26.01.2018
1. Presseschau vom 19. bis 25. Januar 2018
- Tag der Handschrift
- Schlusspunkt überstreichen?
- Videos für Deutschlerner
- Verstoß gegen die guten Sitten
2. Unser Deutsch
- Abgehängte
3. Berichte
- VDS und Literaturkonzerte
- VDS in Braunschweig
4. VDS-Termine
5. Literatur
- Kleist-Förderpreis
- Bibliothek der weggeworfenen Bücher
6. Denglisch
- Handlettering
1. Presseschau vom 19. bis 25. Januar 2018
Tag der Handschrift
Foto: pixabay, StockSnap, CC0-Lizenz
Noch bevor Kinder heutzutage ihren Namen richtig schreiben können, haben viele bereits die wichtigsten Bewegungen an Smartphone und anderen mobilen Rechnern verinnerlicht. Das handschriftliche Schreiben verliert deswegen immer mehr an Bedeutung – auch an Schulen, die zunehmend auf das „zeitgemäßere“ Schreiben mit der Tastatur setzen, wie die FAZ beklagt. Der 1977 von der Writing Instrument Association ins Leben gerufene internationale Tag der Handschrift am 23. Januar soll daran erinnern, dass das Von-Hand-Schreiben nicht nur eine Kulturtechnik darstellt, sondern auch Bildungschancen festlegt. Demnach fördere die Handschrift die ganzheitliche Aktivität des Gehirns, so Marianela Diaz Meyer, Geschäftsführerin des Schreibmotoik Instituts in Heroldsberg. Auch für die physische Entwicklung sei das Schreiben mit der Hand wichtig, weil über 30 Muskeln beansprucht werden. Probleme beim Schreiben, die rund 23 % der Eltern bei ihren Kindern beobachten, würden auch andere Handfertigkeiten einschränken. Insgesamt habe sich die Handschrift bei Schülern in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert, wie eine Umfrage des Deutschen Lehrerverbandes 2015 ergab. Rund 79 % der Lehrer an weiterführenden Schulen gaben damals eine negative Entwicklung der Schreibkompetenz ihrer Schüler an, an Grundschulen waren es sogar 83 %. (welt.de, faz.net, bildungsklick.de, verbaende.com)
Schlusspunkt überstreichen?
Im Streit um das Gomringer-Gedicht, welches zur Zeit noch die Fassade der Alice Salomon Hochschule in Berlin ziert, kündigte Hochschulrektor Uwe Bettig nun an, das Gedicht im Zuge einer ohnehin geplanten Sanierung der Fassade zu überstreichen. Künftig sollen in regelmäßigem Wechsel Werke der jeweiligen Preisträger des Alice Salomon Poetik Preises das Gebäude schmücken. Eugen Gomringer hatte den Preis 2011 erhalten. Sein 1951 veröffentlichtes Gedicht „avenidas‟ (Alleen) hatte der AStA der Hochschule als sexistisch kritisiert und seine Entfernung gefordert. Als Ersatz für das Übermalen will die Hochschule Gromringers Gedicht in mehreren Sprachen auf einer Tafel unten an der Fassade anbringen. Der Autor zeigte sich nach der Entscheidung enttäuscht, die Feuilletons sind mehrheitlich fassungslos. Thomas Wohlfahrt, Leiter des Berliner Hauses für Poesie, fragt: „Wo ist bitteschön die Entschuldigung gegen den Sexismus-Vorwurf? Also der Gomringer ist beschädigt worden und wird pausenlos beschädigt, so lange das Ding nicht zurückgenommen wird.‟ (deutschlandfunkkultur.de)
Videos für Deutschlerner
Auf der Videoplattform YouTube gibt es verschiedene Angebote mit Videos für Deutschlerner. Das Goethe-Institut bewirbt einen Kanal bei dem ein „authentischer Einblick in das junge Deutschland‟ gewährt wird. „24h Deutsch‟ gewann den Wettbewerb „Deutsch lernen auf YouTube? – Zeig uns wie das geht!‟, den das Institut 2017 durchgeführt hat. In den einzelnen Videos unterstützt die Deutschlehrerin „Ida‟ bei unterschiedlichen Lernthemen „von der Grammatik über Kurioses bis hin zu Lernstrategien, vom Zungenbrecher über das Fluchen bis hin zum Konjunktiv II‟. Die Videos werden für das Sprachniveau A2-B1 empfohlen. (goethe.de, youtube.com)
Verstoß gegen die guten Sitten
Der Versuch der Produktionsfirma Constantin Film, den Titel „Fack Ju Göhte‟ in Europa als Markenname schützen zu lassen, ist vor dem EU-Gericht gescheitert. Die Richter befanden den Titel als zu vulgär. Nur, weil Millionen Menschen die Filme der Reihe gesehen hätten, bedeute dies nicht, dass der Titel durch seine Ähnlichkeit zum englischen Ausdruck „fuck you‟ nicht schockiere. Der Titel verstoße somit gegen die guten Sitten und dürfe deshalb nicht als Markenname geschützt werden. (deutschlandfunkkultur.de, spiegel.de, welt.de, welt.de)
2. Unser Deutsch
Abgehängte
Das Wort ist unverzichtbar, wenn man über Gewinner und Verlierer spricht in unserem Land, über Arbeitslose und Arbeitsverweigerer, über Jugend ohne Zukunft, unbezahlbare Mieten und verarmte Rentner. Abgehängte ist eine neue Sammelbezeichnung für alle, die keinen Anteil haben am Boom unserer Wirtschaft, an Exporterfolgen, Aktiengewinnen, Steuerüberschüssen.
