Infobrief vom 30. Januar 2023: Aus für das Argentinische Tageblatt

1. Presseschau

Aus für das Argentinische Tageblatt

Nach 144 Jahren hat das Argentinische Tageblatt in Buenos Aires sein Erscheinen eingestellt: an einem Freitag dem Dreizehnten. Der plötzliche Tod des Chefredakteurs Stefan Kuhn am 7. Januar war wohl der aktuelle Anlass, die Zeitung einzustellen. Die FAZ listet weitere Gründe: Die deutschsprachige Leserschaft ist geschrumpft, jüngere Deutsch-Argentinier sprechen untereinander vorwiegend Spanisch, Anzeigen von Niederlassungen deutscher Unternehmen blieben aus, die Redaktion wurde kleiner. Besonders wegen seiner Informationen über das nach wie vor rege deutsch-argentinische Gesellschafts- und Vereinsleben war das Argentinische Tagblatt beliebt. (faz.net)


Erwachsenenbildung wird immer beliebter

Am diesjährigen Welttag der Bildung (24. Januar 2023) erinnert Tobias Gehre im Merkur.de daran, dass nicht nur Kinder und Jugendliche die Schulen besuchen. Auch die Erwachsenenbildung erfreut sich nach pandemiebedingter Pause steigender Beliebtheit. Im bayrischen Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es laut Gehre zahlreiche Möglichkeiten zur Fortbildung von Erwachsenen in Kultur, Sprachen, Gesundheit, Beruf oder Gesellschaft. Allein in diesem Landkreis gebe es derzeit 1450 Dozenten und Kursleiter. Die Volkshochschule (VHS) bildet den unumstrittenen Platz 1 der Erwachsenenbildung. Beim Erlernen von Sprachen liege der Fokus in der Erwachsenenbildung bei der Praxisnähe. Eine Sprache solle nicht nur erlernt, sondern auch angewendet werden können, erklärt der Leiter der Olchinger Volkshochschule Helmut Achatz. Das Lernen der Sprachen werde oftmals auch mit der Kultur oder Kulinarik des jeweiligen Landes verknüpft und somit können die Schüler beispielsweise lernen, in der jeweiligen Sprache Essen zu bestellen oder nach dem Weg zu fragen. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Volkshochschulen in dem bayerischen Landkreis werde den Teilnehmern ein breiteres Programm angeboten, erklärt der Vorsitzende des Bayerischen Volkshochschulverbands Christian Hörmann. (merkur.de)


Deutsch gegen Gesundheitsschäden

Um Deutsche Fitness ging es keineswegs, als sich jemand über ein Fitnessstudio beschwerte, das auffordert Deutsch zu sprechen. Darüber berichtet die Aachener Zeitung im Jülicher Lokalteil. In der Hausordnung war gefordert, offenbar etwas unglücklich formuliert, was beim näheren Hinsehen völlig korrekt ist: Wer beim Einweisen in die Kraftmaschinen nicht genau versteht, was er tun und lassen soll, kann sich gesundheitlich schädigen. Dazu gibt es ja die Landessprache, damit sie sicherheitshalber von den Bürgern im Lande auch verwendet, nicht nur verstanden werde. Der Aachener Regionalleiter des VDS, Claus Günther Maas, fragt in einem Leserbrief, ob demnächst jeder Einzelhändler nachweisen müsse, dass er neben der eigenen auch noch zwei oder drei Zuwanderersprachen beherrscht. (aachener-zeitung.de (Bezahlschranke))


2. Gendersprache

Wirkung des Genderns unklar

Gendergegner verweisen meist auf den Unterschied zwischen dem grammatischen Geschlecht (Genus) und dem natürlichen Geschlecht (Sexus). Gabor Paal vom NDR argumentiert, dass Erkenntnisse aus der Sprachforschung vermuten lassen, das grammatische Geschlecht habe sehr wohl einen Einfluss darauf, welche Bilder und Vorstellungen erzeugt werden. Auch wenn es um geschlechtslose Objekte gehe, habe die Grammatik Einfluss auf die Darstellung. Als Beispiel stellt Paal die Sonne und den Mond vor. Auf Kinderbildern oder Karikaturen bekomme der Mond meist ein männliches Gesicht. Im spanischen und französischen Sprachraum, in welchem die Sonne dem männlichen Genus entspricht, werden der Sonne eher männliche Attribute zugeschrieben. Paal bestätigt jedoch, dass das Ausmaß dieser Wirkung umstritten sei. Die Linguistin Carolin Müller-Spitzer vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache erklärt: „Bilder von Männern entstehen demnach vor allem dort, wo die Begriffe selbst bildhaft sind und sich auf anschauliche Tätigkeiten beziehen“. Personenbezeichnungen wie Bäcker, Ärzte und Politiker laden dazu ein, Männer vor dem geistigen Auge zu sehen. Eindeutige Schlüsse lassen sich laut Paal allerdings noch nicht ziehen. Ebenfalls sei es nicht garantiert, dass der Einsatz von Gendersternchen die Vorstellung von Geschlecht in den Köpfen ausgleiche. Die Geschlechtergerechtigkeit leide sogar darunter, dass Formulierungen mit Sternchen und Doppelnennung die Geschlechtsidentität überbetonen. (ndr.de)


