29. Dezember 2017
1. Presseschau vom 22. bis 28. Dezember 2017
- Goethes letzte Worte
- Deutsch in den USA
- Wie Yoda du sprichst
- Neues in der Grimmwelt
2. Unser Deutsch
- Hals- und Beinbruch
3. VDS-Termine
4. Literatur
- HeimatgefĂŒhle in Deutschland
5. Denglisch
- Save the Date
1. Presseschau vom 22. bis 28. Dezember 2017
Goethes letzte Worte
Deutsch in den USA
ARD und ZDF zeigen derzeit die Dokumentation âTrachten, Tradition und Trumpâ ĂŒber Spuren der deutschen Sprache und die âGerman Americansâ (also US-Einwohner mit deutschen Wurzeln) in den USA. Denn ĂŒber 45 Millionen US-BĂŒrger gaben 2015 in einer Umfrage âGermanâ als ihre Hauptabstammung an. In der Sendung geht es um die Orte New Braunfels und Fredericksburg in Texas, um âWurstfesteâ und den eigenen deutsch-texanischem Dialekt. (zdf.de)
Wie Yoda du sprichst
Passend zum Erscheinen des neuesten Films aus der Star-Wars-Saga will ein Londoner Professor fĂŒr Linguistik nun herausgefunden haben, was die Muttersprache des kleinen grĂŒnen Jedi-Meisters mit den spitzen Ohren ist: Hawaiianisch. David Adger von der Queen-Mary-UniversitĂ€t interpretiert den ungewöhnlichen Satzbau der Figur als Ergebnis der Ăbertragung struktureller Elemente des Hawaiianischen auf die Zweitsprache Englisch, die Yoda spĂ€ter gelernt habe. Auch bei realen Menschen könne man anhand syntaktischer Merkmale die Erstsprache bestimmen. (nau.ch)
Neues in der Grimmwelt
In Kassel, der Stadt der Verleihung des Kulturpreises Deutsche Sprache und Heimatstadt der BrĂŒder Wilhelm und Jacob Grimm gibt es mit der Grimmwelt ein Museum, das sich schwerpunktmĂ€Ăig mit Werk und Leben der weltberĂŒhmten MĂ€rchenerzĂ€hler auseinandersetzt. Die neue Ausstellung âHörenSagen: Antike Mythen â Grimmsche Sagen â Digitales ErzĂ€hlenâ spannt einen Bogen aus der antiken Vergangenheit ĂŒber die Grimmschen MĂ€rchen bis zur Gegenwart, indem die erzĂ€hlerische Form der Sage, das reale Leben auszuschmĂŒcken und spannender zu gestalten, verglichen wird mit Fakten und Falschnachrichten in der heutigen Medienwelt. Die Ausstellung will verdeutlichen, dass ErzĂ€hltes immer unterschiedlich zu dem ist, was wir RealitĂ€t nennen und stellt die GlaubwĂŒrdigkeit in Frage. So werden bei einer Mitmachaktion Fotos der Ausstellungsbesucher grafisch bearbeitet und die gefĂ€lschten Bilder durch Computer analysiert. (zeit.de, hna.de)
2. Unser Deutsch
Hals- und Beinbruch
Das wĂŒnschen wir, wenn jemand GefĂ€hrliches vor sich hat. Unter Seglern ist auch eine Abwandlung gebrĂ€uchlich: Mast- und Schotbruch, und bei MilitĂ€rs das makabre Kopf- und Bauchschuss. Warum diese VerwĂŒnschungen, die Gutes meinen? Und woher kommen sie? Der Aberglaube sagt, man könne damit Missgeschicke abwenden. Nehmen wir es lieber als ironische Verkehrung eines freundlichen Wunsches. Er war einst bei KĂŒnstlern verbreitet, heute heiĂt es eher toitoitoi nebst dreimaligem Ausspucken oder auf Holz klopfen.
Aber woher? Eine verbreitete Deutung weist auf eine jiddische Quelle hin: hazlÏche un brÏche âGlĂŒck und Segenâ, eine hebrĂ€ische Wendung, die unter deutschen Juden gelĂ€ufig war. Haben vielleicht KĂŒnstlerkollegen, die den Sinn, aber nicht das Wort verstanden, diese Verballhornung geprĂ€gt? Oder war es bloĂ ein verbaler KĂŒnstlerjux fĂŒr das âchristlicheâ Umfeld? Die Wissenschaft tappt im Dunkeln. Nur eines ist offensichtlich: Alle Indizien deuten auf eine typische Volksetymologie. Dabei wird ein undurchsichtiges Wort durch lautliche Umformung verstĂ€ndlich gemacht. HebrĂ€ische Wörter im Jiddischen, die ins Deutsche gelangten, sind von solcher Umdeutung besonders leicht betroffen. Auch der NeujahrsgruĂ Guten Rutsch wird von einigen Interpreten so gedeutet: aus dem jiddischen Wort rosch, das im Namen des jĂŒdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schama âAnfang des Jahresâ enthalten ist.
Entlehnungen aus dem Jiddischen in die deutsche Umgangssprache und vor allem in deutsche Dialekte sind das Zeugnis jahrhundertelangen Zusammenlebens von Christen und Juden in Stadt und Land. Neuere WörterbĂŒcher zĂ€hlen ĂŒber 2000 Wörter und Wendungen. Sie stammen fast immer aus den hebrĂ€ischen Elementen des Jiddischen. Die bekanntesten sind Substantive wie Chuzpe, Kaff, Macke, Reibach, Stuss, Schlamassel, Tacheles, Zoff und Zocker, Adjektive wie betucht, kess, koscher, meschugge, pleite und auch etliche Verben wie mauscheln, malochen, mosern, schmusen, schachern und zocken. Sie sind aus dem Kontakt gesprochener Sprache hervorgegangen, darum lautlich und orthographisch integriert. Die jĂŒdische Bevölkerung Deutschlands wurde Opfer der Nazi-Verbrechen, ihr Hab und Gut wurde geraubt. Doch ihr sprachliches Erbe lebt im Deutschen fort.
Hals- und Beinbruch, hazlÏche un brÏche, wĂŒnscht zum neuen Jahre allen Lesern dieser Glossen sowie der kĂŒnftigen Bundesregierung
Ihr Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor fĂŒr Germanistische Sprachwissenschaft an der UniversitĂ€t Erlangen-NĂŒrnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. ErgĂ€nzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. VDS-Termine
1. Januar, Deutsches Musikradio
âWortspielâ beim Deutschen Musikradio DMR mit Stefan Ludwig und Holger Klatte
Sendungsseite: deutschesmusikradio.de
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr
4. Literatur
HeimatgefĂŒhle in Deutschland
Im Deutschlandfunk Kultur Ă€rgert sich der Schriftsteller Rafik Schami ĂŒber Bequemlichkeit im deutschen Literaturbetrieb, weil man dort davon ausgeht, das Exilschriftsteller sich in ihren Themen um den âmigrantischen Bereich kĂŒmmernâ und nicht ĂŒber Abenteuer oder Liebe schreiben sollten. Der 1971 als aramĂ€ischer Christ aus Syrien nach Deutschland gekommene Schami hat fĂŒnf Sprachen gelernt: Französisch, Arabisch, AramĂ€isch, Englisch und als letztes Deutsch, die Sprache, in der er heute schreibt. Er sagt, dass er durch die Kenntnis dieser Sprachen Blickwinkel einnehmen kann, die die deutsche Sprache bereichern. âIch sehe Sachen, die ganz klein erscheinen, und daraus â aus meiner SensibilitĂ€t als ein AuĂenstehender â anders beschreibe, oder â das andere auch â ich bringe in die deutsche Sprache AtmosphĂ€ren von einer Kultur hinein, die hier nicht bekannt waren.â (deutschlandfunkkultur.de)
5. Denglisch
Save the Date
Immer hĂ€ufiger liefern Postboten hierzulande Karten aus, auf denen diese drei kleinen Worte vermerkt sind. WĂ€re nicht ein Foto der Enkeltochter mit Ring am Finger und ihrem Verlobten auf Knien daneben aufgedruckt, wĂ€re der rĂ€tselratende EmpfĂ€nger wohl vollkommen aufgeschmissen. Die Karten sollen meist Vorboten einer spĂ€teren Einladung zur Hochzeit sein, auch bei Werbung fĂŒr Veranstaltungen wird auf die englische Formulierung zurĂŒckgegriffen. Im Gegensatz zu einer konkreten Einladung mĂŒssen Details wie die Uhrzeit oder der Ort hierbei noch nicht festgelegt werden. GĂ€ste sollen sich den Tag nur vorlĂ€ufig freihalten und keine anderen Termine machen. Wie ein VerkĂ€ufer, der einen Mantel zurĂŒcklegt und dann nur hoffen kann, dass der Kunde wirklich wiederkommt und ihn kauft, muss sich der Hochzeitsgast jedoch nicht fĂŒhlen. Offensichtlich ist es den Gastgebern auch in einem frĂŒhen Stadium der Planung wichtig, dass er teilnehmen kann, weswegen sie ihn so frĂŒh wie möglich informieren. Die Einladenden könnten aber auch einfach zum Telefonhörer oder Briefbogen greifen und erklĂ€ren, dass sich die Lieben den Termin doch bitte schon einmal âvormerkenâ sollen.
Der VDS-Anglizismen-INDEX schlĂ€gt auĂerdem âVorankĂŒndigungâ vor. (tagblatt.de, anglizismenindex.de)
RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel
© Verein Deutsche Sprache e. V.