1. Presseschau
Gespräche im Taxi
Der Kanton Zürich hat ein neues Taxi-Gesetz. Nun müssen die Taxifahrer Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1 nachweisen, also einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessensgebiete sprechen können. Weil sie das nicht können, verlieren 1.500 Taxifahrer nun ihre Zulassung. Die Neue Zürcher Zeitung spricht darüber mit George Botonakis, dem Präsidenten des Zürcher Taxiverbands. Botonakis sagt: „Die Leute waren seit 2020 über die neuen Anforderungen ab 1. Januar 2024 informiert, wussten also auch, dass sie Deutsch lernen müssen. Sie hätten vier Jahre Zeit gehabt, sich weiterzubilden.“ Ein vom Taxi-Verband eingerichtetes Programm zum Deutschlernen sei kaum genutzt worden. Für Botonakis sind gute Deutschkenntnisse bei Taxifahrern wichtig. Seine Begründung: Smalltalk mit den Fahrgästen schafft Vertrauen und verkürzt die Fahrt. (nzz.ch)
„Anna“ kann kein Fränkisch
Nürnberger Sparkassen-Kunden sind empört. Die digitale Sprachassistentin der Nürnberger Sparkasse namens Anna spricht nur „etwas hölzern hochdeutsch“, wie die Süddeutsche Zeitung anmerkt, und wie eine Sprecherin der Sparkasse mitteilt, hat Anna „Schwierigkeiten, wenn es zu fränkisch wird“. Ein Kunde richtete deswegen eine Beschwerde an den Bankvorstand. Ob Sprachassistentin Anna überhaupt in der Lage wäre, einen Dialekt zu erlernen, bleibt ungeklärt. (sueddeutsche.de)
Erste Plattdeutsch-Botschafterin ernannt
In Mecklenburg-Vorpommern wurde erstmals eine Botschafterin für die niederdeutsche Sprache gewählt. Jette Bolz, Schülerin des Goethe-Gymnasiums in Demmin, übernimmt diese Aufgabe. Die 16-Jährige setzt sich seit Jahren für die Pflege der niederdeutschen Sprache ein. Im vergangenen Herbst startete sie eine Online-Petition, als der Plattdeutsch-Unterricht an ihrer Schule aufgrund des Lehrermangels gestrichen werden sollte. Die Personallücke konnte mittlerweile geschlossen werden, und am vergangenen Dienstag wurde die Schülerin für ihr Engagement vom Beirat der Landesregierung für Niederdeutsch und Heimatpflege zur Botschafterin ernannt. Im Rahmen dieses Projekts soll Bolz in Schulen und Kitas für das Niederdeutsche werben und Lernangebote im Land bekannter machen, sagt das Bildungsministerium. Ein Förderprogramm sei ebenfalls vorgesehen. Kitas mit Niederdeutschkursen können demnach zertifiziert werden und erhalten dann finanzielle Unterstützung. Bolz betonte bei der Auszeichnung, es sei ihr wichtig, junge Leute von Plattdeutsch als Schulfach zu überzeugen. Sie verkörpere gelebte Sprache auf eine ganz besondere Weise, lobte die Bildungsministerin Simone Oldenburg. (nordkurier.de)
GKI kann Sprache auch wie ein Kind lernen
US-amerikanische Forscher haben das Lernverhalten von Kleinkindern mithilfe der generativen künstlichen Intelligenz (GKI) analysiert. Ein Kleinkind lerne bis zum Alter von drei Jahren etwa zwei neue Wörter pro Woche. Mit sechs Jahren greifen Kinder bereits auf einen Wortschatz mit mehr als 10.000 Wörtern zurück. Der Neurowissenschaftler Brenden Lake von der New York Universität stattete in seinem Forschungsprojekt ein Mädchen im Alter von sechs Monaten mit einer leichten Kamera auf dem Kopf aus und zeichnete alles auf, was gehört und gesehen wurde. Die Frage war: Kann Sprache auch ohne angeborenes Vorwissen erworben werden? Das Mädchen trug die Kamera alle zwei Wochen für eine kurze Zeit, bis zum 2. Lebensjahr. Es kamen etwa 60 Stunden Filmmaterial zusammen, welches danach einer künstlichen Intelligenz zugespielt wurde.
Die GKI konnte anhand dieses Materials die Erfahrungen des menschlichen Gehirns nachbilden, und es stellte sich heraus, dass das Gehirn die Sprache vor allem mit simplen Assoziationsleitern erwirbt. Es wurden nicht nur bekannte Wörter gelernt, die GKI konnte auch Objekte benennen, die zuvor nicht gesehen wurden. Die Wissenschaftler sprechen da von „Generalisierung“. Der Algorithmus des GKI-Programms habe beispielsweise das Bild eines Stuhls richtig erkannt, obwohl dieser spezielle Stuhl vorher nie gezeigt wurde. Kleinkinder können sich also ein großes Wissen über die allgemeine Umwelt und Sprache durch Beobachtung und Assoziation aneignen. Laut Lake erklärt das auch, weshalb Kinder die Muttersprache so unfasslich schnell erwerben können.
Der am Massachusetts Institute of Technology zum Spracherwerb forschende Chengxu Zuang betont, dass der bestehende CLIP-Algorithmus die Wortbedeutungen sogar aus einer eingeschränkten Datenmenge erlernt. Somit wäre die Studie ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der künstlichen Intelligenz. Bisher wurden die Large Language Models der Generativen Künstlichen Intelligenz an Datensätzen mit Billionen von Wörtern trainiert. Nun bestehe die Aussicht, dass GKI lernen könne wie ein Kind.
Die Studie ist auch ein bemerkenswerter Schritt in der Entwicklung der generativen künstlichen Intelligenz. Bisher wurden diese sogenannten Large Language Models an großen Datensätzen mit Billionen von Wörtern trainiert. „Wir müssten hunderttausend Jahre leben, um so viele Sprachdaten in unser Gehirn zu laden“, sagt Brenden Lake, der die Studie an der New York University durchführte, in einer Medienmitteilung. Doch offenbar ist die Art und Weise, wie Kinder die Welt betrachten und Erwachsene mit ihnen sprechen, sehr effektiv. (nzz.ch (Bezahlschranke))
2. Gendersprache
Genderthema in Baden-Württemberg erledigt?
Keine Sternchen, Doppelpunkte oder Binnen-I in Baden-Württemberg. Die grün-schwarze Landesregierung hat sich gegen ein explizites Genderverbot ausgesprochen, stattdessen gibt es einen Beschluss, nach dem sich die Landesverwaltung im förmlichen Schriftverkehr an das amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung und die Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung halten soll, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Diese Regeln hätten zwar auch vorher schon gegolten, sie seien jetzt aber nochmals klargestellt worden. Aus Kretschmanns Sicht ist der Streit mit der CDU um ein Genderverbot damit beendet.
Dem Ansinnen des Volksbegehrens von Klaus Hekking ist damit stattgegeben worden. Dieser hatte die Initiative gegen das Gendern ins Leben gerufen und knapp 15.000 Unterschriften gesammelt, die nur wegen eines mutmaßlichen Formfehlers jedoch abgewiesen wurden. Mit dem jetzt verkündeten Beschluss des Kabinetts zeigte sich Hekking mit der Klarstellung zufrieden: „Das ist eigentlich genau das, was wir uns vorgenommen haben.“ Die Landesregierung habe aus seiner Sicht klar gemacht, dass sie künftig ohne Gender-Sonderzeichen kommunizieren wolle. Ob die Initiative ihre Klage gegen die Ablehnung des Volksantrags nun zurücknimmt, will er mit seinen Mitstreitern besprechen.
Die Grünen indes sehen im Umgang mit dem Gendern weiterhin eine Scheindebatte: „Wir leben in einer Zeit, in der es an Herausforderungen nicht mangelt. Die Liste an tatsächlichen Problemen ist wirklich lang“, sagte der Grünen-Abgeordnete Oliver Hildenbrand am Mittwoch im Landtag in Stuttgart. Man solle lieber über politische Herausforderungen debattieren, die für die Zukunft des Landes von zentraler Bedeutung sind, so Hildenbrand. (stuttgarter-nachrichten.de, zeit.de, welt.de)
3. Sprachspiele: Unser Deutsch
Dschendern oder Gendern?
