1. Presseschau vom 23. bis 29. März 2018
- Schutz des Sorbischen
- Gegen Englisch bei VW
- Gewaltproblem an deutschen Schulen?
- Angst um Kinderlieder
- Mehr Geld für Geisteswissenschaften
- Beleidigungen verboten – Wer überwacht die Wächter?
2. Unser Deutsch
- Keim
3. Berichte
- Neue Regionalleitungen
- Bastian Sick in Ostbelgien
- VDS an der Heinrich Heine Universität
4. VDS-Termine
5. Literatur
- Literaturtelefon hat Geburtstag
- Alle sehen eine Katze
6. Denglisch
- JUST PUSH ABUBA!
1. Presseschau vom 23. bis 29. März 2018
Schutz des Sorbischen
Bemalte soorbische Ostereier (Foto: Wikimedia, Dr. Bernd Gross, CC BY-SA 4.0-Lizenz)
Deutschlandfunk Kultur erinnert an das „Gesetz zur Wahrung der Rechte der sorbischen Bevölkerung“, das am 23. März 1948, also noch vor der Gründung der DDR, im sächsischen Landtag verabschiedet wurde. Damit sollte die sorbischen Minderheit in Sachsen und Brandenburg unterstützt werden, ihre Kultur und Sprache zu bewahren. Heute gehören zu dieser Minderheit noch rund 60.000 Sorben, 40.000 in Sachsen, 20.000 in Brandenburg. In Sachsen sprechen noch rund 17.000 Personen die Sprache Sorbisch, das Niedersorbische in Brandburg ist mit nur noch rund 5.000 aktiven Sprechern stark vom Aussterben bedroht, beklagt der Vorsitzende des sorbischen Dachverbands „Domowina“, Dawid Statnik. In einer Pressemitteilung nennt „Domowina“ das Gesetz einen, „Meilenstein in der Geschichte des Schutzes und der Förderung des sorbischen Volkes“ und Aufbruch nach einer Zeit der national-sozialistischen Unterdrückung und Verfolgung.
Nach der Wende wurde den Sorben, der Schutz ihrer Sprache und Kultur weiterhin zugesichert. In der Gegend um Bautzen und Cottbus gibt es zweisprachige Ortsschilder und Behördenformulare, sorbische Kindergärten, Schulen und einen Studiengang der Sorabistik in Leipzig. (deutschlandfunk.de)
Gegen Englisch bei VW
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hat die Entscheidung des VW-Vorstands kritisiert, Englisch zur Unternehmenssprache des Konzerns zumachen. „Nehmen Sie zur Kenntnis, dass Englisch für die meisten hier eine Fremdsprache ist. Selbst viele Führungskräfte sind im Englischen nicht verhandlungssicher“, sagte Osterloh auf einer Betriebsratsversammlung. Er forderte, dass der Betriebsrat über eine solche Entscheidung mitbestimmen müsste. Die Unternehmensführung hat sich mittlerweile bereiterklärt, über die Stellung des Englischen als Arbeitssprache zu verhandeln.
Die Stiftung Deutsche Sprache hatte im Dezember 2017 ihre VW-Aktien verkauft, nachdem die Volkswagen AG angekündigt hatte, Englisch als Unternehmenssprache einzuführen. (wolfsburger-nachrichten.de, vds-ev/pressemitteilung)
Gewaltproblem an deutschen Schulen?
„Unsere Schulen sind außer Kontrolle“, titelte die BILD in dieser Woche. Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, erzählt im Interview von durch private Wachdienste gesicherten Schulhöfe und großer Gewaltbereitschaft der Schüler aus sozialen Brennpunkten. SPIEGEL und BILDblog setzen dagegen, dass sich Berichte über Gewalttaten an Schulen in letzter Zeit zwar häufen, ihre Zahl aber insgesamt seit den Neunzigerjahren abnimmt. Ebenso spricht Meidinger in seinem Interview wiederholt von sozial-religiösen Konflikten, die durch einen hohen Anteil von Migranten an Schulen entstünden und sich vor allem in einer Häufung von verbalen Bedrohungen und Beleidigungen zeigen. Die Vernachlässigung und Abschottung einiger Bezirke und Schulen, besonders von Gesamtschulen, stelle ein grundsätzliches Problem dar. Förderprojekte und die Durchmischung der Schüler aus unterschiedlichen Bildungsschichten können die Gewaltbereitschaft auf Schulen erheblich eindämmen, so der SPIEGEL im Hinblick auf eine Kreuzberger Gesamtschule, der es gelang, durch Einführung einer gymnasialen Oberstufe dem schlechten Ruf deutlich entgegenzuwirken. (bild.de, spiegel.de, bildblog.de)
Angst um Kinderlieder
Rolf Zuckowski ist einer der bekanntesten Autoren von Kinderliedern im deutschsprachigen Raum. Nun fürchtet Zuckowski die geschlechtergerechte Anpassung seiner Texte, beispielsweise des Liedes „Unsre Schule hat keine Segel“, in dem von „Schülern und Lehrern“ gesungen wird. „Vielleicht wäre ‚Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen, Lehrer‘ ‚gendergerechter‘. Aber was ist dann mit der Singbarkeit und dem Spaß an diesem Lied?“, fragt Zuckowski. Er wünscht sich für Deutschland ein ähnliches Vorgehen wie in Frankreich, wo Präsident Macron auf Anraten der Académie française zum Ende des vergangenen Jahres die erzwungene geschlechtergerechte Sprache verboten hatte. (abendblatt.de)
Mehr Geld für Geisteswissenschaften
Ein Zusammenschluss aus mehr als 60 wissenschaftlichen Einrichtungen und Universitäten fordert eine stärkere Berücksichtigung der Geisteswissenschaften im Forschungsrahmenprogramm der EU. Aus dem aktuellen Rahmenprogramm „Horizon 2020‟ seien 59 Prozent der vorgesehenen Mittel in andere Forschungsbereiche geflossen. Die Unterzeichner empfehlen in ihrem Positionspapier, zehn Prozent der Geldmittel für Geistes- und Sozialwissenschaften einzusetzen. Begründet wurde dies mit der Relevanz dieser Wissenschaften bei der Lösung „großer Probleme‟ wie Arbeitslosigkeit, sozialer Ungleichheit, Migration, Terrorismus und Sicherheit. (deutschlandfunkkultur.de, tagesspiegel.de)
Beleidigungen verboten – Wer überwacht die Wächter?