Elegantes Gendern

Laut NDR bietet die deutsche Sprache viele Möglichkeiten alle Geschlechter anzusprechen, ohne dabei auf die bekannten Genderformen wie Sternchen, Bindestriche oder Doppelformulierungen zurückgreifen zu müssen. In einem zweiminütigen Sendungsausschnitt auf der Netzseite stellt die Redaktion die wichtigsten Tipps zusammen, um die Gendersprechweisen zu umgehen und dabei trotzdem genderneutral zu bleiben. Man solle Verben statt Substantive verwenden. Ein Beispiel hierfür wäre statt „alle Teilnehmer bekommen…“ – „alle, die teilnehmen, bekommen…“. Auch gebe es heutzutage viele geschlechtsneutrale Begriffe, die andere ersetzen können. Statt von „Experten“, kann man von „Fachleuten“ sprechen. Als weiterer Tipp wird die Verwendung von Partizipialformen („Studierende“, „Mitarbeitende“) benannt. Moderator Gabor Paal gibt zwar zu, dass diese Formen grammatikalisch eine andere Bedeutung haben, diese allerdings breiter akzeptiert werden als die Gendersternchen. Ebenfalls könne man auf Sätze mit exemplarischen Personen zurückgreifen und dabei die Geschlechter abwechseln oder man stellt Sätze um, damit keine Personen direkt angesprochen werden. Mit diesen Tricks könne man „elegant“ das Gendern umgehen. (ndr.de)


Gott verweigert Gendern

Priester und Oberstudienrat Joachim Heimerl kommentiert in der deutschen Ausgabe der römisch-katholischen Nachrichtenseite catholicnewsagency.com die Genderpraxis in den Übersetzungen biblischer Texte. Er bezeichnet das Gendern in diesen Bibelausgaben als eine „Verfälschung der Heiligen Schrift“. Er bezieht sich dabei vor allem auf die „Bibel in gerechter Sprache“, die zwischen 2001 und 2006 zusammengestellt wurde. Die Veränderungen von „Jungfrau“ in „junge Frau“ oder „allmächtiger Vater“ in „allmächtig“ seien laut Heimerl „nicht mehr katholisch“. Er erklärt den Unterschied zwischen grammatischem und natürlichem Geschlecht und betont, der Glaube lasse sich nicht gendern. Auch die Gender-Vorstellung eines „weiblicheren Gottes“ negiere die Kernwahrheiten des christlichen Glaubens. Gott könne sehr wohl „wie eine Mutter trösten“, aber schon deshalb könne er nicht zugleich Mutter sein. Die Bibel lasse in ihren Formulierungen keinen großen Interpretationsspielraum. Gott lasse sich nicht gendern. (de.catholicnewsagency.com)


Nun auch Hessen

Blüten des Genderns bringt die Bild in einem Bericht über Bernd Fischer, Frankfurter Regionalleiter des VDS, der bereits die nächste Volksinitiative gegen das Gendern plant, nun in Hessen. Ihm seien die Samenspender*innen aufgefallen, zitiert ihn die Bild. Was Fehltritte angeht, ist das eine deutliche Steigerung gegenüber der Krankenschwesterin, die bereits im WDR erwähnt wurde. Genüsslich zählt Bild weitere Beispiele auf, darunter den breit diskutierten Fachkräftinnenmangel. Die Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität empfehle sogar die Schreibweise „Frauen*“, also mit Genderstern, denn Frauen seien ein „gesellschaftliches Konstrukt“. Unvergessen bleibt indes der unerreichte Spitzenreiter aus Wien im Jahre 2019: die „Sehr geehrten Prostatapatienten und –patientinnen“. (bild.de)

3. Kultur

Atlas zur deutschen Alltagssprache

Seit 20 Jahren sammeln Forscher der Universitäten Salzburg und Lüttich im Netz regionale Ausdrücke und Unterschiede im Wortschatz des Deutschen. Der Atlas zur deutschen Alltagssprache stellt regionale Varianten des Wortschatzes im Sprachraum Deutschland, Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Liechtenstein, Elsass und Ostbelgien dar. Die Sprachwissenschaftler betonen, viele traditionelle Dialekte seien quasi ausgestorben. Die sprachlichen Veränderungen der Aussprache, Grammatik und Anrede werden auf der Netzseite gesammelt und präsentiert. Beispielsweise sei die „Kartoffel“ in weiten Teilen Deutschlands bekannt. Südwestlich von Mainz sage man allerdings auch „Grundbirne“ dazu. Während „Annas Schlüssel“ für die meisten Norddeutschen die richtige Ausdrucksweise sei, kenne man im Süden auch die Form „der Anna ihr Schlüssel“. Westfalen-Blatt.de empfiehlt den Atlas zur deutschen Alltagssprache und bezeichnet ihn als „spannend, lehrreich und lustig“. (westfalen-blatt.de)


Hessens vielfältige Dialekte

Professor Dr. Lars Vorberger lehrt und forscht zu Regionalsprachen am Institut für Germanistik der Universität Hamburg. Der gebürtige Büdinger stellt das Hessische in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Vorberger betont die Vielfältigkeit der hessischen Dialektformen. In der Sprachwissenschaft unterteile man das Hessische in vier große Dialekträume, das Nord-, Ost-, Süd-, und Zentralhessische. Als einen Grund für diese ausgeprägte Vielfältigkeit benennt Vorberger die Zentrale Lage Hessens, denn Kommunikation lebe vom Austausch und die regionale Lage bedinge die Komplexität der Mundarten. Die hessischen Mundarten sind weiterhin im Wandel. Die Laute B und G ändern sich zu P und K, falls sie vor L und R stehen. Beispielsweise werde die Farbe „blau“ zu „plau“, oder „Breisgau“ zu „Preisgau“. Diese Veränderungen sorgen allerdings weniger für Missverständnisse als für Erheiterung. Der Professor führt fort, dass mit Dialekten gewisse Attribute verbunden werden. Das Bairische sei der bekannteste deutsche Dialekt und man verbinde mit der Region eine ländliche Idylle und somit auch Gemütlichkeit. Ein vergleichbares Stereotyp gebe es beim Hessischen zwar nicht, allerdings setze man Hessisch mit der in Frankfurt gesprochenen Mundart gleich, also dem Rhein-Main-Regiolekt. Vorberger betont, in Kassel oder Fulda werde jedoch eine ganz andere Form des Hessischen gesprochen. Er spricht sich auch gegen das Vorurteil aus, dass das Sprechen eines Dialekts rückständig oder bäuerlich sei. „Jemand, der Dialekt und Hochdeutsch gut beherrscht (…) wächst in gewisser Weise bilingual auf“. (fnp.de)


4. Wirtschaft

Deutschkenntnis als Hürde

Deutsch solle können, wer aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland möchte. Er solle sich die Zeit für die Landessprache nehmen, bevor er aufbricht. Das könne man verlangen, sagt Wolfgang Steinig, emeritierter Professor für Sprachdidaktik an der Universität Siegen. Anlass solcher Überlegungen ist das zu erwartende Zuwanderungsgesetz. Steinig befürchtet, dass die erforderliche Punktzahl für Deutschkenntnis zu niedrig angesetzt wird. Unsere zählt zu den schwer erlernbaren Sprachen, da werde man sich scheuen die Hürde zu hoch anzusetzen. Das wäre ein Fehler, meint Steinig, denn wer mit zu wenig Deutsch ankommt, beginnt das Leben hierzulande „isoliert in der eigenen Sprachgemeinschaft.“ Wie bisher würden viele Zuwanderer keine Arbeit finden. „Sprachliches Wissen eröffnet die Möglichkeit, fachliches Wissen auf andere Bereiche zu transferieren“, deshalb müsse darauf mehr Wert gelegt werden als auf Fachkenntnisse. Englisch als Ersatz für Deutsch kommt für Steinig nicht infrage, und wer sich vor Überfremdung fürchtet, mag sich mit der Höhe der Hürde trösten. „Wer es schafft, Deutsch als Fremdsprache (schon) im Ausland zu erlernen“, sagt Steinert, der „signalisiert damit Motivation, Durchhaltevermögen, Integrationsbereitschaft und Sprachlerneignung sowie eine allgemeine Lernfähigkeit und sprachliche Intelligenz.“ (zeit.de)


5. Berichte

Sprachpreis für gutes Deutsch

Nach zweijähriger Corona-Pause wird 2023 wieder der Preis „Gutes Deutsch in Mecklenburg-Vorpommern“ verliehen. Der Preis ist mit 1.000 Euro dotiert und wird von der Rostocker Regionalgruppe des VDS an Personen, Bildungseinrichtungen und auch Unternehmen verliehen, die sich um die deutsche Sprache verdient machen. Die Auszeichnung soll am 9. September bei einer Festveranstaltung anlässlich des „Tages der deutschen Sprache“ überreicht werden. (sueddeutsche.de)


6. Denglisch

Cooles Kassel

Die Museumslandschaft Hessen Kassel (MHK) trägt ab dem 1. Mai einen neuen Namen. Das historische Erbe des Landgrafen von Hessen-Kassel heißt künftig „Hessen Kassel Heritage – Museen, Schlösser, Parks“. Laut Direktor Martin Eberle soll der neue Name internationale Verständlichkeit schaffen. Das englische Wort „heritage“ (übersetzt „Erbe“) beziehe sich auf den Status als Unesco-Welterbe. Die Bezeichnung „Museumslandschaft“ sei nicht mehr aktuell, da die Vielfalt der Schlösser und Parks damit nicht einbezogen seien. Mit Heritage wolle man auch das umfassende geistige Erbe der Region ausdrücken. Norman Günther, VDS-Regionalleiter in Kassel, überzeugt das nicht: „Viele Leute mit Schulenglisch werden den Begriff nicht verstehen. In Frankreich und Spanien käme so ein Name niemandem in den Sinn“, sagte Günther der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen Zeitung. Diese zitiert Kasseler Bürger, die sich über die neue „coolness“ mokieren. (hna.de)


7. Soziale Medien

Landratt und Zipfelmensch

Lebensmitteleinzelhändler Rewe erntet aufgrund einer Werbebroschüre Spott im Netz. Auf dem Faltblatt ist ein Seemann mit Pfeife im Mund und verschränkten Armen zu sehen. Mit der ungewöhnlichen Gender-Anrede „Moin, ihr Landratt:innen! Kein neuer Job in Sicht?“ versucht das Unternehmen Anwerber für eine Stellenausschreibung zu gewinnen. In den sozialen Medien folgte jedoch Kritik an der bizarren Genderform. Nutzer auf Twitter fragten „Ist das euer Ernst:in?“. Weitere Nutzer beschwerten sich „Wer wird denn hier angesprochen? Was ist ein Landratt?“. Immer öfter greifen Unternehmen auf Gendersprache zurück. In der Weihnachtszeit warb Penny mit genderneutralen „Zipfelmenschen“ statt Weihnachtsmännern. Der Fall um Rewes „Landratt:innen“ sorgte für viel Aufmerksamkeit und Bjarne Kommnick von Merkur.de meint, das sei wohl die eigentliche Absicht hinter der Werbebroschüre gewesen. (merkur.de, twitter.com/DerLord0072)


8. Kommentar

Nessie im Winterloch

Immer mal wieder reckt das Monster im See den Hals und fordert Englisch als zweite Amtssprache. Diesmal klugerweise beschränkt auf die Beamten: Sie sollen die deutsche Bürokratie für das Geschäftsleben erleichtern, und zwar auf Englisch. Wie immer, wird diese unwiderlegbar plausibel klingende Idee nicht zu Ende gedacht. Der in solchen Fällen vielzitierte indische IT-Experte entscheidet sich beispielsweise für Norwegen statt Deutschland in erster Linie, weil er willkommen ist, nicht wegen der Sprache. Als IT-Experte ist er schon mal gar nicht dumm und die Landessprache wird er sowieso erwerben müssen. Alle Ämter im Lande mit hinlänglichen (nicht irgendwelchen) Englischkenntnissen zu stopfen, um damit renommieren zu können, wäre ein so gewaltiger Aufwand, den würde keiner bezahlen wollen. Und ein vergeblicher, denn die englische Verwaltungs- und Juristensprache passt nicht zum Rechtssystem in Deutschland. Sorry guys, es gibt zu Deutsch als Landessprache (auch im Grundgesetz!) keine brauchbare Alternative, egal wie oft Nessie Profil sucht. (Oliver Baer) (bild.de (Bezahlschranke))


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.

Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs

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