18. August 2017
1. Presseschau vom 11. bis 17. August 2017
- Attacke auf Berlins englischsprachige Kellner
- Englische Studiengänge schlecht für die Wirtschaft
- Deutsche Minderheiten in Osteuropa
2. Unser Deutsch
- DUDEN
3. VDS-Termine
4. Literatur
- Nominiertenliste des Deutschen Buchpreises
5. Denglisch
- Rätselhafter Werbespruch
1. Presseschau vom 11. bis 17. August 2017
Attacke auf Berlins englischsprachige Kellner
Der CDU-Politiker Jens Spahn kritisierte im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ Berliner Restaurants und Cafés, in denen Gäste nur auf Englisch bedient werden. „Auf so eine Schnapsidee käme in Paris sicher niemand“, sagte Spahn. Die politische Konkurrenz ordnete die Äußerungen Spahns als Wahlkampfpopulismus ein. So schrieb Juliane Seifert, Bundesgeschäftsführerin der SPD, auf Twitter: „I’m feeling so sorry for him. Poor guy.“ Ernsthafter fasste der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) das Thema auf. Natürlich sei es richtig von den Gastronomen, sich auf internationales Publikum einzustellen, aber „Menschen, die in Deutschland arbeiten, sollten auch Deutsch sprechen können“, sagte DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges.
Spahn ist aber gar nicht der erste, dem das Englisch-Gehabe in der Berliner Gastronomie auffällt. Der Tagesspiegel titelte bereits im Frühjahr: „Liebe Kellner, Euer Englisch nervt!“, und der VDS appellierte im März in einem offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, das Deutsche als Verständigungssprache in der Hauptstadt zu stärken. (welt.de, tagesspiegel.de, vds-ev.de)
Englische Studiengänge schlecht für die Wirtschaft
Das seit Jahren zunehmende Angebot englischsprachiger Studiengänge an deutschen Universitäten behindert die Eingliederung ausländischer Studienabsolventen im deutschen Arbeitsmarkt. Zu diesem Ergebnis kommen die Vorstandsmitglieder des Arbeitskreises Deutsch als Wissenschaftssprache (ADAWIS), Ralph Mocikat und Hermann H. Dieter, in einem Aufsatz für das Magazin des Bundes der Selbstständigen. Als Belege führen die Autoren Studien an, wonach 80 Prozent der ausländischen Studenten ihre berufliche Perspektive zwar in Deutschland sehen, aber mangels Deutschkenntnissen nur 26 Prozent nach dem Studium bei Betrieben in Deutschland arbeiten. Die Hochschulen in Deutschland leisten sich eine Sprachpolitik, die allen Integrationsbemühungen zuwiderläuft, so der ADAWIS. (bds-dgv-hamburg.de)
Deutsche Minderheiten in Osteuropa
„Deutsch als Minderheitensprache im Kontext der europäischen Mehrsprachigkeit – Perspektiven und Herausforderung“ lautete der Titel einer Konferenz in Budapest, auf der der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk im Juli eine Grundsatzrede hielt. Als vorbildlich bezeichnete Koschyk das deutsche Schulsystem in Rumänien und in Ungarn. In Polen und Russland hingegen seien die Möglichkeiten der deutschsprachigen Minderheiten, ihre Sprache und Kultur zu pflegen, mangelhaft. Koschyk stellte fest, dass der Erhalt der ethnokulturellen Identität mit dem Erhalt der Muttersprache einhergehe. (siebenbuerger.de)
2. Unser Deutsch
DUDEN
Was hat der Duden mit der Litfaßsäule und dem Einwecken gemeinsam? Alle drei Wörter gehen zurück auf die Familiennamen eines Erfinders. Der Druckereibesitzer Ernst Litfaß erfand die Anschlagsäulen, die er 1855 erstmals in Berlin aufstellen durfte. Der Fabrikant Johann Carl Weck produzierte 1895 erstmals die nach ihm benannten Einmachgläser. Und Konrad Duden brachte 1880 sein „Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache“ heraus, den Urduden, wie wir heute sagen. Der Name des Erfinders wurde genutzt, sein Werk zu benennen. So werden Eigennamen in eine appellative Bezeichnung umgemünzt. Mit diesem metonymischen Verfahren gewinnt man schnell ein passendes Wort für eine neue Sache. Am bekanntesten sind die Röntgenstrahlen und der Dieselmotor, denen Wilhelm Conrad Röntgen und Rudolf Diesel ihren Namen gaben.
Wie konnten ein schlichtes Rechtschreibwörterbuch zum erfolgreichsten Sachbuch deutscher Sprache und der Name des Verfassers zu einem geläufigen Begriff werden? Zweierlei traf zusammen: ein heftiger Streit um Reform und Vereinheitlichung deutscher Rechtschreibung in den deutschen Kleinstaaten und ein pragmatischer Schuldirektor im thüringischen Schleiz, der seinen Kindern Orientierung und Hilfe beim Schreibenlernen geben wollte. Nach dem Scheitern der 1. Berliner Rechtschreibkonferenz von1876 verordnete Preußen eine eigene Einheitsschreibung, die auf Vorlagen zweier Germanisten beruhte. Aber nicht Rudolf von Raumer und Wilhelm Wilmanns ernteten den Ruhm der neuen Rechtschreibung, sondern der Schulmann Konrad Duden. Sein Orthographisches Wörterbuch bot leichte Orientierung in der neuen Einheitsschreibung und bahnte den Weg für die erfolgreiche 2. Berliner Rechtschreibkonferenz von 1901. Acht Auflagen betreute der Verfasser selber; erst in der 9. Auflage von 1915, vier Jahre nach Dudens Tod, erhielt sein Buch den ehrenden Obertitel „Duden“. Dieser wurde vom Bibliographischen Institut zum Markenzeichen und Markenkern einer ganzen Familie von Wörterbüchern und Sprachratgebern entwickelt.
Zwei Strategien festigten seinen Erfolg: die Orientierung an der jeweiligen Obrigkeit und am Sprachwandel. Schon Konrad Duden berief sich im Untertitel seines Werkes auf die „preußischen und bayerischen Regeln“. Erschütternd belegen die Neuwörter der 11. Auflage, ein Jahr nach Hitlers Machtergreifung, die ideologische Anpassung in aufnorden, Blockwart, erbgesund, Sippenhaft, Untermensch. Das meiste davon ist heute aus dem Duden getilgt. In der jüngsten Rechtschreibdebatte war der Duden ein eifriger Anhänger der Kultusministerkonferenz, deren Verordnungen er beflissen umsetzte.
Noch in der jüngsten 27. Auflage finden sich zahllose unsägliche Schreibvarianten aus der frühen Reformphase, an welchen die KMK unverdrossen festhält. Dem Zeitgeist der Gendergerechtigkeit verpflichtet sind unzählige movierte Berufsbezeichnungen wie Fagottistin, Maurerpolierin, Dachdeckerin. Echten Sprachwandel bietet dagegen die Masse neuer Anglizismen, mit denen der Duden mit jeder Neuauflage seine Aktualität demonstriert. Hier helfen auch Aussprache- und Bedeutungsangaben. Solche Ausweitung auf andere Domänen der Lexikographie hat den Duden zum Wörterbuch des Deutschen schlechthin gemacht, zum Symbol der Einheit und Richtigkeit deutscher Sprache.
Horst Haider Munske
Die Artikel der Rubrik „Unser Deutsch“ bieten häufig Anlass zur Diskussion. Wer mitdiskutieren möchte, ist im VDS-Rundbriefforum herzlich dazu eingeladen: http://rundbrief.vds-ev.de.
3. VDS-Termine
24. August, Region 60 (Frankfurt am Main)
Vortrag/Podiumsdiskussion der Karl-Hermann-Flach-Stiftung zum Thema „Deutsch – Was kann unsere Sprache?“ mit Matthias Lutz-Bachmann (Professor für Philosophie) und Roland Kaehlbrandt (Autor des „Logbuchs Deutsch“, Professor für Sprache und Gesellschaft)
Zeit: 19:00 – 21:00 Uhr
Ort: Forschungskolleg Humanwissenschaften, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg v. d. Höhe
Informationen auf der Internetseite der Friedrich-Naumann-Stiftung: Veranstaltungsinformationen
4. Literatur
Nominiertenliste des Deutschen Buchpreises
Die Jury des diesjährigen Deutschen Buchpreises hat die erste Nominiertenliste mit zwanzig Titeln herausgegeben. Am 12. September wird dann die kurze Liste veröffentlicht, auf der diejenigen sechs Autoren zu finden sein werden, welche einen Geldpreis erhalten. Ein besonderer Fokus scheint in diesem Jahr auf Familien- und Liebesromanen zu liegen. Einen Eindruck der Auswahlkriterien gibt die Jury in ihrem Kommentar zur Liste: „Eine der wichtigsten Fähigkeiten von Literatur ist das Weiten unserer Welt. Das ist in Zeiten, in denen sich die Blickwinkel mehr und mehr zu verengen scheinen, besonders wichtig. Allen Büchern gemeinsam ist, dass sie die Jury auf die eine oder andere Art gebissen oder gestochen haben – angerührt im besten Wortsinne. Vielleicht wird der Blick auf die Welt mit den Büchern der Longlist 2017 wieder etwas größer, weiter.“
Die Nominiertenliste und kurze Inhaltsangaben sowie Hörproben finden sich auf der Internetseite des Deutschen Buchpreises: deutscher-buchpreis.de (deutschlandfunkkultur.de, tagesspiegel.de)
5. Denglisch
Rätselhafter Werbespruch
Eine riesiges Werbeplakat der südkoreanischen Firma Samsung am Baugerüst vor dem Berliner Stadtschloss hat einen Redakteur der Berliner Zeitung nachdenklich gestimmt. „Unbox your phone“ lautet der Slogan. Die Recherche des Redakteurs kommt zu dem Ergebnis: „Das Verb ,to unbox‘ kennt weder das 600.000 Wörter umfassende Oxford English Dictionary noch das Online-Wörterbuch Leo.de.“ Das stimmt zwar nicht ganz, denn das Wort to unbox ist auf der Netzseite von en.oxforddictionaries.com erklärt (deutsche Bedeutung: auspacken). Allerdings erschließt sich die mit der Samsung-Werbung beabsichtigte Bedeutung damit trotzdem nicht.
Einen Eintrag zu unbox gibt es übrigens auch in dem vom VDS herausgegebenen Anglizismen-INDEX. (berliner-zeitung.de, vds-ev.de)
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Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel
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