Infobrief Nr. 445 (51. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

  • Nonverbale Kommunikation
  • Zweitklassige Mehrsprachigkeit
  • Du ***

2. Unser Deutsch

  • AKK

3. VDS-Termine

4. Literatur

  • Feuchtwanger-Tagebücher
  • Von Mortimer zu Mickey

5. Denglisch

  • Sprache in Unternehmen

6. Kommentar

7. Etwas Schönes – es kam zu spät für die SPRACHNACHRICHTEN

 

1. Presseschau

Nonverbale Kommunikation

Bild: pixabay / Clker-Free-Vector-Images, CC0-Lizenz

„Ich kann das an deinen Augen ablesen“ – diesen Satz hat wahrscheinlich jeder schon einmal im Gespräch mit einem besonders vertrauten Menschen gehört. Manche Menschen kennt man so gut, dass man merkt, wenn es ihnen nicht gut geht, auch wenn sie es verbergen möchten. „Du kennst mich halt zu gut“ wird erwidert, doch tatsächlich können die Augen auch bei einer völlig fremden Person viel verraten. Psychologische Studien und Jahrmarkttelepathen beschäftigen sich beispielsweise mit der Blickrichtung beim Lügen, beim Erinnern oder bei Verlegenheit. Auch die Häufigkeit und Intensität des Blinzelns wurde bereits untersucht und eine Korrelation mit der Erregtheit des Probanden festgestellt. Eine neue Studie des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik in Nijmegen beschreibt nun die Auswirkungen des Blinzelns auf den Gesprächsverlauf: Die Dauer des Blinzelns wird durch den Gesprächspartner wahrgenommen und die Länge seiner Antwort wird dadurch gesteuert. Je länger das Augenblinzeln dauert, desto kürzer werden die Antworten des Gesprächspartners. (focus.degedankenwelt.de)

 

Zweitklassige Mehrsprachigkeit

Anhand der Sprachenpolitik der EU diskutierten die Sprachforscherin Eva Vetter und die Germanistin İnci Dirim das Thema Mehrsprachigkeit. Die EU vertrete eine additive Vorstellung von Mehrsprachigkeit, die sich in der Formel „mother tongue + 2“ (Muttersprache + 2) ausdrücke. Aktuell gehe die Wissenschaft jedoch davon aus, dass Mehrsprachigkeit als „Gesamtheit eines sprachlichen Repertoires“ zu sehen sei, das Bestandteile verschiedener Sprachen enthalten könne. Die abgegrenzten Einzelsprachen, welche die EU meint, würden zudem nicht gleichmäßig wertgeschätzt. Dies gehe auf die Kolonialzeit zurück, in der Personengruppen neben der Hautfarbe auch nach Sprachen hierarchisiert worden seien. Spuren dieser heute nicht mehr vertretbaren Denktradition seien geblieben und führten dazu, dass viele Migrationssprachen heute marginalisiert würden, besonders im Bildungssystem. (medienportal.univie.ac.at)

 

Du ***

Die Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet einen Wettbewerb zum Thema „Verrohte Sprache – verrohte Menschen“. Wie die Osnabrücker Zeitung berichtet, beteiligte sich auch eine neunte Klasse der Osnabrücker Schule an der Rolandsmauer. Die Schüler befassten sich für ihren Wettbewerbsbeitrag mit dem Thema Beleidigungen und produzierten einen Kurzfilm. Der Wettbewerb regte dabei vielfältige Reflexionen an, zum Beispiel über ernst gemeinte und witzige Beleidigungen, über die Verletzlichkeit durch Worte und über die Hemmschwelle, Beleidigungen vor einer Autoritätsperson wie einem Lehrer auszusprechen. (noz.de)

 

2. Unser Deutsch

AKK

So lässt sich die neue Vorsitzende der CDU gerne nennen, eine Abkürzung nach den Anfangsbuchstaben ihres vollständigen Namens Annegret Kramp-Karrenbauer. So häufig und selbstverständlich solche Abkürzungen bei Namen von Parteien (SPD, FDP), von Fussballclubs (FCN) Universitäten (LMU, FAU) oder Gesetzen (GG) sind, bei Personen tauchen sie eher selten und nur umgangssprachlich auf, teils liebevoll, teils spöttisch – eben ein Ersatz für den langen, den umständlichen Namen. Manch langer Vornamen wird so vereinfacht wie zum Beispiel Hans-Joachim zu Hajo, August-Wilhelm zu Auwi. In den USA werden Namen häufiger gekürzt wie beim legendären JFK (John Fitzgerald Kennedy).

