Infobrief Nr. 492 (47. Ausgabe in diesem Jahr)

1. Presseschau

Muttersprachliches Weinen

Bild: pixabay / Pexels | Pixabay-Lizenz

Es klingt nach einem anstrengenden Beruf, den Kathleen Wermke, die Leiterin des Zentrums für Sprachstörungen und Entwicklungsstörungen der Universitätsklinik Würzburg, hat: Sie untersuchte über Jahrzehnte das Schreien von Babys. Nach der Auswertung des Geplärres kann Wermke nun beweisen, dass französische und deutsche Neugeborene deutliche Unterschiede in ihrer „Schrei-Melodie‟ aufweisen. Demnach produzieren deutsche Neugeborene Weingeräusche, die von einer höheren auf eine niedrigere Tonhöhe fallen, französische Babys hingegen weinen in einem steigendem Tonfall, das Schreien schwedischer Säuglinge hört sich an wie Gesang. Diese Erkenntnisse können dabei helfen, Hör- und Sprachschädigungen frühzeitig zu behandeln. (bunte.de)


Gutes Programm, wenig Geld

Deutschlands Schulen stehen vor wachsenden Herausforderungen. Deswegen arbeiten Bund und Länder seit sechs Jahren in der Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ – kurz BiSS zusammen. Kindergärten und Grundschulen sollen darin gemeinsam Methoden entwickeln, mit denen Schüler im Lesen und beim Sprachverständnis gefördert werden können. Dieses Programm wird nun verlängert und ab 2020 auch an allgemeinbildenden Schulen angeboten, neuer Name: „BISS-Transfer‟. Das teilte der Präsident der Kultusministerkonferenz und Hessische Bildungsminister Alexander Lorz mit. „Die Diversität der Niveaus, mit denen die Kinder kommen, und die daraus folgenden Herausforderungen für die Lehrkräfte, haben glaube ich noch ein ganz anderes Ausmaß angenommen‟, so Lorz auf einer Pressekonferenz. Ob allerdings die vom Bund vorgesehenen 13 Millionen Euro ausreichen werden, um das Programm an den geplanten 2.700 Schulen durchzuführen, ist wohl mehr als fraglich. (deutschlandfunk.de)


Geschlechtergerechtes Gebet

Ist es überhaupt noch zeitgemäß, Gott männlich anzureden? Diese Frage stellt sich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und stellt ihren Angestellten ab sofort „Tipps für Gottesdienste in einer zeitgemäßen Sprache“ zur Verfügung. Um die Vielfalt biblischer Gottesbilder abzubilden, solle künftig geschlechtergerecht von Gott gesprochen werden. Beispielsweise könne man abwechselnd männliche und weibliche Formen verwenden, etwa „Ewige*r“, „Lebendige*r“ oder „Schöpfer*in“. Oder statt der veralteten Form „Wir beten zu Gott, der mit uns Frieden geschlossen hat“ empfiehlt die EKHN folgendes: „Gott hat mit uns Frieden geschlossen. Zu ihm/ihr beten wir.“ Fast alle Gebete wurden nach Angaben der EKHN überarbeitet. Ziel sei es, „zu einer theologisch verantworteten, zeitgemäßen und elementaren Gebetssprache zu finden“. (idea.de)


2. Unser Deutsch

feinherb

Dies blumige Adjektiv dient heute weithin zur Klassifikation von kleinen und mittleren (also nicht hochklassigen) Weiß- und Rotweinen. Es ersetzt zunehmend das frühere halbtrocken, eine unglückliche Bezeichnung, die an Bildungen wie halbfertig, halbgar, halbstark erinnert, in denen etwas nur ‚halb‘, also nicht ganz richtig ausgebildet ist. Dies gehörte in die Skala trocken – halbtrocken – lieblich, in welcher die Menge der Restsüße, des unvergorenen Zuckers im Wein, bezeichnet wurde. Diabetiker griffen nur zu den trockenen Weinen.

