Infobrief 436 (42/2018): Ehrung für Die Fantastischen Vier

1. Presseschau

  • Ehrung für Die Fantastischen Vier
  • Die Sprache der Liebe
  • Sexualisierte Gewalt – der Begriff führt in die Irre

2. Unser Deutsch

  • Wirkungsgleich

3. Berichte

  • Neue Wege, neue Ziele

4. VDS-Termine

5. Literatur

  • Lesen ist nicht gleich Lesen

6. Denglisch

  • Nicht nur im VDS

 

1. Presseschau

Ehrung für Die Fantastischen Vier

Die Fantastischen Vier mit Laudator Michael Mittermeier. © Jörg Lantelmé

Die Träger des Kulturpreises Deutsche Sprache 2018 sind Die Fantastischen Vier, die Kampagne Sprechen Sie lieber mit Ihrem Kind des Netzwerks Frühe Hilfen des Jugend- und Sozialamtes der Stadt Frankfurt am Main und das Bundessprachenamt in Hürth. Die 18. Verleihung der mit insgesamt 35.000 Euro dotierten Auszeichnungen für sprachliche Leistungen fand am 13. Oktober 2018 im Kongress Palais der Stadt Kassel statt.

Die Fantastischen Vier sind die Wegbereiter des deutschsprachigen Hip-Hops, sie wurden in Anerkennung ihrer Verdienste um die deutschsprachige Musikkultur mit dem Jacob-Grimm-Preis Deutsche Sprache geehrt. Dafür dankte Thomas Dürr im Sprechgesang: „Wird der Reim richtig eingesetzt, findet jeder in einem Text einen Spiegel des eignen Selbst und gewinnt etwas Bleibendes“. In seinem Dank an die Eberhard-Schöck-Stiftung und die Jury gab Bernd Michael Schmidt einen bildhaften Hinweis, dass es sich auszahlt genau hinzuhören. Zitiert wird die Gruppe meist mit „… Wir sind zusammen alt.“ Tatsächlich geschrieben und sprechgesungen wird: „Wir sind zusammen groß, wir sind zusammen eins.“

Der Autor und Komiker Michael Mittermeier lobte die Preisträger mit zahlreichen Zitaten aus ihren Raps für ihren einzigartigen Einfluss auf die heimische und die internationale Musikszenen. Erst sie haben deutschsprachigen Hip-Hop weltweit populär gemacht, so Mittermeier, und er hob hervor: „Die Fantastischen Vier schaffen Bilder und erzählen Geschichten. Das ist es nämlich, was Sprache und was Kultur ausmacht, und zwar im Kern und seit Anbeginn der Zeit. Bilder und Geschichten.“ Die Fantastischen Vier spenden das Preisgeld in Höhe von 30.000 Euro an die Seenotrettung Lifeline.

Mit dem mit 5.000 Euro dotierten Initiativpreis Deutsche Sprache wurde die Kampagne Sprechen Sie lieber mit Ihrem Kind ausgezeichnet. Jurymitglied Felicitas Schöck betonte in ihrer Laudatio wie zeitgemäß die Kampagne ist. Sie lenke die Aufmerksamkeit der Eltern vom Smartphone zurück auf ihre Kinder. Würden die Kinder zu wenig beachtet, werde die seelische und intellektuelle Entwicklung des Kindes gestört. Dr. Astrid Kerl-Wienecke und Christine Jung-Seeh, Koordinatorinnen des Netzwerks Frühe Hilfen des Jugend- und Sozialamtes der Stadt Frankfurt am Main, hatten bei ihrem Dank an die Jury auch eine gute Nachricht: „Kinderärzte melden uns zurück, dass Eltern sich die Plakate in den Wartezimmern zum Ansporn für einen bewussten Umgang mit dem Handy nehmen“.

Den undotierten Institutionenpreis Deutsche Sprache erhielt das Bundessprachenamt, in Gestalt seiner Abteilung Sprachausbildung, Bereich Deutsch als Fremdsprache. Regierungsdirektor Hermann Roder nahm den Preis entgegen. „Das Bundessprachenamt sieht sich in einer langen Tradition, Tausenden von Menschen die deutsche Sprache vermittelt zu haben und zu vermitteln“, sagte er. Der Unterricht sei ideologiefrei, aber nicht wertfrei – die Bewahrung der Menschenwürde sei das oberste Gebot der Arbeit des Bundessprachenamtes weltweit, betonte er. Gelobt wurde das Bundessprachenamt von Oberst Prof. Dr. Josef Ernst, Leiter des Sprachinstituts des Österreichischen Bundesheeres. „Das Bundessprachenamt leistet einen großen Beitrag zur Volksverständigung“, so Ernst in seiner Laudatio.

