1. Presseschau
Über v
Der 22. Buchstabe im deutschen Alphabet ist ein Sonderling. Er hat seinen Ursprung im griechischen Y, bezeichnete im Lateinischen zunächst unterschiedslos die Laute u und v, bis v irgendwann eher am Anfang eines Wortes geschrieben wurde und u im Wortinneren. Heute erkennt man deutsche Stammwörter (Vater, Veste, Vieh) daran, dass das v lautlich dem Lautwert des Buchstabens f entspricht (siehe auch voll gegenüber Fülle). In Fremdwörtern (Vagabund, Vagina, Vulkan) wird der Laut als w ausgesprochen, mal abgesehen vom Sonderfall Vettel. Der Journalist Matthias Heine befasst sich in der WELT mit der Frage, ob der Buchstabe v im Deutschen dann sogar überflüssig wäre. Laut Heine wächst seine Bedeutung derzeit mit dem Aufkommen vegetarischer Lebensmittel, wodurch orthographisch fragwürdige Neubildungen wie Vürstchen, Vetzgerei oder Visch entstehen. Eine Auszählung im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass ein Zuwachs bei Wörtern mit v nicht zu verzeichnen ist. (welt.de, woerterbuchnetz.de)
Uni Münster streicht Wilhelm II.
Ab Oktober kommt die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster ohne ihren Wilhelm aus. Er habe, unabhängig von seiner historischen Bedeutung, keine besondere Beziehung zur Universität Münster gehabt. Deshalb hat der Senat der Universität die Umbenennung zu „Universität Münster“ beschlossen, und zwar deutlich mit 20 Stimmen dafür bei nur einer Gegenstimme, so die Tagesschau. Studenten der Uni hatten die Umbenennung 2018 angestoßen, eine Arbeitsgruppe stellte anschließend Untersuchungen an. Ihr Fazit: Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) war als „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch“ bekannt und die Universität habe er nie besucht. Erst 2018 hatte die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald den Namen des Dichters und Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung (1848) wegen seiner antisemitischen und gegen Frankreich gerichteten Ansichten abgelegt. (tagesschau.de)
„Wo sind all die Indianer hin?“
Hartmut Engler, der Sänger der Gruppe Pur, verteidigt einen seiner größten Erfolge, das Lied „Indianer“: „Das ist Spaß und das erinnert mich an meine Kindheit. Der Song hat nichts mit der Kultur und dem Schicksal der amerikanischen Ureinwohner zu tun“, so Engler. Das Lied handelt von Kindheitserinnerungen und der Tatsache, wie sehr diese am Leben als Erwachsener zerschellen. Die Kritik daran könne Engler nicht ernst nehmen. Auch die Debatte um den Kopfschmuck, den er bei Konzerten während des Liedes trägt, sei „abstrus“: „Ich hätte das Lied auch über Robin Hood oder Captain Kirk machen können. Dann würde ich mich dabei eben anders verkleiden“, sagt Engler. (t-online.de)
Unsinn verbreitet
Über das in Italien geplante neue Sprachgesetz wurde vergangene Woche nicht nur in der deutschen Presse viel Unsinn geschrieben (auch als Zitat im VDS-Infobrief). Im Wesentlichen handele es sich bei dem Gesetzentwurf um den Versuch, das französische Sprachgesetz (Loi Toubon von 1994) auf Italien zu übertragen, schreibt das Übersetzerportal uepo.de. „Vieles, was im Gesetzentwurf vorgeschlagen wird, ist in den meisten Ländern eine Selbstverständlichkeit.“ Richtig sei allerdings, dass in Italien hohe Geldbußen bei Verstößen gegen die geplanten Regelungen zugunsten der Landessprache Italienisch vorgesehen sind. Aber die Information über Strafzahlungen für alle, die das Wort ‚Bruschetta‘ falsch aussprechen, sei vom Sender CNN frei erfunden und von der BILD-Zeitung abgeschrieben worden. (uepo.de)
2. Gendersprache
Berliner*innen Luft
