1. Presseschau
Beliebteste Vornamen des Jahres 2019
Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) hat die häufigsten Babynamen des vergangenen Jahres veröffentlicht. Ganz oben stehen Hannah/Hanna und Noah. Bei den Mädchennamen gehört Emma zur Spitzengruppe: Nimmt man es ganz genau, belegt Emma nur den zweiten Platz, der Name wurde jedoch nur ein Mal seltener vergeben als Hanna(h). Die Mädchennamen drehen sich größtenteils um dieselben Laute: Immer wieder sind es die drei Vokale e, i und a, in Verbindung mit den weichen und wohlklingenden Konsonanten m, n, l, und r – so finden sich Mia, Emilia, Lina, Ella und Mila unter den zehn beliebtesten Vornamen. Bei den Jungennamen ist das Spektrum an Vokalen und Konsonanten vielfältiger. Ben und Paul stehen an zweiter und dritter Stelle, ebenfalls beliebt sind Henry/Henri, Felix, Elias, Leon und Jonas. Die GfdS unterschied in diesem Jahr erstmalig zwischen Erst- und Zweitnamen. Deshalb tauchen beliebte Namen aus den letzten Jahren, wie Marie oder Alexander, jetzt nur noch in der Liste der Zweitnamen auf. (gfds.de)
Romanistin aus Franken erforscht Seychellen-Sprache
Die Romanistin Annegret Bollée hat als erste Deutsche die Sprache der Seychellenbewohner untersucht. Ihr Kreol ist keine offizielle Sprache des Inselstaates nördlich von Madagaskar, obwohl es viel gesprochen wird. Amtssprachen sind Englisch und Französisch, Kreol wird lediglich im Privaten gepflegt und bisher nicht an Schulen gelehrt. Kreol gilt als Sklavensprache, womit sich die Menschen unterschiedlicher Herkunft nach der Eroberung zunächst durch die Franzosen, dann die Briten, verständigt haben. Bisher war keine offizielle Grammatik bekannt, auch Wörterbücher gab es nicht. Die Bamberger Professorin Bollée konnte mit ihrer Forschung nachweisen, dass es sich beim Kreol um eine vollwertige Sprache mit einer eigenen Grammatik handelt. Ihr Einsatz mündete schließlich in der Übersetzung des Markusevangeliums ins Kreolische – ein Pfarrer hatte sich damals an Bollée gewandt und so den Stein ins Rollen gebracht. Mittlerweile hat die ehemalige Sklavensprache auch den Sprung in den schulischen Lehrplan geschafft. (infranken.de)
Covid-19 und Sprache
In Frankreich ist das Substantiv für das Virus Covid-19 feminin – das hat jetzt die französische Sprachakademie entschieden. Das Virus bezieht sich auf eine Krankheit, und diese sei im Französischen weiblich (la maladie). Folglich heißt es ab jetzt: la Covid. Im Deutschen ist der Begriff laut der Duden-Netzausgabe sächlich, also das Covid-19. Die Krankheit Covid-19 habe auch gute Chancen, in die gedruckte Ausgabe des Rechtschreib-Dudens aufgenommen zu werden, sagt die Chefredakteurin des Dudens, Kathrin Kunkel-Razum. Beobachtet werde auch die Entwicklung der Anglizismen Lockdown, Shutdown und Social Distancing. Wörter, die über einen längeren Zeitraum in der Alltagssprache genutzt werden, werden in den Duden aufgenommen.
Wie auch immer man vom Virus sprechen mag, eine neue Studie zeigt, dass man vielleicht am besten gar nicht spricht. Vor allem dadurch könne das Virus übertragen werden. Beim Sprechen sollen ausgestoßene Mikrotröpfchen in einem geschlossenen Raum mehr als zehn Minuten lang in der Luft bleiben. Wer leiser spricht, produziert weniger Tröpfchen – also: lieber in gedämpfter Lautstärke unterhalten. (derstandard.de, welt.de, tagesschau.de)
2. Unser Deutsch
Unbürokratisch
Das Wort erfreut sich großer Beliebtheit bei den Politikern, es ist ein Beruhigungswort, eine verbal ausgestreckte hilfreiche Hand. Unbürokratisch, so heißt es, sollen die verschiedenen Hilfen an die Notleidenden der Corona-Krise verteilt werden: Kurzarbeitergeld, Stundung, Schnellkredit, Soforthilfe und vieles anderes. Unbürokratisch – das soll heißen ‚schnell, flexibel, unpedantisch‘.