Nachdem auf Soziale Medien wie Facebook Druck ausgeübt wurde, Hasskommentare schnell aus dem Netz zu entfernen, kam es zu einer Reihe von Löschaktionen. Die Löschungen waren jedoch zum Teil ungerechtfertigt. Beispielsweise wurden Beiträge der Aktionskünstlerin Barbara gelöscht und die Sperrung des Nutzerkontos angedroht.
Der Internetriese Microsoft hat nun bekanntgegeben, seine Nutzungsbedingungen zum 1. Mai 2018 zu ändern. Betroffen sind davon Angebote wie Skype oder Cortana. Microsoft möchte seinen Nutzern dabei die Verwendung beleidigender und anstößiger Sprache verbieten. Was genau darunter zu verstehen ist, wird jedoch nicht mitgeteilt. Dies eröffnet Möglichkeiten für willkürliche Löschungen und Sanktionen und könnte manchen derben Scherz in privater Kommunikation unter Freunden zum Risiko geraten lassen, so Kritiker. (pcgames.de, handelsblatt.com)
2. Unser Deutsch
Keim
Ein kurzes, ein altes deutsches Wort. Vergleichen wir exemplarisch seine lautliche und seine semantische Entwicklung und lassen uns überraschen! Althochdeutsch kīmo ist abgeleitet aus einem Verb kīnan ‚aufbrechen, aufspringen‘. Das erklärt noch die heutige Bedeutung ‚der erste aus dem Samen sich entwickelnde Trieb‘. Wir kennen solche Keime aus asiatischer Kost, von vielen Hülsenfrüchten und (weniger erwünscht) von Kartoffeln.
Lautlich hat keim seine konsonantische Grundstruktur beibehalten. Nur die Vokale, der variabelste Teil unserer Artikulation, haben sich verändert. Das auslautende o ging unter dem Druck des Initialakzents verloren. Der zentrale Vokal, lang i, wurde durch leichtes Öffnen des Mundes und Senkung der Zunge zu einem Diphthong a-e (geschrieben ‚ai‘ oder ‚ei‘). Seit dem späten Mittelalter blieb die Lautung unverändert.
Vielgestaltiger ist die Entwicklung der Bedeutung in den folgenden Jahrhunderten. Sie wird erweitert durch übertragenen Gebrauch in drei Richtungen: biologisch, abstrakt und medizinisch. Das pflanzliche Bild dient als Vergleich für die Entstehung des Lebens: Die befruchtete Eizelle, der Embryo, ist der Keim unseres Lebens. Weiter verbreitet ist die abstrakte Übertragung als ‚Ursprung‘, als ‚erstes Anzeichen‘ im Keim der Hoffnung oder im Keim des Untergangs. Politische Unruhen werden im Keim erstickt. Erst in neuerer Zeit begegnet Keim in der Medizin, vor allem seit den 90er Jahren als Krankenhauskeim. Jetzt wendet sich das Bild des aufbrechenden jungen Triebs in das Gespenst eines todbringenden Krankheitserregers. MRSA wird der gefährliche Methicillin-resistente Staphylococcus aureus abgekürzt, der frisch Operierte und Immungeschwächte lebensbedrohend befällt und der durch Antibiotika kaum mehr zu bekämpfen ist. Der Keim des Lebens wird nun zum Keim des Todes. Das harmlose Wort verhüllt die Gefahren der Infektion, wird zur verbalen Vertuschung von mangelhafter Hygiene, zur Verschleierung der Kostenersparnis im Krankenhausbetrieb. Nur wenige Hospitäler leisten sich den Luxus, alle Patienten nach dem Vorbild der Niederlande auf mögliche ziekenhuisbacteriën zu testen. Wer Pech hat, wird zu einer umständlichen ‚häuslichen Sanierung‘, einer sogenannten Dekolonisation des MRSA-Befalls, heimgeschickt. Endlich keimfrei darf er dann unters Messer und kann hoffen, zu genesen und zu überleben.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Berichte
Neue Regionalleitungen
In den VDS-Regionen Essen und Dortmund hatten die Mitglieder die Regionalleitung turnusmäßig neu zu wählen. Die Region Essen leitet künftig Dr. Karlgeorg Krüger, in Dortmund wurde Dirk Hünnemeyer als Regionalleiter wiedergewählt. Beide Versammlungen begleitete der VDS-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Walter Krämer mit einem Vortrag. (vds-ev.de)
Bastian Sick in Ostbelgien
Deutschlands bekanntester Sprachexperte und VDS-Mitglied Bastian Sick gab auf Einladung des Parlaments der Deutschsprachigen Gemeinschaft und des VDS in Eupen und in Sankt Vith zwei große Deutschstunden. Mit seinem Programm „Schlagen Sie dem Teufel ein Schnäppchen!“ präsentierte Sick Sprachrätsel, Rechtschreibunfälle und fast vergessene schöne Wörter. Die Mitglieder der Deutschsprachigen Gemeinschaft, darunter viele Oberstufenschüler, waren begeistert. (grenzecho.net)
VDS an der Heinrich-Heine-Universität
VDS-Geschäftsführer Holger Klatte referierte beim Blockseminar von „Sprachkritik“ von Dr. Jens Fleischhauer an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Klatte hielt einen Vortrag über die „Titel und Arbeitsweisen des VDS“ und diskutierte mit Studierenden der Sprachwissenschaften. (uni-duesseldorf.de)
4. VDS-Termine
2. April, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Holger Klatte und Stefan Ludwig.
Schwerpunkt: Unternehmenssprache
Sendungsseite: http://www.deutschesmusikradio.de/dmr/wortspiel/
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr
5. April, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen
5. Literatur
Literaturtelefon hat Geburtstag
Auf Anruf Literatur genießen – das ist das Konzept des Kieler Literaturtelefons, für das schon bedeutende Literaten wie Günter Grass, Peter Handke und Peter Härtling Texte beisteuerten. 1978 war es das erste Literaturtelefon Deutschlands, nun ist es das letzte noch existierende, sagt Jörg Meyer, Journalist und Lyriker, der das Projekt seit 2007 betreut. Meyer baute auch eine Internetpräsenz für das Literaturtelefon auf, um jüngere Nutzer zu gewinnen. Seitdem gibt es ein Archiv alter Beiträge. Gerade aus der Orientierung an der Mediennutzung seiner Zuschauer heraus erhält Meyer das Literaturtelefon aber auch in seiner ursprünglichen Form: „Wir wissen, dass uns viele ältere Menschen gerne hören, die nicht im Netz unterwegs sind.“ So bringt das Projekt nach 40 Jahren immer noch zuverlässig Literatur zu allen Menschen, zu Internetnutzern und zu Telefonliebhabern. (taz.de)
Alle sehen eine Katze
Den etwas verworrenen Satz „Was Paul über Peter sagt, sagt mehr über Paul aus als über Peter‟ veranschaulicht Brendan Wenzel in seinem Kinderbuch „Alle sehen eine Katze‟ so beispielhaft, dass sich auch dem angesprochenen kindlichen Leser die Möglichkeit bietet, sich mit komplexen Themen wie Perspektivierung und Fremdartigkeit zu beschäftigen. In seinem Buch illustriert Wenzel eine Katze aus der Sicht eines Kindes, aber auch aus der ganz unterschiedlicher Tiere, vom Hund bis zum Regenwurm. Das bietet nicht nur Anregungen zum Gespräch über die biologischen Unterschiede in Sehvermögen und der Lebensweise der Tiere, sondern schafft einen handfesten Ansatzpunkt, von dem aus in einfachen Worten mit jungen Kindern über Schein und Sein und über die subjektive Wahrnehmung der Welt gesprochen werden kann. (deutschlandfunkkultur.de)
6. Denglisch
JUST PUSH ABUBA!
„JUST PUSH ABUBA!‟ ist „die neue Webserie‟ des ZDF. Sie handelt in sehr kurzen Folgen von einer Berliner Wohngemeinschaft, die Reisenden gegen Bezahlung eine Übernachtungsmöglichkeit bietet. Hiervon ist insbesondere der Vermieter der Wohnung wenig begeistert. Da die teils hochkarätigen Gäste oftmals aus dem Ausland kommen und auch die griechische Mitbewohnerin nur wenig Deutsch spricht, bekommt der Zuschauer durchgängig feinstes Denglisch zu hören. Inhaltlich setzt sich die Kurzserie, deren einzelne Folgen nur lose durch das Motiv der Untervermietung verknüpft sind, mit Problemen aus dem soziokulturellen Milieu der Mulikulti-Hipster auseinander: Partyleben und Planlosigkeit der jungen Erwachsenen und die ständige Konfrontation mit fremdartigen Lebensentwürfen. (film.tv, deutschlandfunk.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.
RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Silke Niehaus-Scherpenberg, Ann-Sophie Roggel
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