Manche Zeitgenossen stören sich an den familiären Doppelnamen. Deshalb sei die Gelegenheit eines prominenten Falles für eine Erklärung genutzt. Wie kam es dazu und warum? Bei unseren Großeltern gab es sie noch nicht. Denn bis zum Jahre 1976 galt § 1355 BGB vom Jahre 1896, in dem es zum Ehenamen heißt: „Die Frau erhält den Familiennamen des Mannes.“ Es dauerte ein Viertel Jahrhundert, bis das Grundrecht der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Art 3 (2), auch auf das Namensrecht angewandt wurde. Dafür war insbesondere der folgende Satz maßgebend: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Nur schrittweise gingen die Reformen voran: Seit 1958 durften die Ehefrauen erstmals ihren sogenannten ‚Mädchennamen‘ an den ihres Mannes als Begleitnamen anhängen; ab 1976 konnten die Ehepartner endlich wählen, ob sie den Geburtsnamen der Frau oder des Mannes als gemeinsamen Ehenamen annehmen. Und wer in der ehelichen Namenwahl unterlag, konnte dann seinen ursprünglichen Namen dem gemeinsamen hinzufügen. Zumeist waren es die Frauen, welche einen Doppelnamen wählten, der Mann behielt den seinen. So mag auch AKK zu ihrem Doppelnamen gekommen sein. Behalten durfte sie damals ihren alten, ihren Geburtsnamen, nicht. Das hat erst die jüngste Änderung von 1993 korrigiert und damit völlige Gleichberechtigung in der Namenwahl erreicht. Nun gibt es drei Möglichkeiten: a) jeder Ehepartner behält seinen eigenen Namen, b) die Ehepartner wählen den des Mannes oder der Frau zum gemeinsamen Namen und c) in dem Fall kann jeder Partner seinen alten Namen als Begleitnamen vorne oder hinten hinzufügen.

Wie sieht die Praxis aus? Erhebungen von 1997 zeigen, dass zirka 90% der Eheleute einen gemeinsamen Namen führen, und fast immer den des Mannes. Aktuelle Erhebungen fehlen, würden aber wohl ein bunteres Bild ergeben. Neben dem Aspekt der Gleichberechtigung spielen viele weitere Überlegungen bei der Namenwahl eine Rolle. Wird man – bei Namensverschiedenheit – als Ehepaar wahrgenommen oder zur Kategorie ‚leben zusammen‘ gezählt? Wie kommen die Kinder mit den verschiedenen Namen ihrer Eltern zurecht? Und wählt der Mann den Namen seiner Frau, heißt es dann immer noch ‚sie hat die Hosen an‘?
Es ist kein schlechter Ausweg, den AKK gewählt hat. Offiziell die Langform, wie sie im Pass steht, in ihrer saarländischen Heimat aber, in der Partei, unter Freunden und Kollegen die einfache, kurze Identifikation. Denn das ist ja das eigentliche Ziel aller Namensgebung: einen Menschen, einen Ort und vieles andere identifizieren, also mit einem eindeutigen, möglichst einmaligen Etikett versehen. Und AKK ist in dem Sinne einmalig.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. VDS-Termine

9. Januar, Region 04 (Leipzig)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Seminargebäude der Universität Leipzig, Universitätsstr., 04109 Leipzig

14. Januar, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Str. 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

16. Januar, Region 07 (Gera, Jena)
Mitgliederversammlung
Vortrag von Vorstandsmitglied Jörg Bönisch: Gendersprache – Geschlechter(un)gerechtigkeit und Sprach(zer)störung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Sanitäts- und Gesundheitshaus Carqueville, Flurstr. 6, 07586 Kraftsdorf

17. Januar, Region 70/71/73/74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Str. 46, 70178 Stuttgart

 

4. Literatur

Feuchtwanger-Tagebücher

FOCUS nennt die jetzt im Aufbau Verlag erschienene Ausgabe der Tagebücher von Lion Feuchtwanger einen „Anlass für jüngere Generationen, zu seinen Romanen und Erzählungen zu greifen“. Sie soll den Autor von Jud Süß „ohne Filter“ zeigen. Die Herausgeber hielten es jedoch für angemessen, die Darstellung der Erotomanie, die Feuchtwanger im Vorwort konstatiert wird, etwas abzuschwächen und die Häufigkeit der Ausdrücke „gevögelt“ und „gehurt“ drastisch zu reduzieren. Der Artikel im FOCUS gibt einen ausführlichen Einblick und gewichtet die Verhältnismäßigkeit der Qualität der Notizen und der Relevanz der festgehaltenen Ereignisse wie Begegnungen mit anderen Autoren oder Persönlichkeiten der Weltpolitik und regt damit seinerseits zur Auseinandersetzung mit Feuchtwanger an. (focus.de)

 

Von Mortimer zu Mickey

Eine freche kleine Maus macht Karriere. Vor 90 Jahren trat sie das erste Mal ins Rampenlicht als Hauptrolle des ersten durchgehend vertonten Zeichentrickfilms „Steamboat Willie“. Damals noch ohne die Handschuhe, die heute zu ihrem Erscheinungsbild gehören, trotzdem jedoch schon klar erkennbar als Mickey Mouse. Ursprünglich sollte die Maus Mortimer genannt werden. Bis zum heutigen Tag wird Mickey immer wieder Veränderung unterstellt und entwickelt sich stets weiter. Ganz klar: Die bekannte Zeichentrickmaus hat eine Geschichte hinter sich und diese lässt sich neuerdings in verbildlichter Form im 500 Seiten dicken Schmöker „Walt Disneys Mickey Mouse: Die ultimative Chronik“ nachlesen. Das Buch zeigt den kreativen Prozess der Walt Disney Studios, welcher die Welt Mickeys entstehen ließ, in aufschlussreicher Tiefe und in Form von detailreichen Skizzen und Entwürfen. Doch wieso war Mickey Mouse eigentlich so erfolgreich? Bob Iger, Vorstandsvorsitzender des Disney-Konzerns, lüftet das Geheimnis von Mickeys Erfolg: „Seit seinem Erscheinen war der kleine Bursche mit der übergroßen Persönlichkeit und dem Kopf voller Flausen stets ein Symbol für erbaulichen Spaß, Optimismus und eine positive Lebenseinstellung.“ (focus.de)

 

5. Denglisch

Sprache in Unternehmen

Wer sich heutzutage auf eine Stelle bewirbt, muss Englisch sprechen. Dabei ist es häufig irrelevant, ob es sich um ein internationales Unternehmen handelt oder nicht. Englischkenntnisse werden vorausgesetzt, um in der Arbeitswelt klarzukommen, und immer seltener dient Deutsch zur Kommunikation. Beim Maschinenbauer Weidmüller aus Detmold war es ein Prozess über viele Jahre hinweg. Das Geschäft sollte internationalisiert werden, und so wurde Englisch als Firmensprache eingeführt. Bei Amazon wird Denglisch gesprochen. Wer dort arbeitet, muss entweder Englisch oder Deutsch sprechen, und eine der Hauptdevisen lautet „Have fun“. Aber wie ist es mit den Deutschkenntnissen? Man könnte fast meinen, in so manchem Unternehmen werde Deutsch nicht mehr benötigt. Man möchte sich internationaler orientieren, Kommunikation über Ländergrenzen hinweg ermöglichen und Menschen, die neu im Land sind, eine attraktive Anstellung bieten. Alles an sich keine schlechten Dinge – jedoch verfehlen sie das Ziel, wenn dadurch andere Probleme entstehen. Umstellungen von Deutsch auf Englisch sind immer holprig. Die Angestellten müssen sich umgewöhnen, und die fremde Sprache verlangsamt das Arbeiten. Das Gefühl der Zugehörigkeit lässt nach, wenn man die Sprache nicht so gut beherrscht wie die Kollegen, und Gefühle wie Versagensangst und Leistungsdruck machen sich breit. Hinzu kommt die Gefahr von Missverständnissen in Detailfragen. Unsicherheiten beim sprachlichen Ausdruck können zu Fehlinterpretationen führen. „Unternehmen sollten solche Faktoren nicht unterschätzen“, so Claudia Schmidt von der Unternehmensberatung Mutaree. (pressesprecher.comallgemeine-zeitung.de)

 

6. Kommentar

In einem weltweiten social network wird der Weihnachtskitsch beklagt, der in englischer Sprache die Medien flutet. Darauf reagiert einer der Netzwerker: „Euch ist schon klar, dass ihr das alles in einem amerikanischen Medium diskutiert? Damit meine ich die hier versammelten Kritiker des US-Kulturimperialismus.“ Es sei wohlfeil, fährt er fort, den großen Satan USA für alles Übel in der Welt verantwortlich zu machen und dies dann in einem amerikanischen sozialen Medium kund zu tun.

 

7. Etwas Schönes – es kam zu spät für die SPRACHNACHRICHTEN

Lateinkalender 2019

Für den Lateinkalender 2019 wurden Sentenzen von Publilius Syrus ausgewählt – wie schon einmal vor 25 Jahren bei einem der ersten Lateinkalender aus dem Pädagogium Bad Sachsa. Doch die Sammlung seiner Sprüche ist so umfangreich (ca. 700), dass keine Wiederholung zu fürchten ist.

Neben der Übersetzung in zehn europäische Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch, Schwedisch, Finnisch, Griechisch, Esperanto) wurden zum ersten Mal auch Übertragungen in einige Regionalsprachen (Dialekte) aufgenommen (Platt, Schwäbisch, Bairisch, Sächsisch, Schwyzerdütsch). Das wird Schmunzeln und Verwundern hervorrufen, wenn man liest (laut lesen ist dabei hilfreich), wie die Verfasser den Text gedeutet und in ihr Milieu übertragen haben. Von den bairischen Übertragungen, die mir vorlagen, habe ich die ausgewählt, von der ich glaube, dass sie auch Nicht-Bayern am leichtesten verständlich ist. Es fehlt auch nicht die von vielen geschätzte Reimübersetzung des Marburger Künstlers Horst Fenchel. So möge der Kalender wiederum ein anregender und unterhaltsamer Begleiter durch das Jahr werden.

Der Kalender hat das Format 23 x 33 und kostet 10.-€; Versand 2,00 €. Er ist ab Ende Oktober lieferbar und kann bestellt werden bei:

oder bei

 


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Die nächste Ausgabe des Infobriefes erscheint nach Silvester. Wir wünschen frohe Tage.

Redaktion: Alina Letzel, Oliver Baer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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