An der Preisverleihung im Festsaal des Kongress Palais Kassel nahmen rund 1000 Gäste teil. Der dreiteilige Kulturpreis Deutsche Sprache wird seit 2001 von der Eberhard-Schöck-Stiftung (Baden-Baden) und vom Verein Deutsche Sprache e. V. (Dortmund) für besondere Verdienste um die deutsche Sprache vergeben. (hessenschau.deswr.dezdf.demdr.defocus.dedeutschlandfunk.dewelt.de)

 

Die Sprache der Liebe

Für die einen sind sie nervig, für die anderen der Inbegriff von Romantik: Paare, die in der wir-Form über sich sprechen. Tatsächlich fanden Forscher an der Universität in Kalifornien nun heraus, dass die in Partnerschaften verwendete wir-Form von einer glücklicheren Beziehung zeugt. Für die Studie waren 5000 Teilnehmer über ihren partnerschaftlichen Umgang und ihre psychische Gesundheit befragt worden. Die durch das wir signalisierte Abhängigkeit vom Partner dürfe in dem Zusammenhang nicht negativ gedeutet werden, sondern vielmehr als Zeichen der tiefen Bindung, so das Ergebnis der Studie. (miss.atjournals.sagepub.com)

 

Sexualisierte Gewalt – der Begriff führt in die Irre

Der Begriff sexualisierte Gewalt „ist, neuronal gesehen, völlig leer“, erklärt die Linguistin und Gehirnforscherin Elisabeth Wehling. Sexualisierte Gewalt sei nicht nur faktisch irreführend – weil sie nicht benennt, worum es geht. Sie nehme unseren Gehirnen auch die Chance auf ein angemessenes Mitgefühl. „Psychische Gewalt [richtet sich] gegen die psychische Unversehrtheit – und körperliche Gewalt gegen die körperliche Unversehrtheit.“ Die Gegenprobe beleuchtet den Irrtum: Psychologisierte Gewalt und verkörperlichte Gewalt wären sinnlose Begriffe. Frau Wehlings Schwerpunkt liegt auf politischer Werte-, Sprach- und Kognitionsforschung. (spiegel.de)

 

2. Unser Deutsch

Wirkungsgleich

Jeder hat dies Wort schon in der Apotheke gehört. Wenn er sein bewährtes Medikament verlangte, hieß es freundlich, es gäbe auch andere, preiswertere Pillen, die wirkungsgleich seien. Die Kassen empfehlen oder verlangen, von den teuren Originalen abzugehen. Wer auf seiner Markenpille beharrt, muss eventuell zuzahlen. Völlig gleich, also identisch mit diesen, sind die sogenannten Generika aber nicht. Das sagt schon das Wort Generikum, abgeleitet aus generisch ‚auf die Gattung bezogen‘. Die Fachsprache bildet den Plural auf lateinische Weise: Generika. Generika sind also nur gattungsgleich mit den Originalen, sie werden darum unter dem Namen einer chemischen Kurzbezeichnung gehandelt (zum Beispiel Acetylsalicylsäure, abgekürzt ASS, für Aspirin), um den Unterschied zum Original sichtbar zu machen.

Ich fragte nach bei meiner Apothekerin. Sie verriet mir, dass wirkungsgleich in der Pharmazie eigentlich ein Euphemismus sei, eine halbe Mogelei. Bei der Kunst der Medikamentenherstellung gehe es einerseits um die sogenannten Wirkstoffe (sie sind gleich bei Original und Generikum), außerdem aber um Hilfsstoffe, die darüber entscheiden können, wie genau, wie schnell und wie verträglich jene beim Patienten wirken. Da bleiben also doch Unterschiede in der Wirkung. Das ist wissenswert. Man sollte kritisch testen, wie wirkungsgleich das empfohlen Generikum ist.

Jüngst hat das Wort auch im politischen Diskurs Furore gemacht. Minister Seehofer verlangte, dass alternative Lösungen in der Flüchtlingsfrage mit den seinen wirkungsgleich sein müssten. Haben Merkels Absprachen mit europäischen Politikern diese Bedingung erfüllt? Erinnern wir uns der schlauen Unterscheidung in der Pharmazie! Nebenwirkungen werden in der Politik auch Kollateralschäden genannt. Sie sind schwer absehbar und können der erwünschten Heilwirkung abträglich sein.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

 

3. Berichte

Neue Wege, neue Ziele

Im Rahmen der Verleihung des Kulturpreis Deutsche Sprache in Kassel fand am 13. Oktober ebenfalls ein Treffen des Jugend-VDS statt. Zu der Veranstaltung, die in den Sprachnachrichten und sozialen Netzwerken angekündigt wurde, erschienen 15 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus verschiedenen Regionen. Mit dem Ziel, sich kennenzulernen und zu vernetzen, wurden auch die unterschiedlichen Ansichten und Vorstellungen der Jugendgruppe diskutiert und Überlegungen für die Zukunft des VDS angestellt. Im Mittelpunkt des Treffens stand die Fragen, wie mehr junge Mitglieder gewonnen werden, wie frische Ideen am besten auszutauschen sind und wie regionale Initiativen der Jungen zu organisieren sind.

 

4. VDS-Termine

22. Oktober, Region 50, 51 (Köln)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

23. Oktober, Region 30, 31 (Hannover, Nienburg, Wunstorf, Hildesheim, Stadthagen, Hameln, Peine)
Zweiter Sprachtreff im Jahr 2018. Klemens Weilandt stellt sein neuestes Buch vor: Lesefrüchte: Von der geschliffenen zur geschleiften Sprache
Zeit: 17:30 Uhr
Ort: Rudolf-Steiner-Haus, Brehmstr. 10, 30173 Hannover

24. Oktober, Region 10-14, 16 (Berlin und Potsdam)
Mitgliedertreffen sowie Nachholtermin für die ausgefallene Veranstaltung mit dem Leipziger Dichter und Liedermacher Ralph Grüneberger.
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Restaurant Via Nova II, Universitätsstr. 2-3a, 10117 Berlin

25. Oktober, Region 72 und 78 (Bodensee/Ostschwarzwald; Reutlingen, Tübingen, Albstadt)
Mitgliederstammtisch
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Weinstube Grimm, Oberamteigasse 5, 78628 Rottweil

 

5. Literatur

Lesen ist nicht gleich Lesen

Mit der Technisierung verändern sich auch die Lesestandards. Artikel sind heutzutage jederzeit per App abrufbar, hunderte Seiten dicke Bücher sind auf kleinen Geräten gespeichert. Der Gehirnforscher Wolf Singer untersucht, was die technischen Leseentwicklungen mit uns machen und wie wir gelesene Informationen dadurch aufnehmen. Beispielsweise die Aufmerksamkeitsspanne ist bei digitalen Medien deutlich geringer als bei den analogen, Ablenkungen wie Werbeanzeigen vermindern die Konzentration auf den eigentlichen Text. Auch das Flimmern der Bildschirme, das zwar dank neuester Technik nur sehr gering, aber für die Netzhaut dennoch wahrnehmbar ist, kann die neuronalen Prozesse beeinflussen, so Singer in der FAZ. Auch würden die zu lesenden Texte immer kürzer. Die wesentlichen Aussagen werden anstelle von schriftlichen Erläuterungen durch Videos oder Bilder ergänzt. Inwiefern diese Faktoren das Gehirn tatsächlich beeinträchtigen, ist noch nicht bewiesen. Andersherum jedoch hat regelmäßiges und konzentriertes Lesen nachweislich positive Einflüsse auf das Hirn, wie das Magazin Weekend zusammenfasst. Demnach stärke Lesen durch eine Steigerung des Einfühlungsvermögens nicht nur die Partnerschaft, wie eine kanadische Untersuchung ergab, sondern verlängere auch die Lebenswahrscheinlichkeit. Eine Studie der Yale-Universität ergab, dass dreieinhalb Stunden Lesen pro Woche das Sterberisiko um 23 Prozent verringern. (faz.net,
weekend.at)

 

6. Denglisch

Nicht nur im VDS

Unnötige Anglizismen und Denglisch nerven nicht nur den VDS. Besonders in den sozialen Netzwerken amüsieren sich Nutzer gerne über alberne Hochstapeleien aus den Büroetagen. Darunter auch die Arbeitsbörse truffls, die auf ihrem Instagram-Profil unter dem Schlagwort #officetalk die unsinnigsten Aussagen zusammenfasst, beispielsweise: „Wir delivern on point, und wenn ihr nen‘ Allnighter draus macht!“. Einfach nur peinlich, finden die meisten Nutzer, andere hingegen beginnen so erst sich selbst und ihre Arbeitssprache zu reflektieren, wie eine Nutzerin, die schreibt: „Ich fühle mich gerade ein bisschen schlecht – weil der Satz für mich voll logisch klingt.“ Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. (focus.de)


IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Namentlich gekennzeichnete Beiträge müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln.

Redaktion: Lea Jockisch, Oliver Baer

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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