1. Presseschau
Rückblick auf eine Schweizer Sicht des VDS
Vor zwanzig Jahren erschien beim Sprachkreis Deutsch ein Beitrag über den Verein Deutsche Sprache unter dem Titel EUROPA ist unser Haus und DEUTSCH unsere Sprache, denn so lautete schon damals die Position des Vereins. Seit 1999 erweitert sich die Bandbreite der Vereinsinteressen, konstant bleibt dabei eines: Es geht dem VDS um Sprache, nicht um Parteipolitik. (sprachkreis-deutsch.ch)
Kulturpreis Deutsche Sprache
Der dreiteilige Kulturpreis Deutsche Sprache, der jährlich verliehen wird, geht in diesem Jahr an den Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg, die Hamburger Indie-Band Tonbandgerät sowie die Zeitschrift Kaukasische Post. Eisenberg erhält den mit 30.000 Euro dotierten Kulturpreis Deutsche Sprache. Er werde für seine herausragenden Leistungen zur Erforschung der deutschen Grammatik geehrt, so der Vorsitzende der Jury, Helmut Glück. Den mit 5.000 Euro dotierten Initiativpreis Deutsche Sprache erhält Tonbandgerät für ihr Engagement als Botschafter für die deutsche Sprache. Die Gruppe habe durch ihre lebensnahen und Leichtigkeit versprühenden Texte bei amerikanischen Schülern Interesse am Deutschen als Fremdsprache geweckt. Der nicht dotierte Institutionenpreis Deutsche Sprache geht an die einzige deutschsprachige Zeitung im Kaukasus, die Kaukasische Post“, welche die deutsche Sprache im Ausland vorbildlich pflege. Verliehen wird der Preis seit 2001 von der Eberhard-Schöck-Stiftung und vom Verein Deutsche Sprache e. V. für besondere Verdienste um die deutsche Sprache. Die diesjährige Preisverleihung findet am 19. Oktober in Kassel statt. (abendblatt.de)
Sprachneutrales Außenbild der EU
Die EU-Kommission solle wieder für ein sprachneutrales Außenbild sorgen, heißt es in einer Bittschrift, die von 26 nationalen und europäischen Organisationen an den Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker gerichtet wurde. Der Verein Deutsche Sprache e. V. ist einer der vier Hauptunterzeichner. Kritisiert wird insbesondere die Sprachendiskriminierung der Kommission. Nur en besonders eklatantes Beispiel von vielen ist die Beschriftung des Pressesaals: alles nur auf Englisch und Französisch. Solcher Umgang mit den Sprachen verstößt gegen Geist und Buchstaben der europäischen Verträge. Fragwürdig sei auch die englische Sprache als bevorzugtes Identitätsmerkmal der EU: Sogar angesichts des bevorstehenden Brexits werde sie weiterhin hervorgehoben, während andere Sprachen – trotz viel größerer Sprecherzahl — unsichtbar bleiben. Die Bittschrift wurde sowohl in deutscher als auch in französischer, italienischer und dänischer Sprache verfasst. (vds-ev.de, vds-ev.de)
Wie wir da vernünftig rauskommen sollen
Gendergerecht oder verständlich? Offenbar ist beides nicht miteinander vereinbar. Die Stadt Dortmund will ab Frühjahr 2020 die geschlechtergerechte Sprache in Behörden einführen. Die CDU im Stadtrat befürchtet eine unverständliche, verkomplizierte Verwaltungssprache und stellt im Personalausschuss den Antrag, der Verständlichkeit stets Vorrang zu gewähren. Das Thema solle unter diesem Aspekt „ganzheitlich“beleuchtet werden. Friedrich Fuß (Die Grünen) verteidigt die Gendersprache und verweist unter anderem auf die Schöpfungsgeschichte. „Der Mann ist rein genetisch eine verkrüppelte Frau“, lautet seine abschließende Feststellung. Dr. Jendrick Suck (CDU) erinnert an die ablehnenden Reaktionen der Bürger gegen die Einführung der geschlechtergerechten Sprache. Auch die SPD tut sich schwer mit der Frage. „Ein schwieriges Thema“, stellt Thomas Tölch, Ausschusssprecher der SPD, fest. „Ich weiß nicht, wie wir da vernünftig rauskommen sollen.“
[WAZ Dortmund, 15.5.2019] (ruhrnachrichten.de)
2. Unser Deutsch
Lebensabend
Das Wort verschönert den letzten Teil unseres Lebens mit einem Vergleich. Wir sehen das Leben als Ablauf eines Tages, vom Morgen über den Mittag und den Nachmittag bis in die Zeit des Sonnenuntergangs, den Abend. Den Stimmungswert des Wortes beschrieb schon Hugo von Hofmannsthal in seiner ‚Ballade des äußeren Lebens‘: Und dennoch sagt der viel, der Abend sagt, ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt. Solche beschauliche Sicht machen sich gerne auch Seniorenheime und Altersresidenzen für ihre Werbung zu eigen. Die alternden Bewohner sollen von den Sorgen des Alltags befreit werden, auch wenn die Rente schmal ist, die Gebrechen des Alters zunehmen und die sorgende Familie immer weiter in die Ferne rückt. Noch ist nicht aller Tage Abend – das ist die tröstende Botschaft. Abend steht hier verhüllend für das Ende.
Das Wort Abend hat unterschiedliche Verwendung. Im ‚kleinen Grimm‘, dem Deutschen Wörterbuch von Hermann Paul, 2002 umfassend bearbeitet von Helmut Henne, erfahren wir, dass der Abend in Süd- und Westdeutschland schon am Nachmittag beginne, während er im Norden und Osten die Stunden der Dunkelheit mit umfasst. Ab wann also sagt man guten Abend? Das Abendessen weist eher auf die spätere Tageszeit hin, ebenso das Abendprogramm des Fernsehens, das nach den Abendnachrichten beginnt. Und die Abendschule beginnt erst nach dem üblichen Ende der Arbeitszeit.
Kann es sein, dass sich die Bedeutung von Abend gewandelt hat? Angepasst an unseren Arbeitsalltag, den Beginn des Feierabends? Damit schwindet die Bindung an den Sonnenstand, dies elementare Naturerlebnis. Auch der Morgen ist weniger Sonnenaufgang und Vogelgezwitscher, sondern Wecker, schnelles Frühstück, Fahrt zur Arbeit. Eine besondere Bedeutung hat das Abendmahl, ursprünglich ein Synonym zum Abendessen. Im Gedenken an das letzte Mahl, das Jesus von Nazareth mit seinen Jüngern eingenommen hat, wurde es seit der Reformation zum Sakrament, zum Symbol christlichen Glaubens, den die Kirche rituell verwaltet.
Schließlich: Was hat der Abend mit dem Abendland zu tun? Es ist eine Lehnübersetzung von lateinisch hesperius ‚gegen Abend gelegen‘, dies wiederum dem griechischen hésperos ‚Abend‘ entlehnt. Dahinter steht die Vorstellung des Sonnenuntergangs im Westen. Abend steht also für die Himmelsrichtung. So verwendet es schon Luther in der Übersetzung des Neuen Testaments (Mathäus 8,11): Aber ich sage Euch: Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen.
Man sieht: Einerseits bewahrt Abend in Zusammensetzungen ältere Bedeutungen, andererseits wandelt sich sein Gebrauch mit dem Wandel unserer Lebenswelt.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Randnotiz
Das deutsche Modewort ÜBER nimmt überhand
US-Amerikaner diskutieren die allzu häufige Verwendung des schlichten deutschen Wortes über, mittlerweile auch hierzulande bekannt in der entstellten Fassung uber, womit sich ein kalifornischer Anbieter schmückt, der zwar den Taxifahrern in den Großstädten der Welt an den Kragen geht, dafür aber die privaten Fahrer in seinen Diensten gehörig ausbeutet. Macht nichts, kalifornisch ist modern. „Die American Dialect Society wählte die deutsche Vokabel bereits zu einem der unnötigsten Wörter“ berichtet Björn Akstinat in der Internationalen Medienhilfe. (medienhilfe.org)
4. Kultur
Woche der Sprache und des Lesens
„Sprache ist einzigartig und wichtig.“ Das ist einer der Leitsätze des Vereins Aufbruch Neukölln, der die Woche der Sprache und des Lesens ins Leben gerufen hat. In diesem Jahr findet die Woche zum ersten Mal bundesweit statt. Mit den Veranstaltungen, die vom 18. bis zum 28. Mai 2019 stattfinden, setzt der Verein Akzente und gibt den Angehörigen unterschiedlicher Generationen, Kulturen und Sprachen die Chance, den Reichtum der Sprache und des Lesens mitzugestalten und gemeinsam zu erleben. Der Großteil des geplanten Programms findet im Ursprungsbezirk Neukölln statt, jedoch sind die Veranstaltungen bundesweit verteilt. (berliner-woche.de, dialog-aufbruch.de)
Rosa Luxemburg bleibt aktuell
Die Sehnsucht der Rosa Luxemburg ist ein Roman über das Lebender viel zitierten Frau, erzähltvor dem Hintergrund der Geschichte und Politik des frühen 20. Jahrhunderts. Pünktlich zur Leipziger Buchmesse 2019 ist eine Neuauflage des Romans von Horst Hensel erschienen. Der Kamener Autor veröffentlichte die erste Auflage des Buches 1987. Ein Jahr später folgte die Zweitauflage; sie wurde in der DDR verboten und auch in der BRD nicht in Buchhandlungen ausgelegt. So verschwand das Werk zwischenzeitlich vom Markt. Dr. päd. Horst Hensel stammt aus einer Arbeiterfamilie im Ruhrgebiet und ist Mitglied im Verein Deutsche Sprache e. V. sowie des Verbands deutscher Schriftsteller. Am Mittwoch, 22. Mai, um 19:30 wird Horst Hensel in der Kamener Stadtbücherei aus seinem Roman vorlesen. (kamen-web.de)
5. Denglisch
Schwimmt wie ein bleierne Ente
Viele Berufe tragen englische Bezeichnungen. Man spricht vom Manager oder vom Consultant. Auch in handwerklichen Berufen stehen Veränderungen bevor. Nachdem die Bildungsministerin Anja Karliczek sich für neue Bezeichnungen der drei Fortbildungsstufen eingesetzt hat, sollen die Neuerungen nun ab dem Jahr 2020 gelten. Es soll nicht mehr von Meistern und Betriebswirten gesprochen werden, sondern aus dem Meister wird der Bachelor Professional und aus dem Betriebswirt der Master Professional. So solle die internationale Vergleichbarkeit der Abschlüsse verbessert werden. Die Umbenennung wird von der Hochschulrektorenkonferenz stark kritisiert. Die Abschlussbezeichnungen ahmten die hochschulischen Titel nach und stifteten so für Verwirrung. (spiegel.de)
Kommentar: Nun werden sich Zigtausende eine Lehrstelle besorgen? Glaubt irgendwer im Ernst, es gäbe auch nur einen Anwärter mehr, wenn das Etikett irgendwie englisch wirkt?
Sprachliche Entwicklung bei Wingo
Die meisten Firmen setzen zur Mitarbeiterwerbung auf Anglizismen. Der Mobilfunkanbieter Wingo aus der Schweiz tut nun das Gegenteil. Jahrelang hat er mit Blick auf junge Zielgruppen mit eher provokativen Ausdrücken aus dem Englischen gearbeitet, zum Beispiel What you see is what you get oder No Bullshit. Künftig soll es das kaum noch geben. Die Marke hat sich weiterentwickelt und möchte erwachsener kommunizieren, ganz nach dem Leitsatz: einfach, direkt und echt, also mit weniger Anglizismen. Beispielsweise statt Good News spricht man jetzt von Guten Neuigkeiten. (persoenlich.com)
6. VDS-Termine
20. Mai, Region 56 (Koblenz)
Mitgliederversammlung und Vortrag von Dr. Werner Langen MdEP
Die deutsche Sprache in den Gremien der Europäischen Union
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Kurt-Esser-Haus, Markenbildchenweg 38, 56068 Koblenz
22. Mai, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus
23. Mai, Region 37 (Göttingen, Holzminden)
Regionaltreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Bibliothek der Wohnanlage Tilsiter Str., Tilsiter Str. 7, 37083 Göttingen
25. Mai, Region 47 (Duisburg, Moers, Krefeld)
Mitgliedertreffen und Regionalwahl
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Seniorenclub „Em Cavenn“, Albert-Steeger-Str. 27, 47809 Krefeld
28. Mai, Region 01 (Dresden, Riesa)
Sinnvolle und hilfreiche deutsche Werbung oder sinnlose „denglische“ Werbung
in Dresdens Handel und Gewerbe am Beispiel.
Jeder bringt ein Beispiel mit (Foto oder Text mit Ortsangabe);
(es könnte eine Aktion in der Altmarktgalerie folgen: „Wie wirkt die Werbung auf die Kunden?“)
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstraße 3, 01326 Dresden
6. Juni, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Grollander Krug, Hotel Robben, Emslandstr. 30, 28259 Bremen
10. Juni, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Str. 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg
10. Juni, Region 65 (Wiesbaden)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)
13. Juni, Region 70/71/73/74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Str. 46, 70178 Stuttgart
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, die anderen Geschlechter auch. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel
© Verein Deutsche Sprache e. V.