Entlehnungen aus fremden Sprachen müssen ihren Weg im Deutschen finden. Sonst verschwinden sie wieder. Das fängt mit Schreibung und Aussprache an und endet mit Grammatik und Bedeutung. Gendern ist hierfür ein gutes Beispiel. Es hat mich überrascht zu hören, wie viele Leute dies Wort als /gendern/ aussprechen, also mit /g/ wie in deutschen Wörtern. Im Englischen steht g vor hellem Vokal für eine stimmhafte Affrikate wie in Gin und Ginger. Das gilt auch für das Substantiv Gender und entsprechend für das Verb gendern. Warum ist das bei vielen nicht angekommen? Ein möglicher Grund ist die überwiegende Verbreitung unter feministisch gesonnenen Intellektuellen. Sie haben Wort und Sache aus den USA entlehnt. Der Genderstern wurde zum ideologischen Kennzeichen der Partei Grüne/Bündnis 90 erklärt. Richtige Aussprache (wie im Englischen) verstand sich von selbst. Anders bei der Mehrheit der Deutschen. Sie hören selten, wie das Wort englisch ausgesprochen wird, kennen seine Geschichte nicht, aber stolpern über Gender-Sternchen. So ist es natürlich, dass sie das Wort wie ein deutsches aussprechen und damit ins Deutsche integrieren.
Für dies Nebeneinander entlehnter oder integrierter Aussprache gibt es viele Beispiele. So sprechen wir Jazz in der Regel als /dschäs/ aus, dagegen das Verb jazzen ‚Jazz spielen‘ auch als /jatsen/, und entsprechend den Jazzer als /jatser/. Da wir englische Entlehnungen fast immer in ihrer englischen Schreibung übernehmen, kommt es öfter zu solchen Schwankungen. Entweder ‚englische‘ Aussprache, dann aber ist das Verhältnis von Laut und Buchstabe fremd, denn j steht für die Affrikate /dsch/, die es sonst nicht gibt in deutschen Wörtern. Oder Aussprache nach deutschen Regeln, dann ersetzen wir den englischen Laut. Meist bemühen wir uns, Englisches recht englisch wiederzugeben. Das hat dazu geführt, dass unsere Rechtschreibung um eine große Zahl neuer Regeln erweitert wurde. Denken wir nur an die vielen Schreibungen für /i:/ und /e:/im Englischen, zum Beispiel in Meeting, Jeep, Team, easy bzw. Baby und Steak.
Hat die Aussprache etwas mit der geringen Akzeptanz des Genderns zu tun? Vielleicht. Wer Gendern als Verstoß gegen die deutsche Grammatik empfindet, dem ist die Aussprache egal. Übrigens stört viele inzwischen auch das lästige Doppeltnennen, zum Beispiel wenn die Rede ist von Ukrainerinnen und Ukrainern , von Hamburgerinnen und Hamburgern oder von Raucherinnen und Rauchern. Viele von uns halten auch das für Gendern, diesen umständlichen Ersatz des simplen generischen Maskulinums. Nun sind wir wirklich in der Klemme. Oder? Am besten, man lässt beides und schreibt einfach weiter so wie fast alle Zeitungen, wie fast alle Schriftsteller und so wie man normalerweise miteinander redet. Denn die Sprache, die wir als Kinder gelernt haben, braucht keine feministische Nachbesserung. Seien wir glücklich, sie zu haben.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an:horst.munske@fau.de.
4. Kultur
Deutsch im Mittelalter
Im Laufe der Jahrhunderte wird die Sprache von der Gemeinschaft ihrer Verwender immer weiter entwickelt. So befinden sich Klang, Schrift und Aussprache im stetigen Wandel. Familie.de gibt einen einfachen Überblick über die deutsche Sprache im Mittelalter und listet einige Beispiele für die deutsche Sprachentwicklung auf. Im Hochmittelalter, zwischen den Jahren 1050 und 1350, sprach man im ober- und mitteldeutschen Raum Mittelhochdeutsch. Allerdings gab es damals schon eine weite Fächerung von Dialekten. Mittelhochdeutsch gilt als älteste Sprachstufe des Deutschen, seine Sprecher orientierten sich an der höfischen Literatur zur Zeit der Staufer. Mittelalterliche Schriften gehen auf das normalisierte Mittelhochdeutsch von Karl Lachmann zurück. Zeichensetzung war noch nicht einheitlich, die meisten Worte wurden kleingeschrieben, die Aussprache variierte stark und man verwendete viele Diphthonge: Die „Leute“ waren damals „liut“, der Bruder war „bruoder“, aus dem „boum“ wurde der heutige „Baum“ und der „Himmel“ war „himel“. Nicht nur die Schreibweise, sondern auch komplette Redewendungen und Sprüche haben sich im Laufe der Zeit verändert. Wollte man sich einen „guten Tag“ wünschen, so sagte man „Gott zum Gruße“, ein „edler Recke“ und die „edle Dame“ wurden für die Anrede „Herr“ und „Frau“ verwendet. Wer sich bedanken wollte, sagte „so seid bedankt“ und verabschiedet hat man sich mit „gehabt euch wohl“. (familie.de)
Arabisch im Alltag
Es gibt im Deutschen zahlreiche Beispiele für Fremd- und Lehnwörter. Heutzutage kommen die meisten aus dem Englischen. Im Alltagsgebrauch gibt es aber auch Wörter aus dem Arabischen, berichtet Buzzfeed.de. Es habe die westlichen Kulturkreise am meisten beeinflusst. Seit dem Mittelalter wurden Begriffe aus der Medizin, Mathematik und der Astronomie übernommen. Durch den Handel oder die Kreuzzüge kamen Erfindungen und Gepflogenheiten aus der arabischen Welt nach Europa und mit ihnen die Bezeichnungen. Laut Sprachforscher Andreas Unger sind die Wörter durch Umwege, meist über das Italienische oder Französische, ins Deutsche gelangt. So seien Wörter mit der Vorsilbe „Al“ oftmals arabisch, wie etwa Algebra, Algorithmus, Alchemie oder Alkohol. Kaffee wurde vom türkischen „kahve“ übernommen, welches wiederum aus dem arabischen „qahwa“ stamme. Die Matratze wurde vom arabischen Bodenkissen „matrah“ abgeleitet. In seinem Buch „Von Algebra bis Zucker – Arabische Wörter im Deutschen“ stellt Unger viele weitere Beispiele des arabischen Spracheinflusses vor. (buzzfeed.de)
Der Ursprung des kyrillischen Alphabets
Im SWR geht Gábor Paál dem kyrillischen Alphabet auf den Grund. Es entstand auf dem Balkan für die slawischen Sprachen. Dass die Buchstaben denen des griechischen Alphabets ähnlich sind, sei nicht verwunderlich, sagt Paàl, der Namensgeber war Kyrill von Saloniki. Er und sein Bruder Method waren als Missionare unterwegs und maßgeblich an der byzantinisch orthodox geprägten Christianisierung der slawischen Völker beteiligt. Eine dieser Reisen führte Kyrill zu den Chasaren, die nordöstlich des Schwarzen Meeres (heute teils Ukraine, teils Russland) lebten. Als Zeichen der Neutralität war die Oberschicht zum Judentum konvertiert, denn man sah sich in der Zange zwischen den byzantinischen Christen im Westen und dem im Süden expandierenden Islam.
Um die Christianisierung voranzutreiben, lernte Kyrill Hebräisch, aber sein Plan der Bekehrung ging nicht auf. Stattdessen bemerkte er Eigenheiten der slawischen Sprachen, denen weder die griechische noch die lateinische Schrift gerecht wurde. Er erfand eine neue Schrift, sie war noch nicht das kyrillische Alphabet, wie es heute verwendet wird, sondern ein Vorläufer, die glagolitische Schrift. Sie kam zunächst in Teilen des Balkans in Gebrauch bis hin nach Mähren, in das heutige Tschechien und die Slowakei. Für die Entwicklung der glagolitischen Schrift verwendete Kyrill vor allem griechische Buchstaben. Wo er bei den slawischen Lauten nicht weiterkam, fügte er hebräische Zeichen sowie einige aus den Schriftsystemen der Georgier und Armenier hinzu. Über Jahre hinweg wurde die Schrift zu ihren heutigen Formen weiter entwickelt (so weicht für einige Laute beispielsweise das russische vom ukrainischen Kyrillisch ab). Schließlich reformierte und vereinfachte Kaiser Peter der Große die Schrift. Die von Westeuropäern als spiegelverkehrte Buchstaben wahrgenommenen Schriftzeichen werden oft falsch ausgelegt: Das russiche и (i) sieht aus wie ein umgedrehtes N. Tatsächlich ist es aber das alte griechische Eta (H), bei dem der Mittelbalken gekippt wurde. (swr.de)
