1. Presseschau
- Förderung der Mehrsprachigkeit
- Deutsch-tschechische Freundschaft
- Fokussierung der Kategorie Geschlecht
2. Unser Deutsch
- huschi wuschi
- Verflixt wichtiger Duden-Neueintrag
3. VDS-Termine
4. Vereinsleben
- Wie sehen wir den VDS im Jahr 2040?
5. Literatur
- Hörbücher
6. Denglisch
- Anglizitis
1. Presseschau
Förderung der Mehrsprachigkeit
In der Schweiz, einem Land mit vier Amtssprachen (Deutsch, Französisch, Italienisch, Rätoromanisch, kann man erwarten, dass Mitglieder der Regierung nicht auf eine Sprache beschränkt sind, so sieht es der Redakteur Matthias Bärlocher. Wenn Politiker einforderten, dass ihre Region von der restlichen Schweiz stärker wahrgenommen werde, müsse es zumindest auch ein rudimentäres Sprachverständnis der anderen Sprecher geben. Politikerinnen haben dabei gerade die Nase vorn: Während sie oftmals „munter drauflos“ parlierten, gelinge einigen ihrer männlichen Kollegen kein ganzer Satz; Französisch auf Primarschul-Niveau wird einem Bundesrats-Anwärter attestiert. Die Nationalrätin Silva Semadeni fordert, dass ein Bundesrat zwar Italienisch nur verstehen müsse; Deutsch, Französisch und Englisch müssten aber verstanden und verständlich gesprochen werden. (nau.ch)
Deutsch-tschechische Freundschaft
Maximilian Röslmair, Vorsitzender des deutschen Trägervereins des Deutsch-Tschechischen Gesprächsforums plädiert dafür, dass auch an bayrischen Gymnasien mehr Interesse für das Nachbarland Tschechien geweckt werde. Dies dürfe sich nicht auf Klassenfahrten in die Landeshauptstadt Prag beschränken. Beispielsweise an Berufs- oder Realschulen seien Angebote für Tschechisch als Wahlkurs viel stärker verbreitet. Röslmair hob hervor, es sei befremdlich, wenn man nahe der tschechischen Grenze lebt und trotzdem in der Schule Französisch statt Tschechisch lernt, die Sprache eines Landes „auf der anderen Seite von Deutschland“. Wer selbstverständlich in das Nachbarland einkaufen fahre, solle der dortigen Kultur und Sprache mehr Wert beimessen. Die deutsch-tschechische Freundschaft hinke der deutsch-französischen Freundschaft noch gute 50 Jahre hinterher. Das Projekt Jugendforum könne aber zu einem aufgeschlossenen und herzlichen Umgang miteinander beitragen und jungen Leuten dazu verhelfen, hinter die Kulissen der Kultur des Nachbarlandes zu blicken. Hierzu sei die Beherrschung der jeweils anderen Sprache für das gegenseitige Verständnis grundlegend. (pragerzeitung.cz)
Fokussierung der Kategorie Geschlecht
In einem Kommentar in der Neuen Zürcher Zeitung setzt sich Claudia Mäder mit dem Thema geschlechtergerechte Sprache auseinander und ordnet dabei verschiedene Argumentationslinien für und wider. Dabei arbeitet sie insbesondere heraus, dass „nach schier unendlich langem Ringen“ allmählich jene Systeme überwunden seien, „die aus permanenten Referenzen auf die Geschlechter irgendwelche „Thatbestände konstruierten und die Unterschiede zwischen den Menschen betonten, um ihre umfassende Ungleichheit zu begründen“. Der Hinweis auf das Geschlecht sei in einer Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte haben, völlig überflüssig. In ihre Argumentation bezieht sie dabei interessante Beispiele aus Geschichte und Forschung ein. Unter dem anregenden Beitrag findet sich eine moderierte Diskussion mit bereits über 70 teils ausführlichen Kommentaren. (nzz.ch)
2. Unser Deutsch
huschi wuschi
Wann sagen wir: Mach das nicht so huschi wuschi? Wenn es ums Zähneputzen geht, die Morgenwäsche oder um die Hausaufgaben? Es hat etwas Lautmalerisches. Husch husch heißt es, wenn es schnell gehen soll. Aber wieso wuschi? Ein Anklang an wischen? Vielleicht. Einfacher ist eine sprachwissenschaftliche Erklärung. Hier liegt eine elementare Art der Wortbildung vor, die es in vielen Sprachen gibt: die Verdoppelung, fachlich Reduplikation genannt. Bei der Wiederholung des Wortes wird der Anfangslaut abgewandelt: huschi wird zu wuschi. Hinzutritt ein auslautendes „i“, eine Art Suffix. So entstehen ausdrucksstarke Wörter mit zweisilbigem, sogenannten weiblichem Reim. Im Deutschen gibt es nur wenige, aber sehr geläufige Wörter dieses Typs. Sie sind vor allem umgangsprachlich verbreitet wie wischi waschi, rucki zucki, schicki micki, halli galli. Am bekanntesten ist multi kulti, wegen der Debatte um die Vielfalt der Lebensformen. Ältere Verdoppelungen dieser Art sind Hokuspokus und Techtelmechtel. Allen haftet etwas leicht Abschätziges an.