Eine Marketing-Guerilla-Aktion nennt man in der Branche, was der Spirituosenhersteller Schilkin mit 500.000 Flaschen seines Pfefferminzlikörs „Berliner Luft“ getan hat: Sie wurden mit einem neuen Etikett versehen, auf den Sondereditions-Flaschen prangt „Berliner*innen Luft“, wobei das Sternchen durch einen Zwinker-Smiley ersetzt wurde. „Eine Marke, die nicht polarisiert, hat keine Botschaft“, sagte Erlfried Baatz, einer der geschäftsführenden Gesellschafter dem Spiegel. Die Kunden reagierten unterschiedlich, so Baatz. Vor allem das jüngere Publikum habe die Aktion gelobt. Die ebenfalls vorhandene Kritik habe er selbst beantwortet. (merkur.de)
Doppelpunkt-Dilemma
Friedliebende, auf der Suche nach Krawallminderung beim Gendern, finden beim Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg weniger Trost als erhofft. In der FAZ widmet er sich der Frage, welche Folgen es in der Schriftsprache mit sich bringt, dass neuerdings der Doppelpunkt das Sternchen beim Gendern ablöst. Wie eine Umfrage des WDR gezeigt hat, gilt die Doppelnennung („Bürger und Bürgerinnen“) als annehmbarer Kompromiss, wenn das Sternchen nicht genügend Akzeptanz findet. Jedoch sei die Beidnennung eine halbherzige Alternative, denn auf diese Weise werde die Aufmerksamkeit lediglich auf das weibliche Geschlecht sowie das männliche beschränkt. Außerdem sei diese „sexusorientierte Leseweise“ meistens überflüssig, weil sie zur Sache nichts beiträgt, eher davon ablenkt. Eisenberg zitiert Max Goldt, der sich wundert, „wie groß die Aufregung über Sternchen und Doppelpunkte ist, während das, was nun wirklich gruselig ist, die permanente Doppeltsagerei, beispielsweise im Deutschlandfunk, viel weniger Kritik einfährt.“ Zum Kompromiss tauge die Beidnennung daher nicht. Der Doppelpunkt sei ebenfalls problematisch, denn dabei handele es sich in erster Linie um ein Interpunktionszeichen, so Eisenberg. Er stehe zwischen zwei Ausdrücken, von denen der erste eine Ankündigung enthält: „Ein Vorteil ist: Sie bekommen Rabatt“. Grammatikalisch sind beide Ausdrücke voneinander unabhängig, semantisch stehen sie jedoch in einem Verhältnis zueinander. Bei der Benutzung eines Doppelpunkts zum Gendern sehe man vermutlich vor allem die Kürze, das am wenigsten Störende. Ein Doppelpunkt braucht weniger Platz als ein Sternchen oder ein Unterstrich. Durch die Kürze wird er allerdings eher „überlesen“, gerade wenn er in zwei Funktionen nahe beieinander auftaucht: „Jetzt müssen nur noch die Eigentümer:innen mitspielen und erkennen: Jedes Grün ist gut.“ In seiner Genderfunktion ist er dabei nicht besser oder schlechter als Sternchen oder Unterstrich, wegen seiner ursprünglichen Funktion als Interpunktionszeichen sorgt die Gender-Nutzung jedoch für Probleme, so Eisenberg: „Mit dem Doppelpunkt wird ein etabliertes Satzzeichen für sprachfremde Zwecke regelrecht missbraucht.“ (faz.net (Bezahlschranke))
Beim Schummeln erwischt
Obwohl er selber ganz gerne gendert, berichtet der Spiegel diese Woche auch über Widerspruch, jetzt anlässlich einer Sache, die wir im Infobrief vor einem Jahr bereits vorgestellt hatten. Es geht um „Zeugen gesucht! Zur Geschichte des generischen Maskulinums im Deutschen“ von Ewa Trutkowski und Helmut Weiß (Linguistische Berichte, Heft 273). Bemerkenswert an dem Spiegel-Beitrag ist nun die Bloßstellung der Genderbewegten, weil sie bei Verweisen auf wissenschaftliche Befunde so gänzlich unraffiniert schummeln. Ähnliches hatte im Vorjahr schon Fabian Payr beim Überprüfen psycholinguistischer Studien nachgewiesen: dass diese Befunde den Kriterien wissenschaftlicher Arbeit nicht standhalten (wir berichteten im Infobrief). Dafür wird Payr in der Szene mit aller Inbrunst vorgehalten, er könne zum Thema nichts zu sagen haben, da er (als Germanist und Romanist) kein hinlänglich qualifizierter Linguist sei. Nun aber zeigen die Linguisten Trutkowski und Weiß, wie Genderbefürworter aus wissenschaftlichen Papieren sogar dann zitieren, wenn ihre Argumente als eindeutig widerlegt oder als nicht ausreichend erforscht genannt werden (die Einzelheiten gibt es im gedruckten Spiegel, Seite 43, nachzulesen). Kein Wunder, dass der Genderdebatte dauernd die Chancen auf Niveau geraubt werden. (spiegel.de (Bezahlschranke), buske.de, vds-ev.de, vds-ev.de)
Lehrerverband lehnt Gendern ab
Nachdem kürzlich das Berliner Verwaltungsgericht einen Antrag gegen die Verwendung von Genderformen an Berliner Schulen in erster Instanz abgelehnt hatte, positionieren sich die Lehrerorganisationen zu dieser Frage unterschiedlich. Der Deutsche Lehrerverband lehnt das Gendern an Schulen ab. Der Präsident des Verbands Heinz-Peter Meidinger erklärte, dass sich Lehrer im Unterricht an das amtliche Regelwerk halten sollen. Damit seien „nicht vorgesehene Schreibungen“ zu unterlassen. Im Umgang mit Schülern, die in Klausuren und Aufsätzen Genderschreibweisen verwenden, sollten die Lehrer jedoch „tolerant und zurückhaltend“ sein. Dagegen begrüßt die Lehrergewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Man stehe „dem Gendern auch durch Lehrkräfte“ offen gegenüber, so die GEW. (focus.de)
Keine Mütter mehr: ein Nachtrag
Die „entbindende Person“ als Ersatz für das Wort „Mutter“ schlug kurzzeitig die Tagesschau-Redaktion vor. Darüber berichtete der Infobrief der Vorwoche. Dem ist nachzutragen, dass es sich im Sprachgebrauch bei der Entbindenden eher um die Hebamme als die Mutter handelt. Entbinden entspricht dem Losbinden von der Nabelschnur. Dazu braucht es in der Regel einen Geburtshelfer. Die Verwirrung erinnert daran, dass Kinderkriegen und Sprechen lernen zweierlei Fertigkeiten sind. (merkur.de)
Wenn es überschwappt
Gendert irgendwer auch im Privatgespräch? „Mir war bis dahin gar nicht bewusst geworden, dass manche so etwas auch im Alltag tun“, gesteht Harald Martenstein im Zeit-Magazin (Nr. 16 vom 12. April): „Über das Gendersprechen“ ist eine Glosse, da wollen wir durch Zitieren keine Pointen klauen. (zeit.de/zeit-magazin (exklusiv für Abonnenten))
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Die Menschen mitnehmen
In der jüngsten Debatte um die Abschaffung von Gas- und Ölheizungen, um teure Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen äußern unsere Politiker gerne, man müsse die Menschen mitnehmen. Anders sei kein Erfolg zu erzielen. Gemeint ist: Man muss sie dazu bringen, die Vorschläge der Politik gut zu finden oder wenigstens zu akzeptieren. Durch Erklären, durch Überreden – auf jeden Fall durch Zuwendung an die Betroffenen.
Warum klingt mir das so seltsam? Fragen wir, was mit diesem Verb sonst gemeint ist. Was nimmt man mit? Das Schulbrot jeden Morgen, den Korb zum Pilzesuchen, die Kinder/die Freundin in den Urlaub. Beim Einkauf kann man zusätzlich etwas mit in den Korb legen, vielleicht auch das Bezahlen vergessen („hast Du das einfach mitgenommen?“). Meist sieht man darin etwas Routinemäßiges, etwas Übliches – mitnehmen bezieht sich nicht auf die eigentliche Handlung, den Weg zur Schule, das Einkaufen, die Urlaubsreise, sondern auf etwas Begleitendes, was dazugehören kann. Und wenn es heißt „wir (die Politiker) müssen die Menschen mitnehmen“, dann wird diese Zustimmung der Bevölkerung, diese unerlässliche Voraussetzung für das Gelingen des Vorhabens aufs Beiläufige heruntergestuft, auf eine Begleiterscheinung. Es ist ein Euphemismus, ein Schönreden. Und es klingt sehr von oben herab. Sie sind es ja, die uns mitnehmen wollen, sie sind die Akteure. Wir alle, die Betroffenen dieser einschneidenden Maßnahmen, werden an den Arm genommen, um die großen Ziele der Klimarettung zu verwirklichen.
