Infobrief Nr. 446 (1. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

  • Welt-Braille-Tag
  • Geboren aus Multikulti
  • Sylvester und Silvester

2. Unser Deutsch

  • Silvester

3. Berichte

  • Beispielhafter VDS

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Amos Oz und Edgar Hilsenrath verstorben
  • Buchtipps des Ex-Präsidenten

6. Denglisch

  • Sprachlose Gründer

7. In eigener Sache

 

1. Presseschau

Welt-Braille-Tag

Bild: pixabay / Pexels, CC0-Lizenz

Die Christoffel-Blindenmission (CBM) erinnerte zum Welt-Braille-Tag am 4. Januar daran: 90 Prozent der weltweit 253 Millionen Menschen mit Sehbehinderungen leben in Entwicklungsländern. Das Erlernen der Braille-Schrift könne für diese Menschen den einzigen Zugang zu Bildung darstellen. Sie ermögliche Inklusion in die Gesellschaft, die Menschen mit Behinderungen sonst weitgehend verwehrt bliebe. Mit dem Zugang zur Schriftsprache können sie sich über ihre eigenen Rechte informieren und ein selbstbestimmtes und weniger abhängiges Leben führen. (presseportal.de)

 

Geboren aus Multikulti

In ihrer Kolumne Heimatkunde verweist Ferda Ataman im Spiegel darauf, dass Sprachen über lange Zeiträume durch Anpassung an die Umwelt ihrer Verwender geformt werden. Sie seien hybrid, es gebe semantische Importe aus den Kontaktsprachen, sei es gerade Englisch, Jiddisch, Spanisch oder Arabisch, für das Ataman beispielhaft die „Arabismen“ Alkohol und Matratze anführt. Neben der Entlehnung von Einzelwörtern werde auch immer wieder auf Versatzstücke, zum Beispiel aus Subkulturen, verwiesen, die innerhalb ihres abgeschlossenen Systems eine eigene Sprachform entwickeln, wie beispielsweise das Kiezdeutsch, das in dem begrenzten Anwendungsbereich der Jugendsprache genutzt werde. Gerade die deutsche Sprache sei eine Zusammenstellung subkultureller Versatzstücke, so Ataman. Der Bericht zur Lage der deutschen Sprache von 2017 habe aber gezeigt, dass dies mitnichten ein Anlass zur Sorge sei, die Sprache wachse und gedeihe. Während Politiker und Medien immer noch stritten, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, sei die Sprache längst weiter.

Sorgen bereiten sollte eher das Beispiel gegen Ende der Kolumne: Ein Flüchtling möchte bei einem Besuch über das Wohnzimmer ein Kompliment machen: „Ein schönes Ankunftszentrum haben Sie hier“. Die Realität, der sich die Sprache eines abgegrenzten Anwendungsbereiches auf diese Weise anpasst, wäre allerdings zu diskutieren. (spiegel.de)

 

Sylvester und Silvester

Zum Jahreswechsel versucht es die BILD-Zeitung mit sprachlicher Läuterung und erklärt ihren Lesern den Unterschied zwischen i und y. Silvester, der letzte Tag des Jahres, werde wie der Name des Papstes, auf dessen Todestag Silvester fiele, mit i geschrieben, nicht mit y. Als Erklärungsversuche dafür, warum die falsche Schreibweise mit y häufig auftauche, führt die BILD die Bekanntheit der Schauspieler Sylvester Stallone und Sylvester Groth sowie der gleichnamigen Zeichentrickfigur der Looney Tunes an, außerdem werde im englischen Sprachraum auch der Papstname mit y geschrieben. (bild.de)

 

2. Unser Deutsch

Silvester

Jeder weiß: Es ist der letzte Tag des Jahres, der 31. Dezember. Es böllert, auf Partys wird angestoßen auf das Neue Jahr, manche verspeisen einen Silvester-Karpfen, andere üben sich in verschiedenen Silvester-Scherzen. Aber warum hat dieser Tag diesen Namen? Das hat Geschichte. Es ist der Name des Papstes Sylvester (314-335), seit 813 Namenstag der römisch-katholischen Kirche. Durch die Gregorianische Kalenderreform von 1582 wurde dieser Tag vom 24. auf den 31. Dezember verlegt. Und erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich im Deutschen der päpstliche Namenstag als Bezeichnung des letzten Tages im Jahr eingebürgert. Er fehlt in England, den Niederlanden, Skandinavien. In Schweden wird nyårsafton, in England New Year’s Eve, also ‚Abend des Neuen Jahres‘ gefeiert – übrigens beides protestantische Länder.
Aber wieso –afton und Eve, also Abend? Es ist die gleiche Verwendung des Wortes, die wir aus Heiligabend kennen. Abend hat hier die Bedeutung ‚Vorabend‘, an dem die Feierlichkeiten des kommenden Tages begannen. Das Wort galt schließlich (pars pro toto) für diesen ganzen Tag. Heiligabend, auch Weihnachtsabend genannt, ist also der Tag vor dem Weihnachtstag und der Neujahrsabend ist der Tag vor Neujahr.
Auch unser Sonnabend erklärt sich ähnlich. Das Wort ist schon seit dem 9. Jahrhundert im Althochdeutschen belegt (sunnūnāband), eine Verkürzung von sunnūntag-āband ‚Sonntag-Abend‘ (diese Form der Vereinfachung von dreigliedrigen Zusammensetzungen gibt es noch heute, zum Beispiel Laubsäge aus Laubholzsäge). Aber warum heißt es in Süddeutschland Samstag? Dies geht zurück auf althochdeutsch sambaztag, entlehnt aus lateinisch sabbatum, das wiederum auf griechisch sabbaton (aus dem Neuen Testament) zurückgeht. Damit reicht diese Wortgeschichte hinab bis zur jüdisch-griechischen Wochentagszählung, zu hebräisch šabbāt ‚Ruhetag‘.
Und was hat es mit der Wendung zwischen den Jahren auf sich? Heute meinen wir damit meist die Tage vom 25. Dezember bis Neujahr. Ursprünglich – und das erklärt die Wendung – waren dies die ‚zwölf heiligen Tage‘ zwischen dem ursprünglichen Ende des alten Jahres (24. Dezember) und dem ursprünglichen Beginn des neuen Jahres (Dreikönige, 6. Januar). Die Verkürzung auf sechs Tage hängt mit der Verlegung des Jahresendes auf den 31. Dezember zusammen. Und wenn man noch weiter schürft, dann landet man beim Brauch der Römer, seit 153 v. Chr. das Amtsjahr ihrer Beamten am 1. Januar zu beginnen. Dieses Datum ist uns bis heute als Wende des Jahres erhalten geblieben.

Schlussbemerkung zu dieser Kurzinformation in deutscher Sprachgeschichte: Viele unserer Wörter, die wir wie Kleingeld der Kommunikation benutzen, reichen weit in die Tiefe unserer kulturellen Vergangenheit hinab. Ab und zu lohnt es, sich dieses Erbes zu erinnern. Zum Beispiel an Silvester.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Beispielhafter VDS

In einem Leserbrief an die Welt lobt Ulrich J. Heinz den Verein Deutsche Sprache. Er schreibt, der VDS fange in den Sprachnachrichten die Fehlsicht allgeschlechtlicher Angaben auf. Im Gegensatz zur geschlechtergerechten Sprache seien sie nicht umfassend. Dazu zitiert er folgendes Beispiel: „Personenbezeichnungen gelten für jedes Geschlecht, ‚sogar für Männer‘“. (welt.de)

 

4. VDS-Termine

9. Januar, Region 04 (Leipzig)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Seminargebäude der Universität Leipzig, Universitätsstr., 04109 Leipzig

11. Januar, Region 24 (Flensburg)
Mitgliedertreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Restaurant Waldschänke, Projensdorfer Str. 232, 24106 Kiel

14. Januar, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Str. 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

16. Januar, Region 07 (Gera, Jena)
Mitgliedertreffen
Vortrag von Vorstandsmitglied Jörg Bönisch: Gendersprache – Geschlechter(un)gerechtigkeit und Sprach(zer)störung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Sanitäts- und Gesundheitshaus Carqueville, Flurstr. 6, 07586 Kraftsdorf

16. Januar, Region 23 (Lübeck/Wismar)
Mitgliedertreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Lübecker Rudergesellschaft, Hüxtertorallee 4, 23564 Lübeck

17. Januar, Region 70/71/73/74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Str. 46, 70178 Stuttgart

 

5. Literatur

Amos Oz und Edgar Hilsenrath gestorben

Die literarische Welt verlor in der vergangenen Woche zwei bekannte jüdische Schriftsteller. Amos Oz (Eine Geschichte von Liebe und Finsternis), suchte mit seiner Literatur Poesie zu schaffen, kein politisches Pathos. Er stand für die Zweistaatenlösung zur Befriedung des Konfliktes zwischen israelischen Juden und palästinensischen Arabern. Ihre Geschichte sei keine der Guten gegen die Bösen, sondern eine Tragödie, ein Konflikt „zwischen Recht und Recht“. Dafür musste er Kritik und Anfeindung einstecken.

Edgar Hilsenrath musste sich in Deutschland, dem Land, aus dem er einst geflohen war, gegen die Kritik wehren, der „groteske, vom Tod geschwärzte Humor“ seines Romans Der Nazi und der Friseur sei unangemessen für eine literarische Darstellung der Schoah. (zeit.defocus.detachles.chwelt.deberliner-zeitung.de)

 

Buchtipps des Ex-Präsidenten

Im Rückblick auf das Jahr 2018 veröffentlichte Barack Obama seine persönliche Favoritenliste an Büchern, Filmen und Musikstücken. Die genannten Titel haben ihn im vergangenen Jahr besonders inspiriert und bewegt, so Obama via Facebook. An erster Stelle steht unter den Büchern die Autobiographie Becoming seiner Frau Michelle Obama. Wer entscheiden möchte, ob diese Nennung als Liebesbekundung abzutun ist, sollte als erstes das Buch lesen. (deutschlandfunk.de)

 

6. Denglisch

Sprachlose Gründer

Neben einer schlechten Lage des Immobilienmarktes für Gewerbetreibende und der unzureichenden Versorgung mit schnellem und stabilem Internet beklagen sich Jungunternehmer der Gründerhauptstadt Berlin, dass die Behörden nur in deutscher Sprache kommunizieren. Vier von zehn Start-Up-Unternehmen kämen aber aus dem Ausland, so die Industrie- und Handelskammer Berlin. Für diese Unternehmen liege die Hürde hoch, da es beispielsweise Informationen zur Unternehmensgründung nur auf Deutsch gebe. Auch englischsprachige Ausfüllhilfen für Fragebögen zur steuerlichen Erfassung existierten nicht. Dies sei keine Werbung für Berlin als Wirtschaftsstandort. (rbb24.de)

 

7. In eigener Sache

Der Infobrief erscheint wöchentlich, neuerdings aber nicht immer am Freitag. Wir bitten unsere Leser um Nachsicht: Rechnen Sie künftig mit der Veröffentlichung am Samstag, manchmal schaffen wir es noch zum Freitag. Dass es zwischen den Jahren keinen Infobrief gab, muss an den Feiertagen gelegen haben; da war der eine oder andere Mitarbeiter unabkömmlich …

 


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Redaktion: Oliver Baer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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