Infobrief Nr. 478 (33. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Mehr Leidenschaft

Bild: Photographee.eu / stock.adobe.com

Der Präsident des Goethe-Instituts Klaus Dieter Lehmann sieht in einem Zeitungsartikel Licht und Schatten bei der Bewertung der internationalen Stellung der deutschen Sprache. Die Zahl derer, die Deutsch als Fremdsprache lernen, nehme weltweit seit Jahren zu. Andererseits falle hierzulande ihr Stellenwert in der Schulpolitik, der Umfang des Deutschunterrichts werde reduziert. Sorge bereite auch die deutsche Sprache als Wissenschaftssprache. Mehr als 90 Prozent der wissenschaftlichen Veröffentlichungen entfallen mittlerweile auf die englische Sprache, die Nachweis-Datenbanken sind rein englisch. Lehmann gibt zu bedenken: „Je weniger in der Wissenschaft Deutsch gesprochen wird, desto weniger wird die Gesellschaft in Deutschland über Wissenschaft sprechen.‟ Er fordert deswegen mehr Leidenschaft für die deutsche Sprache. (tagesspiegel.de)


Bayerinnen und Bayern

Manche im Freistaat Bayern wünschen es sich manchmal anders, aber auch sie gehören zur Bundesrepublik Deutschland. Wie in Berlin oder Hannover müssen sich auch die bayerischen Behörden gezwungenermaßen mit der Gendersprache auseinandersetzen. Ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zählt die unterschiedlichen Richtlinien für Behörden und Universitäten auf. Die Universitäten Regensburg und Erlangen-Nürnberg gehen dabei am weitesten und ermöglichen das Gendersternchen als Gebrauchsvariante. Gut, dass in dem (übrigens nicht „gegenderten‟) Beitrag auch Josef Kraus (ebenfalls ein Bayer) zu Wort kommt und noch einmal richtigstellt, wie das mit dem generischen Maskulinum ist. Lediglich bei Anreden seien Doppelformen angebracht. (sueddeutsche.de)


Sichtbare Dialekte

Mütter (Väter natürlich auch), Medien, Mobilität seien schuld, dass die Dialekte aussterben, sagen Sprachforscher. Die Standardsprache sei überall verfügbar, die Zahl der Dialektsprecher in Deutschland gehe daher seit Jahrzehnten zurück. 60 Prozent der Deutschen beherrschen bis heute einen Dialekt, wobei die südlichen Regionen daran deutlich größeren Anteil haben. Im Beitrag des Berliner Tagesspiegel kommen Menschen zu Wort, die sich auf ganz unterschiedliche Weise für ihre Dialekte einsetzen. Da ist der „schwatte Bauer‟ Keno Veith aus Ostfriesland. Er hat kamerunische Wurzeln und brachte es mit seinen Plattkenntnissen auf Youtube zu einiger Berühmtheit. „Dialekt ist mobile Heimat“, sagt Winfried Kretschmann, der baden-württembergische Ministerpräsident, der 2018 eine Initiative zur Förderung des Schwäbischen in Schulen startete. Und die schwäbische Fotografin Patricia Kühfuss musste erst nach Norwegen ziehen, um ihre Liebe zum Dialekt zu entwickeln. Dort sei es vollkommen normal, seine sprachliche Herkunft zu zeigen. „Ich habe da begriffen, dass man kein minderwertiger Mensch ist, wenn man im Hörsaal Dialekt spricht“, sagt Kühfuss. (tagesspiegel.de, youtube.com)


2. Unser Deutsch

Passwort

Wir kennen zwei Verwendungen des Wortes, eine ältere und eine aktuelle. Ursprünglich war es ein Losungswort, ein Kennwort, das den Einlass oder Durchgang erlaubte, militärisch auch Parole genannt. Neuerdings, in der EDV, ist es eine Zeichenfolge, die den Zugang zu einem PC, einem Programm ermöglicht.

Der Laie fragt: Hat es etwas mit dem Pass zu tun? Wir werden sehen. Die aktuelle Verwendung ist sicherlich dem Englischen password entlehnt, gesprochen mit langem a [pa:swɜ:d]. Es leitet sich ab vom Verb to pass mit der Grundbedeutung ‚vorbeigehen‘. Wer das richtige Wort sagt, darf durch. Auch im Englischen ist dies die ältere Bedeutung, aus welcher die jüngere, die digitale, abgeleitet wurde. Freunde des Englischen sprechen darum auch das deutsche Passwort mit langem a-Vokal.

Passwort in älterer Bedeutung ist erstmals 1741 in dem Teutsch-lateinischen Wörter-Buch von Johann Leonard Frisch belegt. „wie man jetzt parole gebraucht“, wird es dort kommentiert. Es war damals offenbar ein neues Wort. Allerdings scheint das Englische hier nicht das Vorbild gewesen zu sein. Eine gewisse Anglomanie hatte in Deutschland gerade erst, meist mit literarischen Übersetzungen, begonnen. Eher ist an eine Bedeutung von Pass zu denken, die bis heute überlebt hat: ‚ein enger Durchgang zwischen hohen Bergen‘. Die Wendungen jemandem freien Pass geben, den Pass verlegen deuten schon auf eine Übertragung von der Enge auf deren erlaubten bzw. untersagten Durchgang hin. Das gilt auch für den Reisepass, ‚eine Bescheinigung, die den ungehinderten Durchgang erlaubt‘. So hängt unser Passwort am Ende doch mit dem Pass zusammen, auch wenn man es kaum mehr erkennt. Und darum kann man es auch ruhig mit kurzem a sprechen, eben wie [pas].

