Infobrief 429 (35/2018): Erneute Niederlage für den DFB

1. Presseschau vom 24. bis 30. August 2018

  •  Erneute Niederlage für den DFB
  •  Kinder ohne Bildung

2. Unser Deutsch

  •  Integration III

3. VDS-Termine

4. Literatur

  •  Kultur an der Ruhr

5. Denglisch

  •  Ein wahres Trauerspiel

 

 

1. Presseschau vom 24. bis 30. August 2018

Erneute Niederlage für den DFB


Foto: pixabay wgbieber CC0-1.0-Lizenz

Nach der nicht sehr erfolgreichen Teilnahme an der diesjährigen Weltmeisterschaft, muss der Deutsche Fußballbund nun eine erneute Schlappe einstecken. Der DFB ist mit 908 der insgesamt 2.300 abgegeben Stimmen zum Sprachpanscher des Jahres 2018 gewählt worden. Sein Motto „Best never rest“, mit dem der DFB in Russland angetreten war, klänge nach Meinung erzürnter Sprachfreunde wie die ungelenke Formulierung eines russischen Englischschülers im ersten Lernjahr. Auch der Aufdruck „Germany“ auf verschiedenen Kleidungsstücken wurde oft moniert. Nach der Bekanntgabe des Wahlausgangs am 25. August reagierte der DFB direkt, tat seinen Unmut über die Auszeichnung in sozialen Netzwerken kund und verwies auf den Sponsor Mercedes, der für das Motto verantwortlich sei. Die Zurechtweisung der Nutzer folgte prompt, die den aggressiven Ton und die Verleugnung der Sponsoren kritisierte.

Zweiter mit 670 Stimmen wurde die Landeszentrale für politische Bildung Niedersachsen, die ihre Projekte gerne fremdsprachlich benennt („Let’s play Germany“), gefolgt von dem Einzelhändler Lidl, der seine deutschen Kunden gerne auf Englisch anspricht: „Mum‘s fashion, color is beautiful, you‘ve got the power“. Auf den Plätzen vier und fünf landeten der Textilverkäufer C&A („Hello sunshine/hello smile“), sowie die Siemens AG, deren Leitspruch „Ingenuity for Life“ wohl auf den Erfindergeist von Werner von Siemens anspielen soll.

Zu den bisherigen Sprachpanschern des Jahres zählen die Bahnchefs Hartmut Mehdorn und Johannes Ludewig, die Politiker Klaus Wowereit („Be Berlin“) und Ursula von der Leyen, Postchef Klaus Zumwinkel, Telekom-Chef René Obermann und Obermanns Vorvorgänger Ron Sommer, der den Reigen der Sprachpanscher im Jahr 1998 eröffnet hatte. Aber auch der Duden wurde schon gewählt. Und der Sieger des Jahres 2017 war die Evangelische Kirche Deutschlands, die das Erbe ihres Gründers mit „godspots“ und seltsamen Genderisierungen alter deutscher Liedertexte verunglimpft hat. (welt.de, sueddeutsche.de, stern.de, mdr.de, onefootball.com)

 

Kinder ohne Bildung

Während in Deutschland der Lehrermangel zunimmt und die Bildungsmöglichkeiten sinken, ist die Lage international noch kritischer, besonders bei Flüchtlingskindern. Jedes zweite Kind auf der Flucht hat keine Möglichkeit zur Schulbildung, wie das Flüchtlingshilfswerk UNHCR mitteilt. Das betrifft rund vier Millionen Kinder, eine halbe Million mehr als noch im Vorjahr. Menschen, die innerhalb ihres Heimatlandes vor Krieg und Krisen flüchten, wurden in dieser Studie noch nicht berücksichtigt, die Dunkelziffer der unbeschulten Kinder dürfte demnach deutlich höher liegen, berichtet SPIEGEL ONLINE. Ein Aufbau des eigenen Landes ohne ausreichenden Bildungsstand sei infolgedessen unmöglich, warnt Filippo Grandi, Uno-Flüchtlingskommissar.