Aber ist dies Versprechen überhaupt einlösbar? Ich habe meinen Friseur gefragt, der nach sechs Wochen wieder arbeiten durfte. Haben Sie Kurzarbeitergeld beantragt? Natürlich. Ich zahle weiter an meine Mitarbeiter, habe aber noch kein Geld gesehen. Dafür erst Antrag, um einen Antrag stellen zu dürfen, wenn der genehmigt ist, den Antrag selbst. Meine Kosten laufen weiter.
Fragen wir nach dem Wort, das so viel verspricht. Ein erster Beleg stammt vom Jahre 1933. Zugrunde liegt das Adjektiv bürokratisch, um 1800 entlehnt aus französisch bureaucratique, das adjektivische Pendant zu bureaucratie, das seinerseits auf bureau zurückgeht. Das Grundwort dieser Wortfamilie bezeichnete ursprünglich wollenes Tuch, dann den Tisch, der damit bezogen war, der als Schreibtisch oder Schreibpult diente, dann das Zimmer, in dem sich dies befand, also die Schreibstube. Erst 1929 wurde die französische Schreibung aufgegeben, durch das orthographisch integrierte Büro ersetzt, allerdings erkennt man das Fremdwort noch an der Endbetonung.
Die Ableitung Bürokratie, eine parallele Bildung zu Aristokratie und Demokratie, hatte von Anfang an einen abwertenden Ton. Statt der Herrschaft des Adels oder des Volkes nun die der Büros, von Heerscharen von Verwaltungsangestellten, von Staatsbediensteten. Keiner von ihnen darf selber herrschen. Herrschaft ist hier aufgelöst in Ketten von Verordnungen, Anweisungen, Überprüfungen. Bürokratie ist immer langwierig, Verantwortung wird zerteilt und ist nirgends recht zu fassen. Darum fragt sich, ob unbürokratisch überhaupt möglich ist, eigentlich Bürokratie ohne Bürokratie. Wo sie versucht wurde, bei der telefonischen Krankmeldung des Patienten (statt Arztbesuch), wurde sie schnell wieder aufgegeben. Wegen Missbrauch. Denn das ist der Kern aller Bürokratie: Vorschrift und Kontrolle. Auch wenn sie sich schmückt mit dem Glanz demokratischer Veranlassung. Am Ende steht der behördliche Bescheid, dem der ausführlich begründete Antrag vorausging.
Bürokratie kann nicht aus ihrer Haut, auch wenn ihre Vertreter es möchten. Und sie kann eben auch nicht hexen, zumal bei solchem Tsunami an neuen Aufgaben. Wollte man Bürokratie unbürokratisch machen, müsste zuallererst die Kette von Regulierungen gekürzt, Verantwortung möglich gemacht, gelegentlicher Missbrauch hingenommen werden. Nicht mit Worten, mit Taten allein kann Bürokratie wieder menschlich, eben unbürokratisch werden.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
Jiddische Sprache lebt wieder auf
Die deutsche Sprache hat dutzende Ausdrücke aus dem Jiddischen übernommen, zum Beispiel Schlamassel oder Hals- und Beinbruch. Die Sprache selbst wird in Europa heute kaum noch gesprochen – die Schoah hat sie nahezu ausgerottet. Durch die Netflix-Serie Unorthodox wird sie aktuell wieder ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Serie erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich von der jüdisch-orthodoxen Religionsgemeinschaft der Satmarer in New York befreit und ein neues Leben in Berlin beginnt.
