1. Presseschau
Politiker als Zielscheiben im Netz
Sprache in sozialen Medien ist oft roher als im Gespräch Auge in Auge. Beleidigungen, Hasskommentare und abwertende Ausdrücke gehören auf Plattformen wie Facebook oder Twitter zum schlechten Ton. Eine Studie hat nun Twitter-Beiträge analysiert, welche Politiker am häufigsten beleidigt werden und auf welche Weise dies geschieht. Der Bundestagsabgeordnete der CDU Philipp Amthor steht auf Platz 1: In jedem dritten Tweet wird er beleidigt, besonders oft wird er als korrupt bezeichnet sowie als „Sprecher der Krabbelgruppe“ oder als „konservativer Frauenhasser“. Direkt darauf folgt der AfD-Politiker Björn Höcke, der immer wieder als Faschist beschimpft wird – was jedoch laut Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen legitim ist. Alice Weidel, Jörg Meuthen und Alexander Gauland von der AfD belegen als „Rassist“ und „Nazi“ auch die nächsten Plätze. Auch SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der durch die Coronakrise zur prominenten Zielscheibe geworden ist, schafft es gerade noch unter die ersten zehn Plätze: Elf Prozent aller Tweets über ihn fallen beleidigend aus. Lauterbach ging dagegen vor und zeigte kürzlich die Urheber von 59 Beiträgen wegen menschenverachtender Äußerungen an. Beliebte Schimpfobjekte sind aktuell die drei Kanzlerkandidaten, die sechs Prozent aller Tweets auf sich ziehen. So wird Armin Laschet sehr häufig als „korrupt“ bezeichnet oder habe „einen Stock im Arsch“, Annalena Baerbock sei „dumm“ oder „scheiße“, und Olaf Scholz ein „Versager“. (hochrhein-zeitung.de)
Digitalisierung rettet Sprachen
Die österreichische Tageszeitung Der Standard berichtet über das anhaltende Sprachensterben. Laut UNESCO seien rund 43 Prozent der knapp 6000 Sprachen weltweit vom Aussterben bedroht, unter anderem Aramäisch und Burunge. Neben Burgenlandkroatisch befinden sich darunter über 20 europäische Sprachen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken werden immer mehr Initiativen gegen den Sprachenverlust gegründet, darunter die in dem Artikel vorgestellte Organisation Wikitongues. Im Interview erklärt die Programmdirektorin der NGO Kristen Tcherneshoff, dass Sprachenverlust keine natürliche Entwicklung sei, sondern eine Konsequenz der Assimilierungspolitik und der Kolonialzeit. Sprachen und Kulturen am Leben zu erhalten, und somit auch indigenen Gruppen zu helfen, seien die Ziele von Wikitongues. Der Autor des Artikels, Philip Pramer, betont den Nutzen der Sprachenvielfalt und führt das Sprachensterben auch als Folge der Klimakrise auf; durch Flucht aus unbewohnbar werdenden Gebieten brechen Sprachgemeinschaften auseinander. Der Hoffnungsträger sei jedoch die Digitalisierung. Denn obwohl rund 60 Prozent der weltweiten Internetseiten lediglich auf Englisch verfasst sind, bietet das digitale Zeitalter verschiedene Möglichkeiten an, dem Sprachenverlust vorzubeugen. Beispielsweise der isländischen Bevölkerung bietet eine Datenbank Alternativen für populäre Anglizismen an. Vor allem digitale Übersetzungsprogramme könnten Sprachen wiederauferstehen lassen und den Sprachenverlust verhindern. (derstandard.de)
Kölner Ratsmehrheit gegen das Beamtendeutsch
Nach der Stadt Gießen will nun auch die Stadt Köln die Bürgerkommunikation anpassen. In einem Antrag der CDU, der Grünen, der Linken und von anderen Ratsmitgliedern wird Einfache Sprache als Verwaltungsstandard gefordert. Durch vereinfachte Satzkonstruktionen, kürzere Sätze und leichter verständliche Formulierungen könnten mehr Menschen erreicht und Inhalte deutlicher vermittelt werden. Auch die Leichte Sprache, welche von der Einfachen Sprache zu unterscheiden ist, soll zum Einsatz kommen und Inhalte auch mit Bildern veranschaulichen. Bei der nächsten Sitzung am 24. Juni könnte bereits darüber abgestimmt werden. (t-online.de)
Anmerkung: Im Infobrief vom 5. Juni 2021 haben wir bereits den Unterschied zwischen Einfacher und Leichter Sprache im Zusammenhang mit ähnlichen Plänen der Stadt Gießen berichtet.
Wenn die Minderheit die Mehrheit gängelt
Einer Umfrage des Allensbachinstituts zufolge bezweifelt die Mehrheit der Deutschen, dass es Meinungsfreiheit hierzulande überhaupt gebe. Aktuell finden nur 45 % der Befragten, man könne seine Meinung frei äußern – von den 60er Jahren bis ins vergangene Jahrzehnt waren noch mehr als zwei Drittel davon überzeugt. Die Aussagen seien jedoch nicht bezogen auf das Grundgesetz, welches im Artikel 5 die Meinungsfreiheit als eines der unumstößlichen Grundrechte benennt. Die Zweifler bezögen sich auf den Druck in ihren sozialen Milieus, im alltäglichen Umfeld bei der Arbeit und im Kreis der Bekannten, wenn man mit seiner Meinung nicht genau dem entspricht, was gerade angesagt ist. Gegebenenfalls halte man lieber den Mund, als politisch unkorrekt zu wirken. Diese Einschätzung gründe in einem Klima, das sich in den letzten zwei Jahrzehnten gewandelt habe. Der Druck, der durch die wahrgenommene Öffentlichkeit entsteht, spiegelt sich beispielsweise in der Frage nach dem Gendern: 71 % halten es für übertrieben, nur 19 % sehen es positiv. Die Ablehnung zieht sich dabei auch durch alle Altersklassen – bei den Befragten unter 30 waren immer noch 65 % gegen das Gendern. Und auch nur 25 % der Grünen-Wähler sprachen sich dafür aus. Dennoch vermittelt eine Minderheit in den genderfreudigen Medien zur Zeit noch den Eindruck, sie spreche für die Mehrheit. (faz.net)
Genderbefürworter auf dem Pfad der Gnostiker
Der Schweizer Schriftsteller und Kommunikationsberater Giuseppe Garcia lehnt die Gendertheorie nicht nur entschieden ab – er hält sie auch für antiaufklärerisch und gefährlich. Genderbefürwortern gehe es nicht um echte Inklusion, stattdessen haben sie sich auf die Fahnen geschrieben, Geschlechterunterschiede auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen, um eine mögliche Überlegenheit des einen oder anderen Geschlechts auszuschließen. Die „leibliche Verschiedenheit“ solle reduziert werden, an Stelle des Geschlechtes solle eine kulturelle Dimension – auf Englisch gender – Einzug halten. Die Gesellschaft, so die Genderbefürworter, presse uns in Rollen, das gelte es zu verhindern. Sprache werde seit jeher – also normalerweise – durch die Welt geformt, hier aber solle die Welt die Sprache formen, und so, erklärt Garcia, begeben sich die Genderbefürworter auf den Pfad der Gnostiker, die sich in ihrer Tradition selbst als Schöpfer sehen: „So gesehen ist der gegenwärtige Vormarsch der Gendersprache in Bildungseinrichtungen, in Kultur, Politik oder behördlichen Dokumenten ein Vormarsch des Irrationalismus. (…) Es ist eine Wirklichkeitsverweigerung, die sich gegen die kulturellen Wurzeln des Westens selbst richtet.“ Mit einer aufgeklärten Gesellschaft habe dieses Treiben nichts zu tun. (nzz.ch)
Hamburger CDU gegen Gendern
