Infobrief 430 (36/2018): Förderung bleibt ungenutzt

1. Presseschau vom 31. August bis 7. September 2018

  • Förderung bleibt ungenutzt
  • Migranten sprechen Deutsch
  • Neues aus Köln

 2. Unser Deutsch

  •  im übrigen

3. Berichte

  • Sprachschutz in Freudenstadt

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Bücherregale ohne Bücher

6. Denglisch

  • Rüge für Amazon

 

1. Presseschau vom 31. August bis 7. September 2018

Förderung bleibt ungenutzt


Foto: Pixabay Mimzy CC0-1.0-Lizenz

Die vom Bund zur Verfügung gestellten Fördergelder für Schülerinnen und Schüler werden nicht ausreichend in Anspruch genommen; dies meldete die Passauer Neue Presse nach Anfrage der Linken im Bundestag. Nur etwas über eine Million Kinder hätten Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) des Bundes im Februar 2018 erhalten, 1,5 Millionen weniger als vorgesehen. Das Paket soll einkommensschwache Familien bei der Finanzierung von Schulmaterialien oder Vereinsmitgliedschaften der Kinder entlasten. Trotz steigender Armut, die von Generation zu Generation weitergegeben wird, und einem erhöhtem Bedarf an Unterstützung, rufen jedoch nur wenige Eltern die Leistungen ab. Die Gründe dafür sind vielfältig und stehen schon seit Einführung des Pakets im Jahr 2011 in der Kritik, angefangen mit dem für manche Eltern schwierigen Antrag, über die Angst der Stigmatisierung, bis hin zur geringen Kostendeckung. „Das BuT ist in seiner Höhe willkürlich“, findet Frank Steger vom Berliner Arbeitslosenzentrum evangelischer Kirchenkreise e. V. Zuschüsse für Vereine oder einen Musikunterricht lägen bei gerade einmal 10 Euro im Monat, die tatsächlichen Kosten decke diese Summe bei weitem nicht. Um das Problem der vererbten Armut zu stoppen und Aufstiegschancen zu garantieren „muss Schulbildung wieder kostenlos werden, samt Schulbüchern und angegliederten Institutionen für Nachhilfe, Kultur und Sport“, fordert Petra Windeck vom Deutschen Familienverband NRW. (taz.de)

 

Migranten sprechen Deutsch

Auch in Familien mit Migrationshintergrund wird meistens deutsch gesprochen. Das teilte das Statistische Bundesamt auf Basis des Mikrozensus 2017 mit. Hat nur eine Person ausländische Wurzeln, verständigen sich rund 89 % zu Hause vorwiegend auf Deutsch. Kommen alle im Haushalt Lebenden aus einem anderen Land, sank der Anteil auf 40 %. Hier ist besonders die Aufenthaltsdauer entscheidend: „Lebten die Haushaltsmitglieder im Durchschnitt weniger als zwei Jahre in Deutschland, haben sie nur zu 8 % überwiegend deutsch miteinander gesprochen. Hielten sie sich hingegen seit mindestens zehn Jahren im Land auf, lag dieser Anteil bei 47 %“, heißt es in der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes. Die häufigsten ausländischen Sprachen der befragten Haushalte sind türkisch (17 %), russisch (16 %), polnisch (9 %) und arabisch (7 %). (destatis.de, welt.de)

 

Neues aus Köln

Wegen starker Kritik an seinem Namen hat sich der Kölner Karnevalsverein KG Frechener Negerköpp umbenannt. „Der Verein hat in den letzten Jahren sehr viele Aggressionen aus der Bevölkerung erfahren, sowohl wegen unseres Namens als auch des Aussehens“, zitiert der Express die erste Vorsitzende, Sandra Oberzier. Die Negerköpp traten bei Veranstaltungen und im Kölner Karneval mit schwarz angefärbten Gesichtern auf. Der 1978 gegründete Verein nennt sich nun Wilde Frechener.

