Infobrief vom 13. März 2020: Coronavirus und die Dialekte

1. Presseschau

Coronavirus und die Dialekte

Christian Daum / pixelio.de

Das Coronavirus hat Europa fest im Griff. Ein Schweizer Immunologe warnt dabei: Bestimmte Laute könnten dem Virus bei seiner Ausbreitung helfen. Kehllaute würden mehr Tröpfchen bilden als Laute, die in anderen Bereichen des Mundes und Rachens entstehen. Diese Tröpfchen verlassen meist unbemerkt den Mund des Sprechers – das erhöht die Ansteckungsgefahr. Kehllaute sind vor allem in der Schweiz anzutreffen, aber auch in Bayern und Österreich. Besonders bekannt ist der Laut „kch“, der sowohl am Wortanfang als auch in der Wortmitte anzutreffen ist. (sueddeutsche.de)


Putins Machtdemonstration durch Sprache

Der Inhalt eines Satzes kann bei Menschen unterschiedlich ankommen – dabei ist nicht nur von Bedeutung, was wir sagen, sondern auch, wie wir es sagen. Der Kommunikationswissenschaftler und Historiker Dmitri Zakharine von der Universität Freiburg beschäftigt sich mit stimmlicher Inszenierung und hat dafür die Aussprache und Intonation vom russischen Präsident Wladimir Putin analysiert. Dieser nutze seine sprachliche Performance nämlich, um sein Image aufzubauen, so Zakharine. „Er spricht sehr ruhig, aber dafür ist die Intensität seiner Stimme sehr hoch.“ Eine zentrale Rolle dabei spielen laut Zakharine die Verengung des Kehlkopfes, die multifokale Betonung, die Dehnung von plosiven Konsonanten wie „p“ oder „t“, und die Kürzung der Vokale. Diese Art von Intonation und Aussprache stehe in der Tradition einer militärisch-bürokratischen „Macho-Sprache“ und ziele darauf ab, Entschlossenheit und Unbiegsamkeit zu vermitteln. (science.orf.at)


Oxford-Wörterbücher ersetzen geschlechtsstereotype Formulierungen

Schrille Frauenstimmen, Glänzendes Haar – viele Begriffe in den Online-Oxford-Wörterbüchern werden mit Formulierungen erklärt, die sich explizit auf Frauen beziehen. Diese geschlechtsspezifischen Stereotypen sollen jetzt überarbeitet und abgeschafft werden. Der Verlag hat nach eigenen Angaben dazu bereits mehr als 5.000 Worterklärungen ersetzt; etwa die gleiche Zahl liegt noch vor den Linguisten. (deutschlandfunk.de)


Mit Aufklebern gegen den Gender-Unfug

Eine Gruppe von Studenten der Universität Wien wehrt sich gegen die Regeln, die die Uni in Sachen Gendern aufgestellt hat. Obwohl die Regelungen eigentlich nicht für Studenten und die wissenschaftlichen Mitarbeiter gelten, empfindet die Gruppe den Leitfaden als Zwang; sprachliche Vorgaben, die nicht natürlich gewachsen sind, sollten von oben aufgedrückt werden. Professoren verlangten in Arbeiten das Gendern, ansonsten drohe das Durchfallen. „Das Gendern sorgt für eine unfreie Atmosphäre“, sagt der Student, der aus Sorge vor Konsequenzen anonym bleiben will. Die Studentengruppe macht mit „Gendern – nein Danke“-Aufklebern auf ihre Forderung aufmerksam. Diese Aufkleber gibt es beim VDS – wer sie möchte, schreibt bitte eine kurze Mail mit seiner Adresse an info@vds-ev.de.

Wer sich übrigens beim Lesen von Netzseiten durch Binnen-Is, Gendersternchen oder Partizpien im Lesefluss gestört fühlt, kann diese ganz abschalten: einfach die folgende Erweiterung im Browser installieren, und die Seiten werden automatisch in die normale Rechtschreibung umgewandelt: addons.mozilla.org (für Firefox) (derstandard.de)


2. Unser Deutsch

Quarantäne

Das Wort hat plötzlich Konjunktur, seit das Coronavirus sich weltweit ausbreitet. Händewaschen, in die Armbeuge niesen, Abstand halten, Versammlungen meiden. Das sind erste Empfehlungen an die Bevölkerung. Wen es dennoch erwischt hat, wer niest, schnupft und fiebert, wird getestet und muss eine Weile daheim bleiben. Das heißt nun häusliche Quarantäne, die ‚räumliche Isolierung, um eine Ausbreitung der Infektion zu verhindern‘.

Es lohnt sich, der Geschichte dieses Wortes nachzugehen. Zugrunde liegt italienisch quarantina ‚40 Tage‘, eine Ableitung von quaranta ‚40‘. Dies wurde – belegt seit dem 14. Jahrhundert – übertragen auf die 40-tägige Wartezeit seuchenverdächtiger Schiffe. Sie mussten auf gesonderten Lageplätzen warten, bis ihnen die Hafeneinfahrt gestattet wurde. Schon 1374 verweigerte die Republik Venedig einem pestverdächtigen Schiff die Einfahrt. Ins Deutsche wurde zunächst das italienische Wort entlehnt und seit dem 18. Jahrhundert ersetzt durch das französische quarantaine. Jetzt wurde die französische Aussprache [karãn’tεn(ǝ)] übernommen, nur der fremde Nasalvokal ersetzt. Auch die Schreibung wurde im Auslaut integriert wie in Domäne und Fontäne (aus domaine und fontaine).

Bleibt die Frage: Warum mussten die Schiffe genau 40 Tage vor den Häfen ausharren? Gab es im Mittelalter schon Erfahrungswerte über Inkubationszeiten? Die 40 Tage haben wohl eher einen kulturhistorischen Hintergrund. Darauf deutet spanisch cuarantina hin, das die Isolation von Müttern und ihrer Babys für eine bestimmte Zeit bezeichnet. Dies wiederum hat sein Vorbild in biblischer Vorschrift (Moses 12, 1-8). 40 Tage begegnen noch an weiteren Stellen der Bibel. Von Moses wird berichtet: „Und Moses ging mitten in die Wolke und stieg auf den Berg und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte.“ Und Matthäus bezeugt (4,2): „Und da er [Jesus] vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.“ 40 Tage sind es auch von Aschermittwoch bis Ostern (ohne Sonntage). Gibt es gar einen Zusammenhang zwischen dem Fasten und der Quarantäne von Schiffen für 40 Tage? Oder sollte man diesen einfach praktisch herstellen? Freiwillige Quarantäne als Fasten praktizieren? Zum Beispiel die Reiselust anhalten, stattdessen mehr Home-Office in der Küche erproben.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Sexistische Sprache

„Du parkst wie ´ne Frau!“ Sexistische Redewendungen und Ausdrücke gibt es aber nicht nur im Deutschen. Auch in anderen Sprachen werden Frauen oft als Vergleichsgegenstand herangezogen, wenn man zeigen will, wie dumm, unlogisch oder schlecht eine Handlung ist. Die Sprachlern-App Babbel hat zum Weltfrauentag am 8. März einige davon zusammengestellt. Dabei geht es aber oft nicht nur um das Geschlecht der Frau als solches (Bsp. „Man up!“ (Englisch), Übersetzt: „Werd’ ein Mann!“). Häufig gehen die Schmähungen ins sexuell-anzügliche: „Tanto a voi basta aprire le gambe.“ (Italienisch), übersetzt: „Du musst ja nur die Beine öffnen.“ (express.de)


Indigene Sprache kurz vor dem Aussterben

Mit 68 offiziell registrierten indigenen Sprachen ist Mexiko das Land mit der zweitgrößten sprachlichen Vielfalt. Eine dieser Sprachen, Ixcateco, wird aktuell jedoch nur noch von sechs Personen gesprochen und läuft somit Gefahr, auszusterben. Schon länger sind die lokalen Behörden deswegen besorgt und versuchen, die Sprache wiederzubeleben. Die Platzierung von Straßenschildern und Ankündigungen in Ixcateco war eine erste Maßnahme – führte aber leider nicht zum erhofften Ziel. In der Bibliothek Juan de Córdova der Stadt Oaxaca haben sich nun Sprachwissenschaftler in einer Arbeitsgruppe zusammengefunden, welche sich für den Erhalt der Sprache einsetzt und bereits kleine Kampagnen zur Verbreitung von Büchern in Ixcateco durchgeführt hat. (npla.de)


Vom Ursprung der Wörter

Wie entstehen Wörter? Wie wandeln sie sich im Laufe der Zeit – und haben sie einen Ursprung? Diesen Fragen geht der Germanist August Speyer auf den Grund, und zwar kindergerecht. Bei der Kinderuni in Saarbrücken im Juli erklärt er zum Beispiel, dass der treue vierbeinige Freund über viele Jahrhunderte vom „canis“ zum „Hund“ wurde; auch wenn die beiden Wörter auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Auch die Grammatik wird gemeinsam mit den Kindern untersucht – und es wird erklärt, wie viele Sprachen miteinander verwandt sind. (saarbruecker-zeitung.de)


4. Berichte

Deutsche Sprachtage 2020 in Dortmund

Vom 25.-27. Juni finden die Deutschen Sprachtage 2020 in Dortmund statt – der Stadt, in der der Verein Deutsche Sprache e. V. 1997 gegründet wurde. Den Auftakt macht am Donnerstag, den 25. Juni 2020, ab 9 Uhr morgens eine Bildungsfahrt mit Stationen rund um die Themen Kohle, Bier und Fußball. Die Eröffnungsveranstaltung ist am Freitag, 26. Juni 2020, in der DASA (Arbeitswelt Ausstellung der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin). Die Delegiertenversammlung ist am Samstagmorgen, den 27. Juni 2020, in einem Gebäude der TU Dortmund.
Wir freuen uns auf viele Teilnehmer aus Nah und Fern und bitten die Delegierten und Gäste, sich möglichst bald ein Hotel zu suchen. Dortmund ist zwar mit Hotels gut ausgestattet, durch Messen und andere Veranstaltungen sind günstige Zimmer aber oft schnell weg. Ein Abruf-Kontingent wurde eingerichtet im Hotel Selle, Cottenburgschlucht 41, 44577 Castrop-Rauxel (www.hotelselle.de). Stichwort: „Verein Deutsche Sprache‟. Für den Transport sorgt ein Pendelbus. Hilfe bekommen Sie auch bei Dortmund-Tourismus: 0231-189990


5. Denglisch

Citymanagement stellt neue Trends vor

In Radevormwald hat das Fachunternehmen „Stadt + Handel“ das Citymanagement übernommen. Bei einem Vortragsabend stellten die Mitarbeiter erste Impulse und Ideen vor, welche künftig die Innenstadt stärken sollen. Dabei mangelte es natürlich nicht an englischen Begriffen. Man sprach von der „Power of Places“, von der Nutzung einer „Toolbox“, von einer „Taskforce Innenstadt“, von „Flying Doctors“, „Urban Manufacturing“ und „Hidden Champions“ – was damit eigentlich alles gemeint ist, weiß ohne eine ausführliche Erklärung vermutlich erstmal keiner. (rp-online.de)


6. Termine

16. März, Region 80-82 (München)
Vortrag: Die Auseinandersetzung mit der Despotie in einer aktuellen Rezeption des West-Östlichen Divan
Referent: Dr. Edvin Cami, VDS-Regionalvertreter in Tirana/Albanien
Eintritt: 3 – 6 €
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Internationales Begegnungszentrum der Wissenschaft München e. V., Amalienstr. 38, 80799 München

19. März, Region 18 (Rostock)
Vortrag: Das Grenzjubiläum und die Sprachen der dänisch-deutschen Grenzregion
Referentin: Ulla Weinreich M.A., Leiterin der Region Dänemark, Kopenhagen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

25. März, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Zur Sonne, Taubenstr. 7, 03046 Cottbus

25. März, Region 07 (Gera, Jena)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Paulaner Wirtshaus Gera, Clara-Zetkin-Str. 14, 07545 Gera

26. März, Region 53 (Bonn, Voreifel, Ville, Siebengebirge)
Mitgliedertreffen mit Vortrag: Die Sprache der politischen Korrektheit
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Tennis-Club Heiderhof, Sommerbergweg 4, 53177 Bonn

26. März, Region 44 (Bochum, Dortmund, Herne)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: VDS-Dortmund, Martin-Schmeißer-Weg 11, 44227 Dortmund

27. März, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliedertreffen mit anschließendem Vortrag der „Petuhtanten aus Wees“
Zeit: 17:30 Uhr
Ort: Gaststätte Tante Jenny, Schiffbrücke 12, 25813 Husum

28. März, Region Elfenbeinküste
Deutschlehrertag 2020: Der Deutschlehrerverband (AGERESCI) in Zusammenarbeit mit dem VDS-Elfenbeinküste und dem Goethe Institut veranstalten den Deutschlehrertag 2020 zum Thema: „ivorische Deutschlehrerkräfte-Herausforderungen und Aussichten“
Zeit: 8:00 – 17:00 Uhr
Ort: Goethe-Institut Abidjan, C 31 Abidjan, Elfenbeinküste

30. März, Region 01 (Dresden, Riesa)
Mitgliedertreffen mit Vortrag: Wie der Bergbau unsere Sprache veränderte
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstr. 3, 01326 Dresden

2. April, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen (Mitgliedertreffen)
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Luv, Schlachte 15, 28195 Bremen

7. April, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

10. April, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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