Der Hamburger Senat hat für die Verwaltung einen Genderleitfaden beschlossen. Er sieht darin „mehr Freiheit im Umgang mit der Sprache“. Die Mitarbeiter sind nicht verpflichtet, vermeintlich gendergerechte Sprache zu nutzen, sie dürfen aber mit Gendersternchen, Doppelpunkten und geschlechtsneutralen Formulierungen gendern. Die Hamburger CDU – allen voran ihr Vorsitzender Christoph Ploß – hatte sich kürzlich deutlich positioniert: „Die Hamburger CDU spricht sich dafür aus, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen keine grammatisch falsche Gender-Sprache verwendet wird“, heißt es in der beschlossenen Vorlage des Landesvorstandes. (welt.de, ndr.de)
Debatte über Erwachtheit bei Bild-Live
Die Bild-Zeitung hat am 18.Juni die aktuelle Allensbachumfrage zur Meinungsfreiheit in einer Echtzeitübertragung diskutieren lassen – der Mitschnitt ist abrufbar. Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki warnt davor, sich von dem zu entfernen, was Menschen denken und fühlen. Die Woke-Bewegung („woke“ auf Deutsch „erwacht“) wolle Andersdenkende nicht integrieren, sondern sie diene dazu sich moralisch zu erhöhen gegenüber denen, die nicht woke seien: „Man stelle sich vor, wir verlieren einen herausragenden Wissenschaftler, beispielsweise bei der Entwicklung eines Impfstoffes, nur weil er nicht in seiner Arbeit gegendert hat. Wie irre ist sowas eigentlich?“ Man könne schreiben und reden, wie man will, aber ein Problem bestünde darin, wenn man anderen vorschreibt, wie sie zu reden haben, um sozial akzeptiert zu sein. In einer Demokratie sei das ein Riesen-Problem, so Kubicki: „Die Summe von Minderheiten macht noch keine Mehrheit aus.“ Alexander von Schönburg, Mitglied der Bild-Chefredaktion, weist darauf hin, dass erhöhte Sensibilität durchaus sinnvoll und gut sei, ebenso wie die konservative Tugend der Höflichkeit. Das Problem beginne dort, wo Menschen das Gefühl bekämen, ihnen würde von oben etwas oktroyiert. Die Woke-Bewegung mache den Fehler, dass sie nicht sensibilisiert, sondern durch ihre aggressive Art viele Leute verschreckt. Man mache sich „verdächtig“, wenn man nicht dem Narrativ der Bewegung folgt. Lucas Honnemann, Student in Kassel und Leiter der VDS-AG „CDU/CSU für gutes Deutsch“, sagt, man befinde sich tatsächlich in einer Art Kulturkampf: Die studentische grüne Jugend in Kassel habe kürzlich gefordert, nicht nur veganes Essen in der Mensa anzubieten, sondern die Studenten auch zur Wahl der veganen Option zu erziehen. Auch die Unterstützung der Deutschen Fußballnationalmannschaft sei nicht zulässig, im Namen komme das Wort „national“ vor. (bild.de)
Anmerkung: Da wurde im Geschichtsunterricht viel versäumt. „Erziehung“ zur korrekten Gesinnung gab es schon im Kommunismus, im Nationalsozialismus, bei Puritanern sämtlicher Schattierungen, und immer begann sie mit der Steuerung, was man sagen und schreiben darf.
Bahlsen-Keks „Afrika“ jetzt tabu
Nach Rassismusvorwürfen in den sozialen Netzwerken sieht sich die Firma Bahlsen genötigt, ihren Keks „Afrika“ umzutaufen. Er heißt jetzt „Perpetum“ – eine Anspielung auf das lateinische Wort „perpetuus“, was „beständig“ bedeutet. Der Keks verwies bisher darauf, dass der Kakao vom afrikanischen Kontinent bezogen werde. Dieser Hintergrund würde heute aber so nicht mehr wahrgenommen, heißt es von Bahlsen. Weil in den sozialen Medien der Vorwurf aufkam, man würde mit dem Namen rassistische Ressentiments bedienen, sei der neuer Name gewählt worden. Die Umbenennung stößt auf Befremden in den sozialen Medien. So werde gefragt, was an dem Wort Afrika rassistisch sei. (spiegel.de)
2. Unser Deutsch
Muttersprache
Papst Franziskus aus Argentinien schrieb dem Münchener Kardinal Marx einen Brief in seiner spanischen Muttersprache. Darin lehnte er das Rücktrittsgesuch von Marx ab. Die Kurie übersetzte den Text für den deutschen Kardinal ins Deutsche. Diese Form der Korrespondenz war ungewöhnlich, ist doch Latein nach wie vor die offizielle Sprache der katholischen Kirche. Offenbar wollte Franziskus seinem Schreiben einen sehr persönlichen Charakter geben. Das passt zu unserem Verständnis von Muttersprache und auch zu seiner Geschichte.
Das Wort ist dem mittellateinischen lingua materna nachgebildet, eine der zahlreichen Lehnübersetzung jener Zeit. Die Prägung des Wortes lässt vermuten, dass damit der Kontrast zum Lateinischen, zwischen (vor allem mündlich gebrauchter) Volkssprache und lateinischer Schriftsprache ausgedrückt wurde. Der erste volkssprachliche Beleg ist niederdeutsch mōdersprāke (1424), Luther schreibt zunächst getrennt von rechter mutter sprach, woran man noch den vorangestellten attributiven Genitivus auctoris erkennt. Daraus ist später das Bestimmungswort des Kompositums geworden.
Die Bedeutung des Wortes lässt sich umschreiben als ‚von der Mutter gelernte Sprache‘. Die Berufung auf die enge Bindung von Mutter und Kind macht den emotionalen Zug des Wortes aus. Ausführlicher definiert das Deutsche Universalwörterbuch des Dudenverlags: ‚Sprache, die ein Mensch als Kind (von den Eltern) erlernt (u. primär im Sprachgebrauch) hat‘. Heute wird Muttersprache auch als kodifizierte und gepflegte Nationalsprache verstanden. Auf deren Anerkennung im Schriftverkehr der Europäischen Union legen alle Mitgliedstaaten großen Wert. In umfangreicher Übersetzerarbeit werden alle wichtigen Texte in alle 25 Amtssprachen der Mitglieder übersetzt.
Auch auf internationalen Treffen, zum Beispiel der G 7, wird fleißig übersetzt. Keinem Teilnehmer wird zugemutet, sich ständig einer Fremdsprache zu bedienen. Seit der Einführung der Simultanübersetzung bei den Nürnberger Prozessen, ist zeitgleiche Übertragung via Kopfhörer üblich. Und wie kommuniziert Frau Merkel mit Putin? Beide beherrschen Russisch bzw. Deutsch als Zweitsprache. Sicher verzichten sie aber im Regelfall nicht auf den Übersetzer, nutzen vielmehr den Vorsprung rezeptiver Kompetenz des Russischen bzw. Deutschen, um sich die Antwort zu überlegen.
Die außerordentliche Bedeutung des Übersetzens zeigt: Die Muttersprachen sind auch in der globalisierten Welt unverzichtbar. Die Muttersprache, also die Erstsprache jedes Menschen, ist die einzige Sprache, in der jeder Mensch zuhause ist, dank frühem Spracherwerb und langer sprachlicher Sozialisation. Sie ist die einzige Sprache, deren große stilistische Bandbreite die meisten Muttersprachler beherrschen oder zumindest verstehen. Und es ist die einzige Sprache, mit der sie kreativ umgehen können. Sie ist von elementarer Bedeutung für jeden Menschen. Es gilt aber auch das Umgekehrte: Jede Muttersprache lebt von dem Engagement ihrer Sprecher, von ihrem Gebrauch in allen Lebenslagen. Wenn sie sich von ihr abwenden, geht sie unter.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e.V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Kultur
„Ja Ja Ja Ne Ne Ne“
Über eine Stunde lang wiederholt Joseph Beuys die Worte Ja und Nein in einem Klangkunstwerk des Fluxus-Künstlers Nam June Paik. Das Werk mit dem Namen „Ja Ja Ja Ne Ne Ne“ wird nun in einer Ausstellung im Hamburger Bahnhof in Berlin aus einer neuen Perspektive betrachtet. Es geht um die Beziehung des Künstlers zur Sprache. Bisher sei die Stellung der Sprache, wichtig in Beuys Gesamtwerk, wenig beachtet und bearbeitet worden. Diese Leerstelle soll nun geschlossen werden. So sei das Werk „Ja Ja Ja Ne Ne Ne“ nur scheinbar einfach konzipiert. Denn „je nachdem wie sie {die Worte} moduliert sind, aus welcher Stimmung heraus man sie äußert mal euphorisch, mal genervt, mal glücklich, mal ganz traurig sein könnten“, so die Ausstellungskuratorin Nina Schallenberg. Beuys selbst hatte stets die elementare Rolle der Sprache für sein Werk und seine Kunsttheorie betont. Gerade auch für den politischen Künstler Beuys sei die Sprache als verbindendes Element ein zentraler Gedanke gewesen: „Er startet bei dem ganz kleinen Nukleus des Wortes, das ganz bewusst ausgesprochen wird und er landet bei einer Neuorganisation der Gesellschaft“, erläutert Schallenberg. Dieser Entwicklungsweg wird in der Ausstellung nachgezeichnet. (deutschlandfunkkultur.de)
Erinnerungen auf Platt
Wenn Erinnerungen sterben, stirbt oft zugleich die Sprache derer, denen sie gehören. Ein Podcast-Projekt soll jetzt dabei helfen, das Viesebecker Platt (Nordhessen) zu erhalten. Der Kasseler Medienmacher Klaus Schaake besucht Seniorentreffen und lässt die Teilnehmer einfach erzählen. Die Senioren sprechen ganz selbstverständlich auf Viesebecker Platt, einem Dialekt, den nicht mehr viele ihrer Nachkommen sprechen. Schaake verarbeitet die Erzählungen zu kurzen Audiostücken, die online abgerufen werden können. So soll die Mundart auch von der jüngeren Generation abgerufen, gehört und auch erhalten werden können. (hna.de, klausschaake.de)
4. Berichte
Deutsche Sprachtage 2021 abgesagt
Der VDS-Vorstand hat in dieser Woche entschieden, die für das erste Wochenende im September in Dortmund geplanten Deutschen Sprachtage 2021 abzusagen. Auch wenn die Pandemie-Lage sich derzeit entspannt, ist es durch die bestehenden Beschränkungen noch nicht möglich, die Planung für eine mehrtägige Veranstaltung durchzuhalten. Die Teilnehmerzahl müsste gegenwärtig beschränkt und Schutzvorschriften eingehalten werden. Ein lohnenswertes Rahmenprogramm ist nach heutigem Stand ebenfalls nicht möglich. Auch wenn damit bereits die zweite Großveranstaltung des VDS der Pandemie zum Opfer fällt, hat der Vorstand sich für die Absage entschieden. Er will den Delegierten die Anreise zu einer Versammlung nicht zumuten, die durch Ungewissheit um Hygienekonzepte kaum befriedigend organisierbar wäre. Als Perspektive sei auf die Deutschen Sprachtage 2022 verwiesen, die in Wittenberg zum 500ten Jahrestag des Erscheinens der ersten Luther-Bibel stattfinden werden. (vds-ev.de)
5. Denglisch
Und zyklisch grüßt das Murmeltier
Es gibt sie, die medialen Verwertungszyklen. Ein Thema wird mit der Zeit nicht unbedingt schlecht. So kann man schmunzeln, wenn das Technikportal chip.de einen zehn Jahre alten Artikel noch einmal als neu veröffentlicht. Es geht um Fußball und wir haben schließlich die Europameisterschaft. Aber nun zum Inhalt. Unter Verweis auf eine Meldung der Augsburger Allgemeinen Zeitung, die übrigens vom 7. Juli 2010 stammt, also zur Weltmeisterschaft 2010 entstanden sein muss, wird auf die Bedeutung des Begriffs „Public Viewing“ eingegangen. Der Verein Deutsche Sprache e. V. habe sich dafür ausgesprochen, einen passenden deutschen Begriff für den Anglizismus zu finden. Nicht nur sei der Begriff grammatikalisch sperrig, auch hätte er im Englischen einen vollkommen anderen Begriffsinhalt: „Der Ausdruck stammt nämlich aus dem US-amerikanischen Englisch und meint dort so viel wie „öffentliche Leichenschau“. Als Alternative seien „Freiluftfernsehen“, „Fußballkino“ oder „Rudelgucken“ denkbar. Den aufmerksamen Lesern wird aufgefallen sein, auch die Redaktion hat sich des Aufwärmens von Themen schuldig gemacht, aber es ist schließlich Sommer. Und EM. Und das Monster im Loch Ness gibt sprachlich nichts her. Davon abgesehen altert die Auffassung nicht, dass es für unsinnige Anglizismen durchaus Begriffskonstruktionen aus dem vorhandenen Wortschatz gibt. Wird etwas nur auf Englisch verbreitet, handelt es sich fast immer um eine Mogelpackung. (chip.de, augsburger-allgemeine.de)
Bad Denglisch at the Akademikers
Ein Akademiker macht noch keinen Englisch-Kenner. Zu diesem Schluss kommt der Autor Peter Littger in einem Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche. Gerade die höher Gebildeten, zumal Professoren und Dozenten, lassen manchmal Bildung vermissen. Ihr Englisch sei alles andere als vorzeigbar. Viele würden deutsche Redewendungen einfach ins Englische übersetzen, bei andern hapere es an der korrekten Aussprache – selbst wenn sie über ein Thema aus ihrem eigenen Fachbereich sprechen: „Nicht nur, dass er oft „didschl“ sagt, wenn er digital sagen will. Oder lounge statt launch. Oder „plactic ideas“, was – solly! – ein bisschen chinesisch klingt und practical ideas bedeuten soll.“ Auch von Akademikern und von der Anstalt, die sie repräsentieren, dürfe ein Mindestniveau erwartet werden. „Schon oft hatte ich den Eindruck, dass sich akademisch geprägte Menschen für unfehlbar halten, wenn sie Englisch sprechen – als hätte „Lingua Franca“ die Bedeutung Freestyle“, so Littger. (wiwo.de)
Better English at Football
Peter Littger hat sich dem Denglischen verschrieben. In seiner wöchentlichen Kolumne bei n-tv beschreibt er – passend zur Europameisterschaft – dass sich auch sportliche Ausdrücke nie 1:1 übersetzen lassen, außerdem gebe es spezifische, eigene Floskeln, die im Englischen üblich seien. Einen Seitenwechsel gibt es zum Beispiel nicht, man spielt einfach nur „second half“. Der FC Chelsea hat als kleines Schmankerl für seine Fans den frisch eingekauften Timo Werner nach typischen Ausdrücken gefragt, herausgekommen ist ein launiges Video voller sprachlicher Missverständnisse. Wer mag, kann in der Kolumne auch gleich selbst seine „Englisch Football Slang“-Qualitäten testen: Was ist zum Beispiel „Parking the Bus“ oder „Nodding home“? Viel Spaß! (n-tv.de)
Viele Briefe
Liebe Leser, selbstverständlich lesen wir Ihre Post, auch wenn sie weiterhin wächst und wächst. Wir nehmen uns Ihre Beiträge zu Herzen, soweit es geht. Der Infobrief muss dennoch weiterhin ohne Veröffentlichung von Leserpost auskommen. — Ihre Redaktion
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion.
Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel, Asma Loukili, Frank Reimer, Dorota Wilke