Der Aufruf der Uno, Flüchtlingskinder in die Bildungssysteme der Aufnahmeländer zu integrieren, hilft nur bedingt, wenn viele der Schüler nur unzureichend Deutsch sprechen. Aus der Schuleingangsuntersuchung 2017 der Stadt Offenbach geht hervor, dass über 70 % der begutachteten Kinder einen Migrationshintergrund haben, unter denen nicht einmal ein Drittel gut genug Deutsch spricht, um dem Unterricht folgen zu können. Doch auch die „Kinder von Müttern, die selbst fehlerfrei Deutsch sprechen, beherrschen nur zu 55 Prozent gutes Deutsch“, schreibt die Offenbach Post. (spiegel.de, op-online.de)

 

2. Unser Deutsch

Integration III

Wie verändert Immigration eine Gesellschaft? Befürchtungen, auch Hoffnungen, eigene und berichtete Erfahrungen, beherrschen die öffentliche und politische Debatte. Wie gelingt Integration? Welche Folgen hat sie für die Gesellschaft? Wir werfen einen weiteren Blick auf das gleiche Phänomen in der deutschen Sprache, auf die Folgen des Sprachkontakts mit Latein, Französisch, Englisch: Latein von der Römerzeit bis ins 18. Jahrhundert, erst die Sprache der fremden Truppen und der überlegenen Sachkultur, dann das Kirchenlatein des Mittelalters, und zuletzt der Rückgriff auf die Antike, das Neulatein der Renaissance. Das Französische des 17. bis 18. Jahrhunderts war die Bildungssprache Europas, Englisch vom Ende des 19. Jahrhunderts bis heute die dominante Sprache der Industrialisierung und der Herrschaft der USA.

Im Gegensatz zur Immigration sind Lehnwörter keine Einwanderer sondern eine Art Gastarbeiter. Geholt von Zweisprachigen, die den Wortschatz ihrer Muttersprache um Elemente ihrer Zweitsprache bereichern. Entlehnungen sind zunächst als unentbehrliche Ergänzungen willkommen. So wurden im vielen europäischen Sprachen die Wortschätze von Medizin und Pharmazie, der Naturwissenschaften, der Jurisprudenz und des gemeinsamen kulturellen Erbes aus Entlehnungen entwickelt. Eine Besonderheit an diesem lexikalischen Grundstock ist sein produktives Potential. Diese Gemeinsamkeit erleichtert bis heute den sprachlichen Austausch. So werden neuere Entlehnungen aus dem Französischen und Englischen oft wie Latinismen im Deutschen integriert, zum Beispiel Pazifismus (aus franz. pacifisme) und Demonstration (aus engl. Demonstration).

Eine Besonderheit an diesem lexikalischen Import ist sein produktives Potential. Denn obwohl das Lateinische als Zweitsprache längst erloschen ist und auch das Französische seine einstige dominierende Rolle eingebüßt hat, werden immer noch neue Fremdwörter aus lateinischen und französischen Elementen gebildet. Sprachwissenschaftler sprechen hier von Lehnwortbildung mit Präfixen und Suffixen der Kontaktsprachen. Die Massen von Entlehnungen wurden so zum Steinbruch neuer Wörter. Deutsche Neubildungen sind zum Beispiel Tourismus, Sexualität, Musiker, Solist, restriktiv, generell, regional, typisieren, relativieren mit den Suffixen –ismus, –ität, –ist, –iviell, –al, -(is)ieren. Interessanterweise gilt bei den meisten solcher Bildungen eine Art Heiratsgebot: Fremde Affixe verbinden sich vor allem mit fremden Grundwörtern. So entstehen Fremdwörter, die wie Entlehnungen aussehen. Inzwischen ist im Deutschen ein eigenes System der Lehnwortbildung entstanden, das häufig mit der einheimischen konkurriert, wie zum Beispiel bei den Negationspartikeln in– und un– in den Adjektiven inhuman und unmenschlich. Zunehmend verbinden sich jedoch beide Systeme. So entstehen hybride Bildungen aus heimischen und entlehnten Elementen, zum Beispiel die zahllosen Weiterbildungen von Lehnwörtern auf –ung und –isch wie Renovierung, Rationalisierung, barbarisch, satirisch, summarisch. Bei Präfixen finden wir antideutsch, supergeil, Ex-Freundin. Komposita können ganz selbstverständlich Heimisches und Entlehntes verbinden wie Direktflug, Rasierpinsel, Halbpension, realitätsfremd, halbautomatisch, kaputtsparen, spazierengehen.

Warum ist das alles erwähnenswert? Weil es zeigt, welche langfristigen Wirkungen Massenentlehnungen in eine Sprache haben, wie sie unter Bewahrung ihrer Identität produktiv werden können im Deutschen. Aber auch, weil es zeigt, wie durch das Miteinander von heimischem und entlehntem Wortschatz in unserer Kommunikation das Fremde seine Fremdheit verliert. Allerdings erst in Jahrhunderten.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. VDS-Termine

3. September, Region 42 („Bergisch-Land“ – Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Eröffnung: Ausstellung von Friedrich Retkowski „Deutschland ist (D)englischland“ (Karikaturen zum Thema Denglisch)
Besichtigungsmöglichkeit während der Öffnungszeiten der Foyer-Galerie
(Mo, Mi, Fr 9.00-16.00 Uhr; Di, Do 9.00-18.00 Uhr)
Zeit: 11:00 Uhr
Ort: Foyer-Galerie, Sparkasse Wuppertal, Islandufer, 42103 Wuppertal

4. September, Region 57 (Siegen)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Landgasthof Merje, Kredenbacher Str. 18, 57223 Kreuztal

6. September, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Lesumer Hof, Oberreihe 8, 28217 Bremen

7. September, Region 42 („Bergisch-Land“ – Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Verleihung des Sprachpreises „Die Eule 2018“ an Roderich Trapp von der Wuppertaler Rundschau
offen für alle Bürger, Eintritt frei
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Lichthof, Rathaus, Johannes-Rau-Platz 1, 42275 Wuppertal-Barmen

7. September, Region 90, 91, 92 (Nürnberg, Erlangen)
„Fest der deutschen Sprache“ – Literatur, Gespräche und Informationen
Zeit: 17:30 Uhr
Ort: Altdorfstübchen im Weinstadel, Erdgeschoss, Maxplatz 8, 90403 Nürnberg

8. September, Tag der deutschen Sprache
Veranstaltungen in diversen Regionen, Termine einsehbar im Internet unter: vds-ev.de/termine

 

4. Literatur

Kultur an der Ruhr

Zwischen dem 9. und 14. Oktober findet zum zweiten Mal das Literaturfestival lit.RUHR statt. Rund 100 bekannte nationale und internationale Schauspieler, Künstler und natürlich Autoren wie Frank Schätzing, Eckard von Hirschhausen und Daniel Kehlmann sind Teil des Programms, das insgesamt 79 Veranstaltungen an zwölf Standorten im Ruhrgebiets umfasst. „Wir machen ein breites Programm, bei dem tatsächlich jeder eine Veranstaltung finden kann, die ihn interessiert, die ihn abholt, und wir haben in vielen Veranstaltungen Gebärdendolmetscher, die das gesprochene Wort in Gebärden übersetzen“, so die künstlerische Leiterin Traudl Bünger. Das Programm zu den Veranstaltungen finden Sie hier. (wdr.de, waz.de)

 

6. Denglisch

Ein wahres Trauerspiel

Der Sommer nähert sich seinem Ende. Das bedeutet für viele Theaterbegeisterte in erster Linie die Begutachtung des neuen Spielplans für die nächste Saison. Doch besonders Sprachfreunde dürfte der Blick in die Theaterhefte entmutigen. „Wer durch die Premierenankündigungen blättert, wähnt sich im Globish-Land – wie bei Tinder oder Airbnb, wo man ja auch in einer analog deutschsprachigen Community sein Fleisch oder seine Wohnung bevorzugt in globalisiertem Simpelenglisch zu Markte trägt“, heißt es in der WELT dazu. So komme gar eine „wahre Inflation englischsprachiger Titel“ zusammen, in Leipzig allein sind es gleich fünf Stücke. Und in Berlin musste der Klassiker „Das hässliche Entlein“ dem „ugly duckling“ weichen. (welt.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch

© Verein Deutsche Sprache e. V.

 

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