Das Wort ist in dieser Bedeutung jung. 1999 tauchen die ersten Belege in den Zeitungen auf, oft in Anführungszeichen, ein Indiz für eine neue Prägung. Grammatisch gesehen handelt es sich um eine Substantivierung des Partizips Perfekt vom Verb abhängen. Was einmal eine okkasionelle Bildung war, ist längst zum festen Bestandteil unseres Wortschatzes geworden, auch wenn es der Duden noch nicht bemerkt hat. Das Wort wird fast immer im Plural gebraucht. Das zeigt: Die Abgehängten sind ganze Gruppen, sie erscheinen als Opfer unseres Wirtschafts- und Sozialsystems.
Woher aber stammt dieses Bild der Abgehängten? Wir kennen es vor allem aus der Sprache des Sports. Rennfahrer hängen ihre Verfolger ab, Läufer und Schwimmer ihre Konkurrenten auf der Sandbahn und im Becken, Skiläufer auf der Piste. Sportliche Wettbewerbe sind wie ein Abbild unseres Strebens nach Erfolg, als Zuschauer erleben wir Sieg und Niederlage in den Arenen der Gegenwart. Die Allgegenwart des Sports macht diesen zum beliebtesten Bildgeber, zur Quelle unzähliger Metaphern. Am häufigsten der Fußball: Abstieg (aus der Bundesliga) wird übertragen auf berufliche Einbuße, Foul auf unfairen Umgang, Halbzeit auf eine halbe Wegstrecke; geläufig sind jemandem die rote Karte zeigen, im Abseits stehen, ein Nachspiel haben, den Ball flach halten. Aus der großen Zeit des Boxens in den 20er Jahren sind verblieben: unter der Gürtellinie, das Handtuch werfen, über die Runden kommen. Aus Langlauf und Motorsport stammt jemanden überrunden und der Hürdenlauf liefert das Bild für die Bewältigung einer Schwierigkeit: eine Hürde nehmen. Kurz: die Bilder des Wettkampfs werden auf Situationen des Lebens übertragen.
Das neue Wort wird zunehmend zum Kristallisationspunkt einer Debatte um unser Sozialsystem. Wie gelingt es, die drangsalierten Kunden der Jobcenter mit dem notwendigen Minimum zu versorgen und gleichzeitig zu eigener Aktivität zu ermuntern? Wie kann preiswerter Wohnraum erhalten, neuer geschaffen werden, ohne ein Bürokratiemonster bewegen zu müssen? Das neue Wort schärft den Blick auf die Benachteiligten in unserer Gesellschaft.
Horst Haider Munske
Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de
3. Berichte
VDS und Literaturkonzerte
„Jeder Literaturfreund weiß, dass die Sprache eines Menschen immer etwas ganz Persönliches ist, und der, der einen guten Umgang mit ihr pflegt, wird immer hoch belohnt“, so schildert der Blog von Sibylle Bertsch den ersten Eindruck der Autorin nach dem Besuch der VDS-Internetseite. Die Schauspielerin Sibylle Bertsch hat die Literaturkonzerts entwickelt, bei denen Schauspieler und Musiker musikalische und literarische Programme präsentieren. (literaturkonzert.de)
VDS in Braunschweig
Die Mitglieder der Region 38 bestätigten auf ihrer Versammlung am 23. Januar Prof. Dr. Dietrich von der Oelsnitz als Regionalleiter und wählten Uwe Carlson zu seinem Stellvertreter.
4. VDS-Termine
29. Januar, Deutsches Musikradio
„Wortspiel“ beim Deutschen Musikradio DMR mit Stefan Ludwig und Holger Klatte.
Schwerpunkt: Lesen wir noch genug?
