Infobrief Nr. 487 (42. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Kulturpreis Deutsche Sprache in Kassel verliehen

Verleihung des Kulturpreises Deutsche Sprache im Jahr 2019 in Kassel | Foto: Jörg Lantelme

Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg hat am vergangenen Samstag den Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache erhalten. Durch seine herausragenden Leistungen zur Erforschung der deutschen Grammatik habe er sich die Auszeichnung verdient, so die Jury. Auf der Preisverleihung in Kassel lobte der Herausgeber der FAZ, Jürgen Kaube, Eisenbergs Sprachforschung als „Denkübung“, die „hoch verdienstvoll und sehr instruktiv“ sei. Eisenberg ging in seiner Dankesrede auf die Gendersprache ein. „Die Fixierung auf das Geschlecht aufzugeben, täte der Sprache gut“, sagte er.

Der Jacob-Grimm-Preis ist mit 30.000 Euro der am höchsten dotierte Teil des vom VDS und von der Eberhard-Schöck-Stiftung vergebenen Kulturpreises Deutsche Sprache. Den mit 5.000 Euro dotierten Initiativpreis erhielt die Hamburger Indie-Pop-Band Tonbandgerät, die auf Einladung des Goethe-Instituts an Schulen in den USA aufgetreten war. So habe die Gruppe sich als Botschafter für die deutsche Sprache engagiert, indem sie mit ihren Liedtexten im Ausland Begeisterung für die deutsche Sprache geweckt habe. Der Institutionenpreis ging an die deutschsprachige Zeitung „Kaukasische Post“, die vor über 100 Jahren in Georgien gegründet wurde. Sie nehme im Land eine wichtige Rolle ein, weil sie aus der Außenperspektive über innere Angelegenheiten der Kaukasusrepublik berichte, so Laudator Holger Klatte. (deutschlandfunk.de)


Goethe in NRW gestrichen und in Kasachstan gerappt

Goethes „Faust“ gehört ab 2021 nicht mehr zum Literaturkanon für das Deutsch-Abitur in Nordrhein-Westfalen. An die Stelle des „Faust‟ soll Lessings „Nathan der Weise‟ treten. Die Begründung des Schulministeriums: Die Literaturschwerpunkte wechseln regelmäßig, damit über die Jahre hinweg die ganze Breite der Fächer im Abitur berücksichtigt werden kann.

Andernorts schätzt man den deutschen Dichterfürsten mehr: Das Goethe-Institut in der kasachischen Hauptstadt Almaty ließ in einem ungewöhnlichen Wettbewerb Goethe-Texte zu Rap-Liedern umschreiben und aufführen. Die Jugendlichen konnten entweder ein Gedicht ihrer Wahl verwenden oder auch etwas eigenes schreiben. Einige nahmen sich der lyrischen Texte an, so wurde zum Beispiel Goethes „Erlkönig“ ausgewählt und musikalisch verpackt. (general-anzeiger-bonn.de, daz.asia)


Jugendwort des Jahres

Der Verlag Langenscheidt hat in diesem Jahr die Wahl des Jugendwortes abgesagt. Einen klaren Spitzenkandidaten für die Auszeichnung hätte es aber gegeben, schreibt Matthias Heine, Feuilletonredakteur der „Welt“. Geläufig ist der Ausdruck unter Jugendlichen zwar schon länger, aber richtig in Schwung gekommen ist das „VSCO-Girl“ (sprich: Visco Girl) erst Mitte dieses Jahres. Als VSCO-Girls bezeichnen sich junge Mädchen, die markenorientiertes Modebewusstsein mit ökologischer Nachhaltigkeit verbinden und diesen eigentlichen unauflösbaren Widerspruch mit Selbstironie auf die Schippe nehmen.