Häufiger begegnet uns eine etwas andere Art der Verdoppelung vom Typ zick zack. Es sind Einsilber, abgewandelt wird der Stammvokal. Man vergleiche ritsch ratsch, klick klack, tick tack, bim bam oder als Substantiv Tingeltangel, Singsang, Krimskrams, Wirrwarr. Mit der Parallelisierung durch Verdoppelung kontrastieren die Vokale a und i, die sich am stärksten durch den Öffnungsgrad des Mundes unterscheiden. Seltener sind Paarungen mit o und i. Sie kommen alle aus dem Englischen: Pingpong und tipptopp, Hiphop und Flipflop.
Einmal auf der Suche nach Verdoppelungen, wird man weiter fündig. Für Kinder gebildet und von Kindern gebraucht: Mama und Papa, alles Unsagbare wie Pipi, Popo und bähbäh. Eine Mahnung beginnt mit du du. Als Kurzkommentar sind geeignet: ablehnend nee nee, zweifelnd so la la, mahnend na na, oder einfach hihi, haha, hoho, huhu. Auch für manche Werbung der Politiker haben wir etwas bereit: bla bla.
Die meisten dieser Wörter findet man nicht im Wörterbuch. Sie sind Eigenheiten gesprochener Sprache, wirken lautmalerisch, sind eingängig, werden meist wie Adverbien gebraucht, einige sind zu Substantiven aufgestiegen. Wir blicken in das unerschöpfliche Sprachlabor unserer Sprache.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
Verflixt wichtiger Duden-Neueintrag
Kürzlich erfuhren wir, dass 5.000 neue Wörter wie Kopftuchstreit und Selfiestick in die aktuelle Auflage des Duden-Wörterbuchs aufgenommen wurden. Für alle sprachbezogenen Wissenschaften sowie für streitlustige Zeitgenossen gibt es einen besonders erfreulichen Neueintrag, nämlich die Malediktologie. Sie ist die „Wissenschaft von den bösen Wörtern“ und somit ein wichtiger Teilbereich der Psycho- und Soziolinguistik. Inhaltlich geht es um Fluchen, Verwünschen, Drohen, Beschimpfen sowie aggressive Aufforderungen in allen Sprachen und sozialen Schichten. Wer je einem Kormoran zugehört hat, dem gerade ein Fisch aus dem Schnabel gerutscht ist, weiß sogar, dass unsere tierischen Verwandten recht ähnlich herumtönen.
Der Ausdruck Malediktologie wurde in den 1970er Jahren durch den Philologen Reinhold Aman geprägt. Von 1977 bis 2005 war er Herausgeber der internationalen Fachzeitschrift Maledicta, die sich der Untersuchung verbaler Aggressionen in allen Einzelsprachen widmet; seine materialreichen Klassiker wie das Bayrisch-Österreichische Schimpfwörterbuch und das Opus Maledictorum sind immer noch geschätzte Fundgruben,
Viele von uns produzieren häufig „böse“ Äußerungen, etwa wenn uns jemand den letzten freien Parkplatz wegschnappt. Hierbei werden nur die Tollkühnen den dreisten Dieb direkt anblaffen und die weniger Streitlustigen lediglich verdrossen in sich hineinbrabbeln. Die Wirkung des Schimpfens ist nämlich zwiespältig, da die heilsame innere Entlastung schnell verpufft, falls der andere unverzüglich zum Gegenschlag ausholt.
