Infobrief 396 (2/2018): Friesische Jugend

12. Januar 2018

1. Presseschau vom 5. bis 11. Januar 2018

  • Friesische Jugend
  • Neue Tonlage
  • Ortsschilder zu klein
  • Freie Wahl statt Zwang

2. Unser Deutsch

  • Drei Wörter des Jahres 2017

3. Berichte

  • Gender-Duden

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Hans Fallada – Rudolf Ditzen

6. Denglisch

  • Stadtmarketing

 

1. Presseschau vom 5. bis 11. Januar 2018

Friesische Jugend

Ortsschild Niebüll, zweisprachig | von Timt [GFDL oder CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons
Während Dialekte andernorts immer mehr aussterben, ist das Friesische besonders bei der jungen Bevölkerung Schleswig-Holsteins wieder sehr gefragt. Dabei trägt das sonst eher nicht für Sprachschutz bekannte Internet zum Aufschwung des Dialekts bei. Wie die Schleswig-Holsteinische Zeitung berichtet, bilden sich immer mehr Dialektgruppen bei Facebook und WhatsApp, denen vor allem junge Leute beitreten, um ein Stück ihrer kulturellen Identität zu bewahren. „Es wäre ein komisches Gefühl, mit Menschen auf Deutsch zu schreiben, die normalerweise Friesisch sprechen. Deshalb ist es für mich völlig normal, diese Sprache auch im Internet zu verwenden“, findet Ilwe Boysen vom Kulturverband der Nordfriesen. Die genaue Sprecherzahl ist nicht bekannt, der Friesenrat geht jedoch von rund 10.000 Menschen in Nordfriesland aus, die den Dialekt beherrschen. (shz.de)

 

Neue Tonlage

Laut einer Studie der Universitätsklinik Leipzig gilt die alte Regel, nach der Frauen durchschnittlich eine Oktave höher sprechen als Männer, in Deutschland nicht mehr. Frauenstimmen haben jetzt eine Durchschnittsfrequenz von 165 Hz. Zuvor ging man von 220 Hz aus, bei Männern von 110 Hz. Die Frauenstimme ist also tiefer geworden. Dies liege aber nicht an anatomischen Veränderungen, so Michael Fuchs, Leiter der Studie. Vielmehr nutzten Frauen ihre Stimme anders. Fuchs geht davon aus, dass die Tonhöhe der Sprechstimme mit dem Frauenbild und den Schönheitsidealen einer Gesellschaft – zu denen auch eine Idealvorstellung von einer als attraktiv empfundenen Stimme gehört – zusammenhängt. Er rät, die eigene Stimme dem jeweiligen Bedarf nach in all ihren Facetten einzusetzen. Eine tiefe Stimme wirke beispielsweise überzeugender. (deutschlandfunkkultur.de)

 

Ortsschilder zu klein

Wie die Bergische Landeszeitung berichtet, sollen niederdeutsche Ortsnamen künftig in kleineren Buchstaben auf Ortsschildern ergänzt werden dürfen. Dies sei vor Weihnachten auf einen gemeinsamen Antrag von CDU und FDP im NRW-Landtag beschlossen worden. Problematisch dabei sind jedoch nicht nur die entstehenden hohen Kosten für neue Ortsschilder, die demnächst auch Sprecher anderer Dialekte einfordern könnten – die Pressestelle der Stadtverwaltung Bergisch Gladbach gab diese mit 1000 Euro pro Ortsschild an – auch über die richtige Schreibweise gibt es Diskussionen: Bänsberch oder Bänsberg, Jläbbisch oder Gläbbisch? Auch ohne endlose Ortsnamenketten mit mehr als 24 Zeichen, die die ZEIT in der Ausgabe 2/2018 vorstellt, wären die Ortsschilder für die Unterbringung mehrerer alternativer Schreibweisen wohl zu klein.
In den Teilen Schleswig-Holsteins, in denen auch Friesisch gesprochen und verstanden wird, gibt es diese Zusätze schon seit vielen Jahren: Bredstedt / Braist; Niebüll / Naibel; Westerland / Wäästerlön. Klagen über Herstellungskosten oder Platzmangel auf den Schildern sind im Norden nicht zu hören. (rundschau-online.dezeit.de)

 

Freie Wahl statt Zwang

Die Sprache „wird mit den allerbesten Absichten verhunzt und byzantinisiert“, schreibt Andreas Kilb in der FAZ über geschlechtergerechte Sprache. Ausschlaggebend war die Einladung des Bundespräsedialamtes zum Neujahrsempfang unter anderem an „Partnerinnen und Partner“ der Diplomaten sowie „Vertreterinnen und Vertreter“ involvierter Organisationen. „Aber auf die Dauer geht bei diesen rituellen Sprachwaschungen der Kontakt zwischen den Wörtern und dem, was sie bezeichnen, verloren“, veruteilt Kilb das sprachliche Kauderwelsch.
Auch Sachsens Gleichstellungsministerin Petra Köpping (SPD) äußerte sich gegenüber dem Radiosender Mephisto kritisch gegenüber der geschlechtergerechten Sprache. Zwar sei sie dafür, Geschlechtergerechtigkeit auch mithilfe sprachlicher Mittel zu erlangen, allerdings ließe sich diese nicht durch Ministerien verodnen, sondern müsse aus der Überzegung der Gesellschaft heraus entstehen. (faz.netmephisto976.de)

 

