Infobrief 394 (52/2017): Goethes letzte Worte

29. Dezember 2017

1. Presseschau vom 22. bis 28. Dezember 2017

  • Goethes letzte Worte
  • Deutsch in den USA
  • Wie Yoda du sprichst
  • Neues in der Grimmwelt

2. Unser Deutsch

  • Hals- und Beinbruch

3. VDS-Termine

4. Literatur

  • Heimatgefühle in Deutschland

5. Denglisch

  • Save the Date

 

1. Presseschau vom 22. bis 28. Dezember 2017

Goethes letzte Worte

Totenmaske des Dichters Johann Wolfgang v. Goethe im Panoptikum Mannheim / von Panop14 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons
Kurz vor dem Jahreswechsel beschäftigt sich Hubert Spiegel in der FAZ mit der Todesstunde Goethes und dem bisher ungelösten Rätsel um seine letzten Worte. „Wohl selten zuvor oder danach“, zitiert er den Kulturwissenschaftler Olaf Briese, „hat es solches Gerangel gegeben, den letzten sprachlichen Laut eines Sterbenden authentisch zu dokumentieren.“ Goethe starb am 22. März 1832 im Alter von 82 Jahren. „Mehr Licht“ hat sich über die Jahre als seine letzte Äußerung gegenüber einigen anderen Varianten durchgesetzt, u. a. gegen „Frauenzimmerchen! Frauenzimmerchen! Gib mir dein Pfötchen.“ . Hubert Spiegel hat an der Version Zweifel und ermittelt detektivisch die relevanten Gewährspersonen, die bei Goethes Ableben zugegen oder eben nicht zugegen waren. Möglicherweise dreht sich bei den letzten Worten des Dichterfürsten alles auch um den „Botschamper“. Seinem Nachruhm würde sicherlich das nicht schaden. (faz.net)

 

Deutsch in den USA

ARD und ZDF zeigen derzeit die Dokumentation „Trachten, Tradition und Trump“ über Spuren der deutschen Sprache und die „German Americans“ (also US-Einwohner mit deutschen Wurzeln) in den USA. Denn über 45 Millionen US-Bürger gaben 2015 in einer Umfrage „German“ als ihre Hauptabstammung an. In der Sendung geht es um die Orte New Braunfels und Fredericksburg in Texas, um „Wurstfeste“ und den eigenen deutsch-texanischem Dialekt. (zdf.de)

 

Wie Yoda du sprichst

Passend zum Erscheinen des neuesten Films aus der Star-Wars-Saga will ein Londoner Professor für Linguistik nun herausgefunden haben, was die Muttersprache des kleinen grünen Jedi-Meisters mit den spitzen Ohren ist: Hawaiianisch. David Adger von der Queen-Mary-Universität interpretiert den ungewöhnlichen Satzbau der Figur als Ergebnis der Übertragung struktureller Elemente des Hawaiianischen auf die Zweitsprache Englisch, die Yoda später gelernt habe. Auch bei realen Menschen könne man anhand syntaktischer Merkmale die Erstsprache bestimmen. (nau.ch)

 

Neues in der Grimmwelt

In Kassel, der Stadt der Verleihung des Kulturpreises Deutsche Sprache und Heimatstadt der Brüder Wilhelm und Jacob Grimm gibt es mit der Grimmwelt ein Museum, das sich schwerpunktmäßig mit Werk und Leben der weltberühmten Märchenerzähler auseinandersetzt. Die neue Ausstellung „HörenSagen: Antike Mythen – Grimmsche Sagen – Digitales Erzählen“ spannt einen Bogen aus der antiken Vergangenheit über die Grimmschen Märchen bis zur Gegenwart, indem die erzählerische Form der Sage, das reale Leben auszuschmücken und spannender zu gestalten, verglichen wird mit Fakten und Falschnachrichten in der heutigen Medienwelt. Die Ausstellung will verdeutlichen, dass Erzähltes immer unterschiedlich zu dem ist, was wir Realität nennen und stellt die Glaubwürdigkeit in Frage. So werden bei einer Mitmachaktion Fotos der Ausstellungsbesucher grafisch bearbeitet und die gefälschten Bilder durch Computer analysiert. (zeit.dehna.de)

 