Wie kam es zu der Umbenennung? Ein Kenner der Moselweine verriet mir: Es war die ehemalige Inhaberin des Weinguts ‚Reichsgraf von Kesselstatt‘ in Morscheid bei Trier, Annegret Reh-Gastner, welche die neue Bezeichnung durchgesetzt hat. Der Erfinder ist unbekannt. Aber man kann erklären, wo sich das hübsche neue Wörtchen feinherb herleitet. herb steht für ‚leicht bitter, ohne gefällige Süße‘, fein ist ein schmückendes Beiwort, das in der Weinsprache beliebt ist, z. B. in feinfruchtig, feinrassig, feinwürzig. Es veredelt als erstes Kompositionsglied die folgende Charakterisierung. Während diese drei Wörter nur zur Gruppe unverbindlicher Anpreisungen gehören, ist feinherb aufgerückt zu einem festen Terminus, der gleichzeitig klassifiziert und preist – eine gelungene verbale Kreation.

Bleibt noch zu klären, woher eigentlich die Zuordnung trocken für die Weine kommt. Sie begegnet uns schon in Quellen des 14. Jahrhunderts für durchgegorenen, auch umgeschlagenen Wein. Andere Verwendungen von trocken lassen vermuten, was damit gemeint war. Denken wir an trockene Haut (der es an Fett fehlt) oder an trockenes Brot (ohne Aufstrich) oder wenn ein Alkoholiker sagt, er sei jetzt trocken. Immer fehlt etwas. So auch beim Wein: Es fehlt die Süße. Zum Glück ist das gar kein Mangel. Denn COS, die Dreiheit von Color, Odor, Sapor, von ‚Farbe, Geruch, Geschmack‘, welche schon die Römer benutzten, bietet eine Fülle von Möglichkeiten, das Lob des Weines zu singen.

Horst Haider Munske

Der Autor ist Professor für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Vereins Deutsche Sprache e. V. Ergänzungen, Kritik oder Lob können Sie schicken an: horst.munske@fau.de

3. Kultur

Plattspots – Kurzfilme auf Platt

Plattdeutsch ist lebendig und cool – das will der Flensburger Kurzfilmwettbewerb „Plattspots“ vermitteln, der in diesem Jahr bereits zum dritten Mal ausgetragen wurde. Bedingung für die Teilnahme war, dass der Film eine Spiellänge von drei Minuten nicht überschritt und tauglich für die sozialen Medien sein musste. Aus insgesamt 24 Einsendungen kamen elf in die engere Auswahl und liefen im Kino. Die überzeugendsten Filme wurden schließlich im Flensburger Kino „51 Stufen“ ausgezeichnet. Der Gewinnerfilm stammt von Frank Jakobs und trägt eine gute Portion Komik und Ironie in sich. Das Bild zeigt eine unkundige Dame, die nach dem Weg fragt. Der Hauptdarsteller antwortet daraufhin freundlich und hilfsbereit – jedoch auf Plattdeutsch, was der Dame gar nicht gefällt. Sie reagiert genervt, gestikuliert in die Kamera und sagt: „Das Beste an Platt ist, dass diese Sprache bald ausstirbt.“ Im nächsten Moment dreht sie sich um, läuft über die Straße und wird von einem Auto überfahren. Hätte sie doch lieber nicht gemeckert. Die besten elf Filme sind hier anzusehen: flensburger-kurzfilmtage.de. (ndr.de)


4. Berichte

Saarländischer Mundartpreis 2019

Heutzutage muss alles schnell gehen. „Dabber“ nennt sich das in der saarländischen Mundart. So lautete auch das Thema des diesjährigen Saarländischen Mundartpreises. „Egal, ob im Privatleben oder im Beruf, man rennt durchs Leben“, erklärt SR3-Mundartexpertin Susanne Wachs zur Themenstellung. Bei der Preisverleihung am 22. November wurden die besten Einsendungen aus den Kategorien Schüler-Text sowie Kurztext geehrt. Zusätzlich vergab der Verein Deutsche Sprache noch einen Sonderpreis an Susanne Becker aus St. Wendel für ihren Text, der sich inhaltlich für die Erhaltung der Mundart einsetzt. Wer „Saarlännisch“ lesen kann, findet den Text von Susanne Becker hier: sr.de. (sr.de)


Tag der Deutschen Sprache in Benin

Nicht nur in Deutschland feiert man jährlich den Tag der deutschen Sprache. Auch im westafrikanischen Staat Benin organisierte die Regionalvertretung aus diesem Grund eine Veranstaltung. Es kamen Schüler, Lehrer und deutsche Vereine zusammen, um sich über die deutsche Sprache auszutauschen. Dabei wurden auch künstlerische Aufführungen und Sketche dargeboten. Die Höhepunkte der Veranstaltung gibt es hier zu sehen: youtube.com.


5. Denglisch

Lieber Deutsch als Denglisch

„Es schneit“, „Wie schön, dass du geboren bist“ oder auch „Die Weihnachtsbäckerei“ – wer Kinder hat, kommt um Rolf Zuckowski nicht herum. Der Musiker hat Generationen von Kindern und Eltern mit seinen Texten begleitet – und die sind auf Deutsch. Das ist für Zuckowski ganz selbstverständlich. Auf Deutsch könne er sich besser mitteilen, „Denglisch ist nicht meine Welt“, sagt er. Nur in seiner Muttersprache könne er Ohr und Herz der Kinder zugleich erreichen. (idowa.de)


Sundays for Peace

Resignation – die klingt ein Stück weit heraus, wenn man den Neustädter Bürgermeister Rupert Troppmann über den Begriff sprechen hört, den er selbst geprägt hat: Sundays for Peace. Mit ihm will er die jüngere Generation für den Trauermonat November sensibilisieren. „Leider erwecken Anglizismen mehr Modernität als die aussagekräftigeren deutschen Bezeichnungen“, sagt Troppmann – es klingt ein Stück weit wie eine Kapitulation; doch damit ließe sich die Jugend eben eher erreichen. Denn der Volkstrauertag sei nicht antiquiert – noch immer gebe es zahlreiche Konflikte auf der Welt, an die der Volkstrauertag erinnert, mahnt Troppmann. (onetz.de)


6. Termine

29. November, Region 17 (Neubrandenburg, Greifswald)
Vortrag: Mut zum Widerstand. Heinrich Graf Lehndoeff. Erziehung, Bildung, Sprache
Referentin: Vereinsmitglied Gisela Krull
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Hotel Schlossgarten, Tiergartenstr. 15, 17235 Neustrelitz

29. November, Region 25 (West-Schleswig-Holstein)
Informations-/Diskussionsveranstaltung mit Vortrag: Die deutsche Sprache – ein Pflegefall?
Referent: VDS-Geschäftsführer Dr. Holger Klatte
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Gemeindehaus der Rellinger Kirchengemeinde, Hauptstraße 36a, 25462 Rellingen

1. Dezember, Region 42 (Wuppertal, Remscheid, Solingen)
Region Bergisch-Land auf Sendung: „Deutschland ist (D)englischland“, Radio Wuppertal (UKW 107,4 MHz bzw. im Internetradio), nach den Nachrichten
Zeit: 19:00 Uhr

2. Dezember, Region 52 (Aachen)
Vortrag: Fack ju Deutsch 3 – Was geschieht mit unserer Sprache?
Referent: Regionalleiter der Region 52 Claus Günther Maas
Zeit: 19:00 – 20:30 Uhr
Ort: VHS Jülicher Land, Am Aachener Tor 16/1A, 52428 Jülich

3. Dezember, Region 28 (Bremen)
Mitgliedertreffen / Treffen der Sprachfreunde Bremen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant 1783 (Kaffeezimmer), Am Markt 13, 28195 Bremen

9. Dezember, Region 20/22 (Hamburg)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:30 Uhr
Ort: Hotel Ibis Alsterring, Pappelallee 61, 22089 Hamburg

10. Dezember, Region 65 (Wiesbaden/Kelkheim)
Mitgliedertreffen
Zeit: 19:00 Uhr
Ort: Restaurant Europa, Stadthalle Kelkheim, Gagernring 1, 65779 Kelkheim (Taunus)

9. Januar, Region 18 (Rostock)
Mitgliedertreffen
Zeit: 18:00 Uhr
Ort: Gasthaus Zum Bauernhaus Biestow, Am Dorfteich 16, 18059 Rostock

IMPRESSUM

Der VDS-Infobrief enthält Neuigkeiten der vergangenen Woche zur deutschen Sprache. Männer sind mitgemeint, das Gleiche gilt für andere Geschlechter. Namentlich gekennzeichnete Beiträge spiegeln mitunter die Meinung der Redaktion.

Redaktion: Holger Klatte, Alina Letzel, Dorota Wilke

© Verein Deutsche Sprache e. V.

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