1. Presseschau vom 12. bis 18. Januar 2018
- Unwort des Jahres 2017
- Journalismus auf der Bühne
- Trump zeichnet Medien aus
2. Unser Deutsch
- Sondierung
3. VDS-Termine
4. Literatur
- Attraktiv schreiben mit Luther
- Die Bestimmung des Buchs
5. Denglisch
- Falsche Freunde
1. Presseschau vom 12. bis 18. Januar 2018
Unwort des Jahres 2017
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Nach dem Wort des Jahres im Dezember (siehe Infobrief 392) wurde nun auch das Unwort des Jahres 2017 gekürt. Die institutionell unabhängige Jury um Sprecherin Nina Janich, Linguistikprofessorin der TU Darmstadt, wählte den Ausdruck „alternative Fakten‟ aus, der „Synonym und Sinnbild für eine der besorgniserregendsten Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, vor allem auch in den sozialen Medien“ sei. Er stehe „für die sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen“. Die „Auszeichnung“ als Unwort des Jahres lässt den Ausdruck nicht aus der Sprache verschwinden, gibt ihm nicht den Status der Nichtexistenz, wie die Bezeichnung „Unwort“ nahelegt. Sie verleiht ihm jedoch Stigmata. Deutschlandfunk Kultur hebt die moralisierende Wirkung dieser Stigmatisierung hervor. Die Markierung als Unwort bedeute: Die Sprache wäre sauberer, wenn es dieses verwerfliche Wort nicht gäbe. Die Auswahl der letzten Jahre zeige, dass die Moralisierung aus einer linksliberalen Perspektive vorgenommen würde. Vorgänger der „alternativen Fakten“ waren „Lügenpresse“, „Gutmensch“ und „Volksverräter“. In diese Liste reihe sich „alternative Fakten“ nicht ein. Deutschlandfunk Kultur hält dem Wort seinen fast „entlarvenden Charakter“ zugute. Hierdurch sei die Praxis der Faktenverdrehung frühzeitig ersichtlich gewesen. „Alternative Fakten“ habe den Negativpreis deshalb nicht verdient. (deutschlandfunkkultur.de, zeit.de)
Journalismus auf der Bühne
Am vergangenen 13. Januar fand in Köln das Jahresfinale eines Wettbewerbs statt, bei dem Journalisten auf der Bühne ihre „absurdeste Recherche‟ vorstellten. Dafür hatten die sechs Teilnehmer jeweils zehn Minuten Zeit. Neben der Unterhaltung der über 500 Gäste soll die Veranstaltung dazu beitragen, den Beruf des Reporters transparenter zu machen, erklärt der Moderator und Erfinder des „Reporter Slams‟, Jochen Markett. Es sei wichtig, dass das Publikum Journalisten auch mal persönlich erlebe, insbesondere aufgrund der „Lügenpresse“-Debatte. Für die Journalisten geht es also trotz der Präsentation besonders komischer Anekdoten gerade nicht darum, auf der Bühne etwas vorzugaukeln, sondern ein Stück ihrer Glaubwürdigkeit zurückzuerkämpfen. (tagesspiegel.de, berliner-zeitung.de)
Trump zeichnet Medien aus
