VDS-Infobrief 352: 10/2017 Frühkindlicher Spracherwerb

1. Presseschau vom 3. bis 9. März 2017

2. Berichte

3. VDS-Termine

4. Literatur

5. Denglisch

 

1. Presseschau vom 3. bis 9. März 2017

Frühkindlicher Spracherwerb


© pixabay / CC0 1.0 / kaenie

Mehr als ein halbes Jahrhundert prägte die Idee des US-amerikanischen Forschers Noam Chomsky die Sprachwissenschaft, das menschliche Gehirn verfüge über eine angeborene Struktur zum Erlernen von Grammatik. Mittlerweile mehren sich die Zweifel an dieser Theorie. Die Sprach- und Kognitionsforscher Paul Ibbertson und Michael Tomasello sehen Chomskys Ideen als widerlegt an. Vielmehr greifen Kinder auf allgemeine, nicht sprachliche Fähigkeiten zurück, wie die Anwendung von kategorischen Einteilungen ihrer Umwelt. „Hinzu kommt die einzigartige Gabe, intuitiv zu erfassen, was uns andere mitteilen möchten; erst so kann Sprache entstehen“, erklärt Spektrum. Der zu diesem Thema veröffentliche Essay klärt die Frage, wie Sprache entsteht – nicht, wie sie funktioniert – und stellt eine Verbindung zwischen Mensch und Tier her, wenn Sprache aus der Anwendung einer Reihe nichtsprachlicher Fähigkeiten entstand, die bei Tieren längst ebenso nachgewiesen worden sind. Diese Fähigkeiten „führen weder notwendig zu ihr noch ist Sprache ihre Voraussetzung“, schlussfolgert der Humanistische Pressedienst aus dem Forschungsbericht. (spektrum.de, hpd.de)

 

Gegen Sprachmanipulation

Der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg wehrt sich in einem Interview mit dem Deutschlandfunk gegen künstliche Eingriffe in die deutsche Sprache, um beide Geschlechter deutlich zu machen. „Solche Eingriffe in die Sprache sind typisch für autoritäre Regimes, aber nicht für Demokratien“, so Eisenberg. Von Unterstrich, Binnen-I und Sternchen hält Eisenberg nichts, „weil: die Form gibt es nicht“. Um Frauen in der deutschen Sprache sichtbar zu machen, schlägt Eisenberg vor, „personenunabhängig“ zu formulieren („hier ist eine Professur zu besetzen“) oder das Geschlecht zu benennen („Studentinnen und Studenten“). (deutschlandfunk.de)

 

Englisch in Berlin reicht nicht

Mit einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister Michael Müller von Berlin hat der VDS auf die Ankündigung der Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (39, Bündnis 90/Die Grünen) reagiert, Berlin zur englischsprachigen Hauptstadt in Deutschland zu machen. „Englisch für alle Berliner ist nicht nur eine Absage an alle Bemühungen zur Integration von Zuwanderern, sondern auch ein Tiefschlag für die Kulturnation Deutschland“, erklärt VDS-Vorstandsmitglied Dr. Kurt Gawlitta. Pop hatte bei ihrer Vorstellung vor der IHK Berlin kürzlich erklärt: „Man kann sehr gut in Berlin nur mit der englischen Sprache leben und arbeiten.“. (nwzonline.de)

 

Mangelnde Schreibkompetenz an Hochschulen

Schon seit Aristoteles klagen Gelehrte über das schlechte sprachliche Niveau der Studenten. Bis heute hat sich dieser Umstand nicht geändert – und ist faktisch auch richtig, findet der Bonner Germanist Jan Seifert. Der Dozent schätzt, dass etwa ein Viertel der ihm vorliegenden germanistischen Seminar- und Abschlussarbeiten „logische Brüche, unbeholfene Formulierungen und erhebliche Rechtschreib- und Interpunktionsfehler“ aufweisen. Gründe darin sieht Seifert vor allem in den sinkenden Anforderungen der Schulen, angefangen schon in den Grundschulen und dem umstrittenen Konzept des „Schreibens wie man hört“. Einen Beweis dafür liefert der seit einigen Jahren zunehmende Anteil guter Abiturzeugnisse, weswegen die Erstsemester voller naiver Erwartungen in ihr Studium starten. Hinzu kommen fehlende Kenntnisse der Textverarbeitung. Denn obwohl Medienkonsum und Rechnernutzung stetig zunehmen, könnten viele nicht mit Schreibprogrammen umgehen und scheitern an den gängigen Formalien einer wissenschaftlichen Arbeit. Tutorien und Schreibwerkstätten können da Abhilfe leisten, würden aber zumeist nur von denjenigen in Anspruch genommen, „die es gar nicht nötig haben“, so Seifert.

Um die sprachliche Entwicklung an Schulen voranzutreiben, hat der Didaktikprofessor der Universität Mainz Josef Leisen neue Möglichkeiten zur Sprachförderung erarbeitet. Gemeinsam mit Duisburger Schulen will er die neuen Methoden mithilfe eines „Werkzeugkastens“ zur Sprachförderung erproben. „Sprache im Unterricht ist wie ein Werkzeug, das man gebraucht, während man es noch schmiedet“, erläutert Leisen. (general-anzeiger-bonn.de, lokalkompass.de)

 