Aus Sicht der Kognitionswissenschaften besonders spannend sind die kreativen Aspekte böser Wörter. Interessanterweise laufen Menschen nämlich genau dann zu ihrer boshaften Vollform auf, wenn sie anderen beträchtliche Dummheit vorwerfen. Zügig wird sogar die neueste Technologie metaphorisch ausgeschlachtet, indem man schlichten Gemütern gehässig vorschlägt, sie mögen doch „bitte mal ein Upgrade für ihr Gehirn bestellen“. Und letztlich hängt es nur von der bevorzugten Sprachebene ab, ob man resigniert und bildungsträchtig „Sancta stultitia!“ seufzt oder aber den anderen volltönend eine „höchst effiziente Evolutionsbremse“ nennt.
Die Autorin ist Dr. Dagmar Schmauks, außerplanmäßige Professorin für Semiotik an der TU Berlin. Man kann sie auch in Videos erleben, beispielsweise hier beim Bayrischen Rundfunk: (br.de)
3. VDS-Termine
12. November, Region 28 (Bremen)
Mitgliederversammlung
Vortrag: Matthias Matussek zum Thema Die Orwell-Maschine: Das politisch korrekte Neusprech in Politik und Medien
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Hotel Strandlust, Lesum-Zimmer, Rohrstr. 11, 28757 Bremen
16. November, Region 78 (Bodensee/Ostschwarzwald)
Informationsstand anlässlich des Festes der Nationen
Karikaturenausstellung von Friedrich Retkowski: Denglisch in Karikaturen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Volkshochschule Villingen-Schwenningen, Metzgergasse 8, 74054 Villingen-Schwenningen
Vorankündigung
21. November, Region 64 (Darmstadt)
Vortrag: Dr. Manfred Schalk zum Thema Deutsch to go … oder? – Anmerkungen zu unserer Sprache
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Pauluskirche Darmstadt, Gemeindesaal, Niebergallweg 20, 64285 Darmstadt
Die deutsche Sprache befindet sich an verschiedenen Stellen aus unterschiedlichen Gründen unter Druck. Auch wenn natürlich Sprache immer einem gewissen Wandel unterliegt und es für manche Entwicklungen auch gute Gründe gibt, so ist es dennoch legitim zu fragen, ob Rückzug und Verbiegung der deutschen Sprache in diesem Umfang wirklich zwingend sind. Nach einigen praktischen Beispielen für den Rückzug der deutschen Sprache wird der Autor auf die Sprache als Kulturerbe eingehen und die Bedeutung der Sprache für das Denken näher betrachten. Der Hauptteil des Vortrags gilt den äußeren und inneren Gefährdungen der deutschen Sprache: ideologische Tendenzen, Einfluss der Globalisierung, Neusprech, Denglisch, Tendenzen in Erziehung und Wissenschaft. Ein weiterer Punkt ist die genderbewusste Sprache; Gerechtigkeitsfrage oder Ideologie? Fragen und Antworten; Versuch einer Wegweisung.
4. Vereinsleben
Wie sehen wir den VDS im Jahr 2040?
Vorhersagen seien schwierig, bemerkte Mark Twain, vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen. Das wollen wir mit Blick auf das Jahr 2040 auch sein lassen. Aber ein Bild können wir uns machen: Wie möchten wir den VDS im Jahre 2040 sehen? Nicht in Einzelheiten, aber in welcher Verfassung, in welcher Stimmung, und wie mögen uns die Mitmenschen wahrnehmen? Der Vorschlag aus der jüngst miterlebten Kreativtagung in Paderborn zielt darauf ab, dass wir uns darauf besinnen, die Menschen für ihre Sprache zu begeistern, statt sie für ihren Sprachgebrauch zu rügen.