Einen Journalismuspreis hat in dieser Woche auch US-Präsident Donald Trump vergeben. Für seines Erachtens falsche Berichterstattungen verlieh er nach langen Ankündigungen den „Fake News Award“, unter anderem an den Nobelpreisträger und Journalisten Paul Krugman, den Sender CNN sowie die New York Times. Nach welchen Kriterien Trump die „Gewinner“ auswählte ist nicht bekannt, Veröffentlichungsmedium war jedoch wieder einmal der Kurznachrichtendienst Twitter. Kritiker, darunter das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ), werfen Trump das „Untergraben der globalen Pressefreiheit“ vor, wie SPIEGEL ONLINE berichtet. Auch aus den eigenen Reihen hagelte es Kritik. So verglich der republikanische US-Senator Jeff Flake Trumps Äußerung, einige Medien seien die „Feinde des Volkes“, mit der Sprache Stalins. Der Begriff „Fake News“ bezeichnete ursprünglich absichtlich gefälschte Informationen, wurde jedoch zu einem rhetorischen Markenzeichen Trumps, „um kritische und ihm nicht genehme Berichterstattung zu diskreditieren“, so die Süddeutsche. Der Anglizismen-Index hält dafür die deutsche Entsprechung „Falschmeldung“ bereit. (spiegel.de, welt.de, sueddeutsche.de)
2. Unser Deutsch
Sondierung
Das Wort beherrscht die politische Berichterstattung der jüngsten Zeit. Zuerst begegnet es Ende des 19. Jahrhunderts, bezogen auf vorsichtige diplomatische Erkundungen, meist im gegnerischen Lager, später häufig im Ost-West-Konflikt, ein Diplomatenwort, abgeleitet aus sondieren, das im 17. Jahrhundert aus französisch sonder entlehnt wurde. Die Endung -ieren, mit der die allermeisten entlehnten Verben ausgestattet werden, gibt dem Wort einen einheimischen Anstrich.
Das Wort wäre keine Glosse wert, hätte es nicht (meist als Plural Sondierungen gebraucht) im Diskurs der Politiker eine neue Bedeutung erlangt: Vorbereitung eventueller späterer Koalitionsverhandlungen zwischen bislang verfeindeten, zumindest konkurrierenden Parteien. Sondierung ist nun seiner geheimen, seiner diplomatischen Aura entkleidet. Öffentlich wird verkündet, wer im jeweiligen Lager die Gespräche führen werde, wo und wann sie stattfinden und wie lange sie dauern dürfen. Auch die öffentliche Anteilhabe ist neu. Das Tableau denkbarer Ergebnisse, von Koalition bis Neuwahlen, wird hin- und hergezerrt, gewürzt mit Durchstechereien aus den Geheimgesprächen (ein Wort der Gaunersprache), mit denen die Beteiligten den Durst der Presse stillen. Rote Linien des letzten Widerstandes werden vorgezeichnet oder geleugnet. Dies übrigens eine Vokabel aus der Militärstrategie, auf Karten gezogene Linien, aus denen Staatsgrenzen erwuchsen, die bis heute Konflikte erzeugen. (Aus Zypern kennt man die Green Line zwischen den verfeindeten türkischen und griechischen Zyprioten. Bei der Uno waren offenbar grüne Stifte in Mode.) Kein Wunder, dass die Jamaika-Sondierungen im Whirlpool solcher Debatten ertrunken sind. Ehrlicher der zweite Versuch in neuer politischer Konstellation: kurz und geheim und darum vorerst erfolgreich. Begänne danach nicht schon wieder das politische Affentheater.
Wir lernen: Sondierungen sind zwar heute wie einst Gesprächskontakte politischer Gegner, zugleich aber schon reale halb-öffentliche Vorverhandlungen für einen Koalitionsvertrag. Das Wort verbirgt die wahren Ziele und lässt Raum für ein Scheitern, das so nicht heißen darf. Ein Chamäleon politischer Rhetorik.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. VDS-Termine
22. Januar, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Stefan Ludwig und Holger Klatte. Schwerpunkt: Wer macht was im VDS?
