Infobrief vom 4. September 2022: Das rote Apothekenlogo soll weg

1. Presseschau

Das rote Apothekenlogo soll weg

Jan Böhmermann, bekannt als sprachgewaltiger Satiriker, fordert in der neuesten Folge seines Podcasts mit Olli Schulz Fest und Flauschig, die deutschen Apotheken sollten ihr traditionelles Logo abschaffen. Das rote Apotheken-A in Frakturschrift sei ein „Nazizeichen“, eingefĂŒhrt im Jahr 1936. Apotheken in Europa hĂ€tten in der Regel ein grĂŒnes Kreuz als Logo, nur nicht die deutschen. Der Satiriker behauptet, das Logo sehe „auch echt scheiße“ aus. (br.de)


Prospekt per WhatsApp

Das Magazin WuV („Aktuelle Nachrichten fĂŒr Marketing und Werbung und Media“) berichtet ĂŒber die AnkĂŒndigung des LebensmitteleinzelhĂ€ndlers Rewe, dass ab Sommer 2023 keine gedruckten Prospekte mehr ausgeteilt werden. Kunden können dann den Handzettel auch digital ĂŒber den Nachrichtendienst WhatsApp erhalten. Die Unternehmensstrategie lege Wert auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung, gibt Bastian Tassew, leitender Kundenbetreuer sowie Leiter der hauseigenen MedienkanĂ€le, bekannt. (wuv.de)


Olaf Henning verteidigt „Cowboy und Indianer“

Im Zuge der Rassismusdebatte rund um Karl Mays Winnetou steht nun auch ein deutscher SchlagersĂ€nger in der Kritik. Olaf Hennings bekanntestes Schlagerlied „Cowboy und Indianer“ sei „rassistisch“, berichtet die Bunte. Henning selbst weist Diskriminierungs- und RassismusvorwĂŒrfe ab. „Der Song symbolisiert Spaß am Leben (…) Ich lasse mir den Song nicht verbieten“. Der Ravensburger Verlag nahm zuvor bereits mehrere Winnetou-BĂŒcher aus dem Handel und auch ARD zeigt fortan keine Karl-May-Filme mehr. Die Darstellung der amerikanischen Ureinwohner, sowie die Bezeichnung „Indianer“ gelten als rassistisch und „verletzen die GefĂŒhle anderer“, erklĂ€rt der Verlag. Die Native American Association of Germany (NAAG) unterstĂŒtzt diese Entscheidung. Sein Partylied möchte Olaf Henning jedoch weiterhin spielen. „Ich finde die Kulturdebatte lĂ€cherlich. (…) Außerdem spielt jedes Kind mal Cowboy und Indianer“. (bunte.de)


2. Gendersprache

Nicht gegendert – KĂŒndigung!

Die Welt stellt Klaus Roggenthin vor, promovierter Soziologe und seit 2011 GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Bundesarbeitsgemeinschaft fĂŒr StraffĂ€lligenhilfe, ein von sechs SozialverbĂ€nden getragener und zum Großteil aus Steuermitteln finanzierter Verein. Allerdings ist er nicht mehr lange GeschĂ€ftsfĂŒhrer, denn zum Oktober 2022 wurde ihm gekĂŒndigt. Er hatte sich geweigert, seine beruflichen Veröffentlichungen in Gendersprache zu verfassen. Es sei doch absurd, die Lesbarkeit von Texten, „durch die EinfĂŒhrung einer Kunstsprache zunichtezumachen, die den Regeln der deutschen Rechtschreibung widerspricht und an der Lebenswelt der Adressaten völlig vorbeigeht“, sagt er. Der Vorstand seines Vereins erklĂ€rte die Gendersprache aber im FrĂŒhjahr 2022 fĂŒr alle Mitarbeiter fĂŒr verpflichtend. Roggenthin fragte seinerzeit nach, ob das auch fĂŒr Interviewtexte gelte, in denen die Befragten keine Genderformen verwenden. Als Antwort erhielt er die KĂŒndigung. Nun hat Roggenthin gegen dieses Vorgehen Klage eingereicht und wird dabei durch den VDS unterstĂŒtzt. Das Arbeitsgericht Bonn wird ĂŒber den Fall am 7. September verhandeln. (welt.de (Bezahlschranke))


StreitgesprÀch im Stern

Im Stern unterhalten sich Sabine Mertens, Leiter der VDS-AG Gendersprache und Jungredakteur Maximilian Sepp ĂŒber das Gendern. FĂŒr den Redakteur ist Gendersprache nichts als Sprachwandel, der eine gewisse Zeit braucht, um sich durchzusetzen. FĂŒr Mertens hat das nichts mit Sprachwandel zu tun, sondern mit Vorgaben einer „radikalen, lauten Minderheit, die dieses Thema immer wieder vorbringt.“ Es seit grotesk zu glauben, MĂ€nner hĂ€tten sich zusammengerottet „und die Frauen durch Sprache unsichtbar gemacht‟, so Mertens. Als Verantwortliche fĂŒr die Arbeitsgruppe hat Mertens eine Petition gestartet, welche die Abkehr von der Gendersprache in Politik, Verwaltungen, Bildung und Gesetzgebung fordert. Bis jetzt zĂ€hlt die Petition mehr als 31.000 Unterschriften. (Anmerkung der Red.: Frau Mertens wĂŒnscht als Leiter bezeichnet zu werden) (stern.de (Bezahlschranke), openpetition.de)


Gremium fĂŒr Gendersprache

Der Queerbeauftragte der Bundesregierung Sven Lehmann hat einen neuen Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit vorgestellt. Die Ampelkoalition setze sich anhand eines Maßnahmenkatalogs fĂŒr den Schutz und die Akzeptanz der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt ein, berichtet der Spiegel. Auch Gendersprache ist ein Thema des Aktionsplans. Ein Gremium fĂŒr gendersprachliche Empfehlungen fĂŒr den öffentlichen Dienst ist vorgesehen. (spiegel.de)


3. Sprachspiele: Unser Deutsch

Zwei russische Wörter

In dieser Woche finden wir in den Online-Medien wenig, was mit unserem Thema, der Sprache direkt zu tun hĂ€tte. Aber wir besinnen uns des gestorbenen Michail Gorbatschow auch ohne Netzverweise. Er hat unserer Sprache etwas hinterlassen. In der Zeit berichtet Tilman Steffen, wie er als junger BĂŒrger der DDR den GeneralsekretĂ€r des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion als „Gorbatschow, mein Freund“ erlebte. Ähnlich ging es vielen Deutschen. Nachhaltig geht uns Sprachfreunden ein Beitrag zur deutschen Sprache aus dem Russischen nahe. Er besteht aus den Wörtern Perestrojka und Glasnost, die wir als Lehnwörter vereinnahmt haben. Sie wurden zu Begriffen des Wandels in der Sowjetunion. Glasnost bedeutet so etwas wie Stimmhaftigkeit, es wurde im Sinne von „die Dinge benennen“ verwendet. Hierzulande bĂŒrgerten sich Offenheit, Transparenz und „Herstellen von Öffentlichkeit“ als treffende Übersetzungen ein. Sie waren von dem Wunschdenken geprĂ€gt, es möge Gorbatschow gelingen, was er begonnen hat. Perestrojka wird bei uns zutreffend als Umstrukturierung verstanden, auch Umbau oder Umgestaltung, in der Sowjetunion ging es um die Lockerung der Direktiven in der zentral verwalteten Wirtschaft. Übrig geblieben ist die Erinnerung an unseren Ausblick auf eine friedliche Zukunft, vielleicht auch auf AnstĂ¶ĂŸe fĂŒr die Politik im eigenen Lande. Im Sprachgebrauch sind es die russischen Vokabeln, die wir bewahren. (zeit.de (Bezahlschranke))

4. Kultur

Landkreis startet Umfrage

Der bayerische Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge startet eine Online-Umfrage, die klĂ€ren soll, welche Aussprachevariation des Landkreisnamens die richtige sei. Zur Auswahl stehen „Wousiegl“ und „Wousiedl“. Die regionale Kampagne „Freiraum Fichtelgebirge“ will nĂ€mlich erfassen, wie die einzelnen Ortsnamen der Region in unterschiedlichen Dialekten ausgesprochen werden. Interessierte haben in der Netzumfrage die Wahl unter Aussprachevarianten von 24 Ortsnamen in den Landkreisen Wunsiedel und Bayreuth. Die Antworten sollen daraufhin als Grundlage fĂŒr ein neues Projekt zum Thema regionale IdentitĂ€t dienen. Das Ziel sei es, durch die Umfragen und das anstehende Projekt, das „Selbstbewusstsein der Region“ zu stĂ€rken. (br.de)


5. Berichte

Kartoffeln in Brasilien

Der brasilianische Schriftsteller ZĂ© do Rock, der auch Mitglied im VDS ist, hat jetzt eine eigene Kolumne im Magazin Telepolis, worin er ĂŒber seine „Begegnungen mit Deutschland und den Deutschen“ schreibt. Im ersten Beitrag geht es um seine familiĂ€ren Wurzeln im damals von europĂ€ischer Einwanderung geprĂ€gten Brasilien, „wo die affen toben und die Tapire tanzen“. In der ihm eigenen, freischwebenden Rechtschreibung erklĂ€rt ZĂ© do Rock das gespaltene Bild von Deutschen in Brasilien, die dort „batata, also Kartoffeldeutshe“ genannt werden oder „Polacos“. Sein kurzweiliger Beitrag schließt so: „Ja, das sind sie: meine Telefonleitung ging nich mer, ich wollte die Telekom anrufen aber da war schon ein Schreiben im briefkasten: ‚Wir mĂŒssen Ihren Anschluss sperren, weil wir keine Adresse von Ihnen haben‘. Das shikt de Deetshe Telekom. An mein adress.“ (heise.de)


Schulaufsicht untersagt Gendersprache

Die VDS-Arbeitsgruppe Gendersprache meldet einen weiteren Erfolg gegen das Gendern. Der Vater eines SchĂŒlers aus TĂŒbingen setzte sich dagegen zur Wehr, dass seitens der Schule offiziell in der Kommunikation mit Eltern und auf der Netzseite der Schule gendersprachlich formuliert wird – etwa mit dem Genderstern bzw. dem Genderdoppelpunkt. Er machte gegenĂŒber der Schulaufsicht in mehreren Eingaben deutlich, dass solche Sonderzeichen nach den Vorgaben der amtlichen Rechtschreibung nicht zulĂ€ssig seien.

Auf eine förmliche Dienstaufsichtsbeschwerde hin teilte ihm das zustĂ€ndige RegierungsprĂ€sidium nunmehr mit, dass die Schule aufgefordert wird, „sich in ihrer amtlichen und öffentlichen Kommunikation zukĂŒnftig an das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu halten, d.h. auf die Verwendung von Genderstern, Binnen-I, Gendergap und SchrĂ€gstrich ohne ErgĂ€nzungsstrich in ihrer schriftlichen Kommunikation sowie in ihrer Außendarstellung auf der Homepage oder im Rahmen von Veröffentlichungen zu verzichten.“

Claus Maas, Leiter der VDS-Arbeitsgruppe „Deutsch in der Schule“ sieht darin eine BestĂ€tigung der Auffassung, dass Gendersprache zumindest in dieser Form an Schulen nichts verloren hat. Der VDS fordert zu Beginn des neuen Schuljahres die Elterngremien an Schulen auf, den im Schulumfeld unzulĂ€ssigen Gendersprach-Gebrauch in den anstehenden ZusammenkĂŒnften anzusprechen und auf die Einhaltung einer korrekten Standardsprache sowohl im Unterricht als auch in der schulischen Kommunikation zu drĂ€ngen. Der VDS bietet Eltern Argumentationshilfe und Hinweise auf die schulrechtlichen Bestimmungen an. (vds-ev.de)


„SĂŒttember“ 2022

Auch in diesem Jahr steht der September im Zeichen der Handschrift. Der digitale Aktionsmonat „SĂŒttember“ kĂ€mpft gegen den Verlust einer ĂŒber Jahrhunderte gewachsenen Kulturtechnik. Details, Materialien und Informationen zum SĂŒttember-Programm 2022 lassen sich auf folgender Seite finden: vds-ev.de.


6. Denglisch

Sammler-Unmut

Zum 100-jĂ€hrigen JubilĂ€um der Schweizer Flugsicherung hat die Schweizerische Post eine Sondermarke herausgegeben. Die Briefmarke zeigt eine Passagiermaschine mit einer Momentaufnahme von Flugzeugpositionen, wie sie auf den Monitoren der Flugverkehrsleitenden zu sehen sind. Der Schriftzug auf der Marke lautet: „100 Years of Swiss Air Traffic Control‟. Mit der Briefmarke „wollen wir nicht nur Sammlerinnen und Sammler, sondern auch Luftfahrt-Enthusiasten begeistern“, sagt Thomas Baur, Leiter PostNetz und Mitglied der Konzernleitung Post. Die genannten Sammler sind allerdings bisher wenig begeistert. „Warum muss eine Briefmarke der Schweizer Post ausschließlich in englischer Sprache sein“, fragen sie zu Recht. (luzernerzeitung.ch (Bezahlschranke))


7. Kommentar

Beim Fischen nach MedienbeitrĂ€gen zu unserem Thema Sprache, auf die wir dann im Infobrief hinweisen, finden wir immer öfter bestĂ€tigt: Geht es um sexuelle BelĂ€stigung, um kulturelle Aneignung, um die Beleidigung von Minderheiten, ist die Sprache nur Spielball, eine Nebensache. So ist neuerdings ganz verpönt, was alte weiße MĂ€nner zu sagen hĂ€tten, am besten sollten sie die Klappe halten. Im Bekanntenkreis hört man schon mal Klagen alter weißer Frauen, sie möchten auch einmal diskriminiert werden. Der Streit in allen Gassen gilt der Frage, wie die Welt endlich verbessert werde, wenn wir die anstĂ¶ĂŸigen durch keimfreie Wörter aus der Welt ersetzen. Wer sich noch ein Sprachempfinden bewahrt hat, wundert sich. Unser erwĂŒnschtes, ja erzwungenes TaktgefĂŒhl wird so allmĂ€hlich außer Betrieb gesetzt: Ich unterlasse eine Bemerkung nicht mehr aus eigener Einsicht, sondern weil ich die Teilnahme meiner Enkel am Kindergeburtstag nicht gefĂ€hrden möchte. Ob derlei zum Ziel fĂŒhrt? Vermutlich nicht, denn Zorn und Witz suchen und finden ihre Bahn – dann eben im Untergrund. Xenophobie (Furcht vor Fremden) durch Anordnung oder Ächtung zu beseitigen, ist noch nie wirklich gelungen. Dass bei dem ganzen Trubel die Sprache verarmt, tut weh, das soll es offenbar. Womit wir wieder bei der Absicht sind. Auch fĂŒr lobenswerte Ziele wird Sprache nur benutzt als Stachel: zur Schaffung eines wachen Bewusstseins. Ob der Zwang zur Tugend die Welt verbessert? Mal sehen. Dereinst werden wir zurĂŒckblicken, was die heilige Verfolgungsjagd auf jene, die sich im Ton vergreifen, eigentlich gebracht hat. Zwei Folgen sind vorhersehbar: Die Diskriminierung von Minderheiten gibt es weiterhin – sie funktioniert auch wortlos –, und die Sprache als Werkzeug fĂŒr Gerechtigkeit ist stumpf geworden. Noch etwas: Das Ganze wird den Spaß verderben, die Freude an Wortspielen leben wir unter vorgehaltener Hand aus, Witze erzĂ€hlen wir im Keller, alle Satire opfern wir einander widersprechenden, puritanischen Lehren. Vielleicht auch nicht. Unserer Phantasie kennt keine Grenzen, wie wir den NĂ€chsten entweder lieben – oder verachten können. (Oliver Baer)


Der VDS-Infobrief enthĂ€lt Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. MĂ€nner sind mitgemeint, das Gleiche gilt fĂŒr andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete BeitrĂ€ge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

Beginne damit, deinen Suchbegriff oben einzugeben und drĂŒcke Enter fĂŒr die Suche. DrĂŒcke ESC, um abzubrechen.

ZurĂŒck nach oben