In Talkshows, denen ich des öfteren zuhöre und zuschaue, taucht – oft in gleichem Kontext, sozusagen Hand in Hand – eine andere Wendung auf, die mir auffällt: Da bin ich ganz bei Ihnen. Sie gehört zum höflichen Umgang der Disputanten, wenn sie Zustimmung signalisieren wollen, gleich aber auch den Widerspruch folgen lassen. Eigentlich hat diese Wendung ja eher einen leicht erotischen Sinn: „ich bin bei Dir“ – so könnte ein Liebesbrief enden oder das Schlusswort eines Telefonats. Es ist eine Form verbaler Zuwendung, auch von Tröstung wegen der Abwesenheit, die gleichsam verbal geleugnet wird. Tatsächlich, und das ist es wohl, was mich stört, wird dabei Sympathie nur vorgetäuscht. Es sind gerade die Gegner, die Vertreter gegenseitiger Auffassungen, welche sich dieser scheinbaren Zuwendungsfloskel bedienen. Da bin ich bei Ihnen – übrigens immer in der Sie-Form – heißt bloß eines: In dem Punkt, und nur in diesem, stimme ich mit Ihnen überein. Sonst nicht. Selten habe ich gehört: „Da stimme ich Ihnen zu“ oder gar „Da haben Sie recht“. So viel Einverständnis wird vermieden. Also geht es eigentlich um eines: ums Bauchpinseln und Anschmieren.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
4. Kultur
Plattdeutsche Wochen
Der Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern ruft zu den 3. Plattdeutschen Wochen auf. Um die Mundart zu stärken, finden vom 28. Mai bis zum 18. Juni landesweit zahlreiche Veranstaltungen statt. Das Projekt beginnt mit einem Vortrag an der Universität Greifswald. Unter dem Motto „Hemm’s kein Bang, Platt tau schnacken!“ seien Plattdeutsch-Sprecher dazu aufgerufen, sich mit eigenen Veranstaltungen, Lesungen oder Musikprogrammen zu beteiligen. Das Ziel des Projekts ist, die plattdeutsche Sprache deutlich sichtbarer, lauter und vielfältiger in der Öffentlichkeit zu vertreten. (zeit.de)
Deutsch in Vancouver
Die Kreuzfahrt-Serie „Das Traumschiff“ sorgte am Ostersonntag für Verwirrung bei den Zuschauern. In der neuen Folge legte „Das Traumschiff“ im kanadischen Vancouver an. Und obwohl die Charaktere sich mit einigen Einheimischen unterhielten, sprachen die vermeintlichen Kanadier fließend Deutsch. Die Produzenten der Serie erfanden hierfür gezielt Charaktere, die zwar in Kanada lebten, allerdings deutsche Vorfahren haben. Selbst die restlichen Passagiere an Bord unterhielten sich in akzentfreiem Deutsch, und auch die nachsynchronisierten Nebendarsteller sprachen kein Englisch. Im Netz scherzten einige Zuschauer bereits: „Eiserne Regel: Egal, wo ‚Das Traumschiff‘ anlegt – die Einheimischen sprechen perfektes, klares Deutsch“. (tz.de)
Colourismus
Ist hier jemand „von Farbe“? Im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung sagt Prinz Asfa-Wossen Asserate (Großneffe des vormaligen äthiopischen Kaisers Haile Selassie): „Wissen Sie, ich werde heute sogar angeklagt, weil ich mich als ‚schwarz‘ bezeichne statt ‚of Colour‘. Solchen Leuten sage ich: ‚Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, als es hiess: Black is beautiful.‘“ Von Debatten über Straßennamen und Begriffe hält Asserate wenig. Meistens gehe es um unproduktive, spalterische Debatten. Er möchte lieber aufbauend darüber sprechen, „wie wir die Bildungs- und Aufstiegschancen von Menschen mit Migrationsgeschichte verbessern und dafür sorgen, dass sie ein selbstverständlicher Teil der Gesellschaft werden. Wohin uns der Rassismus führt, wenn man Menschen nach Ethnien beurteilt, sieht man in meinem Vaterland.“ (nzz.ch)
5. Berichte
Sprachnachrichten Nr. 97
Wer die aktuelle Ausgabe der Sprachnachrichten in gedruckter Form nicht erhalten hat, kann jetzt die Netzausgabe lesen: Schwerpunktthema ist „Deutsch in Europa“. VDS-Mitglieder haben zusätzlich die Möglichkeit, im Mitgliederbereich die Sprachnachrichten als PDF-Datei zu beziehen. (vds-ev.de, mb.vds-ev.de)
6. Denglisch
Baummörder