Gute Nachrichten zum Sprachschutz hingegen aus dem Kölner Kindergarten Jecke Pänz. Dort wird fortan Kölsch als zweite Sprache gesprochen – „nach allen Regeln des bilingualen Konzepts“, wie die Rundschau Online berichtet. „Das Konzept sieht vor, dass ein ausgebildeter Erzieher den ganzen Tag nur die zusätzliche Sprache spricht“, erklärt Werner Pieper, Geschäftsleiter der Kita. Bei über 75 % Kindern mit Migrationshintergrund sei die Verwendung des Kölschen nicht nur ein Integrationsbeitrag, sondern es gehe auch um die Anerkennung der Mundart als Sprache und um ihren Schutz. (express.de, rundschau-online.de)

 

2. Unser Deutsch

im übrigen

So verzeichnet Konrad Duden diese adverbiale Wendung in seinem ‚Vollständigen Orthographischen Wörterbuch der deutschen Sprache‘ vom Jahre 1880, und zwar unter dem Stichwort übrig, dazu außerdem übrigbleiben, das (alles) übrige, die (alle) übrigen. Und so würden es viele Deutsche gerne weiter schreiben. Ich bin einer von ihnen und berichte, wie und warum es anders kam.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatte es heftige Debatten um eine Reform der Rechtschreibung gegeben, unter anderem über die Groß- und Kleinschreibung. Sie fand ihren Abschluss in der Berliner Rechtschreibkonferenz von 1901. Damals konnte man sich im wesentlichen auf die Regeln der preußischen Schulorthographie einigen, die Rudolf von Raumer 1876 entworfen und die Konrad Duden seinem Wörterbuch zugrunde gelegt hatte. Dazu hatte der Bonner Germanist Wilhelm Wilmanns in seinem Buch „Die Orthographie in den Schulen Deutschlands“ (1887) einen ausführlichen Kommentar geliefert – bis heute die beste Begründung der neuen Einheitsschreibung. Im übrigen zählte er zu den adverbialen Wendungen, die wie Adverbien klein zu schreiben seien. Eine Eselsbrücke sagte: „klein, wenn die Wendung durch ein Adverb ersetzt werden kann“ (hier also durch übrigens). Weitere Wendungen dieser Art sind: im allgemeinen, im großen und ganzen, im voraus, im folgenden, des öfteren, des weiteren, seit langem. Die Absicht der damaligen Reformer war es, die wuchernde Großschreibung auf ihren Kern zu beschränken.

Warum wurde dies 1996 geändert? Ursprünglich votierte die Mehrheit der Reformer für die Kleinschreibung nach internationalem Usus. Doch die Kultusminister der deutschsprachigen Länder verwarfen dies nach einer kontroversen Anhörung. An einer so weitgehenden Änderung der Schreibung drohte die ganze Reform zu scheitern. Jetzt machten die Reformer eine U-Kehre. Sie votierten für vermehrte Großschreibung. Nach Artikeln sollte immer großgeschrieben werden, um es den Schülern leichter zu machen. Die Didaktiker siegten gegen die Sprachwissenschaftler. Auf der Strecke blieb dabei eine grundlegende Maxime aller Rechtschreibung: ihre Sprachrichtigkeit, die genaue Wiedergabe gesprochener Sprache. Deshalb sind auch Wendungen, die adverbial gebraucht werden, wie Adverbien, klein zu schreiben. Dies gilt auch für pronominale Wendungen wie der eine, der andere, der erste, der letzte, der nächste, die meisten usw. Die Reform bedarf der Reform. Das ist bereits einmal gelungen, bei der Getrennt- und Zusammenschreibung.

Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) geht hier voran, sie hat die alte Regel wieder zu Ehren kommen lassen. In der Schweiz darf man im übrigen, des öfteren, im voraus schreiben. Das ist auch hier erlaubt, außer Lehrern und Beamten im Dienst. Nur ihnen konnten die Kultusminister ihre Schreibreform verordnen. Das wissen viele nicht, darum sei es hier gesagt. Ich empfehle, weiterhin Konrad Duden zu folgen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Sprachschutz in Freudenstadt

Am Tag der Deutschen Sprache, der am 8. September weltweit stattfindet, empfängt die VDS-Regionalgruppe 72 ihre Mitglieder und Interessierte in Freudenstadt. Mit einem Infostand auf dem Unteren Marktplatz will Regionalleiter Reinhard Freitag auf die Arbeit des VDS aufmerksam machen und Sprachbewusstsein schaffen, wie der Schwarzwälder Bote berichtet. Weitere Termine zum Tag der Deutschen Sprache finden Sie auf der Internetseite des VDS unter: vds-ev.de/termine  (schwarzwaelder-bote.de)

 

4. VDS-Termine

12. September, Region 33 (Bielefeld, Paderborn, Gütersloh)
Regionalversammlung mit Wahl der Regionalleitung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel Aspethera, Am Busdorf 7, 33098 Paderborn

15. September, Region 56 (Koblenz)
Preisverleihung des XI. Wettbewerbs Werbewerke für einfallsreiches Deutsch in der Werbung
Informationen: https://www.openpr.de/news/1009657.html
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Sparkasse Koblenz, Bahnhofstraße 11, 56068 Koblenz

15. September, Region 48 (Münsterland)
„Hoffnungsfunken“ – Eine literarische Reise durch die Zeit
Werke verschiedener Epochen/verschiedene Perspektiven auf das Thema „Hoffnung“ heiter/ernst/lyrisch/philosophisch
Zeit: 17:00 Uhr
Ort: Bürgerscheune Saerbeck, Ferriéres-Str.12, 48369 Saebeck

16. September, Region 50, 51 (Köln)
Verleihung des Lehrer-Welsch-Sprachpreises an Herrn Wicky Junggeburth
Zeit: 11:00 Uhr
Ort: Brauhaus Sion, Unter Taschenmacher 5-7, 50667 Köln

 

5. Literatur

Bücherregale ohne Bücher

Sofas, Betten und Bücherregale sind nur wenige Klassiker des Möbelunternehmens Ikea. Doch gerade letztgenanntes scheint nur noch selten als solches genutzt zu werden – zumindest, wenn es nach Ikea selber geht, wie die FAZ in dieser Woche berichtet. Eine Studie des Magazins Buchreport ergab, dass Bücher im aktuellen Katalog des Unternehmens zu großen Teilen durch Dekoartikel ersetzt werden. Statt Literatur zieren Kerzen, Wolle oder Geschirr die als Bücherregale angepriesenen Möbelstücke. Thomas Wilking, Chefredakteur von Buchreport, sieht das Buch zwar nicht direkt in Not, betrachtet diese Tendenz jedoch kritisch. Ikea, das mit seinem Katalog fast jeden zweiten Haushalt in Deutschland erreicht, sei stilbildend und beeinflusse seit den 1970er-Jahren die deutsche Wohnkultur maßgeblich, heißt es im Buchreport. (faz.net, buchreport.de)

 

6. Denglisch

Rüge für Amazon

Viele globale Unternehmen gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass ihre Kunden Englisch verstehen. Bei wem dies nicht der Fall ist, hat meist Pech gehabt. So geschehen auch bei einem Käufer eines Produktes der Firma Amazon. Dieser hatte ungewollt ein gebrauchtes Smartphone gekauft, das Amazon als „refurbished“ (aufgearbeitet) gekennzeichnet hatte. Dieser Vermerk alleine reiche jedoch nicht aus, entschied nun das Landgericht München nach einer Klage des Bundesverbands der Verbraucherzentrale gegen Amazon wegen des Vorwurfs der Unterlassung. „Der Durchschnittsverbraucher ist mit dem Terminus ‚refurbished‘ nicht vertraut“, heißt es in der Urteilsbegründung. Sollte Amazon seine Produkte auch in Zukunft nicht verständlich kennzeichnen, drohe dem Versandriesen ein Bußgeld in Höhe von 250.000 Euro, berichtet SPIEGEL ONLINE. (spiegel.de)


Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.

RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch

© Verein Deutsche Sprache e. V.

 

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