Für „ihre“ Sprache, oder sollte es nicht besser lauten: für „unsere“? Darüber können wir (wer, nur die Mitglieder?) uns beraten. Ausgangspunkt für die Wendung „für ihre Sprache“ ist dieser: Sprachverfall und Verdrängung durch Englisch erleben unsere europäischen Nachbarn wie wir, vielleicht nicht so bewusst, nicht ganz so heftig, aber das Problem teilen wir mit ihnen. Also können wir auch gemeinsam, jedenfalls nicht gegeneinander, mit Aussicht auf Erfolg Lösungen suchen. Diese finden sich am fruchtbarsten in der Begeisterung für die Sprache: jede Sprache, die eigene und die der Nachbarn. So gesehen, haben wir potenziell über 500 Millionen Verbündete in Europa. Dazu zählen übrigens sogar die Sprachempfindsamen unter den Engländern, denn auch sie merken, dass ihre Muttersprache unter einem miesen Weltenglisch leidet. Wollen wir unserer Sprache die Geltung verschaffen, die ihr gebührt, dann lasst uns den eigenen Garten liebevoll pflegen und uns an den Gärten der Nachbarn erfreuen. In aller Regel schallt es von dort zurück, wie wir hineinrufen.
Oliver Baer
5. Literatur
Hörbücher
Für alle, die keine Zeit mehr zum Lesen haben, deren Augen über den kleingedruckten Buchstabenketten ermüden oder die den Mehrwert des Vortrags durch einen professionellen Vorleser erkannt haben: Für Freunde des Hörbuchs gibt es jetzt im Internet eine Übersicht über Sammlungen, die Hörbücher kostenlos zur Verfügung stellen. Zudem gibt es Hinweise zur legalen Nutzung solcher Internetangebote. Eigens produzierte Hörbücher und Hörspiele lassen sich nicht durch vorlesende Sprachassistenten wie Amazons Alexa ersetzen, betont Sprechtrainerin Tatjana Lackner, die sich beruflich mit Kommunikationsprofilen auseinandersetzt. „Die Stimme klingt künstlich aus der Konserve. Atmosphäre fällt nicht von den Wänden und mit der Stimme Stimmung zu machen, ist noch immer ein klarer Vorteil von Menschen. Nur mit Modulation lassen sich andere auch emotional erreichen“, so Lackner. (allesebook.de, futurezone.de)
6. Denglisch
Anglizitis
Gesundheitsminister und Anwärter auf den CDU-Thron Jens Spahn erarbeitete sich in der vergangenen Woche die Aufmerksamkeit des Sprachkritikers und Autors der Buchreihe The Devil lies in the Detail, Peter Littger. Spahn verschmolz in einem Gastbeitrag für die FAZ kunstvoll den englischen Ausdruck white elephant (laut Littger ein Hinweis auf ein teures, nutzloses Geschenk oder eine Fehlinvestition) mit dem „elephant in the room“ (ein großes, offensichtliches Problem, das nicht offen angesprochen wird). Der Politiker bildete daraus den „weißen Elefanten im Raum“ und meinte damit die Migration. Littger führte dies auf die aktuelle Modeerscheinung zurück, englische Wörter und Wendungen einfach 1:1 ins Deutsche zu übertragen, „ganz gleich, wie sie dann klingen und wie sinnvoll sie noch sind“. Diese „Krankheit“ nennt er „Anglizitis“. Beispiele dafür sind die US Administration statt die Regierung der USA; Freunde machen statt Freunde finden. (n-tv.de)
Zum Schluss noch der Terminhinweis einer Leserin:
29. November, Deutsches Theater Berlin
In der Reihe Wer Wen gibt es ein Gespräch über Mehrsprachigkeit und Zugehörigkeit in der deutschen Gegenwartsliteratur zwischen Cilja Harders und der Literaturwissenschaftlerin Anne Fleig (FU Berlin) unter dem Titel Geteilte Gefühle – Gebrochenes Deutsch? (deutschestheater.de)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.
Redaktion: Oliver Baer
© Verein Deutsche Sprache e. V.