Mittlerweile gibt es mehrere Initiativen, die das Jugendwort des Jahres per Umfrage wählen lassen wollen: Das Jugendmagazin der Funke-Mediengruppe „Funky‟ und auch die 17-jährige Bloggerin Livia Kerp , die in den vergangenen drei Jahren bereits als Jurymitglied das Jugendwort des Jahres mitbestimmen durfte. Nun möchte sie sich auf eigene Initiative mit früheren Jurymitgliedern kurzschließen und das alternative Jugendwort des Jahres dann auf ihrem Blog „LiviaJosephine“ veröffentlichen. (welt.de, funky.de, sueddeutsche.de)


Mehr finanzielle Förderung für GfdS

Die Gesellschaft für deutsche Sprache wird künftig mit höheren finanziellen Mitteln ausgestattet. Der hessische Kultusminister Alexander Lorz teilte am Donnerstag in Wiesbaden mit, dass die Bundesländer ihren jährlichen Beitrag in den nächsten zwei Jahren um 40.000 Euro erhöhten. „Damit würdigt die Kultusministerkonferenz die wichtige Arbeit des gemeinnützigen Vereins für die Pflege der deutschen Sprache“, erklärt Lorz. Die Stärkung und Förderung der Bildungssprache Deutsch bezeichnete er als das Schwerpunktthema seiner Amtszeit in diesem Jahr. Lorz betont, dass er auch eine stärkere Kooperation mit Vereinen und Stiftungen anstrebe, die sich ebenfalls der Förderung der deutschen Sprache widmeten. (evangelisch.de)


Vergessene Wörter

Die deutsche Sprache wandelt sich stetig: Neue Wörter kommen hinzu und alte geraten in Vergessenheit. Darüber diskutierten am vergangenen Sonntag die Autorin Sieglinde Geisel, die Journalistin Gisela Steinhauer und der Verleger und Lektor Peter Graf im Deutschlandfunk Kultur. Peter Graf vertrat hierbei die Meinung, dass die deutsche Sprache viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten böte, als in unserer Alltagssprache zum Einsatz kämen. Er schrieb unter anderem das Buch „Was nicht mehr im Duden steht“, welches sich mit vergessenen Wörtern beschäftigt, wie „Eintopfsonntag‟, „Frauenhaftigkeit‟ oder „Automatenrestaurant‟, und gab eine Kurzfassung des Grimmschen Wörterbuchs heraus, in der einzelne Einträge kommentiert werden. Somit ist nicht verwunderlich, dass Graf die deutsche Sprache in einen musealen Kontext stellte: „Sie ist das gemeinsame Erbe. Und man sollte sich damit beschäftigen, so wie man auch in Museen geht.“ Die Journalistin Sieglinde Geisel interessierte sich vor allem für die Neuaufnahme von Begriffen in unseren Wortschatz, denn Sprache sei „ein Spiegel dessen, was wir denken, was wir reden.“ So diene Sprache nicht nur der Kommunikation, sondern sei auch ein „Instrument der Politik, auch wenn wir uns dessen oft nicht bewusst sind.“ Wer das gesamte Gespräch nachhören möchte, findet es hier: deutschlandfunkkultur.de.


2. Unser Deutsch

Völkisch

Ich bin gebeten worden, dieses Wort zu kommentieren, komme dem nach und sage als erstes: Es ist zwar aufschlussreich und wissenswert, wie ein Wort Ideologie transportiert, aber es ist eine widerliche Aufgabe, sich diese nationalistischen und antisemitischen Hintergründe zu vergegenwärtigen und zu sehen, wie aus purer Ideologie grauenvolle Taten erwuchsen, wie Rat und Tat aufs engste zusammenhängen.

Das Adjektiv völkisch ist seit dem 15. Jahrhundert belegt und scheint eine Lehnübersetzung von lateinisch popularis gewesen zu sein, nach dem Muster: polulus > popularis = volk > völkisch. Eine ähnliche Bildung hatte es schon früher gegeben, als aus althochdeutsch diut ‚Volk‘ das Adjektiv diutisc abgeleitet wurde (unser heutiges deutsch), mit der ursprünglichen Bedeutung ‚zum eigenen (fränkischen) Volk gehörig‘, das zunächst auf die Sprache, später auf politische Verhältnisse bezogen wurde. Der Philosoph Fichte schrieb 1811 dazu: „deutsch heißt schon der Wortbedeutung nach völkisch.“Erst im Zweiten Kaiserreich erfuhr das Wort eine nationalistisch-antisemitistische Aufladung, es entstand die völkische Bewegung, und um 1920 galt völkisch bereits als ideologischer Schlüsselbegriff, den die Nationalsozialisten zur Bezeichnung ihrer Parteizeitung benutzten, dem Völkischen Beobachter. Seitdem ist das Wort gebrandmarkt als Etikette eines mörderischen Rassenwahns.