2. Unser Deutsch

Drei Wörter des Jahres 2017

Der Vogel des Jahres, die Pflanze des Jahres, Männer und Frauen, natürlich Bücher, Krimis – eine Inflation des Erinnerns und der gesuchten Aufmerksamkeit. Warum auch Wörter des Jahres? Weil es mit ihnen ganz anders ist. Sie müssen nicht gesucht und propagiert werden, sie waren da, wir haben sie gebraucht, vor allem gelesen und gehört. Sie waren Gegenstand heftiger Debatten, von Hoffnungen und Befürchtungen. Wörter wurden zu Kristallisationspunkten wichtiger aktueller Themen.
Nehmen wir das bekannteste: Jamaika, ein Karibikstaat mit schwarz-gelb-grüner Nationalfahne, bei uns die Farben dreier Parteien, die im Wahlkampf miteinander gerungen hatten und nun Koalitionsverhandlungen führten. Eine Nation verfolgte gespannt, wie sie miteinander anbandelten, wie sie sich balgten und wie sie mit einem unerwarteten Knall wieder auseinandergingen. Jamaika bleibt Konzept eines neuen politischen Aufbruchs, auf dem noch immer viele Hoffnungen ruhen.
Und dann Glyphosat, Kunstwort für einen Unkrautvernichter, der weltweit der Agrarindustrie zu Diensten ist, Symbol für Chemie, die unsere Artenvielfalt zu Grunde richtet. Ein bürokratischer Akt in der Brüsseler EU-Behörde, ein widerborstiger CSU-Minister – das hat plötzlich eine seit Jahren schwelende Debatte explodieren lassen. Das Wort aus der Retorte griechischer Wortbausteine wurde zum Symbol für rücksichtslose Großchemie, welche die Natur mit raffinierten Kunstprodukten ausbeutet und zerstört. Das Wort kann den Anstoß gegeben haben zum radikalen Umdenken.
Und schließlich die AfD, das geläufigste neue Kurzwort des Deutschen, nicht nur ein Parteiname sondern Schreckgespenst der etablierten Politik, Protest mit dem Stimmzettel gegen Migration, gegen Hartz-IV-Bürokratie, gegen Industrieabbau im Osten, gegen die Flucht der Jungen in den Westen und überhaupt die manifestierte Unzufriedenheit von Millionen Wählern. AfD ist Menetekel, ist letzte Warnung. Wird sie das Land spalten oder nach Jahren im Abseits ein gesuchter Koalitionspartner sein?
Diese drei Wörter des Jahres 2017 bleiben uns auch im neuen Jahr erhalten, mit den Fragen, die sie stellen, mit den Protesten, die sie begleiten – viele Aufgaben für alle, die uns regieren wollen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Gender-Duden

Im Herbst 2017 erschien im Duden-Verlag der Leitfaden „Richtig gendern. Wie Sie angemessen und verständlich schreiben.“ In einer Rezension stellt die VDS-Arbeitsgruppe Gendersprache fest: „Menschen, die meinen, man müsse mindestens dem schlimmsten Gender-Deutsch dezidiert Einhalt gebieten, werden in der Schrift beschuldigt, neue ‚Erkenntnisse‘ von ‚Genderforschung‘ nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen.“ (vds-ev.de)

 

4. VDS-Termine

15. Januar, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Stefan Ludwig und Holger Klatte. Schwerpunkt: Leichte Sprache.
Sendungsseite: deutschesmusikradio.de
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr

17. Januar, Region 23 (Lübeck/Wismar)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Lübecker Rudergesellschaft, Hüxtertorallee 4, 23564 Lübeck

18. Januar, Region 10-14, 16 (Berlin und Potsdam)
Regionaltreffen, Vortrag Ralph Grüneberger „Was bewirken Worterfindungen im Gedicht?“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Restaurant Via Nova II, Universitätsstraße 2-3a, 10117 Berlin

19. Januar, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Bibliotheksführung für VDS-Mitglieder in der Deutschen Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) in Kiel.
Anmeldung bei Herrn Thorsten Fromberg (stv. Regionalleiter)
Zeit: 16:00-17:30 Uhr
Ort: ZBW, Düsternbrooker Weg 120, 24105 Kiel

 

5. Literatur

Hans Fallada – Rudolf Ditzen

Zum 125. Geburtstag Hans Falladas (eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen) gibt der Aufbau Verlag einen Geschichtenband heraus, der Einblick in das zerrissene Leben des Autors Rudolf Ditzen gibt. Enthalten sind 27 Erzählungen und literarische Notizen, die Peter Walther bei der Recherche zu seiner Fallada-Biografie entdeckte. „Junge Liebe zwischen Trümmern“ zeichnet in Falladas sachlichem Ton ein Bild seiner Lebenskrisen, von Depressionen über Alkohol- und Drogensucht bis zum gescheiterten Selbstmord. Letztlich starb Ditzen mit 53 Jahren an den Folgen seiner Drogensucht. Zu einem Hineinschauen in sein Leben wird das Lesen dieser Ausschnitte spätestens am Ende: „Ich schreibe die Bücher ja nicht um der anderen willen. Ich schreibe sie nur mir zur Freude, mich wie ein kleiner Herrgott und Weltenschöpfer zu fühlen, darum schreibe ich sie.“ (focus.de)

 

6. Denglisch

Stadtmarketing

Um ihre Besonderheiten herauszustellen, setzen Städte immer mehr auf Werbesprüche, die auch Reisende aus dem Ausland ansprechen sollen und eine Besonderheit des Ortes betonen. Den dafür erfundenen Begriff city branding thematisiert auch der Kabarettist und Sänger Rainald Grebe in seinem neuen Programm. Manchmal einfach nur redundant, wie die beiden „Wissenschaftsstädte“ Darmstadt und Fürth und die „Stadt, die wissen schafft“ Göttingen, wirken andere city brandings eher peinlich bemüht, wie beispielsweise der Beiname Harsewinkels – die Mähdrescherstadt. (zeit.deyoutube.com)


 

RECHTLICHE HINWEISE

Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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