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Sprache der Alten

Deutsch mit russischem Einschlag scheint unter Sprachkünstlern ein Erfolgsmodell zu sein. Wladimir Kaminers Roman „Russendisko‟ verkauft sich bis heute und wurde 2012 verfilmt. Im Kabarett macht Vladimir Andrienko seit einiger Zeit auf sich aufmerksam. Andrienko ist im ehemaligen Gebiet Zelinograd in Kasachstan aufgewachsen und kam 2002 im Alter von 22 Jahren nach Deutschland. Mit der deutschen Sprache war er schon vorher in Berührung gekommen. Seine Großeltern mütterlicherseits gehörten zur deutschen Minderheit in Kasachstan. „Ich dachte, dass meine Großeltern in einer Art ‚Sprache der Alten‘ reden und, dass ich diese Sprache erst sprechen werde, wenn ich selbst alt bin‟, erinnert sich Andrienko. Mit russischem Akzent thematisiert er auf den Kabarettbühnen die bekannten Klischees über Russen, seine eigene Integration sowie alltägliche paradoxe Erlebnisse. (daz.asia)


Klimadichtung

„permafrost‟ heißt der neue Gedichtband des Kieler Schriftstellers Arne Rautenberg. Die Gedichte darin tragen Titel wie „rabenschwarz‟, „vogelfrei‟ und „hummelsterben“. Als Klimadichtung kann man die Sammlung jedoch wohl nicht einordnen. Dafür ist sie thematisch zu wenig einheitlich, mal kurz, mal länger, gereimt und ungereimt. Ganz verzichtet Rautenberg auf Großschreibung und weitgehend auf Interpunktion. Jedes Wort sei im Raum seiner Gedichte gleich wichtig ist, sagt die Rezensentin. Warum sie im Deutschlandfunk Kultur in diesen Zusammenhang von Nature Writing oder Climate Fiction spricht, bleibt allerdings ein Rätsel.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat Rautenbergs Gedichte früher schon einmal als „Höhepunkte aktueller Poesie‟ bezeichnet. (deutschlandfunkkultur.de)


4. Denglisch

Ode an die Rechtschreibung

„In Zeiten von wortkargen WhatsApp-Chats und hashtagüberfluteten Instagram-Accounts stechen Grammar-Genies aus der Masse.‟ Tja, so beginnt in der Modezeitschrift Cosmopolitan eine „Ode an die Rechtschreibung‟. Warum auch nicht. „Die deutsche Sprache gehört zu den Schwersten [sic!] der Welt – das ist mir absolut bewusst!‟, klagt die Kolumnistin Claudia. Unter dem Titel Schlechte Rechtschreibung? So unsexy wie ein Baumwoll-Schlüpper! ermahnt sie die Netzgemeinde, die Basis-Regeln und einfachsten Wörter ordentlich zu beherrschen. Schlechte Rechtschreibung sei nachweislich eine der sichersten Verhütungsmethoden. (cosmopolitan.de)


5. VDS-Termine

27. August, Region 57 (Siegen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Landgasthof Merje, Kredenbacher Str. 18, 57223 Kreuztal

28. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

5. September, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen

6. September, Region 48 (Münsterland)
Infostand auf dem Wochenmarkt
Zeit: 08:00 – 12:00 Uhr
Ort: Wochenmarkt Saerbeck, Marktstraße, 48369 Saerbeck

6. September, Region 53 (Bonn, Vor-Eifel und Siebengebirge)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Tennis-Club Heiderhof, Sommerbergweg 4, 53177 Bonn

7. September, Region 38 (Braunschweig, Salzgitter, Wolfsburg)
Verleihung des Sprachpreises Braunschweiger Till
Zeit: 10:00 – 12:00 Uhr
Ort: St. Ulrici-Brüdern-Kirche, Schützenstraße 21a, 38100 Braunschweig

7. September, Region 48 (Münsterland)
Infostand auf dem Wochenmarkt in Emsdetten
Zeit: 8:00 – 13:00 Uhr
Ort: Am Brink, 48282 Emsdetten

7. September, Region 67, 68, 69 (Rhein-Neckar)
Infostand anlässlich des TdS auf dem Mannheimer Paradeplatz
Zeit: 10:00 – 16:00 Uhr
Ort: Quadrat N1, nahe Eingang Hauptost, Mannheim

9. September, Region 20, 22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

9. September, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Straße 260, 42329, Wuppertal-Cronenberg

10. September, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa (Stadthalle Kelkheim), Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

10. September, Region 77 (Offenburg)
Vorstellung des neuen Buches des Schriftstellers Klaus Huber Poesie in Klängen, die glücklich machen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Gemeindeverwaltung Sasbachwalden, Kirchweg 6, 77887 Sasbachwalden

12. September, Region 70/71/73/74 (Stuttgart, Nordwürttemberg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Straße 46, 70178 Stuttgart

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Oliver Baer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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