechter der Gendersprache, auch manche Sprachwissenschaftler behaupten unermüdlich, das (angeblich frauenfeindliche) generische Maskulinum sei erst seit relativ kurzer Zeit in der deutschen Sprache zu finden. Es sei insbesondere erst entstanden, nachdem bestimmte Gesellschaftsbereiche auch Frauen offen standen, z. B. viele Berufe. Wenn in einer sprachgeschichtlichen Quelle von „Bürgern“ oder „Bauern“ die Rede ist, so die Argumentation der Gendervertreter, sei nicht auszuschließen, dass damit tatsächlich nur männliche Vertreter gemeint waren.
Diese Behauptung wird nun abgeräumt. Die Linguisten Ewa Trutkowski (Leibniz-Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft Berlin) und Helmut Weiß (Goethe-Universität Frankfurt a. M.) haben nun eine Studie veröffentlicht, mit der sie die generische Verwendung von maskulinen Personenbezeichnungen seit althochdeutscher Zeit belegen. Sie haben nach allgemeinen Personenbezeichnungen wie Gast, Freund oder Lügner gesucht. Ihr erster Beleg ist eine althochdeutsche Schilderung der Hochzeit von Kana, die „sich solcher hohen Gäste rühmen konnte“, also: sih gésto guati \ súlihhero ruámti. Denn diese Gäste waren Christus und seine Mutter: Thar was Kríst guater \ joh sélba ouh thiu sin múater. Das Substantiv ‚gésto‘ ist maskulin plural, wird an dieser Stelle also eindeutig generisch verwendet.
Trutkowski und Weiß stellen deswegen klar: Gendersprache biete vor allem eine günstige Gelegenheit für Unternehmen und Institutionen, die sich dadurch „‚pinkwashen‘ und entsprechende ‚awareness‘ signalisieren wollen, aber bis zum Hals im Gender-Pay-Gap stecken“ – alles fernab von der sprachlichen Realität. In einem Beitrag in der WELT stellen die Sprachwissenschaftler weitere Belege aus älteren Sprachstufen des Deutschen vor. Der Text der Studie ist im Netz zugänglich. (welt.de, ling.auf.net (PDF-Datei))
Gegenderte Jünger
Der Sänger Heinz Rudolf Kunze hat sich erneut in Sachen Gendersprache positioniert. In einem Interview mit der Berliner Zeitung bezog er Stellung zum Thema Kirche und Gendern. Als überzeugter Christ war er zu Ostern irritiert, dass sich das Gendern in vielen Predigten wiederfand: „Vor vier Wochen sprach irgendein Pastor in seinem Wort zum Sonntag von ‚Jesus und seinen Jüngern und Jüngerinnen‘. Da wollte ich wieder mal aus der Kirche austreten. Die Geschichte so umzulügen, weil einem nicht gefällt, dass Jesus keine Jüngerinnen besaß, macht mich rasend.“ Er ist überzeugt, dass Gendern nur deswegen so um sich greife, weil diejenigen, „die diese Meinung vertreten, sehr aggressiv und durchsetzungsfähig sind“. Ähnlich wie der Philosoph Peter Sloterdijk empfinde er das Gendern als „neo-mittelalterliche Tollwut“: „Die deutschen bestimmten Artikel der, die, das sind nicht geschlechtsversklavend. Denn jeder ist DER Mensch, jeder ist DIE Person und jeder ist DAS Opfer – egal ob Männlein, Weiblein, divers, Pinguin oder Edelstein.“ (promisglauben.de)
3. Kultur
Krieg beschädigt Sprache
In ihrem Artikel für taz.de erklärt Sabine Berking, dass die mediale Schmutzkampagne Russland gegen die Ukraine, welche sich auch des Vokabulars des 2. Weltkriegs bediene, die russische Sprache und Kultur nachhaltig verändern werde. Berking erkundet in ihrem Artikel, ob Sprache und Kultur eine Mitschuld an Kriegsgrausamkeiten haben und ob sich die Menschen vom Russischen abkehren werden, ähnlich wie es bei dem Deutschen seit dem 2. Weltkrieg und der Schoa geschah. Berking bezieht sich auf den in der Ukraine lebenden Schriftsteller Andrej Kurkow, der im New Yorker über die Folgen des Krieges für seine Muttersprache berichtet. So geben ukrainische Kinder an, dass sie Russisch nicht als Fremdsprache lernen möchten, weil sie damit die traumatischen Kriegs- und Verlusterfahrungen verbinden. Putin zerstöre also nicht nur die Ukraine, sondern auch Russland und die russische Sprache. Berking, die die Sprache in der DDR lernte und ein positives Verhältnis zum Russischen hat, bedauert, dass die Sprache „ihre Unschuld verloren hat“. (taz.de)
Beim Deudaades!