Sendungsseite: deutschesmusikradio.de
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr
23. Januar, Region 38 (Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg)
Jahreshauptversammlung mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Löwenkrone, Leonhardplatz, 38102 Braunschweig
23. Januar, Region 67,68,69 (Mannheim, Rhein-Neckar)
Regionaltreffen mit Lesung Manfred H. Schmitt: „Kriegsschäden – Eine Familie im Jahr 1945“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gastwirtschaft „Epirus“, Augusta-Anlage 42, 68165 Mannheim
26. Januar, Elfenbeinküste
Regionalleiter Kakou Konin Franck Adam vertritt den VDS-Elfenbeinküste auf einer Informationsveranstaltung der Deutschen Botschaft und des Goethe-Instituts im Goethe-Institut Abidjan
4. Literatur
Attraktiv schreiben mit Luther
Luthers Einfluss auf das Deutsche ist bis heute erkennbar und gleichzeitig die Basis eines Regelwerks für richtige und schöne Sprache. In seinem 2017 erschienenen Buch „Luthers Stil-Lehre. 50 Kolumnen für Journalisten, Pressesprecher, Poltiker und alle, die attraktiv schreiben wollen“ widmet sich Paul-Josef Raue Luthers goldenen Regeln des Schreibens. Angefangen mit der Suche nach dem eigenen Stil, über die Wortlehre bis hin zum malerischen Erzählen fasst der Ratgeber alle wichtigen Stil-Regeln (darunter die Aufforderungen „Hinweg mit den Floskeln!“) nach dem Vorbild Luthers zusammen. Sie beruhen auf „Kunst, Fleiß, Vernunft und Verstand“, wie der Schöpfer der deutschen Sprache einst selbst betonte.
Paul-Josef Raue: Luthers-Stil Lehre. 50 Kolumnen für Journalisten, Pressesprecher, Politiker und alle, die attraktiv schreiben wollen. 96 S, Klartext-Verlag Essen, 9.95 €.
Die Bestimmung des Buchs
Bücher dienen nicht bloß der Lektüre. Sie sind Zeichen für Bildung, Intellekt, Vermögen – kurzum Statussymbole. Sie stehen im offenen Wohnzimmerregal, nicht im Schrank in der Kammer. Satirisch greift der Autor Marc-Uwe Kling diesen Umstand in einer seiner Känguru-Geschichten auf, in der das Känguru einem Mann erfolgreich im Namen seiner fiktiven Firma „Der Modeaffe‟ Bücher als Meterware anbietet – sogar im „gewünschten Zustand der Zerlesenheit‟ und mit Randnotizen in der Handschrift des Kunden. Schließlich entscheidet dieser sich für ein Paket aus philosophischen Werken und den umfangreichsten Klassikern, Titel: „die dickste Sophie‟.
Die neueste Mode der Zweckentfremdung degradiert die Bücher nun gänzlich zur Dekoration, indem sie mit den Buchrücken nach hinten ins Regal gestellt werden. Auf diese Weise ergibt sich ein für Inneneinrichtungsfanatiker farblich homogenes Bild, da das gelbliche Weiß der Seiten dominiert. Will man seine Lieblingsstelle nachschlagen oder einen Roman verleihen, muss man sich schon sehr präzise erinnern, wo man das entsprechende Buch eingeordnet hat. Die Alliteration, die die Mode englisch „backward books‟ (rückwärtsgerichtete Bücher) benennt, erscheint so fast als Hohn auf jedes Wort, das in den Dekobüchern verstaubt.
Andererseits gibt es alternative Übersetzungsmöglichkeiten des Adjektivs „backward‟: rückständig, zurückgeblieben, rückschrittlich. (bento.de)
5. Denglisch
Falsche Freunde
Ein neues Beispiel dafür, dass Redewendungen wörtlich übersetzt nicht verständlich sind, lieferte nach dem deutlichen Sieg seiner Mannschaft Liverpool gegen Manchester City Trainer Jürgen Klopp. Im Interview nach dem Spiel sagte er über einen Kritiker: „He can blow up my boots‟. Dies sollte wohl Englisch sein für den Ausdruck „der kann mir mal den Schuh aufblasen‟, eine Alternative zu „der kann mir mal den Buckel runter rutschen‟. Dass dieser Spruch in England nicht bekannt ist, machte die BBC deutlich und bat um Aufklärung: „What’s that, Jürgen?‟ (abendzeitung-muenchen.de)
RECHTLICHE HINWEISE
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel
© Verein Deutsche Sprache e. V.