5. Soziale Medien
Ehrenamtler wirft wegen Genderns das Handtuch
David Domjahn war seit mehr als 30 Jahren beim THW, hat weltweit Einsätze mitgemacht und zuletzt die Instagram-Seite des THW Karlsruhe aufgebaut, die über 15.000 Follower aufweist. Das alles tat er ehrenamtlich, während seiner Freizeit. 2018 erreichte ihn eine Rundverfügung der THW-Zentrale in Bonn, welche die THWler zum Gendern anhielt. Er selbst nutzte es nicht, geriet jedoch immer stärker unter Druck. Für ihn, einen schwulen Mann, der zudem eine Neurodivergenz (Synästhesie) hat, war das auf Dauer zu viel. In einem emotionalen Posting schrieb er bei Instagram, dass er sich immer mehr entfremdet habe. Seine Appelle an die Leitung seien ebenso verhallt wie der Hinweis, dass das Gendern behindertenfeindlich sei. Der Beitrag blieb nur wenige Tage stehen, nach der Übergabe an die neuen Kollegen, die das Konto betreuen, war er weg, die Kommentare wurden gesperrt, dazu gab es einen neuen „Danke David“-Beitrag, bei dem die Kommentarfunktion ebenfalls abgestellt war. Der VDS hat die besagte Rundverfügung bei der THW-Leitung sowie dem Bundesinnenministerium, zu dem das THW gehört, angefragt – bis zur Schlussredaktion des Infobriefs jedoch nicht erhalten. (twitter.com/VDS)
6. Kommentar
Droht dem Gendern der Todesstoß?
Ein Abgesang mit solcher Wortgewalt findet sich diese Woche in der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ). Siegesfreude wäre jedoch verfrüht, denn nur für die Sonderzeichen ist ein Ende in Sicht. Dass diese sowieso verschwinden würden, sagen wir hier schon länger, und die Volksinitiativen geben ihnen den Rest. Unversehens verrät der in der WAZ zitierte Schülersprecher Fabricius den Denkfehler, der in den Genderstreit bewusst injiziert wurde: „Wer bewusst das Wort ‚alle‘ statt ‚jeder‘ verwende, habe bereits einen Denkprozess hinter sich, der über das Gendern hinausgehe“. Nanu? Das Wort Alle betrachtet alle Elemente einer Gruppe zusammengefasst als ein Ganzes; jeder betrachtet die Elemente jeweils (!) einzeln. Beispiel: „Alle Menschen sind gleich. Und doch geht jeder Mensch seinen eigenen Weg.“ Andere Sprachen kennzeichnen so einen Unterschied auf ihre eigene Weise.
In den Genderleitfäden unseres Sprachraumes wimmelt es von heißen Tipps zur Entsorgung unserer Sprache. Dazu zählen Krampfwörter (Elternteil), irreführende Partizipien (Taxifahrende), Ausmerzen der bösen Endung /er/ (sag niemand, sagnicht keiner!), zwanghafte Beidnennung (Blindenhundentrainer und -trainerinnen), Abstraktion (freiwillige Hilfe ersetzt die freiwilligen Helfer), die in Ämtern so beliebten Passivformen (keine Person erstellt die Liste, sie wird erstellt) undungezählte Blähwörter (Mitarbeitendengespräche).
So verschwindet hinter ausgeklügelten Verallgemeinerungen der Mensch, in seiner geistigen Vereinsamung schöpft er Samenspenderinnen und merkt es nicht. Dabei ist dieser Aufwand für die Gerechtigkeit vergebens, denn „es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Also, ihr Aktivist:innen, fordert Taten ein, tut etwas, statt euch mit Doppelpunkten zu schmücken! Die Sonderzeichen waren eine Ablenkung, die Leute haben es bemerkt und wenden sich ab. Nun geht es um die Sprache. Jetzt beginnt die eigentliche Arbeit. (Oliver Baer) (waz.de (Bezahlschranke), german.stackexchange.com)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten zu verschiedenen Sprachthemen. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln gelegentlich die Meinung der Redaktion wider.
Redaktion: Oliver Baer, Holger Klatte, Asma Loukili, Dorota Wilke, Jeanette Zangs