Jiddisch wird heutzutage nur noch von orhtodox-religiösen Juden in Israel und den USA gesprochen. Lebendig bleibt die Sprache trotzdem weltweit: Immer mehr junge Menschen, auch Nicht-Juden, lernen Jiddisch. Die Beweggründe dazu seien unterschiedlich, so Leonid Roitman, der im Zentrum Beit Schalom Aleichem in Tel Aviv für die Jiddisch-Kurse zuständig ist. Es gebe „viele, die eine emotionale Bindung an die Sprache haben, zum Beispiel die Erinnerung an eine Großmutter oder eine familiäre Tradition“. Andere brauchten Jiddisch für ihre Arbeit in der Forschung, und wiederum andere seien einfach nur neugierig. Auch Corona lässt die jiddische Sprache wieder aufleben: Ein Wörterbuch, welches Begriffe wie Ausgangssperre („Farschparung“) ins Jiddische übersetzt,ist erschienen, und auch ein jiddisches Corona-Lied mit dem Titel „Lomir Zayn Gezint!“ (Lass uns gesund bleiben!) kursiert in den Medien. (sn.at)
Sächsische Wörter des Jahres gesucht
Zum dreizehnten Mal sucht die Ilse-Bähnert-Stiftung die Sächsischen Wörter des Jahres. Bis zum 30. Juni 2020 können Vorschläge eingesandt werden – jeweils für das am meisten bedrohte, das schönste und das beliebteste Sächsische Wort des Jahres. Als Sonderkategorie werden in diesem Jahr außerdem Gemütswörter gesucht, also Wörter, die umschreiben, wie der Sachse sich fühlt und wie es ihm geht. Gekürt werden die diesjährigen Sieger am 3. Oktober 2020. Weitere Informationen zum Sächsischen Wort des Jahres sowie eine Übersicht über die Wörter der vergangenen zwölf Jahre gibt es hier: mdr.de.
IFB Verlag in den Sozialen Medien
Der IFB Verlag Deutsche Sprache ist nun auch bei Facebook und Instagram präsent, und stellt dort Bücher sowie Neuigkeiten aus dem Verlag vor. Wer auf dem neuesten Stand bleiben möchte, findet die Facebookseite des Verlags hier und das Instagram-Konto unter dem Nutzernamen ifb_verlag_paderborn.
4. Denglisch
Zusammenhang zwischen Anglizismen und Persönlichkeit
Studien der Universitäten Mainz und Marburg haben den Sprachwandel durch Anglizismen aus sozialpsychologischer Sicht untersucht. Es ging dabei weniger um die Frage, wie sich die deutsche Sprache verändert, sondern vielmehr darum, wer sie verändert. Dazu wurden Persönlichkeitsmerkmale und Überzeugungen von Personen analysiert, und anschließend in den Zusammenhang zur Einstellung gegenüber dem Anglizismengebrauch gesetzt. Das Ergebnis: Anglizismenfreunde empfinden grundsätzlich eine geringere Identifikation mit der deutschen Kultur und Gesellschaft. Häufig lasse sich eine stärkere Hinwendung zu US-amerikanischen Lebensformen vorfinden, und soziales Engagement sei nicht stark ausgeprägt. Menschen, die Anglizismen gegenüber eher abgeneigt sind, weisen eine stärkere Identifikation mit der deutschen Kultur, geringere Englischkenntnisse, sowie einen größeren Wohlstand auf – Merkmale, die nicht zuletzt oft mit höherem Alter einhergehen. Auch bezüglich des Geschlechts war eine Tendenz zu erkennen: Frauen seien Anglizismen gegenüber aufgeschlossener als Männer, vor allem dann, wenn sie politisch eher linksorientiert und gesellschaftlich weniger engagiert seien. (finanznachrichten.de)
5. Termine
ABGESAGT! 26. Mai, Region 01 (Dresden, Riesa)Mitgliedertreffen mit Vortrag von Marc-Alexander Glunde
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstr. 3, 01326 Dresden
IMPRESSUM
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke
© Verein Deutsche Sprache e. V.