Aufschlussreich ist die Eintragung im Grimm’schen Wörterbuch. Während dem Substantiv Volk in Band 26 aus dem Jahre 1951 60 ganze Seiten gewidmet sind, wird völkisch nur auf einer halben Spalte behandelt. Den Band hatte der 1948 verstorbene Bonner Mediävist Rudolf Meissner betreut. Offenbar hat er die ideologische Aufladung des Wortes nicht bemerkt oder nicht bemerken wollen. So kann Lexikographie irren und in die Irre führen.

In jüngster Zeit haben Vertreter der Partei Alternative für Deutschland (AfD) versucht, dem Wort seinen ursprünglich positiven Klang wiederzugeben. „Wir sind das Volk“ skandierten die Bürger in den ostdeutschen Städten, daran könne völkisch anknüpfen und damit eine national-konservative Sicht vermitteln. Ganz praktisch betreiben ‚völkische Siedler‘, wie sie sich nennen, in verlassenen Regionen Deutschlands ökologischen Landbau und verbinden ihn mit brauner Ideologie. Davon berichtet die Süddeutsche Zeitung vom 7. Oktober 2019 unter der Überschrift „Wo die netten Nazis ackern“.

Der Wiedergebrauch von völkisch entfachte bei den anderen Parteien einen Sturm der Entrüstung, die AfD solidarisiere sich mit den Nationalsozialisten und ihren Verbrechen, das zeige eben, dass sie eine undemokratische, rechtspopulistische Partei sei.

Wer hat Recht? Lassen sich Wörter auf Dauer verbieten und ihre Verwender ächten? Die Sprachgeschichte sagt Nein. Aber völkisch ist eben mehr als ein Wort. Es birgt unzweifelhaft die Identifikation mit dem ‚Dritten Reich‘ und seinen ungeheuren Verbrechen. Holocaust und völkisch sind schreckliche Nachbarn. Die Erfahrung, wie leicht verbale Hetze umschlagen kann in mörderische Taten, ist Teil unserer nationalen Erinnerung. Dem darf sich kein Deutscher entziehen. Das Wort völkisch, diese scheinbar harmlose Ableitung aus dem Wort Volk, ist ein warnendes Beispiel für die Rolle der Sprache in der Vorbereitung des Völkermordes.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de


3. Kultur

Wilhelm-Busch-Preis für Julia Helander

Die Schwedin Julia Helander wurde am Freitag in Ebergötzen mit dem Wilhelm-Busch-Preis für ihre Abschlussarbeit zum Thema Zeichnung und Literatur ausgezeichnet. „Das hätte ich mir in meinen wildesten Träumen nicht vorstellen können, als ich dieses Frühjahr mit meinem Aufsatz kämpfte“, erzählt sie. Der mit 2.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre von der Stiftung Deutsche Sprache verliehen. Ihre Bachelor-Abschlussarbeit schrieb Julia Helander zum Thema „Literarische Komplexität in der Graphic Novel“. Sprachwissenschaftlerin und Vorsitzende der Jury Barbara Kaltz erklärt, die Arbeit sei eine bemerkenswerte Untersuchung der erzählerischen Strategien in der Comicadaption des Romans „Flughunde“ von Marcel Beyer (1995). Der Laudator Roland Duhamel erklärte: Helander vergleiche die unterschiedlichen Erzählarten von Roman und Comic und meide dabei „überflüssigen Plunder“. Zudem verstehe sie die beispiellose Kunst, auch bei den Lesern weiterführende Fragen aufzuwerfen. Helander selbst gab einen Teil ihrer Dankesrede in Form eines gesprochenen Comics wieder: „Würde ich meine Fröhlichkeit und Dankbarkeit durch ein Comicpanel zeigen, würde ich mich als ein Hündchen zeichnen.“ Sie schmückte das Bild noch etwas aus und sagte: „In der Sprechblase würde in fetten Versalien stehen: Danke!“ (goettinger-tageblatt.de)


Buchmesse in Frankfurt

Am Wochenende zog es Literaturfreunde wieder nach Frankfurt zur jährlichen Buchmesse. Mit 157.000 Besuchern verzeichnete die Buchmesse 9,2 Prozent mehr Besucher als im letzten Jahr, was auch daran gelegen haben soll, dass die Buchmesse dieses Jahr nicht während der hessischen Herbstferien stattfand. Aussteller gab es hingegen weniger als 2018: 7450 Aussteller aus 104 Ländern. Gastland war in diesem Jahr Norwegen. Die Nordeuropäer präsentierten sich mit einem breiten Kulturangebot in der gesamten Stadt. Die kommende Frankfurter Buchmesse findet vom 14. bis 18. Oktober 2020 statt, mit Kanada als Gastland. (focus.de)


4. Denglisch

Anglizismen im Liebesleben

Wenn es um die Liebe geht, ist der am weitesten verbreitete Anglizismus wohl das Date. Alternativ kann man von einem Treffen oder einer Verabredung sprechen – oder gar von einem Rendezvous, was aber natürlich ebenso wenig wie das Date einen deutschsprachigen Ursprung hat. Anglizismen sind im Liebesleben keine Seltenheit. Parshippen ist der Inbegriff der modernen Form der Partnersuche. Ghosting ist, wenn der Partner nach einigen Treffen einfach abtaucht und jeglichen Kontakt blockt. Beide Begriffe werden bald vom Mannheimer Leibniz-Institut für deutsche Sprache (IDS) in seinen Katalog der neuen Wörter aufgenommen. Auch von der Friendzone ist häufig die Rede, wenn Gefühle nicht erwidert werden und man sich dem potentiellen Partner gegenüber freundschaftlich verhält. Noch nicht reif für das Wörterbuch des IDS sind Begriffe wie lovebombing, also der Dauerbeschuss mit Herzchen und Textnachrichten, oder benching, das heißt, jemanden im Ungewissen zu lassen und ihn sozusagen auf die Wartebank zu setzen. (stuttgarter-zeitung.de)


5. Termine

26. Oktober, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Teilnahme an der Remscheider Nacht der Kultur und Kirchen: Deutschland ist (D)englischland
Zeit: 18:00 – 22:00 Uhr
Ort: Café Marktlücke, Ambrosius-Vassbender-Platz 1, 42853 Remscheid

28. Oktober, Region 50/51 (Köln)
Vierteljährlicher Stammtisch
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

2. November, Region 48 (Münsterland)
Literaturnachmittag
Zeit: 16:00 Uhr
Ort: Bürgersaal Saerbeck, Ferrières-Str. 12, 48369 Saerbeck

6. November, Region 07 (Gera, Jena)
3. Stammtisch
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Paulaner Wirtshaus Gera, Clara-Zetkin-Str. 14, 07545 Gera

7. November, Region 28 (Bremen)
Mitgliedertreffen / Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen

8. November, Region 08 (Zwickau, Plauen)
Mitgliederversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gaststätte zum Vogtländer, Schmidtstr. 17, 08606 Oelsnitz

11. November, Region 24 (Kiel, Flensburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:30 Uhr
Ort: Restaurant St. Knudsborg, Munketoft 33, 24937 Flensburg

11. November, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

11. November, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

14. November, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus „Zum Bauernhaus Biestow“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

21. November, Region Österreich (Wien – Verein Muttersprache)
70-Jahr-Feier Verein Muttersprache
Zeit: 18:30 Uhr
Ort: Magistratisches Bezirksamt, 3. Bezirk, Karl-Borromäus-Platz 3, 1030 Wien, Österreich

28. November, Region 70/71/73/74
Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Brauereigaststätte Dinkelacker, Tübinger Str. 46, 70178 Stuttgart

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Frank Reimer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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