Kölsch, Ruhrdeutsch, Sächsisch – keine Sprache ist Asterix, dem kleinen Gallier mit dem Flügelhelm fremd. Die Mundart-Ausgaben des Comics erfreuen sich großer Beliebtheit. Jetzt ist auch eine Geschichte auf Oberfränkisch erschienen. „Asterix als Gladiator“ heißt der Klassiker im Original – der Comedian und Musiker Stefan („Das Eich“) Eichner hat daraus „Dunnerkeil“ gemacht. Beim Online-Versandhändler Amazon hat der Comic bereits die Mundart-Ausgaben auf Plattdeutsch und Bayerisch überholt, so das Portal infranken.de. Wer die Oberfranken-Ausgabe bestellt, muss aktuell mit einer Lieferzeit von bis zu zwei Monaten rechnen. (infranken.de)
4. Berichte
Keineswegs inklusiv
Der Erziehungswissenschaftler und Theologe Axel-Bernd Kunze hat auf einem Diskussionsabend der Kommunalpolitischen Vereinigung Mönchengladbach ein Referat gehalten, in dem er der Frage nachging „Warum ‚gendergerechte‘ Sprache gerade nicht gerecht ist…“. Die Gendersprache „ist keineswegs inklusiv, sondern erschwert etwa den sprachlichen Zugang für Personen nichtdeutscher Muttersprache, mit Lernbehinderungen, Hör- oder Sprachbeeinträchtigungen“, so Kunze. (christlichesforum.info)
5. Denglisch
Über den Wolken
Ganz gleich ob Booking-Systeme, Fly-and-Drive-Angebote oder Backpacker-Touren – wer verreist, ist von Englisch umgeben. Der MDR stellt daher in seinem Podcast „Deutsch als Fremdsprache“ die Frage: Was ist eine Airline? Das klinge, als würde das Flugzeug einem nicht gehören. „Air leihen“, vielleicht könnte man sich den Flieger ausborgen, so ein Privatjet ist ja schließlich teuer. Das Wort Fluglinie – Fluggesellschaft sei wohl nicht gesellig genug. Mit Airline fühle man sich auch viel eher „über den Wolken“, so die Podcast-Macher. (mdr.de)
6. Soziale Medien
Wieviel verdient eigentlich ein Zimmer?
Das Bundesarbeitsministerium zeigt sich beim Kurznachrichtendienst Twitter von seiner besonders politisch korrekten Seite. Beim Hinweis auf den „Girls Day“, bei dem Mädchen und junge Frauen in „typische“ Männerberufe reinschnuppern können, macht das Social-Media-Team sich für die gleiche Bezahlung im Handwerk stark. Als Beispiel wird der Beruf des „Zimmer“ vorgestellt. Richtig gelesen – denn das bleibt als Wortstamm übrig, wenn man das Sternchen, mit dem das Arbeitsministerium das Wort garniert hat, weglässt. Gemeint ist selbstverständlich der Beruf des „Zimmerers“ – die weibliche Form ist jedoch „Zimmererin“ bzw. „Zimmerin“. Statt den Beruf korrekt zu benennen, hat sich das Arbeitsministerium dazu entschieden, den korrekten Berufstitel zu entstellen. Im gesprochenen Text des kurzen Videos wird der Beruf mit Genderpause gesprochen, also „Zimmer(Pause)innen“. Die Kommentare unter dem Video zeigen die sprachliche Problematik auf, die beim Gendern entsteht: Ein Nutzer fragt, ob man mit der Ausbildung „Zimmer“ im Hotel arbeiten kann, ein anderer vermutet, dass jemand, der eine Mauer baut, dann ein „Mauer*in“ sei. (twitter.com)
7. Kommentar
Während Genderfreunde mit immer neuen Wendungen („Jünger und Jüngerinnen Jesu“) ihre Energie vergeuden, wächst ein nicht erdachtes Problem. Allen Ernstes wird in Orchestern gestritten, ob das angekündigte Tschaikowskykonzert nicht dringend zu ersetzen sei, und die vor ihrem Regime geflüchteten Russen (egal welcher Gesinnung) erleben Ausgrenzung wegen ihrer Sprache. Hierzulande sollte uns die Gedankenblässe dieser Tendenz bekannt vorkommen. Lange kamen Deutsche in amerikanischen Filmen vorzugsweise mit knallharter Starksprache vor und, damit nichts schief ging, erkannte man sie an ihren Wehrmachtshelmen, die offenbar auch im Wohnzimmer nicht abgenommen wurden. Zugegeben, zwölf Jahre lang kam kulturell nicht viel aus unserem Land. Jetzt sind die Russen dran. Pfeift auf Tschechow, Dostojewski, Solschenizyn: Russisch ist eklig, denn „die Russen glauben der Staatspropaganda!“ Nun, Kultur findet trotzdem statt. Nebenbei sei daran erinnert, auch für viele Ukrainer ist Russisch die Muttersprache. Das Kind muss nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Merke: Die Sprache kann nichts dafür. Die Sprache entscheidet nichts, sie grenzt nicht aus, sie tut überhaupt nichts. Sie kann das gar nicht, das können nur Menschen, indem sie die Sprache missbrauchen. (ob)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke