Infobrief 369 (27/2017): Deutsche Klassik bei Donald Duck und Micky Maus

7. Juli 2017

1. Presseschau vom 30. Juni bis 6. Juli 2017

  • Deutsche Klassik bei Donald Duck und Micky Maus
  • Kantiger Bayer, erfahrener Lehrer
  • Mehr Helvetismen

2. Unser Deutsch

  • Sprachwandel per Gesetz

3. Berichte

  • Wunderbares in Saerbeck
  • Sprachvorbild KATHI
  • Luthers Deutsch

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Buch zum Lehrer-Welsch-Sprachpreis

6. Neues Denglisch

  • Campen und cornern

 

1. Presseschau vom 30. Juni bis 6. Juli 2017

Deutsche Klassik bei Donald Duck und Micky Maus

© TheFoxx2 / CC BY-SA 3.0 / de.wikipedia.org

Die WELT erinnert an die 2005 verstorbene Kunsthistorikerin Dr. Erika Fuchs, die von 1951 bis 1988 die Entengeschichten des Zeichners Carl Barks ĂŒbersetzt hat und damit berĂŒhmt geworden ist. Fuchs sei „die Fusion amerikanischer Popkultur mit der Sprache des deutschen BildungsbĂŒrgertums“ gelungen, so die WELT. So können schon Tick, Trick und Track den RĂŒtlischwur aus Schillers „Wilhelm Tell“ zitieren: „Wir wollen sein ein einig Volk von BrĂŒdern, in keiner Not uns waschen und Gefahr“. Und auch Geldmagnat Dagobert sinniert ganz im Stil der deutschen Klassik: „Leichtfertig ist die Jugend mit dem Wort und bar jeden Sinnes fĂŒr geschĂ€ftliche Dinge.“ Das Stilmittel des Inflektivs (ihr zu Ehren auch „Erikativ“ genannt) ist in der deutschen Alltagssprache seit Erika Fuchs verbreitet, obwohl es in der deutschen Grammatik nicht vorgesehen ist: grĂŒbel, kratz, denk.
Wer Sprachkunst im Comic einmal hautnah erleben möchte, kann das im Erika-Fuchs-Haus in Schwarzenbach a. d. Saale tun, das am 1. August seinen zweiten Geburtstag feiert. (welt.de, erika-fuchs.de)

 

Kantiger Bayer, erfahrener Lehrer

Fast dreißig Jahre lang war Josef Kraus PrĂ€sident des Deutschen Lehrerverbands. FĂŒr eine weitere Amtsperiode trat er nun nicht mehr an. Dies nimmt die FAZ-Redakteurin Heike Schmoll zum Anlass, auf seine bisherigen Leistungen als Lehrer, Schulleiter und Bildungskritiker zu blicken. Kraus hat fĂŒnf BĂŒcher geschrieben (u. a. „Helikopter-Eltern“, 2013), kĂ€mpft fĂŒr ein „strukturiertes, gegliedertes Schulsystem“ und hĂ€lt jĂ€hrlich ĂŒber hundert VortrĂ€ge. Einer davon war sein vielbeachteter Auftritt auf der VDS-Delegiertenversammlung in Rudolstadt im Jahr 2013 mit dem Titel: „Sprachliche Bildung ist nicht alles, aber ohne solide sprachliche Bildung ist alles nichts!“
„RĂŒffel aus dem MĂŒnchner Kultusministerium waren ihm herzlich gleichgĂŒltig und ein Ansporn“, so Schmoll.
Der Deutsche Lehrerverband, mit rund 160.000 Mitgliedern die grĂ¶ĂŸte Lehrerorganisation in Deutschland außerhalb der Gewerkschaften, wird kĂŒnftig von Heinz-Peter Meidinger gefĂŒhrt, der bisher Vorsitzender des Deutschen Philologenverbands war. (faz.net)

 

Mehr Helvetismen

In der Neuen ZĂŒrcher Zeitung geht es um den „kleinen Komplex“ der Schweizerdeutschen besonders bei der Aussprache des Hochdeutschen. „Man höre nur, wie manche gestandene Parteivertreter im Bundesparlament radebrechen oder wie wir in Debatten mit nördlichen Nachbarn verstummen angesichts von deren Eloquenz“, schreibt Urs BĂŒhler. Er plĂ€diert dafĂŒr, selbstbewusster aufzutreten und besonders beim Wortschatz schweizerdeutsche Eigenarten zu pflegen. Denn der Rechtschreibduden kennzeichnet heute rund 1.000 Helvetismen mit „schweiz.“ BĂŒhler fragt sich, warum man in der Schweiz „stĂ€ndig gedankenlos Anglizismen reproduziert, die SprachschĂ€tze vor der eigenen HaustĂŒr aber verschĂ€mt im OberstĂŒbchen verstaut“. Statt „location“ gebe es z. B. eine „Beiz“. Generell lasse die lautmalerische Kraft des Schweizerdeutschen die Standardsprache oft verblassen, wie in: FĂŒdlibĂŒrger (Spießer), Sommervogel (Schmetterling), Velo (Fahrrad), Zustupf (Zuschuss), Schnauf (Atemzug) oder dem Verb schubladisieren (sich nicht weiter mit etwas befassen). (nzz.ch)

 

2. Unser Deutsch

Sprachwandel per Gesetz

Was macht die Debatte um die ‚Ehe fĂŒr alle‘, die gesetzliche Gleichstellung von Ehe und Partnerschaft, so emotional? Es ist auch die Anmaßung des Gesetzgebers, das Sprachwissen um das Wort ‚Ehe‘ neu definieren zu wollen. Seit dem Mittelalter hat ‚Ehe‘ die heutige Bedeutung einer lebenslang versprochenen, gesetzlich oder kirchlich besiegelten ‚Verbindung von Mann und Frau‘. Mit dem Wort ist auch die außerordentliche WertschĂ€tzung der Ehe, ihre soziale, wirtschaftliche, religiöse und natĂŒrlich auch erotische Bedeutung verknĂŒpft. Ein breites Wortfeld von Zusammensetzungen und Ableitungen enthĂ€lt diesen Begriff: von ‚Ehegatte‘ und ‚Eheleute‘ bis zu ‚Ehebruch‘ und ‚Ehescheidung‘, von ‚ehelich‘ bis ‚ehelichen‘, und auch Abweichungen wie ‚Mischehe‘, ‚Scheinehe‘, ‚Ehe zur linken Hand‘, implizieren diese Bedeutung. Auch unser Grundgesetz und das BĂŒrgerliche Gesetzbuch kennen nur dies VerstĂ€ndnis des Wortes ‚Ehe‘.
Die Partnerschaft von Mann und Mann, von Frau und Frau kann der Ehe völlig gleichgestellt werden – auch in der Adoption – und wird dennoch niemals Ehe im bekannten, im selbstverstĂ€ndlichen Sinne sein können. Darum wirkt es auch nach wie vor etwas befremdlich, wenn MĂ€nner ‚mein Mann‘ sagen und Frauen ‚meine Frau‘, wenn sie von ihrem Partner reden. Denn diese AusdrĂŒcke implizieren das VerstĂ€ndnis der Ehe, nach denen MĂ€nner eine Frau, und Frauen einen Mann haben. Das Dringen auf das Wort ‚Ehe‘ fĂŒr die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ist der Versuch, sich dessen Semantik und damit die WertschĂ€tzung der ‚Verbindung von Mann und Frau‘ anzueignen. Dazu ist kein Gesetzgeber befugt. Er darf und soll vieles regeln, aber die Sprache soll er gefĂ€lligst in Ruhe lassen.

Prof. Dr. Horst Haider Munske (Professor em. fĂŒr Germanische und deutsche Sprachwissenschaft und Mundartkunde und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des VDS)

 

3. Berichte

Wunderbares in Saerbeck

Zur Vorbereitung des Tags der deutschen Sprache am 9. September 2017 kĂŒndigt der VDS in der Region MĂŒnster „Wunderbares aus aller Welt“ an. Bei einer Veranstaltung werden sich die VDS-Mitglieder und Freunde der deutschen Sprache in Kurzgeschichten, Gedichten und Anekdoten mit dem Begriff „Wunder“ im Deutschen und in anderen Sprachen auseinandersetzen. (wn.de)

 

Sprachvorbild KATHI

Das hallesche Traditionsunternehmen „KATHI Rainer Thiele GmbH“ erhĂ€lt von der VDS-Region Sachsen-Anhalt den Titel „Sprachvorbild“. Die Auszeichnung wird dem GeschĂ€ftsfĂŒhrer Marco Thiele vom VDS-Vorstandsmitglied Dr. Reiner Pogarell und der Regionalleiterin Arne-Grit Gerold ĂŒberreicht. (hallelife.de)

 

Luthers Deutsch

Die Ausgabe 74 der Sprachnachrichten ist soeben erschienen. Schwerpunktthema sind die sprachlichen Leistungen Martin Luthers, der 1534 die Bibel aus dem Griechischen und HebrĂ€ischen ins Deutsche ĂŒbersetzte und damit die Tauglichkeit der deutschen Sprache als Hoch- und als Kultursprache unter Beweis stellte. Im SN-Interview Ă€ußert sich der Historiker Prof. Dr. Michael Wolffsohn zu fehlendem Patriotismus in Deutschland und zu den Folgen der Bologna-Reformen fĂŒr die deutschen UniversitĂ€ten. (vds-ev.de)

 

4. VDS-Termine

8. Juli, Region 42 (Bergisch-Land)
Infostand auf der Cronenberger Werkzeugkiste (www.cronenberger-werkzeugkiste.de)
Zeit: 10:00 – 16:00 Uhr
Ort: HĂŒtter Straße in Wuppertal-Cronenberg

12. Juli, Region 04 (Leipzig)
Regionalgruppentreffen mit Vorstellung der beiden Regionalleiterinnen Angelika Snicinski-Grimm und Beate Meckert
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Villa Tangermann, Ludolf-Colditz-Straße 34, Leipzig

12. Juli, Abidjan/ElfenbeinkĂŒste
Pressekonferenz der VDS Regionalvertreter mit Dr. ZeliolĂ© (ENS Abidjan), Mareike Steinberger (Goethe-Institut) und Franck Adam Kakou (VDS-ElfenbeinkĂŒste)
Zeit: 9:00
Ort: Goethe-Institut Abidjan

13. Juli, Region 58 (Hagen, Ennepe-Ruhr, Mark)
Regionalversammlung mit einem Vortrag von VDS-GeschĂ€ftsfĂŒhrer Dr. Holger Klatte: „Neues aus der VDS-Arbeit“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gasthaus Humpert am Höing, Fleyer Straße 123, 58097 Hagen

13. Juli, Region 70,71,73,74 (Stuttgart, NordwĂŒrttemberg)
Regionalversammlung mit dem Schwerpunktthema „Sprache und Politik“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: BrauereigaststĂ€tte Dinkelacker, TĂŒbinger Straße 46, 70178 Stuttgart

15. Juli, Region 60 (Frankfurt/Main)
VDS-Informationsstand
Zeit: 11:00 – 14:00 Uhr
Ort: Fressgasse (KalbĂ€chergasse Ecke Börsenstraße 1), Frankfurt am Main

Sprache der Politik

Das 18. Duisburger RathausgesprĂ€ch befasst sich mit der Sprache der Politik. Welche Aufgabe kommt Politikern zu, wie muss ihre Sprache, ihre Rhetorik, ihre Kommunikation sein, damit BĂŒrger nicht manipuliert und gesteuert werden können, sondern mĂŒndig und wissend werden und bleiben? Hat Politik aber daran ĂŒberhaupt ein Interesse? Dies klĂ€rt die Hörfunkjournalistin Randi Crott mit der Duisburger Bundestagsabgeordneten BĂ€rbel Bas, dem Historiker und Kulturwissenschaftler Jörn RĂŒsen, dem Kommunikations- und Medienwissenschaftler Gerhard Vowe, dem Rhetorik-Trainer Jonathan Scholbach und der Politikstudentin Nina Wagemeyer. (focus.de)

 

5. Literatur

Buch zum Lehrer-Welsch-Sprachpreis

Am 4. September 2017 wird der Kölner Mediziner und VDS-Mitglied Gerhard Uhlenbruck fĂŒr sein literarisches Schaffen und seine Verdienste um die kölsche Sproch und die deutsche Sprache mit dem bekannten Lehrer-Welsch-Sprachpreis ausgezeichnet. Der Verlag Brockmeyer nimmt dies zum Anlass ein weiteres Buch des Lyrikers herauszugeben: „Kein Satz ist fĂŒr die Katz“ ist sein Titel. (brockmeyer-verlag.de)

 

6. Neues Denglisch

Campen und cornern

Der G20-Gipfel in Hamburg gibt nicht nur Anlass fĂŒr Protest, sondern ist auch Auslöser neuer Protestformen. Nachdem die Stadtregierung das gemeinsame Zelten von G20-Gegnern verboten und die Polizei mehrere ZeltplĂ€tze wieder abgebaut hatte, treffen sich die Demonstranten zum Herumstehen an Straßenecken, denn das ist erlaubt. Sie nennen das „cornern“, ein Verb, das ursprĂŒnglich aus der US-amerikanischen Hip-Hop-Kultur stammt. In der New Yorker Bronx traten in den 70er Jahren Musiker und TĂ€nzer an Straßenecken zu kleinen Wettbewerben gegeneinander an.
Ob das „Cornern“ in Deutschland tatsĂ€chlich mehr ist als nur gemeinsames Biertrinken an der Straßenecke, fragt sich die NDR-Journalistin Elise Landschek. (sueddeutsche.de,
deutschlandfunkkultur.de)

 


 

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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

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