2. Unser Deutsch

Hals- und Beinbruch

Das wünschen wir, wenn jemand Gefährliches vor sich hat. Unter Seglern ist auch eine Abwandlung gebräuchlich: Mast- und Schotbruch, und bei Militärs das makabre Kopf- und Bauchschuss. Warum diese Verwünschungen, die Gutes meinen? Und woher kommen sie? Der Aberglaube sagt, man könne damit Missgeschicke abwenden. Nehmen wir es lieber als ironische Verkehrung eines freundlichen Wunsches. Er war einst bei Künstlern verbreitet, heute heißt es eher toitoitoi nebst dreimaligem Ausspucken oder auf Holz klopfen.
Aber woher? Eine verbreitete Deutung weist auf eine jiddische Quelle hin: hazlόche un brόche ‚Glück und Segen‘, eine hebräische Wendung, die unter deutschen Juden geläufig war. Haben vielleicht Künstlerkollegen, die den Sinn, aber nicht das Wort verstanden, diese Verballhornung geprägt? Oder war es bloß ein verbaler Künstlerjux für das ‚christliche‘ Umfeld? Die Wissenschaft tappt im Dunkeln. Nur eines ist offensichtlich: Alle Indizien deuten auf eine typische Volksetymologie. Dabei wird ein undurchsichtiges Wort durch lautliche Umformung verständlich gemacht. Hebräische Wörter im Jiddischen, die ins Deutsche gelangten, sind von solcher Umdeutung besonders leicht betroffen. Auch der Neujahrsgruß Guten Rutsch wird von einigen Interpreten so gedeutet: aus dem jiddischen Wort rosch, das im Namen des jüdischen Neujahrsfestes Rosch ha-Schama ‚Anfang des Jahres‘ enthalten ist.
Entlehnungen aus dem Jiddischen in die deutsche Umgangssprache und vor allem in deutsche Dialekte sind das Zeugnis jahrhundertelangen Zusammenlebens von Christen und Juden in Stadt und Land. Neuere Wörterbücher zählen über 2000 Wörter und Wendungen. Sie stammen fast immer aus den hebräischen Elementen des Jiddischen. Die bekanntesten sind Substantive wie Chuzpe, Kaff, Macke, Reibach, Stuss, Schlamassel, Tacheles, Zoff und Zocker, Adjektive wie betucht, kess, koscher, meschugge, pleite und auch etliche Verben wie mauscheln, malochen, mosern, schmusen, schachern und zocken. Sie sind aus dem Kontakt gesprochener Sprache hervorgegangen, darum lautlich und orthographisch integriert. Die jüdische Bevölkerung Deutschlands wurde Opfer der Nazi-Verbrechen, ihr Hab und Gut wurde geraubt. Doch ihr sprachliches Erbe lebt im Deutschen fort.
Hals- und Beinbruch, hazlόche un brόche, wünscht zum neuen Jahre allen Lesern dieser Glossen sowie der künftigen Bundesregierung

Ihr Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. VDS-Termine

1. Januar, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Stefan Ludwig und Holger Klatte
Sendungsseite: deutschesmusikradio.de
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr

 

4. Literatur

Heimatgefühle in Deutschland

Im Deutschlandfunk Kultur ärgert sich der Schriftsteller Rafik Schami über Bequemlichkeit im deutschen Literaturbetrieb, weil man dort davon ausgeht, das Exilschriftsteller sich in ihren Themen um den „migrantischen Bereich kümmern“ und nicht über Abenteuer oder Liebe schreiben sollten. Der 1971 als aramäischer Christ aus Syrien nach Deutschland gekommene Schami hat fünf Sprachen gelernt: Französisch, Arabisch, Aramäisch, Englisch und als letztes Deutsch, die Sprache, in der er heute schreibt. Er sagt, dass er durch die Kenntnis dieser Sprachen Blickwinkel einnehmen kann, die die deutsche Sprache bereichern. „Ich sehe Sachen, die ganz klein erscheinen, und daraus – aus meiner Sensibilität als ein Außenstehender – anders beschreibe, oder – das andere auch – ich bringe in die deutsche Sprache Atmosphären von einer Kultur hinein, die hier nicht bekannt waren.“ (deutschlandfunkkultur.de)

 

5. Denglisch

Save the Date

Immer häufiger liefern Postboten hierzulande Karten aus, auf denen diese drei kleinen Worte vermerkt sind. Wäre nicht ein Foto der Enkeltochter mit Ring am Finger und ihrem Verlobten auf Knien daneben aufgedruckt, wäre der rätselratende Empfänger wohl vollkommen aufgeschmissen. Die Karten sollen meist Vorboten einer späteren Einladung zur Hochzeit sein, auch bei Werbung für Veranstaltungen wird auf die englische Formulierung zurückgegriffen. Im Gegensatz zu einer konkreten Einladung müssen Details wie die Uhrzeit oder der Ort hierbei noch nicht festgelegt werden. Gäste sollen sich den Tag nur vorläufig freihalten und keine anderen Termine machen. Wie ein Verkäufer, der einen Mantel zurücklegt und dann nur hoffen kann, dass der Kunde wirklich wiederkommt und ihn kauft, muss sich der Hochzeitsgast jedoch nicht fühlen. Offensichtlich ist es den Gastgebern auch in einem frühen Stadium der Planung wichtig, dass er teilnehmen kann, weswegen sie ihn so früh wie möglich informieren. Die Einladenden könnten aber auch einfach zum Telefonhörer oder Briefbogen greifen und erklären, dass sich die Lieben den Termin doch bitte schon einmal „vormerken“ sollen.
Der VDS-Anglizismen-INDEX schlägt außerdem „Vorankündigung“ vor. (tagblatt.deanglizismenindex.de)

 


RECHTLICHE HINWEISE

Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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