Dolmetscher-Revolution

Die weltweite Verständigung in unterschiedlichen Sprachen soll bald einfacher werden. Unter dem Motto „Eine Welt ohne Sprachbarriere“ hat die Firma Waverly Labs Ohrstöpsel entwickelt, die, verbunden mit dem Internet, simultan in die gewünschte Sprache übersetzen können. Bislang steht die Funktion in den Sprachen Italienisch, Portugiesisch, Französisch, Englisch und Spanisch zur Verfügung. Ab Herbst soll dann neben Deutsch auch Arabisch und Chinesisch erhältlich sein. Ähnliche Geräte mit bis zu 37 Sprachen, die automatisch erkannt und übersetzt werden, bietet auch das Unternehmen Mymanu an, dort allerdings mit einer Übersetzungszeit von bis zu zehn Sekunden. (krone.at, mobilegeeks.de)

 

 

2. Berichte

Deutsch in Belgien

Minderheitensprachen genießen besonderen Schutz. In Belgien gilt das für das Deutsche. Das findet auch VDS-Vorstandsmitglied Prof. Dr. Roland Duhamel und betonte in einem Vortrag am 8. März 2017 in Saerbeck die Relevanz der Pflege des Deutschen. Obgleich Belgien offiziell dreisprachig ist, spricht neben Niederländisch und Französisch mit 75.000 Menschen ein vergleichsweise kleiner Teil Deutsch. Das Interesse am Deutschen habe in den letzten Jahren in Belgien abgenommen, wodurch eine Stärkung des Deutschunterrichts umso wichtiger sei, betonte Duhamel. Gründe sieht der Germanist vor allem in der Popularität des Englischen, besonders im Bezug auf Filme oder Musik. „Wenn aber die Deutschen selbst ihre eigene Sprache vernachlässigen, muss man sich nicht wundern, wenn sie im Ausland nicht mehr so beliebt ist“, schlussfolgerte Duhamel. (wn.de)

 

 

3. VDS-Termine

13. März 2017 Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen (normalerweise jeden zweiten Montag im Monat)
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gaststätte „Kaiser-Treff“, Hahnerberger Straße 260, 42349 Wuppertal-Cronenberg

15. März 2017 Region 44 (Dortmund)
Vortrag Prof. Dr. Helmut Ebert (Universität Bonn): „Auf gut Teutsch – Luther und die deutsche Sprache“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Geschäftsstelle des Vereins Deutsche Sprache e. V., Martin-Schmeißer-Weg 11, 44227 Dortmund

15. März 2017 Belgrad
Goethe-Institut Serbien in Zusammenarbeit mit dem DAAD: Der Einfluss Luthers und des Protestantismus auf die deutsche und serbische Sprachreformierung
Vorträge: Dr. Reiner Pogarell (VDS-Vorstandsmitglied): „Luther und die Deutsche Sprache“ und Dr. Dragana Grbić: (Literaturhistorikerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Literatur und Kunst in Belgrad): „Reform der serbischen Schrift und Sprache im 18. und 19. Jahrhundert“
Sprache: Deutsch mit serbischer Übersetzung
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Universität Belgrad

16. März 2017 Region 19 (Schwerin)
Mitgliederversammlung mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 17:30 Uhr
Ort: Hotel Speicher am Ziegelsee, Speicherstraße 11, 19055 Schwerin

16. März 2017 Region 19 (Schwerin)
Vortragsveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.
Prof. Dr. Rasch (VDS): „Wie spricht man in Deutschland? Sprachen und Dialekte“
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Hotel Speicher am Ziegelsee, Speicherstraße 11, 19055 Schwerin

17. März 2017 Region (70-74) Nordwürttemberg
Regionaltreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: „Trollingerstubn“, Rotebühlstraße 50, 70178 Stuttgart (Stuttgart-West, Haltestelle „Feuersee“)

 

 

4. Literatur

Literarischer Integrationspreis wird eingestellt

Seit 1985 hat die Robert Bosch Stiftung mit ihrem dreiteiligen Adelbert-von-Chamisso-Preis Autoren ausgezeichnet, die auf Deutsch schreiben, selber aber keine deutschen Muttersprachler sind. Nun wird der Integrationspreis am 9. März 2017 zum letzten Mal verliehen. „Autoren mit Migrationsgeschichte haben heute grundsätzlich die Möglichkeit, jeden in Deutschland existierenden Literaturpreis zu gewinnen“, die „ursprüngliche Zielsetzung“ sei somit erfüllt, begründete die Stiftung ihre Entscheidung trotz erheblicher Kritik. 78 Autorinnen und Autoren aus rund 20 Ländern haben den Adelbert-von-Chamisso-Preis bisher erhalten, darunter Gastarbeiterkinder, Flüchtlinge oder osteuropäische Spätaussiedler. Den letzten Hauptpreis erhält in diesem Jahr der gebürtige Iraker Abbas Khider für den autobiografischen Roman „Die Ohrfeige“, in dem er von Flucht und den Demütigungen der Asylbürokratie erzählt. (deutschland.de, bosch-stiftung.de)

 

5. Denglisch

Business-Speech

Nirgends begegnen einem mehr Denglischbegriffe als in den Büroräumen aufstrebender und jugendlich wirkender Unternehmen. Was die „Business-Kasper“ mit ihrem Kauderwelsch meinen, hat SPIEGELONLINE in einem Quiz aufgeschlüsselt. Oder hätten Sie gewusst, dass man unter „Flexicurity“ eine Arbeitsmarkt-Strategie versteht, die sowohl dem Arbeitergeber flexible Arbeitskräfte zusichert als auch die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer schützt? Weitere wahnwitzige Begriffe finden Sie hier im Quiz.

 


 

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche über die deutsche Sprache. Bestellbar unter: infobrief@vds-ev.de.

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Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Anna Beckmann, Kurt Gawlitta, Lea Jockisch, Holger Klatte

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