Infobrief Nr. 473 (28. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Fremde Verkehrsschilder verstehen

Bild: pixabay / MichaelGaida | Pixabay-Lizenz

Egal wo auf dem Globus, Sprachkenntnisse sollen kaum noch ein Problem sein, verspricht Google mit der aktualisierten Übersetzer-App Translate. Sie soll Texte, Unterhaltungen und Handschrift übersetzen können. Neu ist die Kamera-Echtzeitübersetzung, die nun einsatzfähig sein soll. Sie wurde auf insgesamt 88 Ausgangssprachen und mehr als 100 Zielsprachen erweitert. Stößt man im Ausland beispielsweise auf ein Schild mit Verkehrshinweis, hält man einfach die Kamera seines Schlaufons darauf … und bekommt sofort die Übersetzung auf den Bildschirm; solches verspricht eine animierte Darstellung auf blog.google. Bisher konnte nur zwischen Englisch und einer zweiten anderen Sprache übersetzt werden. Nun verspricht Google, das gelinge auch zwischen Deutsch und Französisch, Spanisch und Japanisch, Arabisch und Chinesisch und so weiter, und die Übersetzer-App erkenne die Ausgangssprache von alleine. Die Fehler bei den Übersetzungen sollen zu 55 bis 85 Prozent reduziert worden sein – eine Zahlenangabe, die allerdings nur den Pioniernutzern dieser App etwas bedeuten kann. (curved.de)


Deutschsprachiger Arzt entlassen

Die italienische Ärztegewerkschaft ANAAO will die österreichische Facharztausbildung nicht länger dulden. Auf diese Absicht folgte nun der erste Schritt. Ein österreichischer Arzt in Südtirol wurde aus dem Register der Ärztekammer gestrichen, weil seine Italienischkenntnisse nicht genügen und er ausschließlich Deutsch mit seinen Patienten spricht. Sven Knoll, Landtagsabgeordneter der Süd-Tiroler Freiheit, nennt das eine Diskriminierung deutschsprachiger Ärzte, sie stehe im Widerspruch zum Autonomiestatut. „Wenn in Südtirol Ärzte arbeiten, die kein Wort Deutsch sprechen, ist das in Ordnung, wenn aber Ärzte angestellt werden, die nur Deutsch sprechen, dann sollen sie entlassen werden.“ (suedtirolnews.it)


2. Unser Deutsch

Beziehung

Beziehung ist der neue Name für Ehe ohne Ehe. Früher sagte man: ohne Trauschein, das heißt ohne den amtlichen Segen, den man für überflüssig hält. Man sprach von einem Verhältnis, was ein Seitensprung, eine Affäre sein mochte oder ein Freund/eine Freundin über Jahre. Beziehung ist mehr, deutet auf Dauer, ist eine neutrale Bezeichnung, die das Positive hervorhebt. Ein Kriminaler mag sie bei einer Befragung benutzen: „Hatten Sie eine Beziehung?“ Vielleicht fragt er auch: „Sind Sie ein Paar?“, was beinahe mitfühlend klingt.

Diesalles sind Umschreibungen für Lebens- und Liebesgemeinschaften, die auf gesetzliche Festlegung verzichten, mit unbestimmter Dauer. Das Gemeinsame dieser Benennungen ist ihre indirekte, metonymische Form. Beziehung – Verhältnis – Affäre – Paar: Sie deuten das Gemeinte an, indem sie, statt die Sache direkt zu benennen, eine übergeordnete Bezeichnung wählen. Die Rhetoriker sagen: totum pro parte, das Ganze für einen Teil. Was zunächst verhüllend wirkte, um einen Tabubereich zu umgehen, ist inzwischen zu eigener Bedeutung aufgerückt. Weitere Wörter aus diesem Umfeld hat uns das Englische geliefert: Sex und One-Night-Stand.

Gehen wir dem Wort Beziehung nach. Ein Abstraktum zum Verb beziehen, das sich schon seit langem verselbständigt und jede Bindung zu einer konkreten Bedeutung eingebüßt hat. Seit dem 17. Jahrhundert hat Beziehung einen festen Platz in unserem Wortschatz, vor allem um wechselseitige Verhältnisse verschiedenster Art zu bezeichnen. Man sieht das sehr schön am Adverb beziehungsweise und den adverbialen Ausdrücken in jeder Beziehung/in keiner Beziehung. Geläufig sind die diplomatischen Beziehungen. Einen eigenen Bedeutungsaspekt hat der Ausdruck Beziehungen haben (immer im Plural). Auch hier wurde ursprünglich die eigentliche Bedeutung ‚vorteilhafte persönliche Kontakte‘ verschleiert, inzwischen aber ist daraus ein fester Ausdruck geworden.

Als allgemeiner Terminus für die ‚intime Beziehung‘ gilt das Wort erst seit jüngster Zeit, vor allem seit das Zusammenleben ohne Trauschein als alternativer Normalfall einer Lebensgemeinschaft akzeptiert ist. Durch diese scheinbare Gleichstellung wird der Unterschied zur Ehe verdeckt. Erinnern wir uns, dass das Wort Ehe im Althochdeutschen die Bedeutung ‚Gesetz‘ hatte. In der heutigen Bedeutung lebt dieser Ursprung fort. Die gesetzlichen Aspekte der Ehegemeinschaft sind nach wie vor elementar: vom gemeinsamen Ehenamen und möglicher gemeinsamer Staatsangehörigkeit bis zur Teilhabe am Einkommen des Partners, der Teilung des gemeinsam erworbenen Besitzes im Falle einer Scheidung, dem Recht auf Erbe, auch in der Rente, und vieles mehr. Die Ehe ist eben auch eine Rechtsgemeinschaft – das sollte man sich vor Augen halten, wenn man auf sie zugunsten einer lockeren Beziehung verzichtet. In dieser Hinsicht ist es bemerkenswert, dass Schwule und Lesben nach Aufhebung des §175 auch auf die rechtliche Anerkennung ihrer Lebensgemeinschaften gedrungen haben. Ob das nun Partnerschaft hieß oder Ehe, ist in juristischer Hinsicht nachrangig.

Wir resümieren: Mit dem Wort Beziehung wird der Anschein einer normalen Alternative zur Ehe erweckt. Der elementare rechtliche Unterschied rückt dadurch in den Hintergrund. Allerdings: Vielleicht ist manche Beziehung auch nur das, was man eine Beziehungskiste nennt.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Berichte

Lehrer als neuer Regionalleiter

Dietmar Bender aus Auerbach ist der neue Regionalleiter in der Region 08 (Plauen, Zwickau, Aue, Klingenthal), berichtet die Freie Presse. Als Lehrer arbeitet Bender an der Lengenfelder Grundschule seit fünf Jahren. Er ist der einzige Mann in einem von Frauen dominierten Beruf. Bender ist gekonnt digital unterwegs, dreht sogar Videos für Vereinszwecke. Er wirbt für einen kritischen Umgang mit Fremdwörtern. „Statt Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu schreiben, heißt es plötzlich Members, weil es im Englischen diese Geschlechterunterscheidung nicht gibt.“ Unter solchem Umgang mit der Sprache leide ihre Schönheit und Verständlichkeit. (freiepresse.de)


4. Ankündigungen

Mängelexemplare aus dem IFB Verlag

Brich Dir die Zunge und nicht das Herz, ein Buch über den Sprechspaß durch Sprechsport von Georg Winter, mit ganz neuen Stolperversen. 418 Seiten, Leinen gebunden, jetzt 10 statt 19 Euro.

Der Anglizismenindex 2018 – Gewinn oder Zumutung? noch in der klassischen, tabellarischen Aufmachung. 336 Seiten, 8 statt 16 Euro.

Mehr über diese Sonderangebote erfahren Sie hier (pdf-Datei, 222 kB).


5. Kultur

Italienischer Schriftsteller gestorben

Bekannt wurde Andrea Camilleri in Italien, später auch in Deutschland besonders durch seine Kriminalromane um Kommissar Salvo Montalbano. Oft behandelte er heikle Themen wie Korruption, organisiertes Verbrechen und Rechtspopulismus. Im Alter von 93 Jahren ist der gebürtige Sizilianer Camilleri nun gestorben. „Dank seiner Fähigkeit, die Welt mit Ironie, Süße und kritischem Geist nachzuerzählen, hat er vielen Italienern die Literatur nahegebracht“, zitiert Focus Kulturminister Alberto Bonisoli. (focus.de, sueddeutsche.de)


6. Denglisch

Wer sich blamieren möchte, tut es auch

In der Presse gibt es, wie jedes Jahr, zahlreiche Meldungen über die Kandidatenliste des Vereins Deutsche Sprache zum Sprachpanscher des Jahres. Bisher ist jedoch keinem Redakteur aufgefallen, dass die Kreation aus dem Ministerium des Herrn Scheuer „Looks like shit. But saves my life‟ nicht bedeutet, was die Schöpfer des Textes beabsichtigen. Dabei ist die Lösung ganz einfach, denn im Deutschen gilt wie im Englischen: „Es sieht wie Scheiße aus‟ bedeutet etwas völlig anderes als „Es sieht scheiße aus.‟ Die Autoren der bekannten Werbung zum Helmtragen kennen sich offenbar weder mit der englischen noch der deutschen Sprache aus. Und das in aller Öffentlichkeit.


7. Schnipsel

Heimliche Mitarbeit

Das Erzbistum Köln macht eine Schifffahrt auf dem Rhein. Knapp 400 Menschen nehmen teil, darunter Ordensleute, Priester, Diakone und Caritasschwestern. Ebenfalls dabei sind pensionierte Mitarbeitende aus den pastoralen Diensten. Ob sie nun Rentner oder Mitarbeiter sind? Man könnte fast denken, sie hätten sich pensionieren lassen, arbeiten aber heimlich noch mit.

(Kirchenzeitung Köln, Ausgabe 28/19, 12. Juli 2019)


Mobilitätssuchende

Bildunterschrift aus einer älteren FAZ-Ausgabe, beim Aufräumen gefunden: „Die Technik des Hamburger Start-ups Wunder Mobility verbindet Autohalter mit Mobilitätssuchenden.‟ Damit könnten Mitfahrer gemeint sein.


8. VDS-Termine

22. Juli, Region 50, 51 (Köln)
Regionalversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Cöllner Hof, Hansaring 100, 50670 Köln

31. Juli, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

1. August, Region 28 (Bremen)
Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Graftwerk, Mühlendamm 1a, 27749 Delmenhorst

7. August, Region 07 (Gera, Jena)
Zweiter Stammtisch der Regionalversammlung
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Paulaner Wirtshaus Gera, Clara-Zetkin-Straße 14, 07545 Gera

8. August, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Mitgliederversammlung mit anschließendem Vortrag „Deutsch im Wandel“
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gaststätte Tante Jenny, Schiffbrücke 12, 25813 Husum

12. August, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Mitgliedertreffen
Zeit: 17:15 Uhr
Ort: Gaststätte Kaiser-Treff, Hahnerberger Straße 260, 42329 Wuppertal-Cronenberg

24. August, Region Österreich (Wien)
Stammtisch des Jungen VDS
Zeit: 20:00 Uhr
Ort: Café Ritter am Ottakring, Ottakringer Str. 117, 1160 Wien

28. August, Region 03 (Cottbus)
Mitgliederversammlung
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Hotel „Zur Sonne“, Taubenstraße 7, 03046 Cottbus

29. August, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus „Zum Bauernhaus Biestow“, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Oliver Baer, Alina Letzel

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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