Sendungsseite: deutschesmusikradio.de
Zeit: 20 bis 21 Uhr, Wiederholung: 23 Uhr
30. Januar, Region 01 (Dresden, Riesa)
Vortrag: Dipl.-Ing. Jörg Bönisch (VDS-Vorstandsmitglied und stellvertretender Leiter der Regionalgruppe Sachsen-Anhalt) zum Thema „Gendermainstream – Gender-Gaga?“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Ortsamt Dresden-Loschwitz, Grundstraße 3, 01326 Dresden
31. Januar, Region 07 (Gera, Jena)
Vortrag: Dipl.-Ing. Jörg Bönisch (VDS-Vorstandsmitglied und stellvertretender Leiter der Regionalgruppe Sachsen-Anhalt) zum Thema „Deutsch ist out? Verliert die deutsche Sprache an Bedeutung?“
Zeit: 15:00 Uhr
Ort: Begegnungsstätte der Volkssolidarität, De-Smit-Straße 34, 07545 Gera
31. Januar, Region 03 (Cottbus)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus
31. Januar, Region 84 (Landhut, Niederbayern)
Leselupe: Zusammenkunft für literarisch interessierte Menschen, jeder der Anwesenden kann einen sprachlich oder inhaltlich beeindruckenden Text vortragen;
Zusammenarbeit des VDS mit dem Evangelischen Bildungswerk Landshut e. V.
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Evangelisches Bildungswerk Landshut, Luitpoldstraße 3 (II. Stock), 84034 Landshut
1. Februar, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant „Platzhirsch“, Ostertorsteinweg 50, 28203 Bremen
3. Februar, Region 55 (Mainz)
Tagung im Bildungswerk Mainz der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Thema „Gender, Instrument der Umerziehung? – Ziele, Kosten, Wirkung“
Näheres zu Programm, Anmeldung und Tagungsbeitrag: https://vds-ev.de/termine/region-55-mainz/
Zeit: 10:00-14:00 Uhr
Ort: Erbacher Hof, Grebenstraße 24-26, 55116 Mainz
5. Literatur
Kleist-Förderpreis
Der Kleist-Förderpreis für junge Dramatiker geht in diesem Jahr an Lars Werner für sein Theaterstück „Weißer Raum‟. Es beschäftigt sich mit der Radikalisierung der Rechten. Die Jury lobt insbesondere die präzisen Dialoge. Werners Sprache stutze die Kompliziertheit des verstümmelten gesellschaftlichen Dialogs nicht auf einfache Wahrheiten zurecht, schreibt die Märkische Onlinezeitung. Jurymitglied Florian Vogel rühmt „die Nähe zu den Menschen am Boden der Gesellschaft, die sich – im Versuch, nicht ganz abzurutschen, – an ihren äußersten Rändern festhalten“. Der Förderpreis, der von der Stadt Frankfurt (Oder), dem Frankfurter Kleist Forum, der Dramaturgischen Gesellschaft und den Ruhrfestspielen Recklinghausen vergeben wird, ist mit 7500 Euro dotiert. Zudem enthält er eine Uraufführungsgarantie für das ausgezeichnete Stück. (moz.de)
Bibliothek der weggeworfenen Bücher
Die Leute entsorgen vieles, was eigentlich noch brauchbar wäre – auch Bücher. Die Angestellten der städtischen Müllabfuhr in der türkischen Hauptstadt Ankara konnten diesen Wegwerfwahn nicht mehr mit ansehen und begannen vor rund sieben Monaten, die Bücher aus den Abfalltonnen zu retten und in einer eigens gegründeten Bibliothek unterzubringen. Anfangs nur für die etwa 700 Müllmänner der Stadt gedacht, stehen die inzwischen über 4700 Bücher heute jedem kostenlos zur Verfügung. Die Bibliothek in einem renovierten Fabrikgebäude ist zum Herzstück eines Kulturzentrums geworden, das auch eine Cafeteria sowie einen Barbiersalon beherbergt und in dem die Angestellten ihre Pausen verbringen. „Das Projekt hat uns eine neue Identität gegeben‟, schwärmt Bibliotheksleiter Emirali Urtekin. Wegen der großen Nachfrage, besonders von Kindern, ist nun auch eine mobile Bücherei geplant, die die meist schlecht ausgestatteten Schulen mit Literatur vesorgen soll. (spiegel.de)
6. Denglisch
Handlettering
Wie man für eine Kulturtechnik werben und die eigene Kultur dabei mühelos denunzieren kann, zeigte in dieser Woche der Bayerische Philologenverband (bpv). Dieser gab zum Tag der Handschrift eine Pressemitteilung heraus, in der er eine positive Entwicklung in der Handschrift-Debatte festhält. Auf die begrüßenswerte Aussage, immer mehr ältere Jugendliche würden wieder zur Handschrift zurückfinden, folgt jedoch prompt eine unerfreuliche: Ausgerechnet der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbands, Michael Schwägerl, bezeichnet das bewusste Schönschreiben als „Handlettering“. (verbaende.com)
Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten und Nachrichten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache.
RECHTLICHE HINWEISE
Verein Deutsche Sprache e. V. Dortmund
Redaktion: Lea Jockisch, Holger Klatte, Ann-Sophie Roggel
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