1. Presseschau
Sprache in Stellenanzeigen
Nicht nur als Bewerber muss man sich gut verkaufen können. Auch eine Stellenanzeige soll ansprechen und Interesse wecken. Beliebte Formulierungen enthalten Metaphern und Anglizismen. So sucht die deutsche Bahn jemand, der „das Kugelgelenk in der Produktion bildet“. In einer Stellenanzeige des Bayrischen Fußball-Verbandes heißt es: „Wenn Sie bei uns mitspielen wollen, den Doppelpass dem Alleingang vorziehen, dann bewerben Sie sich.“ Gesucht werde ein Online-Koordinator, der zeige, „wie smart der Fußball in all seinen Facetten online rollen kann“. Während man Metaphern (wie das angeleinte Gerolle facettenreicher Bälle) immerhin noch irgendwie versteht, lassen sich mit Anglizismen Fachbegriffe zu einer höheren Bedeutung aufblasen. Ein Telekommunikationsunternehmen sucht Mitarbeiter für „Cross- und/oder Up-Selling im Rahmen von standardisierten Outbound-Kampagnen inklusive Retention Calls“. Und falls man irgendwo auf eine offene Stelle im Brandmanagement trifft, dann ist kein Feuerwehrmann gesucht – sondern ein Verantwortlicher für die Eigenmarken (engl. Brands) des Unternehmens. (wiwo.de)
Einführung der Gendersprache in Hagen
Auch die Stadt Hagen hat sich anstecken lassen. Ab Sommer 2019 sollen offizielle Schreiben geschlechtergerecht formuliert sein. Damit wird eine Forderung der Gleichstellungsstelle des Landes NRW umgesetzt. Sie erntet Kritik. Die Junge Union stört, dass die Stadt für „diesen Irrsinn“ Zeit und Geld zu haben scheint, nicht aber für wichtige Projekte, wie schnelles Internet an Schulen oder Freizeitmöglichkeiten für Jugendliche. Der Vorsitzende der CDU Fleyerviertel, Jan Günther, kritisiert die Umstellung ebenfalls: „Was die Stadt braucht, ist keine gendergerechte Sprache, sondern eine Verwaltung, die die Sprache der Bürger spricht.“ (waz.de, 107.7radiohagen.de)
Bilingualer Grundschulunterricht
Wer bilingual lernt, lerne generell besser, ergibt eine Studie aus Bayern, die seit 2015 die Lernfortschritte und Leistungen von Grundschulkindern im bilingualen Unterricht analysiert. Lernen in zwei Sprachen – Bilinguale Grundschule Englisch heißt der Modellversuch. Der sprachliche Vorteil im Englischen sei klar beobachtbar. Im Hörverstehen, Leseverstehen und Schreiben seien bilingual unterrichtete Schüler den anderen weit voraus. Darüber hinaus werde durch die Studie die Hypothese bestätigt, dass „zweisprachig Unterrichtete bzw. Aufwachsende durch die Herausbildung von neuen Netzwerken im Gehirn kognitive Vorteile entwickeln, die weit über das reine Englischlernen hinausreichen“, so Prof. Dr. Heiner Böttger, Professor für Didaktik der englischen Sprache und Literatur an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. (idw-online.de)
2. Unser Deutsch
„Weiberzeitungen!“
Der zornige Ausbruch von Thomas Gottschalk gegen die Klatschpresse hat ein neues Wort kreiert, ein unfreundliches, zugegebenermaßen, und gendermäßig völlig unpassend. Das macht auch seinen Reiz aus, der Mut, sich gegen den Strom des Korrekten vorzuwagen, gegen diese unsäglichen Bildergeschichten von vermeintlicher Prominenz, all diese in Frisiersalons und Ärztewartezimmern ausliegenden voyeuristischen Mappen. Betroffenen möchte man hier ein Anrecht auf Widerspruch einräumen. Es bleibt übrigens ein bisschen offen, ob Zeitungen von Weibern, für sieoder gar über sie gemeint sind.
Wir fragen, wie es mit dem Weib bestellt ist. Seit wann hat es diesen pejorativen Klang, diese abschätzige Klassifizierung? Die Sprachgeschichte ist verwickelt und oft verknüpft mit dem männlichen Part. Mittelhochdeutsch wîb ist seit dem Mittelalter und bis ins 19. Jahrhundert ‚eine Person weiblichen Geschlechts, ohne Rücksicht auf Alter, Stand und Heirath‘, wie der Lexikograph Johann Christoph Adelung um 1800 feststellt. Höhergestellt war mittelhochdeutsch frouwe, ursprünglich eine Ableitung von frô ‚Herr‘ (heute nur noch im Namen des Feiertags Fronleichnam ‚Leib des Herrn‘ erhalten). Schon im Mittelalter begann das Herabgleiten der Bewertung: frouwe wird zur Frau und ersetzt wîb als unmarkierte Bezeichnung. Weib wird zunehmend pejorativ gebraucht, was sich auch in Zusammensetzungen wie Weibsbild, Weibsstück spiegelt. Ähnlich erging es mittelhochdeutsch dierne, ursprünglich eine ‚junge unverheiratete Frau‘, schon im 15. Jahrhundert auch die ‚Dirne‘. Die neutrale Bezeichnung lebt dagegen im niederdeutschen deern und im bairischen Dirndl fort.
Auch der Männerwelt blieb verbale Entwertung nicht erspart: Herr, ursprünglich eine Lehnübersetzung von lateinisch senior ‚der Vornehmere‘ wurde vom ‚Gebieter‘ zur simplen Anrede erwachsener Männer. Ein gewisses Gegenstück zum Weib ist der Kerl, eine Entlehnung aus dem Niederdeutschen. Feministinnen sprechen gern von den Jungs und meinen dies nicht verehrend. Gerade wertende Personenbezeichnungen unterliegen einem gewissen Verbrauch, rücken vom Hohen zum Neutralen, dies verfällt zum Niederen. Ersatz kommt von oben: Die Dame wird im 16. Jahrhundert aus französisch dame entlehnt, sie folgt dem Herrn aus dem Lateinischen.
Zurück zur gottschalk‘schen Weiberzeitung. Sprachwissenschaftlich ist an ein elementares Phänomen zu erinnern: dass wir Zusammensetzungen nach festen Regeln neu kreieren können, und dass sie jeder in der Sprachgemeinschaft versteht. Zugrunde liegt das Regelsystem der Wortbildung, das Teil unserer Sprachkompetenz ist. Erzeugen und Verstehen sind komplementäre Phänomene unseres Sprachvermögens. Sonst könnte sich niemand über die Weiberzeitungen aufregen und auch Gottschalk hätte nicht erwartet und einkalkuliert, dass dies geschehen wird.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Beobachtung
Der eine und der andere
Willkürlich entnehmen wir einem Gespräch über Beziehungsprobleme eine beliebige Äußerung der Expertin: „Je mehr der eine versucht, das Meckern zu vermeiden und Dienst nach Vorschrift macht, desto mehr verärgert er den anderen. Du versuchst, es mir recht zu machen, meinst es aber nicht so, sagt dann der andere.“
Offensichtlich gilt das Gesagte für zwei Menschen, deren sexuelle Identität im gegebenen Zusammenhang keine Rolle spielt. Es kann sich um ein Frau-Mann-Paar handeln oder um zwei Lesben oder Schwule, wie auch immer – das Muster kommt überall vor. Müsste sich die befragte Expertin gendergerecht äußern („der/die eine, die/der andere“), wie würde der Satz lauten, und wie das ganze seitenlange Gespräch? Das kann sich jeder selbst ausmalen. Irgendeine höhere Erkenntnis käme durch das Sprachgendern jedenfalls nicht zustande. Schlimmer noch: Wer mag da noch zuhören oder weiterlesen?
Quelle: Was das Geheimnis glücklicher Beziehungen ist (in Spiegel Plus, spiegel.de)
4. Kultur
Sprachliche Überbleibsel
Jede Zeit hat ihre sprachlichen Eigenheiten. Journalist Matthias Heine untersucht, welche Begriffe aus dem Nationalsozialismus wir heute noch nutzen, und ob es darunter Wörter gibt, die von den Nationalsozialisten so missbraucht wurden, dass man sie heute lieber nicht mehr verwenden sollte. Begriffe, die Heine für unangebracht hält, sind zum Beispiel entartet, Festung Europa, Gleichschaltung oder Rassenschande. In seinem Buch „Verbrannte Wörter: Wo wir noch reden wie die Nazis – und wo nicht“ setzt er sich mit etwa 80 Begriffen genauer auseinander. Heine möchte auf keinen Fall die Sprachpolizei spielen. Er betont, jeder könne so reden, wie er es für richtig hält. Jedoch solle man den historischen Kontext eines Wortes kennen, damit man sich bewusst entscheidet. (focus.de)
Künstliche Intelligenz schreibt Buch
Von Computerlinguisten der Goethe-Universität in Frankfurt wurde ein künstlicher Autor entwickelt – ein Algorithmus namens Beta Writer, welcher aus einer Sammlung von Aufsätzen eine Zusammenfassung aller relevanten Informationen erstellt. Der Wissenschaftsverlag Springer Nature hat damit sein erstes Buch veröffentlicht, das nicht von einem Menschen verfasst wurde. Einen besonderen Spannungsbogen gibt es in dem Buch nicht, dafür jedoch eine präzise Übersicht über den aktuellen Forschungsstand im Bereich Lithium-Ionen-Akkus. (golem.de, computerbase.de)
5. Denglisch
Stromsparen auf Denglisch
Zum Energiesparen braucht man nicht nur ein neues System, sondern auch Anglizismen. Die Gemeinde Pöcking im oberbayerischen Landkreis Starnberg plant die Anschaffung einer Energieeffizienz-Management-Software. Petra Denk, Professorin der Hochschule Landshut, stellte die Maßnahmen vor, mithilfe derer die Stadt Pöcking in ihren Gebäuden Strom sparen soll. Dabei sprach sie von quick wins, kick-off sowie vom Bottom-Up-Ansatz, und betonte, welche Punkte man besonders benchmarken müsse. (merkur.de)
6. VDS-Termine
24. April, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus
25. April, Region 27 (Bremerhaven, Cuxhaven)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthof Bathmann, Bremerhavener Str. 30, 27612 Loxstedt
29. April, Region 50, 51 (Köln)
Regionalversammlung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln
2. Mai, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen, Thema: „Fontane“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen
3. Mai, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliederversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Hotel Alter Kreisbahnhof, Königstr. 9, 24837 Schleswig
8. Mai, Region 17 (Neubrandenburg, Greifswald)
Mitgliederversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Hotel Restaurant „Sankt Georg“, St. Georg 6, 17033 Neubrandenburg
9. Mai, Region 65 (Wiesbaden)
Mitgliedertreffen, Vorstandswahl und Vortrag von und mit Herrn Prof. Walter Krämer
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Ristorante Pizzeria Da Calogero (im Bürgerhaus), Rathausplatz 3, 65779 Kelkheim (Taunus)
11. Mai, Region 99 (Weimar, Thüringen)
Mitgliedertreffen mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 15:30 Uhr
Ort: Zum Hamster, Hauptstr. 24, 99100 Großfahner
17. Mai, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Sportrestaurant Altenholz, Klausdorfer Str. 78b, 24161 Altenholz
13. Mai, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Str. 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg
13. Mai, Region 20, 22 (Hamburg)
Mitgliederversammlung
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind gelegentlich mitgemeint, auch weiße, ältere. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel