Infobrief 409 (15/2018): Fehlende Sprachkenntnisse bei Kindern

1. Presseschau vom 6. April bis 12. April 2018

  • Fehlende Sprachkenntnisse bei Kindern
  • Deutsch ist nicht gleich Deutsch
  • „Deutscher Frühling“ in Estland

2. Unser Deutsch

  • Heimat

3. Berichte

  • Regionalleiter wiedergewählt

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Kinderbücher in Mundart

6. Denglisch

  • Rap-Terminologie

 

1. Presseschau vom 6. April bis 12. April 2018

Fehlende Sprachkenntnisse bei Kindern

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Unter den zum Sommer 2018 einzuschulenden Kindergartenkindern in Berlin hat jedes sechste Kind einen erhöhten Sprachförderungsbedarf, berichtet die Berliner Zeitung. Demnach sprechen die Kinder kaum Deutsch und lernen die Sprache in den meisten Fällen nur in der Tagesbetreuung. Von den 5010 Mädchen und Jungen mit sprachlichen Mängeln haben 3587 eine andere Muttersprache. „Trotz vieler Millionen Euro, die wir seit vielen Jahren in die Sprachförderung investiert haben, tut sich nichts“, kritisiert der SPD-Abgeordnete Joschka Langenbrinck.
Auch im Bundesland Bayern muss man sich neue Wege der Sprachförderung ausdenken. So soll der Modellversuch „Islamunterricht in deutscher Sprache“ an bayerischen Schulen nach Entscheidung des Kultusministers Bernd Sibler trotz Kritik des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes nicht ausgeweitet werden. Noch bis zum kommenden Jahr soll der Unterricht angeboten werden, danach entscheidet die wissenschaftliche Auswertung über Erfolg und Zukunft des Projektes. (bz-berlin.debr.de)

 

Deutsch ist nicht gleich Deutsch

Diese Erfahrung müssen vor allem hochdeutschsprachige Einwanderer machen, die in der Schweiz Fuß zu fassen versuchen. Wie das Schweizer Nachrichtenportal 20min berichtet, fühlen sich viele Deutsche in der Schweiz nicht willkommen, besonders, wenn sie Schweizerdeutsch nicht beherrschen. Nach einer Studie der Universität Bern geben 26 Prozent der befragten Deutschen an, „dass ihre Aussprache ein Defizit ist.“ Neben dem Sprachkonflikt bestehe aber auch eine grundsätzliche Skepsis, die andere Ursachen hat: „Die Abwehrhaltung der Deutschschweizer gegenüber Deutschen lässt sich auf die Konkurrenzsituation um Arbeitsplätze sowie eine gewünschte Abgrenzung der nationalen Identität aufgrund der Ähnlichkeit zu Deutschen zurückführen“, schreibt die Autorin der Studie, Michelle Fontijne. (20min.ch)

 

„Deutscher Frühling“ in Estland

Zum 100. Jahrestag der Republik Estland gibt es auf dem jährlichen Kulturfestival „Deutscher Frühling“ in Estland vom 9. bis 29. April 2018 an vielen Orten in ganz Estland mehr als 60 Veranstaltungen zu Kunst, Kultur, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und zur deutschen Sprache. Hamburg ist das diesjährige Partnerland des „Deutschen Frühlings“. Auch am Deutschen Kulturinstitut in Tartu, einer Partnerorganisaion des VDS, finden Veranstaltungen statt, zum Beispiel ein Orientierungsspiel auf den Spuren der berühmten Deutschen in Tartu. (saksakevad.ee)

 

2. Unser Deutsch

Heimat

Ein ideologiebeladenes Wort, das neuerdings als Thema von Ministerien in Anspruch genommen oder wiederentdeckt wird. Fragen wir, welche Last es mitführt, wie es sich davon befreien kann.
Heimat gehört zu den Wörtern, deren Bildung undurchsichtig ist. Wir erkennen zwar eine Verbindung mit Heim. Aber wie daraus der abstrakte Begriff abgeleitet wurde, ist nicht mehr erkennbar. Schon althochdeutsch heimōti mit der ungefähren Bedeutung ‚Stammsitz‘ ist bisher nicht sicher gedeutet. Trotz seiner Isolierung von produktiver Wortbildung hat das Wort ein Jahrtausend überlebt. Heute belegt Heimat in zahlreichen Zusammensetzungen wie Heimatdichter, Heimatfest, Heimatforscher, Heimatmuseum, Heimatkunde und auch Heimatvertriebene ein traditionelles Bild von einer Region, in der ein Mensch aufgewachsen ist, dort in Beruf und Familie seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat und am Ende vielleicht in einem Familiengrab ruht.
Solche Heimat gibt es noch heute, aber immer seltener. Mobilität in der Ausbildung und im beruflichen Leben, digitale Vernetzung und globale Kommunikation halten uns auf Trab, lassen aber auch das Bedürfnis nach einem sicheren Standort und vertrautem Umfeld wachsen. Dafür fehlt ein Wort, Heimat stellt sich dafür zur Verfügung. Prüfen wir einmal am Alltagsleben, zum Beispiel einem freien Wochenende, was alles unter diesen Oberbegriff passt.
Wir schauen aus dem Fenster, vielleicht des eigenen Hauses (das bindet am allermeisten), vertraute Bäume, Nachbarhäuser, Frühaufsteher, das morgendliche Vogelzwitschern – der Tag beginnt. Ein erster Gang vor dem Frühstück zum Briefkasten, die lokale Zeitung holen (und vielleicht noch eine überregionale), dazu ein Packen Werbung. Dann ein Gang zum Bäcker, wo sich schon Schlangen gebildet haben, jede Gegend hat ihre eigenen Spezialitäten und die Namen dafür. Auch die neu Zugezogenen lernen sie schnell, wechseln vom Hallo oder Tach zum Grüß Gott, wenn sie in den deutschen Süden gezogen sind. Nach dem Frühstück ist die Zeitung Pflicht, besonders der lokale Teil: Veranstaltungen, Lokalpolitik, Leserbriefe und wer ist gestorben? Der weitere Morgen führt vielleicht auf den Wochenmarkt und zu kleineren Einkäufen. Hier ist man bekannt, trifft manchen zu kurzem Plausch. Jeder hat bestimmt ein Dutzend Geschäfte, die er immer wieder aufsucht. Dazu kommen Friseur, Ärzte, Handwerker, die Bank, die Apotheke und natürlich geschätzte Lokale. Bei gutem Wetter geht es ‚hinaus aufs Land‘. Heimat kann ganz verschieden sein: das flache Land mit dem großen Himmel, liebliche Hügel, imposante Gebirge, Flusstäler und Seen. Mit den Jahren entsteht eine Prägung, was man für schön hält, was heimatliche Landschaft ist.
Denn Heimat kann nicht nur geerbt, sie kann auch erworben werden. Das Wort hat keinen Plural, aber viele Menschen haben mehr als eine Heimat. Vor allem natürlich die Vertriebenen und Geflüchteten.
Aufgabe der Politik ist es, die Heimat im Alltag zu bewahren: die Lebensqualität in den Gemeinden stärken, Landflucht bremsen, Pendeln erleichtern, Ärzte, Verwaltung, Banken, Läden für jeden erreichbar machen. Auch Mitwirkung ermöglichen und herausfordern. Das gilt für Eingesessene wie für Zugezogene, für Christen, Juden und Muslime. Es lohnt, dem Wort Heimat einen neuen, einen zusätzlichen Sinn zu geben.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Regionalleiter wiedergewählt

Am 9. April wählten die Mitglieder der Region 48 Günter Denz erneut zu ihrem Regionalleiter, sein Stellvertreter bleibt Ludger Kordt. Der Mitgliederversammlung im Pfarrheim St. Georg in Saerbeck war eine Lesung mit Ricarda Cronemeyer vorausgegangen. Besonders in den letzten Jahren hatte sich die Regionalgruppe 48 dem Thema Flucht und Flüchtlingen gewidmet und Integrationsarbeit geleistet. Besonders Günter Denz, der seit 2015 Sprachkurse für ältere Flüchtlinge leitet, leiste so einen wichtigen Beitrag für die Förderung der deutschen Sprache, berichten die Westfälischen Nachrichten. (wn.de)

 

4. VDS-Termine

16. April, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Holger Klatte und Stefan Ludwig.
Schwerpunkt:
Sendungsseite: http://www.deutschesmusikradio.de/dmr/wortspiel/
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr

18. April, Dresden
Lingner-Podium mit Prof. Dr. Peter Eisenberg (Universität Potsdam, Institut für Germanistik),
Dr. Friedrich Dieckmann (Autor und Publizist, Berlin), Moderation: Hans-Peter Lühr (Publizist)
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Lingnerschloss Dresden, Bautzner Straße 132, 01099 Dresden
Eintritt 10,- € | ermäßigt 8,- €
lingnerschloss.de

18. April, Region 10 – 14, 16 (Berlin/Potsdam)
Treffen der Berliner VDS-Region mit der Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Restaurant „Via Nova II“, Universitätsstr. 2-3a, 10117 Berlin

21. April, Elfenbeinküste
Tag der deutschen Sprache der Partnerschulen. Der VDS Elfenbeinküste bringt Schüler im ganzen Land zusammen, die das Interesse für die deutsche Kultur verbindet und denen die Förderung einer guten deutschen Sprache am Herzen liegt.
Zeit: 08:00 bis 12:00 Uhr

24. April, Bad Freienwalde
Filmvorstellung: Elisabeth Mann Borgese – Botschafterin der Meere
Am 24. April 2018 feiert die Welt den 100. Geburtstag von Elisabeth Mann Borgese, jüngste Tochter von Thomas Mann. Sie ist die einzige Frau, die in den Club of Rome aufgenommen wurde, und ist Gründerin der Internationalen Ocean-Institute. VDS-Mitglied Eberhard Görner hat für das Bayerische Fernsehen 1997 mit Elisabeth Mann Borgese in Litauen, auf der Kurischen Nehrung im Thomas Mann-Haus, sowie in Halifax/Canada die Dokumentation „Botschafterin der Meere“ gedreht.
Moderation: Prof. Eberhard Görner
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Film-Theater, Königstraße 11, 16259 Bad Freienwalde
musiktheater-brandenburg.de

 

5. Literatur

Kinderbücher in Mundart

Kinderbuchübersetzungen in Sächsisch, Hessisch oder Ostfriesisch werden immer populärer. Besonders Kinderbuchklassiker, wie „Struwwelpeter“ oder Comic-Bücher erscheinen so in neuem Licht. Neben Asterix-Geschichten in fast 30 Mundarten, ist vor allem Bairisch sehr beliebt. Erst 2016 erschien eine Übersetzung des Klassikers „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry, der dieses Jahr sein 75. Jubiläum feiert, auf Bairisch und bescherte dem Allitera Verlag ungeahnte Verkaufszahlen. „Ma siehgt ned gscheid, wenn’s Herz ned dabei is. Des, worauf’s okimmt, des seng d’Augn ned“, lautet dort das wohl berühmteste Zitat des Buches. Neuübersetzungen kurbeln demnach nicht nur den Markt an, die seien auch imstande, Emotionen anders zu transportieren, schreibt die Süddeutsche Zeitung. (sueddeutsche.dedeutschlandfunkkultur.de,
merkur.de)

 

6. Denglisch

Rap-Terminologie

Michael Bernd Schmidt, alias Smudo von den Fantastischen Vier, hat bei der Verleihung des Medienpreises für Sprachkultur der Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) auch die sprachpflegerischen Leistungen der bekanntesten Hip-Hop-Band aus Deutschland betont. „Wir haben es nicht Rap genannt, sondern Sprechgesang, wir haben nicht gescratcht, sondern Platten gekratzt. Das war eine bewusste Entscheidung“, so Smudo.
Weil sie „Deutschrap salonfähig gemacht“ und dabei „Wert auf die deutsche Sprache“ gelegt haben, hat die GfdS „Die Fantastischen Vier“ mit dem Medienpreis für Sprachkultur ausgezeichnet. Auch die „Die Sendung mit der Maus“ bekam den Medienpreis der GfdS. Begründung: Sie vermittle für Kinder selbst komplexe Sachverhalte interessant, verständlich und spannend.
Für ihre sprachlichen Verdienste bekamen die Sendungsmacher 2012 bereits den Institutionenpreis Deutsche Sprache der Eberhard-Schöck-Stiftung und des VDS sowie 2009 den Lehrer-Welsch-Sprachpreis der VDS-Region Köln. (hessenschau.dekulturpreis-deutsche-sprache.de)

 


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

RECHTLICHE HINWEISE

Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Silke Niehaus

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