Für Ärger sorgte der Einsatz eines Rodungs-Baggers in Horrem bei Köln, unter anderem auch für sprachlichen. Der Bagger war im Auftrag der Kreisverwaltung im März am Ufer der Großen Erft entlanggefahren, hatte dort „sämtliche Bäume samt Unterholz niedergemacht“ und einen Bürgersteig beschädigt. Auf dem Fahrzeug stand in Großbuchstaben „Treekiller 2000“. Anwohner fragten sich, ob ein Gefährt mit diesem Namen in Zeiten des Klimawandels zeitgemäß sei. Außerdem verbiete das Bundesnaturschutzgesetz solche Arbeiten von März bis Oktober. Wer dem Bagger seinen (d)englischen Namen gegeben hat, geht aus der Berichterstattung allerdings nicht hervor. (rundschau-online.de (Bezahlschranke))
Selbstkolonisierung
Unter dem Titel „Totgesagtes fliegt länger: Die Handreichung“ geht Marc Hieronimus in der Jungen Welt auf die Bedeutung Johannes Gutenbergs ein. Seit seiner Erfindung wurde es möglich, „fliegende Blätter in Masse zu produzieren, also politische Werbemittel, sozusagen.“ Man kennt sie seit dem 18. Jahrhundert auch als Flugblätter. Die revolutionäre Bewegung 1848 musste bekanntlich ohne Twitter auskommen, damals flogen die Blätter mit längeren Texten. „Im Zuge der kulturellen Selbstkolonisierung gibt sich aber heute jeder der Lächerlichkeit preis, der sie nicht bei dem schmissigen neuen Namen Flyer nennt“, sagt Hieronimus und fährt fort: „In Bildungs- und Schulungsveranstaltungen sagt man hingegen Handout, um das etablierte, deutsche Zungen aber nun überstrapazierende Wort Handreichung zu vermeiden.“ Der Autor schließt mit der Bemerkung: „Jede Demo, jede Buchmesse zeigt: Das Papier in der Hand ist besser als das Twitter-Vögelchen aus der Dachantenne.“ Möge die als linkes Blatt bekannte Junge Welt den Ruf der Rechtslastigkeit ertragen. Für ähnliche Ansichten wurde dem Verein Deutsche Sprache vor über zwanzig Jahren eine Nähe zur AfD attestiert, als es diese Partei noch gar nicht gab! (jungewelt.de)
7. Kommentar
Lass uns mal polarisieren
Wie muss das gewesen sein, als die Geschäftsführer des Spirituosenherstellers Schilkin zusammengesessen und entschieden haben, ihr Produkt in einer Sonderedition zu gendern? „Lass uns mal was total Verrücktes machen!“ „Ja, was echt gut ankommt und über das man spricht!“ Geglückt ist es wohl, denn über die „Berliner*innen Luft“ wird gesprochen. 500.000 Flaschen mit einem Gender-Smiley sind im Verkauf, vielleicht werden sie ja mal bei Ebay in eine paar Jahren viel Geld wert sein. Die Frage ist jedoch: Wie nachhaltig ist so eine Aktion? Und wie sehr tut sich eine Firma wirklich einen Gefallen damit, einer kleinen Minderheit so anbiedernd hinterherzulaufen? Denn die Zahlen sprechen Bände: Die Gender-Befürworter sind in der Minderheit. Also ist es vom Marketing-Aspekt eher ein Schuss in den Ofen, nicht die Gruppe bedienen zu wollen, die eine Mehrheit darstellt und größeres Absatzpotenzial bietet. „Aaach, egal!“, dachte man sich wohl bei Schilkin. Gendern ist gerade hip, also her mit dem Gender-Smiley. Dass es bei „Berliner Luft“ gar nicht um die Luft geht, die Menschen aus Berlin (also Berliner) machen, sondern um die Luft der Stadt Berlin, war hier einfach mal zweitrangig. Zu sehr lockte der billige Wortwitz, den wohl selbst Fips Asmussen verschmäht hätte. Vielleicht wird man sich in der Schilkin-Zentrale in ein paar Jahren bei einem ähnlichen Treffen gegenseitig auf die Schulter klopfen und jovial sagen: „Mensch, weißt du noch, damals, als wir die ‚Berliner*innen Luft‘ verkauft haben? Mann, war das ein Spaß!“ Oder man wird sich peinlich berührt anschauen und überlegen, wie man auf eine so dusselige Idee kommen konnte, die außer 15 Minuten Ruhm nichts Nachhaltiges gebracht hat. Derweil lehnen wir uns zurück und überlegen, was als Nächstes sinnvoll gegendert werden könnte: Schwarzwälder*innen Kirschtorte, Kieler*innen Sprott*innen oder doch lieber Nürnberger*innen Lebkuchen. (Doro Wilke)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider. Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs